Menschenbilder zur Zeit des Columbus

iamNex

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In "Columbus und seine Zeit" von Alfred Kohler (C.H. Beck Verlag, München 2006) heißt es:

"Die Indianer seien gut, schön, harmlos, größzügig - ein Pauschalurteil, das sofort ins Gegenteil umschlägt, sobald es zu kriegerischen Zusammenstößen kommt. Unterschiede der Lebensweise verschiedener ethnischer Gruppen werden nicht beachtet, und alles das, was den Kulturbesitz der fremden Völker ausmacht, wird kaum je erwähnt. Von der Feststellung, die Indianer seien auch Menschen, springt kein belebender Funke auf das Interesse für Geschichte und Gegenwart der Eingeborenengesellschaft über. [...]"
(s.174)

In den Kapiteln davor wird unter anderem beschrieben, wie Expeditionen der katholischen Könige in Afrika Menschen versklavten.
Wurde das dann damit gerechtfertigt, dass Afrikaner keine Menschen seien?
So ganz erschließt sich mir das nicht, denn auf anderer Seite wird davon gesprochen, dass man eine Zeit lang reges Interesse an den Beziehungen zu Äthopien hatte.

Für mich klingt das gerade so, als hätte man die Afrikaner nicht als Menschen angesehen - wieso kümmerte man sich dann um ihre Missionierung?

Und an welchen Kriterien stellte man denn fest, die "Indianer" seien auch Menschen?

Cheers,

Nex
 
In den Kapiteln davor wird unter anderem beschrieben, wie Expeditionen der katholischen Könige in Afrika Menschen versklavten.
Wurde das dann damit gerechtfertigt, dass Afrikaner keine Menschen seien?

Meiner Einschätzung nach wurde das eher damit gerechtfertigt, daß in Leviticus 25:44 steht, daß man heidnische Sklaven haben kann. Dazu sollte ich jedoch anmerken, daß ich das aus der englischen King James' Bible habe und keine Ahnung habe wie es sich damit in einer katholischen Ausgabe verhält, und das das Argument das man sich eben nur "heidnische" Sklaven halten dürfe in England von Wichtigkeit war, wo das Christentum eines Sklaven teilweise über Gerichtsbeschluss zur Freilassung desselben führen konnte.

Wie es sich bei den katholischen Königen in der Hinsicht verhielt, kann ich nicht beurteilen, aber ich erinnere mich vor vielen Jahren mal einen anthropologischen Artikel gelesen zu haben, in dem davon die Rede war, daß spanische Missionare in Südamerika nach der Entdeckung "Experimente" durchgeführt haben um festzustellen ob die Einwohner Seelen hatten, oder nicht. Der Besitz einer Seele und der Übertritt zum Christentum hätte dann wohl den "Menschen" ausgemacht.


Nachtrag:
Ich hab' mal nachgeschaut und in der Luther Bibel von 1545 steht: Willst du aber leibeigene Knechte und Mädge haben, so sollst du sie kaufen von den Heiden die um euch her sind.

Elberfelder (1871): Was aber deinen Knecht und deine Magd (O. deinen Sklaven und deine Sklavin) betrifft, die du haben wirst: von den Nationen, die rings um euch her sind, von ihnen möget ihr Knecht und Magd kaufen.

Die älteste französische Bibel die ich auf die Schnelle finden konnte, von 1744, sagt ähnlich wie die Elberfelder nichts über Heiden, sondern spricht von benachbarten Nationen. Neuere südamerikanische spanische Versionen der Bibel benutzen das Wort "paganas" im Bezug auf Sklaven. Bei Latein hört's leider bei mir auf...
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Behandlung der Indianer darf nicht isoliert betrachtet werden.
Sklaverei war in Spanien durchaus noch üblich. z. B. Versklavung der Guanchen (Ureinwohner der Kanaren), Sarazenen und schließlich bereits in vorkolumbianischer Zeit ein Handel mit Afrikanern.
Der wesentliche Unterschied ist die fatale Anfälligkeit der Indianer für die Krankheiten der alten Welt.

Die entsprechende päpstliche Bulle von 1537, die erklärt Indianer hätten eine Seele, seien Menschen, verbietet die Sklaverei als ganze, jede Versklavung von Menschen, insbesondere auch die von Heiden!

Die Bulle weist aber auch auf gegenläufige Behauptungen hin:
Die Einführung der Sklaverei wird an der Stelle, dem Teufel angelastet, der die Bekehrung der Indianer verhindern möchte. Diesem lasstet er auch eine Irrlehre an, die Indianer seien gar nicht dazu in der Lage katholisch zu werden:
Daraufhin ersann er eine bislang nie gehörte List, um die Verkündigung des Wortes Gottes an die Völker und damit deren Heil zu hintertreiben: Er veranlasste nämlich einige seiner Helfershelfer, die nichts anderes begehrten, als ihre Habsucht zu befriedigen, dass sie unablässig daraufhin arbeiteten, die Bewohner West- und Südindiens und andere Nationen, von denen wir Kunde erhalten haben, wie Tiere zum Sklavendienst einzuspannen. Sie schützten dabei vor, diese Leute könnten des katholischen Glaubens nicht teilhaftig werden.
Offensichtlich haben wir es hier mit einer Ohnmacht der Kirche und Papstes zu tun. An das entsprechende Verbot wurde sich in der Folge nicht gehalten.
 
Neuere südamerikanische spanische Versionen der Bibel benutzen das Wort "paganas" im Bezug auf Sklaven. Bei Latein hört's leider bei mir auf...

Lat. paganus, pagana zu span. pagano, pagana bedeutet 'Heide'. Das ist von lat. pagus abgeleitet, 'Dorf', 'Gau'. Der Heide war also der Landbewohner in Abgrenzung zum schneller christianisierten Stadtbewohner.

Weshalb man die Afrikaner als Sklaven sah? Noah hatte drei Söhne: Sem, Ham und Japhet. Nach der Sintflut waren diese mit ihren Familien die einzigen Menschen. Irgendwann einmal war Noah betrunken und bemerkte nicht, dass seine Juwelen entblößt waren. Ham, der das sah, belustigte sich über seinen Vater, der ihn dafür bestrafte, indem er ihn zum Knecht seiner Brüder erklärte. Da Hams Nachfahren sich nach Afrika orientierten wurden quasi alle Afrikaner zu Hamiten (der Ausdruck der hamitischen Sprachfamilie für die nordafrikanischen Sprachen hat sich ja bis heute erhalten).
Da man vom 16. bis ins 19. Jhdt. die Bibel wörtlich genommen hat, war damit die "natürliche" Sklaverei von Schwarzafrikanern begründet.
 
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