Der Hexenbürgermeister/-jäger

Tempus

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Herman(n) Cothman(n) (* 1629 in Lemgo, + 1683 ebd.) wurde am 1. Mai 1629 in Lemgo (-> Lemgo, Stadt) geboren, der damals größten Stadt der westfälischen Grafschaft Lippe.

Nach dem Schulbesuch in Lemgo, Osnabrück und Herford studierte Hermann Cothmann 1649-51 in Rostock und 1657-59 in Jena insgesamt acht Semester Jura. In der Zwischenzeit war er bei einer Adelsfamilie auf Rügen als Hofmeister angestellt, verfolgte aber auch dort gerichtliche Auseinandersetzungen mit und gelangte schließlich als Begleiter seines Schützlings wieder an die Universität. Geldmangel und soziale Isolation - der schlechte Ruf seiner hingerichteten (durch Hexenprozess) Mutter hing ihm an - trübten die Studienzeit.

1661 kehrte Cothmann nach Lemgo zurück und trat die juristische Praxis an. Nachdem inzwischen auch der Vater verstorben war, konnte eine Zwangsversteigerung des belasteten und verfallenen Elternhauses nur mit Mühe verhindert werden. Am 12. Februar 1663 heiratete er Christina Elisabeth, eine Tochter des fürstlich osnabrückischen Vogts Wilhelm de Baer zu Dissen. Am 28. November desselben Jahres leistete er den Bürgereid.

Für seine nun folgende rasche politische Karriere in der Stadt war entscheidend, daß er schnell Eingang in den Personenkreis um den mächtigsten Mann der Stadt fand, den langjährigen Bürgermeister Dr. Henrich Kerkmann. Dieser designierte Cothmann gleichsam zu seinem Nachfolger, indem er ihn am 16. Januar 1666 durch den Stadtrat zum "Directore des Peinlichen Processus c[on]t[ra] die Unholden und Hexen" wählen ließ. Die Nachfolgefrage war zu dieser Zeit aus mehreren Gründen akut geworden: Die Führungsspitze des Rates war selbst für frühneuzeitliche Verhältnisse völlig überaltert, und mit der Selbstbezichtigung eines jungen Mädchens hatte sich 1665 eine neue Hexenprozeßwelle angekündigt - nach 1628/37 und 1653/56 sollte es die dritte große in diesem Jahrhundert werden. Denn Cothmann setzte die Tradition seines Vorgängers Kerkmann, eines für seine unbarmherzige Strenge berüchtigten Juristen und Spezialisten für die Hexenverfolgung, so intensiv fort, daß er bereits im ersten Amtsjahr 37 Todesurteile fällte.

Im Januar des folgenden Jahres 1667 wurde er zum Bürgermeister gewählt und übte diese Funktion mit Ausnahme von 1669 und 1674 ununterbrochen bis zu seinem Tod aus - bis dahin ein einmaliger Fall in der Lemgoer Stadtgeschichte, da bislang die umschichtige Regierung von zwei verschiedenen Ratsbesetzungen üblich gewesen war. In den Jahren 1665-69, 1675/76 und 1681 fielen den Hexenverfolgungen rund hundert Menschen zum Opfer, davon der überwiegende Teil unter seiner Verantwortung. Unter den Hingerichteten waren überdurchschnittlich viele Männer und Angehörige der oberen bürgerlichen Schichten.

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Als die Verfolgungen in Lemgo immer noch andauerten, obwohl man sich vielerorts schon davon distanziert hatte, sprach schließlich sogar das Reichskammergericht vom "blutdürstigen Gemüth des unbarmhertzigen Richters und Bürgermeisters Kothmann". Zu dieser Zeit, um 1682, führte die nach einem Hexenprozeß der Stadt verwiesene Maria Rampendahl durch ihren Ehemann einen Prozeß gegen die Obrigkeiten in Lemgo und Detmold, der schließlich für den schweren Vorwürfen ausgesetzten Rat gerade noch glimpflich ausging. Cothmann starb wenige Tage nach der Urteilsverkündung an einer langwierigen fiebrigen Erkrankung; nach seinem Tod wurde eine Wiederaufnahme des zuletzt heftig umstrittenen Hexenprozesses vom Rat nie mehr erwogen. Das Image einer Hochburg der Hexenverfolgung blieb gleichwohl an Lemgo haften. Indem sich die Erinnerung an sein Wohnhaus mit der prächtigen Renaissance-Fassade (" Hexenbürgermeisterhaus ") knüpfte, behielten die Lemgoer Cothmann als dämonischen "Hexenbürgermeister" im Gedächtnis.

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Das Hexenbürgermeisterhaus : http://www.lemgo.de/hexenbuergermeisterhaus.htm

Einige Folterinstrumente :
Daumeschraube : http://www.eutropia.com/pictures/thu//CHRISTOPH/ROTHENBURG/10121202/PICT4276.JPG
Stachelstuhl : http://www.eutropia.com/pictures/thu//CHRISTOPH/ROTHENBURG/10121202/PICT4269.JPG
Mundknebel : http://www.sfn.uni-muenchen.de/hexenverfolgung/thumbs/folterinstrument_3.jpg
 
Die Quelle der von dier zitierten Passagen solltest du schon aus Gründen des Urheberrechts angeben:
http://www.sfn.uni-muenchen.de/hexenverfolgung/frame_lexikon.html?art749.htm

Tempus schrieb:
Das ist ein Szenario, das eher dem Fremdenverkehr denn den wissenschaftlichen Erkenntnissen huldigt:

Folterinstrumente gehören zu den Sachzeugen der alten Kriminalgerichtsbarkeit. Ihre wissenschaftliche Erforschung fällt in das Fachgebiet der Rechtsarchäologie. Gesammelt und ausgestellt werden sie in den historischen und kulturgeschichtlichen Museen, in denen sie häufig zu den spektakulären Objekten gehören, die in besonderer Weise das Besucherinteresse auf sich ziehen. Auch im Hexenbürgermeisterhaus, dem Städtischen Museum in Lemgo (-> Lemgo, Stadt), gehören die Folterinstrumente im sog. Folterkeller, der eine museale Inszenierung aus den 1930er Jahren darstellt, zu den Objekten, auf die sich die Aufmerksamkeit der Besucher(innen) vor allem richtet.

http://www.sfn.uni-muenchen.de/hexenverfolgung/frame_lexikon.html?art806.htm
 
Wie ich dir auf deine Nachricht auch schon privat geantwortet habe,habe ich die Quellenangabe leider vergessen. Dies kommt nicht wieder vor und war keinesfals meine Absicht,da wenn man sich meine anderen Beiträge anschaut,soweit sie Zitate sind,immer eine Quellenangabe haben. Bitte hiermit nochmals um Entschuldigung meines Fehlers.

Um auf dein angesprochenes "Szenario" zukommen :
Natürlich ist der im Hexenbürgermeisterhaus dargestellte Folterkeller inszeniert, um das Hexenbürgermeisterhaus für Touristen interessanter zumachen und kein ehemaliger Hexenprozess wird alle diese Objekte benutzt haben,jedoch wurden sehr wohl einige in Hexenprozessen benutzt.

Es wurden spezielle bei den Lemgoer Hexenprozessen wahrscheinlich auch nicht genau die ausgestellten Instrumente benutzt,jedoch Artgleiche.

Außerdem wurden nicht in jedem Hexenprozess erwähnte Folterinstrumente benutzt,sondern es gab verschiedenste Methoden eine angebliche Hexe zuentlarven.
Als Beispiel nenne ich nur die Wasserprobe,bei der der angeblichen Hexe Arme und Beine hinter dem Rücken zusammen gebunden wurden und sie dann ins Wasser (in Lemgo speziell in den Burggraben,des Wesserrenaissance Schloßes zu Brake) geschmießen wurde. Wenn sie dann unterging (und dadruch dann oftmals ertrank) war sie keine Hexe und wenn sie oben blieb war sie mit dem Teufel im Bunde (=>Hexe). Man erkennt schnell die Schlüpfrigkeit dieser "Erkennungsmethoden".

Eine angeklagte Hexe wurde meistens solange gequält bis sie alles zugab was man von ihre wollte und wurde dann hingerichtet,wenn sie nich schon vorher im Verlauf des Prozesses starb.
Jeder konnte jeden anklagen eine Hexe(r) zu sein und der Angelagte konnte nur in seltensten Fällen das Gegenteil beweisen.

Dies ist belegt durch verschiedene Berichte von Hexenprozessen,die im Stadtarchiv Lemgo vorliegen.

Nur am Rande,bin Lemgoer :)
 
Am Beispiel Lemgo kann man wunderbar eine Wurzel des heute so verstörenden und so schwer verständlichen Phänomens der Hexenverfolgung erkennen.

Die Grafschaft Lippe ging mit dem Bekenntniswechsel des Grafen Simon VI. zu Beginn des 17. Jahrhunderts vom Luthertum zum Calvinismus über. Dieses fast schon archetypische Modell einer Fürstenreformation stieß im Territorium nur auf wenig Begeisterung; weder die Landstände noch die Städte, geschweige denn die Untertanen konnten besonders viel mit dem rigorosen, strengen Zug dieser Konfession anfangen. Organisierter Widerstand dagegen regte sich allerdings kaum, die Macht der landesherrlichen Seite war zu stark - allerdings mit einer bemerkenswerten Ausnahme: Die Stadt Lemgo beharrte auf ihrer lutherischen Religionsausübung.

Tatsächlich konnte sich Lemgo, die größte Stadt Lippes, durch juristischen wie militärischen Widerstand eine eigene Religionsfreiheit sichern, man blieb lutherisch in einem zunehmend calvinistisch geprägten Territorium. Was eigentlich ein Gewinn für die Bürger war, stellte sich bald als Problem heraus. Jenseits der Mauern lebten bald nur noch "Ungläubige", die Bürger waren von einer Partizipation an der Landespolitik am Hofe ausgeschlossen, man wähnte sich in einer Welt voller ketzerischen Feinde und konnte nichts dagegen tun. Lemgo blieb eine Insel ohne einen Horizont über die eigenen Kirchtürme heraus. In diesem Klima permanenter Bedrohung des eigenen Seelenheils, einer gewissen Wagenburg-Mentalität und einer scheinbar überall lauernden Gefahr für die eigenen religiösen Werte musste ein Phänomen wie die Hexenverfolgung, die Gefahr für den eigenen Glauben durch eine vermeintlich teuflische Sekte, mit besonderer Schärfe auftreten. Die Existenz der eigenen konfessionellen Welt war hier stärker als anderswo bedroht und mit größerer Rigorosität und Härte ging man dagegen vor. Der traurige Höhepunkt dieser Entwicklung findet seine Personifizierung in dem Hexenbürgermeisters Cothmann.
 
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