Zustände auf den Pilgerfahrten ins heilige Land, Ende des 15. Jh.

Galeotto

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Ich habe gerade die Berichte von der Pilgerfahrt des Mönchs Felix Fabri gelesen und denke, dass das vielleicht Einige interessieren könnte. Deshalb möchte ich hier einmal darüber schreiben.
Venedig hatte sich im ausgehenden 15. Jh. auf den Transport von Pilgern aus allen Teilen Europas spezialisiert und rüstete für die Sammeltransporte große Handelgaleeren (Galia Grossa)um. Der Pater Felix Fabri(Faber), aus Ulm, begleitete mehrere deutsche Adlige, auf deren Wallfahrt nach Jerusalem und schrieb ebenso wie der Ritter von Breydenbach seinen Reisebericht nieder.
In Venedig angekommen deckte sich die Reisegesellschaft mit dem Nötigsten ein und handelte mit dem Patron einer Galeere den Reisepreis aus. Man könnte diese Fahrten durchaus als eine frühe Art der Pauschalreise bezeichnen, denn in dem Fahrtpreis von 50 Dukaten waren neben Hin-und Rücktransport, Verpflegung, Zölle die von den Sarazenen erhoben wurden und der Eselsritt von Jaffa nach Jerusalem enthalten.
Der Laderaum der Galeere wurde mit Kojen, die dicht nebeneinander, in zwei Reihen standen, ausgestattet. Ohne Rücksicht auf Stand und Rang wurden die Pilger dort untergebracht, so dass Adlige neben ihren Dienern und Kaufleuten und Handwerkern lagen. Da alle den gleichen Reisepreis bezahlt hatten, gab es keine Privilegien ,außer, dass hochgestellte Damen ein sepatates Quartier im Heck des Schiffes zur Verfügung gestellt bekamen. Fabri schildert die Zustände, die auf einer solchen Großgaleere herrschten, sehr anschaulich. Die Reisenden hatten für eventuelle Bedürfnisse, je ein irdenes Gefäß neben ihren Kojen stehen. Am Morgen waren diese Nachttöpfe zum größten Teil umgefallen oder umgestoßen und verwandelten den ,ohnehin stickigen Raum, in ein entsetzlich stinkendes Loch. Wer nach dem aufstehen seinen Darm erleichtern wollte, mußte zum Rammsporn der Galeere gehen, an dem einige Sitze mit Loch angebracht waren. Dort bildeten sich oft lange Schlangen von Wartenden, die schimpfend und fluchend, diejenigen, die einen der begehrten Lokusplätze ergattert hatten zur Eile antrieben.
Am Morgen ,wurde, nach der Andacht , von der Bordkapelle, die aus vier Posaunisten bestand, zum Essen an einen großen Tisch auf dem Achterkastell gerufen, worauf die Pilger wieder losrannten ,um einen Platz daran zu ergattern.Pater Fabri wunderte sich in senem Buch, darüber, dass kein Gemeiner, der sich hingesetzt hatte,einem Adligen Platz machte, sondern diese, wenn sie zu spät kamen, bei den Ruderern essen mussten. Er bezeichnete das als Mangel an Ordnung. Essen wurde reichlich aufgetragen und der Patron und die Offiziere der Galeere aßen ein bescheideneres Mahl als die Pilger.
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Bordküche mit Stall für Vieh als Lebendproviant auf einer Pilgergaleere
Viele der Pilger versammelten sich um den Großmast herum, dem sogenannten Schiffsforum, um zu plaudern oder dem Glücksspiel nachzugehen, bei dem Mancher seine gesamte Reisekasse verspielte. Fabri, als Mönch, tadelte natürlich dieses Verhalten auf einer frommen Wallfahrt, mit mäßigem Erfolg.
In den Nächten kehrte kaum Ruhe im Laderaum ein, da ständig einige Nachtschwärmer zu spät herabgestiegen und bei der Suche nach ihrem Schlafplatz, die schon Schlafenden anstießen und durch ihr Geschwätz die Anderen verärgerten.
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Pilgergaleere vor Anker liegend
Die Schiffe legten auf dieser Reise mehrmals in verschiedenen Häfen( Kreta,Rhodos, Zypern) an, ehe sie ihr Ziel Jaffa(Joppe) erreichten. Von da ab ging es per Eselskarawane nach Jerusalem und verschiedene andere heilige Stätten. Pater Fabri ärgerte sich über die Unsitte ,mehrerer junger Ritter, ihre Namen und Wappen, in berühmte Stätten zu ritzen. Man benahm sich also ,schon vor über 500 Jahren, ganz wie heutige Touristen.
Felix Fabri unternahm zweimal eine solche Pilgerreise, 1480 nach Jerusalem und 1483/84 über den Sinai bis nach Ägypten. Er war ein Dominikanermönch mit großem naturwissenschaflichen und geschichtlichem Wissen. So erwähnt er ,einige Jahre vor Kolumbus, die Krümmung der Erdoberfläche, bei seiner Beschreibung des Meeres. Er schildert auch, mit einer, für einen Geistlichen dieser Epoche, erstaunlichen Toleranz ,die Lebensweise der Moslems. Auf seiner Wallfahrt befand sich auch der Ritter von Breydenbach, in dessen Gesellschaft sich der Maler und Kupferstecher Erhard Reywich befand, der sehr schöne Kupferstiche von der Schiffspassage und den heiligen Stätten anfertigte. Seine Bilder sind die genauesten Abbildungen von venezianischen Handelsgaleeren.

so das wars erst mal, ich hoffe es war nicht zu lang
:winke:Galeotto
 
@ El Quijiote, vielen Dank für den guten Tip.
Hier noch ein Bild mit der Seitenansicht einer Pilgergaleere
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Mich würde interessieren, von wem die Zeichnungen der Pilgerschiffe sind und nach welchen Vorlagen sie erstellt wurden.
@Malefix, die Zeichnungen stammen von mir. Als Vorlage dienten in erster Linie die Kupferstiche von Erhard Reywich , der selbst an Bord einer solchen Galeere war. Seine Darstellungen sind die aussagekräftigsten Bilder, von diesen Schiffen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Als Vorlage dienten in erster Linie die Kupferstiche von Erhard Reywich

Die Bilder von Erhard Reuwich sind wirklich sehr schöne Vorlagen. Es sind allerdings im Original nicht Kupferstiche sondern Holzschnitte. (Das als kleine Korrektur)

Zu Illustrationen von Jerusalempilgern siehe auch das Buch von Andres Betschard: Zwischen zwei Welten. Illustrationen und Berichte westeuropäischer Jerusalemreisender. Würzburg 1996. Sowie allgemein die Untersuchung von Ursula Ganz-Blättler: Andacht und Abenteuer. Berichte europäischer Jerusalem- und Santiago-Pilger (1320-1520). Tübingen 1991.

Gruss von Malefix
 
Die Bilder von Erhard Reuwich sind wirklich sehr schöne Vorlagen. Es sind allerdings im Original nicht Kupferstiche sondern Holzschnitte.
Entschuldige, dass ich Reuwich falsch geschrieben habe und die Holzschnitte zu Kupferstichen gemacht habe. Das passiert leider, wenn man zu schnell auf eine Frage antwortet ohne vorher nochmal nachzulesen.
:winke:Galeotto
 
Der Thread ist zwar schon etwas älter aber ich habe gerade das Modell einer venezianischen Handelsgaleere, wie sie zum Transport der Pilger verwendet wurde, fast fertiggebaut. Da man diese Schiffe kaum als Modell zu sehen bekommt zeige ich es hier einmal. Vielleicht interssiert es ja den Einen oder Anderen.
 

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