Egalité in Mesoamerika?

Mich ärgern solche unprofessionellen Äußerungen:

"Ich würde gern mal moderne Politiker sehen, die all das durchmachen, nur um zu belegen, dass sie regieren können", sagt der Archäologe Lane Fargher, der gerade im Schatten einer kürzlich renovierten Plattform in Tlaxcallan steht."

Die Selektion, die da beschreiben wurde, läuft im Kern dem Verständnis von Demokratie und seinen Repräsentanten zuwider.

Fargher scheint zu glauben, dass Politiker zu sein, mit besonderen "Weihen" zusammen hängen sollte. Dieses antidemokratische Weltbild entspringt eher der Vorstellung der Herrschaft einer "Elite" und weist starke sozialdarwinistische Elemente auf.

Ich betone es auch nur, weil Fargher mit seinen Aussagen offensichtlich bestimmte klischeehafte Erwartungen in die Politik bedient und durch eine Idealisierung auch zur Verstärkung beträgt. Welche Rolle dabei der zuständige Journalist als "Gate-Keeper" über Informationen spielt, ist zudem zu problematisieren.

Vielleicht kommt ja irgendwann jemand auf die Idee, dass sich Archäologen auch zuerst von Mumien verprügeln lassen müssen, bevor sie auf ihre steinernen Objekte losgelassen werden.

Ich befürchte Fargher wäre eher gegen diese sinnfreie Tortur, die absolut nichts mit dem Beruf eines Archäologen zu tun hat. Genausowenig wie der Beruf des Politikers etwas damit zu tun hat, sich verprügeln zu lassen.

Zumindest finden sich keine Hinweise auf derartige Initiationsriten bei M. Weber.

https://de.wikipedia.org/wiki/Politik_als_Beruf
 
Mich ärgern solche unprofessionellen Äußerungen:

"Ich würde gern mal moderne Politiker sehen, die all das durchmachen, nur um zu belegen, dass sie regieren können", sagt der Archäologe Lane Fargher, der gerade im Schatten einer kürzlich renovierten Plattform in Tlaxcallan steht."

Die Selektion, die da beschreiben wurde, läuft im Kern dem Verständnis von Demokratie und seinen Repräsentanten zuwider.

Fargher scheint zu glauben, dass Politiker zu sein, mit besonderen "Weihen" zusammen hängen sollte. Dieses antidemokratische Weltbild entspringt eher der Vorstellung der Herrschaft einer "Elite" und weist starke sozialdarwinistische Elemente auf.
Ich musste ähnlich aufstoßen, wenn ich das auch nicht ganz so streng wie du wahrnehme. Richtig ist, dass die beschriebenen Prüfungen ein ziemlich heftiges Selektionsverfahren darstellen. Richtig ist auch, dass das Politikerdasein ein ziemlich hartes ist und die meisten Politiker zu Unrecht als "die Politiker" beschimpft werden.
Die Mesoamerikaner haben offenbar mit diesem Verfahren versucht, ein Problem zu lösen, welches bisher kein politisches System hat lösen können, auch die Demokratie nicht (die dieses Problem aber eigentlich auch nicht wirklich lösen will, weil es gewissermaßen elitär und antidemokratisch ist): Nämlich dass nur die am besten dafür Geeigneten politische Ämter bekleiden. Dass sie damit letztlich nur die Schmerzunempfindlichsten oder vielleicht auch Opferbereitesten für politische Ämter aussiebten, war die Schwäche des Systems und ist die Schwäche aller elitenbasierten Systeme.
 
Im Artikel wird auf einen spanischen Priester, der 1500 diese Situation beschrieb. Wer war denn das? In dem Artikel aus Science, auf dem der Artikel in der Süddeutschen beruht, wird es leider auch nicht erwähnt: It wasn't just Greece: Archaeologists find early democratic societies in the Americas | Science | AAAS

In der spanischen Wiki (https://es.wikipedia.org/wiki/Historia_prehispánica_de_Tlaxcala#Pol.C3.ADtica) wird etwas von einer Aristokratie erwähnt, allerdings auch, dass in einem der Teilgebiete der "Herr" (tecutlato) gewählt wurde:

Cada uno de los cuatro señores se llamaba tecutlato y el puesto se heredaba, excepto en Quiahuiztlán, donde era de elección.​

Mich ärgern solche unprofessionellen Äußerungen:

"Ich würde gern mal moderne Politiker sehen, die all das durchmachen, nur um zu belegen, dass sie regieren können", sagt der Archäologe Lane Fargher, der gerade im Schatten einer kürzlich renovierten Plattform in Tlaxcallan steht."

Die Selektion, die da beschreiben wurde, läuft im Kern dem Verständnis von Demokratie und seinen Repräsentanten zuwider.

Fargher scheint zu glauben, dass Politiker zu sein, mit besonderen "Weihen" zusammen hängen sollte. Dieses antidemokratische Weltbild entspringt eher der Vorstellung der Herrschaft einer "Elite" und weist starke sozialdarwinistische Elemente auf.

Ich betone es auch nur, weil Fargher mit seinen Aussagen offensichtlich bestimmte klischeehafte Erwartungen in die Politik bedient und durch eine Idealisierung auch zur Verstärkung beträgt. Welche Rolle dabei der zuständige Journalist als "Gate-Keeper" über Informationen spielt, ist zudem zu problematisieren.

Vielleicht kommt ja irgendwann jemand auf die Idee, dass sich Archäologen auch zuerst von Mumien verprügeln lassen müssen, bevor sie auf ihre steinernen Objekte losgelassen werden.

Ich befürchte Fargher wäre eher gegen diese sinnfreie Tortur, die absolut nichts mit dem Beruf eines Archäologen zu tun hat. Genausowenig wie der Beruf des Politikers etwas damit zu tun hat, sich verprügeln zu lassen.

Zumindest finden sich keine Hinweise auf derartige Initiationsriten bei M. Weber.

https://de.wikipedia.org/wiki/Politik_als_Beruf

tja, ich habe allerdings beim Lesen des Artikels auch an diverse Schlammschlachten vor Wahlen heutzutage denken müssen.

Aber ich frage mich, was diese Prügeleien für einen Sinn gehabt sollen. Könnte das an der kriegerischen Kultur zu tun gehabt haben, die wiederum aus der Konfrontation mit dem Aztekenreich zu gehabt könnte? War das ein Selektionsprozess, damit nur die widerstandsfähigsten übrig bleiben?
 
Jein. Gonzalo Guerrero und Gerónimo de Aguilar lebten bereits seit 1511 auf Yucatán (Schiffbruch, Sklaverei), Cortés eroberte die Region aber erst ab 1519. Da die Küste bereits bekannt war, ist es möglich dass Spanier bereits gelandet waren, aber 1500 darf man wohl nicht allzuwörtlich nehmen.
 
Richtig ist, dass die beschriebenen Prüfungen ein ziemlich heftiges Selektionsverfahren darstellen.

Ich wollte das System und die damit verbundenen kulturellen Werte nicht problematisieren oder kritisieren. Wie Du ja auch schreibst, ist damit sicherlich eine Vorstellung verbunden, das das "Einstecken" als eine zentrale Kompetenz von Politik annimmt.

Interessanterweise gab es eine "Weisheit" aus der Generation meiner Großmutter:

"Wer befehlen will, der muss gelernt haben zu gehorchen".

Möglicherweise ist diese "Volksweisheit" in seinem Kern auch in anderen Völkern und Epochen beheimatet gewesen. Es gehört somit die "Demut" dazu, Schmerzen und Gehorsam erdulden zu müssen, damit man weis, wie sich diejenigen fühlen, denen man im Rahmen von Befehl und Gehorsam auch Schmerzen zufügen muss.

Und vielleicht sollte es durch das direkte erdulden auch einen Lernprozess fördern, nicht zu schnell zum Mittel der Gewalt zu greifen.

...welches bisher kein politisches System hat lösen können, auch die Demokratie nicht (die dieses Problem aber eigentlich auch nicht wirklich lösen will, weil es gewissermaßen elitär und antidemokratisch ist): Nämlich dass nur die am besten dafür Geeigneten politische Ämter bekleiden.

An dem Punkt bin ich [ist natürlich falsch, da ich nur entsprechende Ergebnisse versuche zu spiegeln] anderer Meinung. Für die Bundesrepublik halte ich das Selektionsprinzip des politischen Personals in den traditionellen Parteien für ausgesprochen gut und erfolgreich. Ich schenke mir die Hinweise auf die entsprechenden "Elitenstudien".

In der Regel muss man eine längere politische Sozialisation in den Parteien durchlaufen bis man nach "Oben" kommt. Und in dieser Zeit lernen Politiker das, was einen Politiker auszeichnet, Interessen zu moderieren und Kompromisse zu finden.

Das politische System und damit seine Akteure ist primär dazu da, zu integrieren. Und dieses wird durch die entsprechenden politischen und sozialen Netzwerke der Politiker im wesentlichen erreicht

Und in diesem Sinne können wir in Deutschland stolz sein auf eines der besten politischen Systeme von der Gemeinde aufwärts bis in den Bundestag. Unabhängig davon, dass es natürlich auch Defizite gibt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine Frage wäre, was von diesen frühen Berichten/Berichterstattern zu halten ist: "marginal man"?

Eine andere Frage aus dem Artikel ist die nach dem Stand der Meinungen zu Archäologie von Gesellschaften, Organisationen und Hierarchien, zum Stand nach der Hypothese von Blanton, den collectice action-Ansätzen, etc. Sind diese Modelle breit akzeptiert, gibt es Einwendungen gegen die Annahmen oder die Hypothesen, Bemerkungen zu den Grenzen diesbezüglicher archäologischer Forschung?
 
Ich habe die Darstellung leider noch nicht wiedergefunden, weder bei Toribio de Benavente noch bei Las Casas. Auch in anderen Quellen habe ich die Darstellung noch nicht wiedergefunden, wobei ich den Corpus Diacrónico del Español benutze und dort gezielt nach Schlagworten, auch in verschiedenen Schreibweisen suche. Der CorDE ist ja eigentlich ein linguistisches Instrument, leseunfreundlich aber dafür ein super Findmittel. Edierte Texte sollten alle in ihm enthalten sein. Real Academia Espa?ola - CORDE
Anhaltspunkt ist ja nur der englische Artikel der von in the 1500s spricht, was alles von 1500 - 1599 sein kann, wovon wir allerdings die Jahre 1500 - 1518 abziehen können. Die Quelle muss also, wenn die Angaben des englischen Artikels stimmen, zwischen 1519 und 1599 verfasst worden sein. Die Übersetzung in der Süddeutschen im Jahr 1500 ist falsch.
 
Mglw ist hier etwas zu finden:


Informaciones sobre Geronimo de Aguilar, Conquistador y primer lengua, Mexico (Biblioteca Aportacion Historica - Vargas Rea, Editor)

Zu Guerrero:
CERVANTES de SALAZAR, Franzisco 1971: Cronica de la Nueva Espana (1560). Biblioteca de Autores Espanoles, S. 244-245. Erster Band. Madrid

Die Geschichte der beiden in Diensten der Azteken wird hier aufgezeigt:
Diaz des Castillo - Historia Verdadera de la Conquista de la Nueva del Castillo, uno de sus Conquistadores. 1928, Band I, dort Kapitel 27. Diese Publikation müsste dann auch noch verfügbare Quellen auflisten.
 
Alles nach Bargatzky, Aguilar und Guerrero: zwei versprengte Spanier in Yukatan im Zeitalter der Conquista, ZfEthnologie 1981, S. 161ff.
 
nun ja,der Artikel ist, wie thane bereits angemerkt hat mehr als kritisch zu sehen und missinterpretiert wohl einiges.-mit einem demokratischen Auswahlverfahren hat das ganze garnix zu tun
wie bei vielen archaischen Gesellschaften war auch das Leben in der aztekischen geprägt von Initiationsriten die beim Erreichen bestimmter gesellschaftlicher Hierarchiestufen abzulegen waren und einerseits der Abgrenzung nach unten aber auch der Selektion innerhalb der eigenen Gesellschaftsklasse dienten und zumindest den Schein einer gewissen vertikalen sozialen Mobilität wahrten.
Tatsache ist aber,dass der einfache aztekische Bauer vermutlich ebenso wenige Chancen hatte zum Priesterkönig oder auch nur zum lokalen Kaziken aufzusteigen wie sein französischer Standesgenosse Chancen hatte König oder auch nur Chevalier in Frankreich zu werden.
 
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