Kinderhexen

Kassia

Aktives Mitglied
...und noch eine Frage: Wer weiß Näheres über Kinderhexen, also Kinder die der Hexerei bezichtigt wurden?
Das ist nicht sehr präzise gefragt, ich weiß. Letztens habe ich ein Buch gelesen, von Eveline Hasler: Die Vogelmacherin. Das ist zwar ein romanhafte Aufarbeitung, basiert aber auf zwei authentischen Fällen. Die Autorin fürgt am Ende des Buches die Verhörprotokolle hinzu.
Und es sind eben nur zwei Fälle, gab aber sicher noch mehr.
Wann? (gab es Hoch-Zeiten?)
Wo? (regionale Schwerpunkte?)
Wer war besonders gefährdet? (sozialer Hintergrund; evtl. mißdeutete Anzeichen von mystischer Begabung; "Sippenhaft"?)
Hat sich jemand speziell für die Kinder eingesetzt?
Gab es Unterschiede zu Prozessen von Erwachsenen?

Fragen über Fragen...

LG Kassia
 
Moin,

...und noch eine Frage: Wer weiß Näheres über Kinderhexen, also Kinder die der Hexerei bezichtigt wurden?

der Autor Joachim Fernau scheint ja in Historikerkreisen teilweise eine polarisierende Wirkung zu haben, ich mag seine Bücher trotzdem. In seiner Liebesgeschichte der Deutschen "Und sie schmämeten sich nicht" listet er eine ganze Reihe von Hinrichtungen auf, die alleine aus den Jahren 1627 bis 1629 stammen sollen, sich auf Würzburg beschränken und die man demnach den Prozessakten der Stadt entnehmen kann. Die etwa 30 Fälle enthalten mindestes 8 Hinrichtungen von Kindern. In der Liste heißt es etwa:

- ein fremd Mägdlein von 12 Jahren
- ein klein Mägdlein von neun Jahren
- ein geringeres, ihr Schwesterlein
(- der zwei Mägdlein Mutter)
- ein Knab in der Schule
(...)
- ein blind Mägdlein

Das ist natürlich nicht als statistische Aussage zu verstehen, sondern eine von mir getroffene Selektion aus einer ohnehin schon herzzerreissenden Selektion Fernaus. Aber Hinrichtungen von Kindern wegen Hexerei scheinen jedenfalls in dieser späten Phase der Inquisition keineswegs die Ausnahme gewesen zu sein.
 
Zitat aus dem knappen Überblickswerk von Wolfgang Behringer, "Hexen", München 2002:

Als Problemgruppen blieben am Ende jene Delinquenten übrig, deren Eigenschaften/Charakteristiken im Zeugenstand auch heutige Juristen zur Verzweiflung treiben können: labile, seelisch gestörte Personen und Kinder, denen Geständnisse nicht abgepresst werden mußten, sondern die von sich aus tolle Phantasien über Verwandte und Nachbarn äußerten. [...] Als 1629 in Aschaffenburg ein Newer Tractat von der verführten Kinder Zauberey gedruckt wurde, hatte sich die Anfälligkeit von Kindern für das Hexenwesen bereits als Topos tief in die dämonologische Literatur gegraben. Bereits der Hexenhammer war davon ausgegangen, daß die Kinder von Hexen wieder Hexen seien, doch während der großen Verfolgungen des ausgehenden 16. Jahrhunderts zeigte sich, daß alle möglichen Kinder an der Generierung von Hexereiverdächtigungen beteiligt sein konnten. Als nach Beendigung der großen Verfolgungen bei den Erwachsenen Ernüchterung einkehrte, stellte sich heraus, daß die Phantasie von Kindern nicht zum Stillstand zu bringen war. In manchen Fällen ventilierten sie Hexereiverdächtigungen mit einer Hartnäckigkeit, daß die Obrigkeiten tätig werden mußten. [...] Ein Großteil der späten Hexenprozesse wurde tatsächlich durch Kinder ausgelöst. Dieser Umstand könnte dazu beigetragen haben, daß das Zeitalter der Aufklärung der Pädagogik so große Aufmerksamkeit schenkte.
 
Ich besitze ein Buch, "Hexenprozesse gegen Kinder im alten Württemberg"
bei Interesse kann ich die Daten heute abend durchgeben.

Grüße Repo
 
Das würde ich bitten, strenger zu trennen!

wäre es zuviel verlangt, diese Bitte etwas fundierter zu erläutern? Ich hatte Fernau zitiert und er gebraucht beide Ausdrücke genauso, wie ich es wiedergegeben habe. Ich sehe offen gestanden auch keinen groben Fehler.
 
Wolfgang schrieb:
Aber Hinrichtungen von Kindern wegen Hexerei scheinen jedenfalls in dieser späten Phase der Inquisition keineswegs die Ausnahme gewesen zu sein.

Zunächst: Inquisition und Hexenverfolgung sind zweierlei.

Während in Würzburg 1628 die Hexenprozesse zum Stillstand kamen, erreichten sie in Wertheim mit der Verfolgungswelle der Jahre 1629-1634 ihren Höhepunkt. Neunzehn Hinrichtungen sind in diesen Jahren nachweisbar. Schwerpunkte bildeten dabei die Stadt Wertheim sowie der Grafschaftsort Unterwittbach im Spessart, hinzu kommen 1629 Anklagen gegen zaubernde Kinder aus Bettingen, von denen allerdings keines hingerichtet wurde [Meier 2002]. Wann diese Verfolgungen begannen, ist unsicher. Vom Ende des Jahres 1628 datieren mehrere Schreiben aus der Bevölkerung sowie von Geistlichen an die Grafen, die zur energischen Verfolgung der Hexen auffordern.

http://www.hexenforschung.historicum.net/etexte/werth.htm

Eine sehr detaillierte Darstellung zum Thema findest du hier:

"Kindermund tut (nicht immer) Wahrheit kund"
Betrachtung zur Rolle der Kinder in europäischen Hexenprozessen (unter Berücksichtigung südosteuropäiscner Magievorstellungen)
Diplomarbeit an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz. 2003 von Sabine Seidel


http://www.hexenforschung.historicum.net/mag/kinderhexen.html
 
Zunächst: Inquisition und Hexenverfolgung sind zweierlei.

das ist richtig. Nationalsozialismus und Judenverfolgung sind auch zweierlei. Die Judenverfolgung war auch in der spätesten Phase des Nationalsozialismus nicht die Ausnahme.

Mal im Ernst, wenn es hier um einen ernsten sachlichen Fehler geht, dann klärt mich auf. Wenn es nur Rechthaberei geht, dann gebe ich Dir und Don Quijote einfach recht, soviel Ihr wollt.
 
Wolfgang schrieb:
Mal im Ernst, wenn es hier um einen ernsten sachlichen Fehler geht, dann klärt mich auf. Wenn es nur Rechthaberei geht, dann gebe ich Dir und Don Quijote einfach recht, soviel Ihr wollt.

Sorry,
Inquisition ist eine kirchliche Institution, Hexenprozesse wurden vor "staatlichen" und nicht vor "geistlichen" Gerichten geführt.
Wenn du das detaillierter wissen willst:
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?p=145432#post145432
 
Mercy schrieb:
Sorry,
Inquisition ist eine kirchliche Institution, Hexenprozesse wurden vor "staatlichen" und nicht vor "geistlichen" Gerichten geführt.
Wenn du das detaillierter wissen willst:
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?p=145432#post145432

Dem muß ich an der Stelle beipflichten - wir müssen Inquisition und Hexenprozesse voneinander trennen, zumal zudem die Inquisition eine rein katholische Angelegenheit ist, während die Hexenprozesse sowohl in katholischen wie auch in evangelischen Gebieten stattfanden.
 
Dem muß ich an der Stelle beipflichten - wir müssen Inquisition und Hexenprozesse voneinander trennen, zumal zudem die Inquisition eine rein katholische Angelegenheit ist, während die Hexenprozesse sowohl in katholischen wie auch in evangelischen Gebieten stattfanden.

okay, ich beginne zu verstehen. Aber beinhaltet die auf ein formaljuristisches Kriterium reduzierte Abgrenzung nicht ein Problem in sich? Ich gebe es mal überspitzt wieder: Die katholische Inquisition hat nichts mit der Hexenverfolgung zu tun, weil es bei der Inquisition um eine kirchliche Institution geht, während bei den Hexenprozessen weltliche Richter den Vorsitz hatten.

Ist das wirklich die herrschende Meinung? Dann ist die (katholische und protestantische) Kirche ja fein heraus.

Darf ich kurz den strittigen Satz wiederholen, bevor Ihr antwortet?

Aber Hinrichtungen von Kindern wegen Hexerei scheinen jedenfalls in dieser späten Phase der Inquisition keineswegs die Ausnahme gewesen zu sein.
 
Und endlich noch ein seriös aussehendes DOkument:
http://www.hexenforschung.historicum.net/mag/kinderhexen.html

Eine traurige Geschichte. Es ist für mich unvorstellbar, wie man zu dem Schluss kommen kann, ein Kind für Unglück verantwortlich machen zu wollen, zu glauben, dass das Kind von bösen Mächten besessen sei und noch schlimmer ist für mich, mir vorstellen zu wollen, was mit den Kindern passiert. :weinen: Ich wünsche mir sehr, dass die Welt irgendwann - und das bald - so aufgeklärt ist, dass es eben nicht dunkle Mächte sind, die Unglück bringen, sondern dass es der Mensch ist und er verantwortlich ist dafür. Und ganz sicher sind es nie unschuldige Kinder. Sorry, das war wenig historisch, aber kam bei dem Thema so hoch.
 
Wolfgang schrieb:
Ist das wirklich die herrschende Meinung? Dann ist die (katholische und protestantische) Kirche ja fein heraus.

Darf ich kurz den strittigen Satz wiederholen, bevor Ihr antwortet?

Du zitierst hier offensichtlich Fernau, das mag seine Meinung sein, wissenschaftlich ist das aber nicht korrekt.

Die Verstrickung der Kirchen in diese Hexenprozesse bleibt aber nach wie vor ein Skandalon. Beide (vereinfacht) Konfessionen hatten Befürworter und Gegner dieser Verfahren, wobei sich letztlich die Gegner durchsetzten.
 
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