Armand de Caulaincourt

excideuil

unvergessen
Der Marquis Armand de Caulaincourt hat zu Recht mit seinen Memoiren Berühmtheit erlangt. Mit seinen Memoiren, mit denen er den Kaiser der Franzosen ein großes Stück seines Weges begleitet hat und die auch von der Auszeichnung zeugen, mit der ihn Napoleon bedacht hat.

Erstaunlich ist, dass bisher keine deutsche Biografie über ihn erschienen ist. Ist sein Leben, seine Leistung so wenig bedeutend oder war die Figur des Marquis etwa so durchschnittlich der eines Champagny oder Maret vergleichbar, dass eine nähere Beschäftigung nicht lohnt? Dabei ist die bei näherer Betrachtung sichtbare Tragik des Lebens des späteren Herzogs von Vicenza durchaus wert, um einen näheren Blick zu wagen.

Sein deutscher Wiki-Auftritt gibt kaum Aufschluss:

Armand de Caulaincourt ? Wikipedia

Es kann festgestellt werden, dass er als ein Spross uraltem französischen Adel sich der Revolution anschloss und in der Armee Karriere machte. Nicht ungewöhnlich für eine Zeit des Umbruches. Halten wir noch fest, dass seine Karriere unabhängig von der eines Bonapartes verlief und er z. B. in der Schlacht von Hohenlinden (1800) kämpfte.

Wir befinden uns zu Zeiten des Konsulates:
„Er gehörte zum ältesten Adel und lebte in dessen Tradition und Haltung. Das veranlasste Talleyrand, ihn mit Auszeichnung zu behandeln und Bonaparte, seine Dienste in Anspruch zu nehmen. Ein zweifelhaftes Glück!“ [1a]

Es war nicht ungewöhnlich, dass Bonaparte Militärs diplomatisch zu verwenden oder den alten Adel an das Konsulat, später an das Empire zu binden suchte:
Am 10. Oktober 1801 erhielt Caulaincourt, …, den Befehl, sich nach Paris zu begeben. Dort erfuhr er vom Minister des Auswärtigen, der Erste Konsul schicke ihn nach Petersburg, um Alexander I., dem russischen Kaiser, der nach der Ermordung seines Vaters den Thron bestiegen hatte, persönlich einen Brief von Bonaparte zu übergeben.“ [1b]

Caulaincourt erledigte seine erste Mission in Petersburg zur Zufriedenheit des Ersten Konsuls, es muss aber auch festgestellt werden, dass der Mann, „der nur sein Soldatenhandwerk liebte und nur von Schlachten träumte, in die Diplomatie hinein (kam), ohne dass er darum gebeten oder nachgesucht hätte, … vom ersten Augenblick durch den Glanz des russischen Hofes geblendet (war). Kaiser Alexander fesselte ihn mit seiner zuvorkommenden Art und vollendeten Höflichkeit und gewann ihn für immer.“ [1c]

Zurück in Paris wurde er zum Adjutanten des Ersten Konsuls ernannt und 1803 mit 30 Jahren zum Brigadegeneral befördert. „Diese Auszeichnung schmeichelte ihm sehr.“ [1c]

Dann kam das Ereignis, das sein weiteres Leben überschatten sollte: Die Affäre d’Enghien.

„Am 9. März 1804 empfing er den Befehl, sich mit dem General Ordener in das Großherzogtum Baden zu begeben und an der Spitze einer Abteilung ihm seine Hilfe zur Verfügung zu stellen, um den Herzog von Enghien zu verhaften.“ [1d]

Caulaincourt war im Dienstrang höher als Ordener, dennoch bestand seine Mission vornehmlich darin, der großherzoglichen Regierung einen Brief Talleyrands zu übergeben. Weder wusste er, dass der Herzog nicht nur verhaftet werden sollte, noch, wer (Talleyrand) ihn für diese Mission beim Ersten Konsul vorgeschlagen hatte.
Die Folgen waren katastrophal:
„Er ist bloßgestellt“, sagte Bonaparte, „um so mehr ist er für uns gewonnen.“ [1e]
Laut den Memoiren der Mme. de Rémusat hat Josephine Bonaparte befragt, warum er denn ausgerechnet Caulaincourt für die Mission ausgewählt habe, „von dem er doch wisse, dass seine Familie früher in sehr intimen Beziehungen zu den Condés gestanden. „Das ist mir nicht eingefallen“, habe Bonaparte geantwortet, „aber im Grunde ist es kein großes Unglück. Wenn Caulaincourt dadurch bloßgestellt ist, so wird er mir dafür nur umso treuer dienen, und die Republikaner werden ihm dann auch umso leichter seine hohe Stellung verzeihen.“ [2]

Wie wirkte die spätere zur Kenntnisnahme der Erschießung des Herzogs auf Caulaincourt:
(sorry, wenn es etwas länger wird!)
„Als er nach Malmaison kam, fand er Josephine in Tränen, sie erzählte ihm von der Erschießung. Frau von Rémusat zog sich zurück, sobald sie Caulaincourt bemerkte. Da wurde ihm plötzlich das Scheußliche dieses Verbrechens und die Schmach und die Schande klar, die auf ihn zurückfielen. Eine heftige Verzweifelung erfasste diesen Mann, der auf seine Ehre hielt, und er brach in Schluchzen aus. Er erschien vor dem ersten Konsul, „mit erstem und erregtem Gesicht“, „mit zusammengepressten Lippen, gelber Gesichtsfarbe und mit verzerrten Zügen.“ Er brachte, sagte Pasquier, „seine Empörung so stark zum Ausdruck, dass die Anwesenden nicht wussten, wie sie sich verhalten sollten.“ Das Entgegenkommen des Ersten Konsuls wies er zurück und bewahrte lange Zeit vor ihm eine „zurückhaltende und eisige“ Haltung. Einer seiner Freunde fand ihn in seinem Bett krank vor Kummer. Die Gesellschaftskreise, zu denen er gehörte, und sogar mehrere seiner nächsten Verwandten, zogen sich von ihm zurück. Er hatte keine Lust, diese Kränkungen zu ertragen, aber er musste doch manchen Schimpf erdulden. Als er eines Abends bei Frau von Récamier tanzte, bildete sich ein leerer Raum um das Paar und er wurde bleich wie der Tod. Er kam niemals darüber hinweg. Noch auf seinem Totenbett wehrte er in seinen letzten Worten die Anklage zurück, die man gegen ihn überall erhob. Er hätte vllt., nachdem er nun einmal blind gehorcht hatte, den Hof des Ersten Konsuls verlassen, ein Kommando in der Armee annehmen und niemals wieder nach Paris zurückkehren sollen. Aber es war nicht so leicht, einen solchen Herrn, so wie man wollte, zu verlassen. Frau von Rémusat hat schon mit dem ihr eigenen eindringlichen Blick sicherlich das Richtige getroffen, wenn sie schrieb: „Als er sah, dass man entschlossen war, ihm den letzten Schimpf anzutun … da packte ihn tiefste Menschenverachtung und er empfand, dass er die Menschen nur zum Schweigen bringen könnte, wenn er sich zu einer imponierenden Machtstellung erhob.““ [1f]

Die folgenden Jahre brachten viel Ehre für Caulaincourt: Er wurde zum Großstallmeister des neuen Kaisers ernannt, zum Divisionsgeneral befördert, er erhielt das Großkreuz der Ehrenlegion …
„Trotz dieser hohen Gunstbezeigungen blieb er im Herzen verbittert … Er wurde finster und schweigsam, versah von nun an mit größten Diensteifer sein Amt als Großstallmeister, folgte dem Kaiser hintereinander nach Ulm, Austerlitz, Jena und Tilsit und fühlte sich überall verantwortlich für seine Sicherheit, selbst auf die Gefahr seines eigenen Lebens. Er scheute sich nicht, offen vor dem Kaiser seine Meinung zu vertreten und ihm sogar mit einer Schroffheit zu widersprechen, dass der Kaiser sich darüber beklagte, „wie ein Kutscher“ behandelt zu werden, und dies alles sicherlich nur in Erinnerung an Ettenheim duldete.“ [1g]

Gegen 1805 verliebt sich Caulaincourt in die junge Mme. Adrienne de Canisy, einer Palastdame der Kaiserin. Seine Liebe wurde erwidert und da sie bereits getrennt von ihrem Manne lebte, war ihre Scheidung und dann die Hochzeit geplant. Zwar widersetzte sich die royalistisch gesinnte Familie namens ihrer Großmutter Mme. de Brienne dieser Absicht, schwerer wog aber die Ablehnung des Kaisers. Dies aus zweierlei Gründen. Napoleon hatte den Grundsatz, die Personen, die in seinem Dienst standen, nicht nur bloßzustellen sondern sie auch in fortwährender Unruhe zu halten. In diesem Fall kam noch der Umstand hinzu, dass Mme. de Canisy im Salon der Mme. de Laval, einer alten Freundin Talleyrands, verkehrte. Seine Weigerung hatte auch den Zweck, Caulaincourt des Einflusses von Talleyrand zu entziehen.

Letzteres erwies sich als unmöglich. Talleyrand intensivierte seine Bemühungen durch Begegnungen in den Salons, auch existiert ein Briefwechsel zwischen beiden, der Beweis dafür ist, dass der Minister und der Großstallmeister den Frieden sehnlichst herbeiwünschten: „Kommen Sie, ich bin nicht der einzige, der für Frieden ist“, schrieb er Talleyrand. „Der Augenblick ist günstig… Sie fehlen dem Kaiser sehr, der nicht recht weiß, was er tun soll und dem Lande, das vllt. durch Ihre Friedensliebe zum Frieden kommen könnte … Friedland bedeutet Land des Friedens … Schade, dass sie nicht da sind. Wir würden sonst Frieden haben … [1h] „Es fällt (daher) schwer, in Caulaincourt nicht einen geheimen Parteigänger Talleyrand zu sehen.“ [1i]

Nach Tilsit weigerte sich Caulaincourt, wieder als Gesandter nach Petersburg zu gehen:
„Ich hätte damals“, schrieb er, „gern eine Gelegenheit gefunden, den Staatsdienst zu verlassen und mich zu verheiraten.“ [1j]

So wurde zunächst Savary entsandt, der aber nicht den Anforderungen entsprach:
„Savary“, meinte er (Napoleon), „möchte in Petersburg bleiben; aber er passt mir dort nicht; ich brauche ihn hier. Er meldet mir, dort sei ein Offizier nötig, ein Mann, der die Paraden besuchen kann, ein Mann, der durch sein Alter, seine Umgangsformen, seinen Geschmack, seinem Freimut dem Kaiser Alexander gefällt … ich brauche dort einen Mann von guter Herkunft, dessen Formen, dessen Repräsentationsgabe, dessen Verbindlichkeit den Frauen und der Gesellschaft gegenüber bei Hofe ansprechen … [3a]

Napoleon beließ es nicht bei Schmeicheleien sondern griff auch zu Erpressung:
„Es ist die schöne Frau v. Canisy, die Sie in Paris hält. Aber wenn Sie nun einmal heiraten wollen, wird Ihre Angelegenheit sich besser aus der Ferne regeln lassen.“ [3b]
 
Ich halte es für keinen Zufall, dass nach Savary Caulaincourt an den Zarenhof entsandt wurde. Bekanntlich hatte der Tod der Herzogs von Enghien dort den meisten Staub aufgewirbelt.
Kein Wunder daher, dass sich für Caulaincourt trotz der Höflichkeit des Zaren die Salons für ihn schlossen. Caulaincourt entschloss sich, im Zaren eine Stütze zu finden und eröffnete ihm die ihm zur Verfügung stehenden Dokumente, die die Ermordung des Herzogs zum Inhalt hatten mit den Worten: „Die Auskünfte, die Ew. Majestät von jenseits des Rhein erhalten haben, haben mich von der gemeinen Verleumdung befreit, die seit drei Jahren auf mir lastet. Ew. Majestät können die Einzelheiten nicht kennen. Ich bin es dem Vertrauen, mit der Ew. Majestät mich beehrt schuldig, sie Ew. Majestät zu unterbreiten.“ Dard 264. Napoleon wusste nichts davon und der Zar ließ Caulaincourt in gutem Glauben bekam ihn mit diesem Geheimnis in seine Hand. „Es zwang ihn von nun an, Alexanders Pläne zu begünstigen. Dieser war alles andere als naiv. Er sprach damals mit Caulaincourt über Frau von Canisy. Geschickt und wohlunterrichtet fragte er ihn: „Wird sie nicht kommen?“ Das bedeutete, die Wunde wieder aufreißen. Dard 265
Der Zar verwöhnte und ehrte ihn, es schien, er sei ein besonderer Günstling des Monarchen. Caulaincourt sah die hohe russische Gesellschaft in seinen Salon strömen. „Wenn in Wirklichkeit der Zar auch dazu Befehl gegeben hatte, so pflegte er doch in artiger Weise zu ihm zu sagen: „Sie haben sich die widerspenstigsten Herzen erobert.““ [1k]

Da nimmt es nicht Wunder, wenn der neue Herzog von Vicenza kurz vor Erfurt an Napoleon schreibt: „Worte wie Handlungen beweisen mir, dass Ew. Majestät auf diesen Hof zählen kann, was auch immer kommen wird.“ [1l]

Aber auch Talleyrand hält Kontakt zu Caulaincourt, in dem er ihm regelmäßig von Mme. de Canisy berichtet und ihm kurz vor Erfurt folgende Zeilen schreibt: „Ich hoffe, Ihre Zusammenkunft wird dazu beitragen, nicht Kriegspläne zu schmieden, sondern den Frieden herbeizuführen. Viele Gründe weisen darauf hin, dass solche Vorbesprechungen fruchtbarer sein werden als die anderen. Das liegt selbstverständlich im Interesse der ganzen Welt … hauptsächlich in dem des Kaisers selber, weil nur dies unsere Dynastie fester begründen würde.“ [1m]

In Caulaincourts Memoiren zu Erfurt 1808 ist ein Dialog interessant:
„„Welche Absicht schreibt man mir denn zu?“, fragte mich der Kaiser. – „Die Alleinherrschaft!“, war meine Antwort. – „Aber Frankreich ist doch groß genug! Was könnte ich noch wünschen? Habe ich nicht genug zu schaffen mit meinen spanischen Sorgen, mit dem Krieg gegen England?“ – „Es wäre zweifellos mehr als genug, um jeden anderen als Ew. Majestät in Atem zu halten. Aber das Verbleiben Ihrer Truppen in Deutschland, Ihr Festhalten an den Oderfestungen, allein das führt zu der Vermutung – und ich persönlich, ich gestehe es Ew. Majestät ganz offen, bin überzeugt davon -, dass Sie andere Pläne hegen und dass Ihr Ehrgeiz nicht gesättigt ist.““ [3c]

Es wird deutlich, dass Caulaincourt die wahren Absichten Napoleons erkannt hat und dass er ihnen ablehnend gegenüber steht.

Nach Erfurt musste Caulaincourt, trotz der Zusicherung Napoleons, ihn nur 1 Jahr als Botschafter zu entsenden, wieder zurück nach Petersburg: „Herr Gesandter, man gehört zu allererst seinem Staate!“ [3d]

„… seine Anwesenheit in Petersburg erscheint dem Kaiser angesichts des sich zuspitzenden Verhältnisses zu den Verbündeten als unerlässlich. Als freilich Napoleon selbst in den folgenden Jahren immer deutlicher auf den Bruch mit Rußland lossteuert, kommt es zu einem schweren Zerwürfnis zwischen dem Kaiser und seinem Botschafter. Denn Caulaincourt ist der treueste Anwalt des Tilsiter Bündnisses geblieben.“ [3e]

Auch nach seiner Rückkehr 1811 kämpft er für das Bündnis mit dem Zarenreich, „nicht etwa, weil er wie Napoleon ihm ungerechterweise immer wider vorwirft, durch die Gunstbezeigungen und „Cajoleries“ (Liebkosungen, exci) des Zaren „zum Russen geworden“ wäre – sondern weil er in der Aufrechterhaltung des russischen Bündnisses die Garantie für den Endsieg über England, ja für die Erhaltung der französischen Stellung in Europa erblickt.“ [4a]

„Ein Jahr lang versieht Caulaincourt nun wieder in Paris sein Hofamt. Der Kaiser lässt ihn seine Ungnade auf Schritt und Tritt fühlen. Denn im Gegensatz zu dem Außenminister Maret, der nichts als ein gefügiger Höfling ist, lässt der Großstallmeister auch weiterhin keine Gelegenheit vorübergehen, um dem Kaiser über die Gefahren eines russischen Krieges die Augen zu öffnen.“ [4b]

Aber Napoleon braucht sein Können im Feldzug gegen Rußland. Er ist einer der wenigen auf die der Kaiser sich verlassen kann: „Die bedingungslose Ergebenheit, die Caulaincourt bei aller oppositionellen Freimütigkeit stets bewahrt hat, sein sachlicher, klarer Blick, seine Verschwiegenheit machen ihn solchen Vertrauens würdig – wenn auch sein Rat fast nie befolgt wird.“ [4b]

Es ist wohl ein Fall für einen Psychologen, um zu erklären, warum Napoleon ausgerechnet Caulaincourt, seinen wohl offensten Kritiker, auswählte, um im Schlitten nach der Niederlage nach Paris zu gelangen.

Caulaincourt blieb ihm treu ergeben, nimmt am Feldzug 1813 im Hauptquartier Napoleons teil, schließt als französischer Gesandter den Waffenstillstand von Pläswitz, vertritt Napoleon auf dem Prager Friedenskongress. Erfolglos.

Als neuer Außenminister versucht er auf dem Kongress von Chatillon „zu retten, was zu retten ist“. Erfolglos.

Nach dem militärischen Zusammenbruch 1814 führt er die aussichtslosen Interessen seines Herrn bis zum bitteren Ende. Wieder und wieder bestürmt er Alexander, um wenigstens die Dynastie mit der Thronfolge des Königs von Rom zu retten. Vergeblich.

Er kann Napoleon Elba und 2 Millionen jährliche Apanage retten. Erst dann sieht er seine Mission als erfüllt an.

Während der 100 Tage steht er dem Kaiser wieder als Außenminister zur Seite.

Caulaincourt versah seinen Dienst, ohne an sich zu denken, war nicht bestechlich – selbst Napoleon musste sich eingestehen, dass er zu wenig für seinen Großstallmeister getan hatte.

Sein politisches und diplomatisches Scheitern um den Erhalt des Kaiserreiches ist schon tragisch genug, es sollte noch schlimmer kommen. Mit der Restauration der Bourbonen kehrte auch der Schatten Enghiens zurück. Alexander I. verhinderte zwar seine Bestrafung, Caulaincourt blieb aber gesellschaftlich geächtet, musste sich ins Privatleben zurückziehen. „Die letzten Jahre seines Lebens hat er mit der Verwaltung seines pikardischen Gutes und mit der Abfassung seiner Erinnerungen ausgefüllt.“ [3f]
Verbittert starb er 1827.

Alle, die bis hierher gelesen haben sollen natürlich erfahren, ob er denn wenigstens die Frau seines Herzens bekam.
Ja, „der Herzog von Vicenza heiratete Mme. de Canisy am 24. Mai 1814.“ [1n] Napoleon hatte vor seiner Abdankung sein Einverständnis gegeben, auch wenn dies – das Datum zeigt dies – bedeutungslos war.
Aber selbst privat gibt es den kleinen Wermutstropfen: Die Herzogin blieb ihr Leben lang royalistisch gesinnt und verließ mit dem jungen Baron von Vitrolles 1830 Frankreich …

Grüße
excideuil

[1] Dard, Émile: „Napoleon und Talleyrand“, Verlag Emil Roth, Gießen, Berlin, 1938, a) Seite 248, b) Seiten 251-252, c) Seite 252, d) Seiten 252-253, e) Seite 254, f) Seiten 254-255, g) Seite 255, h) Seite 261, i) Seite 247, j) Seite 263, k) Seite 266, l) Seiten 266-267, m) Seite 268, n) Seite 446
[2] Rémusat: „Memoiren der Gräfin Rémusat, Palastdame der Kaiserin Josephine, Original Ausgabe von Adolf Ebeling, Verlag von Albert Ahn, 1. Bd. Köln, 1880, Seite 288
[3] Caulaincourt: „Unter vier Augen mit Napoleon – Denkwürdigkeiten des General Caulaincourt, Herzogs von Vicenza, Großstallmeister des Kaisers“, von Dr. Friedrich Matthaesius, Verlag von Velhagen & Klasing, 1937, a) Seite 4, b) Seite 5, c) Seiten 12-13, d) Seite 17, e) Seite VI, f) Seite VII
[4] Caulaincourt: „Mit Napoleon in Rußland – Denkwürdigkeiten des General Caulaincourt, Herzogs von Vicenza, Großstallmeister des Kaisers“, von Dr. Friedrich Matthaesius, Verlag von Velhagen & Klasing, 1938, a) Seite VIII, b) Seite IX
 
Statt eines Fadens zum duc d'Enghien

Karikaturen scheinen aktueller den je. Diese vllt. nicht:

caulaincourt.jpg

Sie zeigt den marquis de Caulaincourt, wie er auf dem Raubzug aus dem Badischen das Lamm, den duc d'Enghien, über die Brücke von Kehl auf franz. Gebiet verschleppt.
Blöd nur, wie schon w.o. beschrieben, dass sie den Falschen traf. Der marquis hatte lediglich die Schreiben - zur Begründung des Handelns des ersten Konsuls - des franz. Aussenministers dem späteren Großherzog zu übergeben und mit der Entführung/Verurteilung/Hinrichtung des Herzogs nicht das geringste zu tun. Es bleibt wohl, dass man mit Karikaturen leben muss, zudem in diesem Fall nicht klar/beweisbar ist, welche Auswirkungen sie tatsächlich hatte.

Die Affäre Enghien wirbelte natürlich in Europa Staub auf. Nein, nicht in Baden. Die größten Proteste kamen weitentfernt aus Rußland. Grund einer franz. Note, die im Kern die Aussage traf, dass Frankreich nicht intervenieren würde, wenn Rußland die Mörder Paul I. außerhalb von Rußland festsetzen würde.

Für den großen Korsen brachte die Affäre nur Vorteile. Tatsächlich hörten die royalistischen Versuche, ihn zu ermorden auf; der Mord stellte ihn auf dieselbe Stufe wie die Königsmörder. Ergebnis auch dessen war die Kaiserkrone.

Mit den Bourbonen 1814 kam auch der Schatten Enghiens zurück. Mit Folgen:
Am 9. Oktober 1823 veröffentlichte General René Savary, duc de Rovigo, einen Artikel, in dem er den Fürsten Talleyrand, Großkämmerer seiner Majestät, beschuldigte, Napoleon zur Festnahme und Hinrichtung des duc d'Enghien gedrängt zu haben. Erschwerend war die Behauptung, dass ein Brief* Enghiens an den ersten Konsul, der zur Begnadigung des Herzogs hätte führen können, durch den Fürsten unterschlagen worden wäre.

Starker Tobak, der den sonst gleichmütigen und natürlich in die Affäre verstrickten Fürsten aufschreckte. Die Gleichmut ist sogar anekdotisch verarbeitet:

"Als er noch Minister war, ging in seinem Hotel an einem Nachmittag alles leise auf den Fußspitzen als wenn die Tritte auf den weichen Teppichen hätten einen gewaltigen Lärm machen können. Talleyrand schlief in einem großen Armstuhle am Kamin. Zu seinen Füßen lag eine Broschüre, und der Lektüre derselben verdankte er den tiefen Schlaf, den zu stören jedermann sich so sorgsam hütete. Jemand war so neugierig die Broschüre aufzuheben, um zu sehen, welche schlafmachende Kraft sie enthalte: es war eine beißende, scharfe Flugschrift gegen den Fürsten."

Jedenfalls eilte er, den Behauptungen die Stirn zu bieten zum König. Der erklärte, dass die ihm gewährte Stellung Garantie biete, dass die gegen ihn erhobenen Vorwürfe keinen Eindruck auf Ihn machten.

Am 17. Oktober 1823 erschien im Moniteur die Notiz: " Der König hat dem Herzog von Rovigo untersagt, die Tuilerien zu betreten."
Ludwig XVIII. war eben viel klüger als sein Bruder Karl.

Grüße
excideuil

* Den Brief hat es nicht gegeben.
 
Ich habe gerade neulich wieder Teile von Emile Dards "Napoleon und Talleyrand" gelesen und mir gedacht, dass gerade Caulaincourt von beiden im übelsten Sinne des Wortes "benutzt" wurde.
 
Der Marquis Armand de Caulaincourt hat zu Recht mit seinen Memoiren Berühmtheit erlangt. Mit seinen Memoiren, mit denen er den Kaiser der Franzosen ein großes Stück seines Weges begleitet hat und die auch von der Auszeichnung zeugen, mit der ihn Napoleon bedacht hat.

Erstaunlich ist, dass bisher keine deutsche Biografie über ihn erschienen ist.

Tatsache ist, dass mir der Name Armand de Caulaincourt bis vor kurzen überhaupt nichts gesagt hat, obwohl ich mich vor ca. 30 Jahren einmal sehr viel mit Napoleon I. beschäftigt habe. Dass es ihn überhaupt gegeben hat, weiß ich erst, seit ich vor einiger Zeit den Napoleon"-Film mit Christian Clavier (ein recht umstrittener Fernsehspielfilm-Mehrteiler aus der Serie der Romanverfilmungen mit Gerard Depardieu) angesehen habe. (Caulaincourt wurde in diesem Film von Heino Ferch gespielt.)

Könnte der Umstand, dass er relativ unbekannt ist, vielleicht damit zusammenhängen, dass er im Schatten von anderen historischen Figuren um Napoleon, z. B. Talleyrand steht?

Was die Memoiren betrifft, sind die eigentlich einmal ins Deutsche übersetzt worden?
 
Ich habe gerade neulich wieder Teile von Emile Dards "Napoleon und Talleyrand" gelesen und mir gedacht, dass gerade Caulaincourt von beiden im übelsten Sinne des Wortes "benutzt" wurde.
Das ist korrekt. In der Darstellung zur Affäre d'Enghien in #1 beziehe ich mich vor allem auf Dard. Liest du Dard wegen Napoleon oder Talleyrand?

Grüße
excideuil
 
Talleyrand. Auch wenn ich langsam frage, was einen Napoleon eigentlich umgetrieben hat, dass er seinen Visionen (? Plänen?, Ideen?) so einfach Millionen Menschenleben opferte.
 
Tatsache ist, dass mir der Name Armand de Caulaincourt bis vor kurzen überhaupt nichts gesagt hat, obwohl ich mich vor ca. 30 Jahren einmal sehr viel mit Napoleon I. beschäftigt habe. Dass es ihn überhaupt gegeben hat, weiß ich erst, seit ich vor einiger Zeit den Napoleon"-Film mit Christian Clavier (ein recht umstrittener Fernsehspielfilm-Mehrteiler aus der Serie der Romanverfilmungen mit Gerard Depardieu) angesehen habe. (Caulaincourt wurde in diesem Film von Heino Ferch gespielt.)

Könnte der Umstand, dass er relativ unbekannt ist, vielleicht damit zusammenhängen, dass er im Schatten von anderen historischen Figuren um Napoleon, z. B. Talleyrand steht?

Was die Memoiren betrifft, sind die eigentlich einmal ins Deutsche übersetzt worden?
Da hast du recht. Der Fernsehfilm strotzt nur so von historischen Fehlern und da kann auch nicht entschuldigen, dass es eine Romanverfilmung ist. Da wird zum Beispiel der Eindruck erweckt, Caulaincourt hätte die Verhaftung des Herzogs geleitet.

Ja, sicherlich, neben Napoleon ragen sicher Talleyrand oder Fouché hervor. Aber es gab noch etliche wichtige Personen der Zeit. Dennoch dürfte z.B. Cambacérès als Großwürdenträger auch relativ unbekannt sein.

Da ragt Caulaincourt doch noch ein wenig hervor, weniger weil er General, Diplomat, Minister, Herzog und Großstallmeister wurde sondern weil er einer der wenigen Aristokraten war, die Napoleon zu widersprechen wagten. Zudem sind seine Memoiren über die Schlittenreise 1812 oder die Vorgänge in Fontainbleau 1814 berühmt geworden. Allerdings erst sehr spät, erst Anfang der 30iger-Jahre des letzten Jahrhunderts erschienen sie in Frankreich (3-bändig). In Deutschland erschienen sie in Teilen (Die Botschafterzeit in St. Petersburg ist ausgespart), siehe dazu die Literaturangaben [3] [4] in #2
Für den, der sich mit der diplomatischen Geschichte der Befreiungskriege befasst, kommt um Caulaincourt auch nicht herum, der als Außenminister mit den verbündeten Mächten verhandelt und verzweifelt versucht hat, Napoleon zum Frieden zu bewegen.

Grüße
excideuil
 
Ich beschäftige mich seit diesem Sommer wieder einmal intensiv mit der Person Talleyrands. Davor lagen diese Bücher etwa 10 Jahre im Regal. Ich musste mich auch erst wieder orientieren wer wer ist. Caulaincourt, Cambacérès, die zahlreichen Generale. Ich hab viel Zeit bei Wikipedia verbracht.
 
Nein ,ich habe eine ganzer Reihe "neuer", englischsprachiger Bücher. Talleyrand mich seit dem Sommer eine Stange Geld gekostet. (War abzusehen.)

An die französischsprachigen traue ich mich noch nicht so recht ran. Mein Französisch ist trotz mehrerer Semester Auffrischung an der VHS noch zu schlecht, um ein Fachbuch zu lesen. Aber ich liebäugele natürlich mit den Werken Poniatowskis und Waresquiels.

Zu Napoleon könnte ich einen Literaturtipp gebrauchen. Ich würde ein Buch suchen, dass meine Frage beantwortet. Wie kommt ein Mensch dazu, es für selbstvverständlich zu halten, das Millionen andere für seine Pläne sterben müssen? (Ich weiß von der Sorte Mitmenschen hatten wir seitdem noch schlimmere.) Ich suche trotzdem ein Buch, dass Napoleon und seine Karriere vom psychologichen (psychiatrischen?) beleuchtet.
 
Nein ,ich habe eine ganzer Reihe "neuer", englischsprachiger Bücher. Talleyrand mich seit dem Sommer eine Stange Geld gekostet. (War abzusehen.)

An die französischsprachigen traue ich mich noch nicht so recht ran. Mein Französisch ist trotz mehrerer Semester Auffrischung an der VHS noch zu schlecht, um ein Fachbuch zu lesen. Aber ich liebäugele natürlich mit den Werken Poniatowskis und Waresquiels.
Da hast du natürlich den unschätzbaren Vorteil, in anderen Sprachen zu lesen. Mein Schulenglisch und mein noch schlechteres französisch gestatten dies nicht. Dennoch habe ich z.B. den Waresquiel und übersetze mir dann mühselig Stellen, die mich interessieren.
Allerdings muss ich sagen, dass der Erkenntnisgewinn aus einer neuen Biografie meist überschaubar ist. Bei Willms z.B. erschöpft sich dies darin, dass Talleyrand bei der Beschreibung von Kindheit und Jugend schlicht falsch berichtet hat, es ihm besser als behauptet ging. Und Willms verwendet z.B. Waresquiel und auch mehrere Bände von Poniatowski.

Zu Napoleon könnte ich einen Literaturtipp gebrauchen. Ich würde ein Buch suchen, dass meine Frage beantwortet. Wie kommt ein Mensch dazu, es für selbstvverständlich zu halten, das Millionen andere für seine Pläne sterben müssen? (Ich weiß von der Sorte Mitmenschen hatten wir seitdem noch schlimmere.) Ich suche trotzdem ein Buch, dass Napoleon und seine Karriere vom psychologichen (psychiatrischen?) beleuchtet.
Schwierig. Zu Napoleon gibt es etliches, aber in dieser Form? Wüsste ich nicht, zumal ich es für schwierig halte, ein Psychogramm zu erstellen, ohne mit der betreffenden Person selbst gesprochen zu haben. Denn, wer weiß schon genau, warum Napoleon wann was gesagt hat?

Grüße
excideuil
 
Das mit den falschen Angaben zu Kindheit und Jugend habe ich bei Wilms auch gelesen. Ich frage mich nur, ob es auch sujektiv -für Talleyrand - eine Unwahrheit war?

Wer von uns kann sich schon wirklich detailiert an seine Kleinkinderzeit erinnern? Wenn ihm seine Eltern und seine übrige Umgebung erzählt haben, sein Klumpfuß komme von einem Sturz, hat er es wahrscheinlich geglaubt. Und zum Lügen hatten die Eltern aus ihrer Sicht Grund. Eine Familie, die sich aufgrund ihrer Abkunft an der Spitze der Gesellschaft wähnte und ein Erbleiden? Ein no-go , modern gesprochen.

Ich habe im übrigen zwei Quellen entdeckt, nach denen auch Talleyrands anderes Bein in Mitleidenschaft gezogen war:

Les hotes de Talleyrand

"Charles de Rémusat relate que les deux pieds du vice-grand électeur « étaient assez longs, mais faibles et contournés » ; les jambes elles-mêmes étaient « petites et atrophiées »."

"Charles de Rémusat berichtet, dass beide Füße des Vice-grand-élècteur zwar normal lang, aber schwach und verdreht waren. Die Beine selbst waren klein und verkümmert."

Auch der Kunsthistoriker Gustav Parthey, der Talleyrand etwa 1820 bei dr Herzogin von Kurland begegnete - und ihn rgelrecht abstoßend fand, spricht von zwei lahmen Beine.

Zum Übersetzen aus dem Franzsösischen nutze ich online übrigens die Systranbox.
SYSTRANet ? Online translation software and tools ? Text translation

Das Deutsch, das dabei rauskommt ist zwar schwer verständlich bis grauenhaft, aber wenn man eine ungefähre Vvorstellung hat, worum es im französischen Text geht, hilft es.
 
Das mit den falschen Angaben zu Kindheit und Jugend habe ich bei Wilms auch gelesen. Ich frage mich nur, ob es auch sujektiv -für Talleyrand - eine Unwahrheit war?

Wer von uns kann sich schon wirklich detailiert an seine Kleinkinderzeit erinnern? Wenn ihm seine Eltern und seine übrige Umgebung erzählt haben, sein Klumpfuß komme von einem Sturz, hat er es wahrscheinlich geglaubt. Und zum Lügen hatten die Eltern aus ihrer Sicht Grund. Eine Familie, die sich aufgrund ihrer Abkunft an der Spitze der Gesellschaft wähnte und ein Erbleiden? Ein no-go , modern gesprochen.
Na,ja, wie Talleyrand über seine Kindheit/Jugend tatsächlich dachte, werden wir nicht erfahren. Kaum glaubhaft allerdings, dass der Mann, der nichts dem Zufall überließ dies mit seinen Memoiren tat.
Schlussendlich geht es um die Begründung, warum er sich gegen die Kirche "versündigt" hat und da mussten der Klumpfuß und eine ihm gegenüber lieblose Familie herhalten. Dass dem nicht so war, zeigt der Auffenthalt bei der Fürstin von Chalais, seiner Urgroßmutter, das Kümmern um seine Karriere durch seinen Onkel, die Sorge um die bestmögliche Ausbildung u.a. an der Sorbonne ...

Und so schwer wog der Kummer um die ihm offenstehende Karriere - ein Fouché oder Chateaubriand weigerten sich Priester zu werden - wohl nicht, denn kaum im Klerus etabliert, mischte er kräftig und auch erfolgreich in der Kirchenpolitik mit, von den "Süßigkeiten" des Ancien régime ganz abgesehen.

Die Kindheit/Jugend kann so furchtbar nicht gewesen sein, Talleyrand war nie Terrorist oder glühender Ideologe oder Ultraroyalist. Im Gegenteil, Talleyrand wurde im besten Sinne der Aristokratie erzogen, die "die einzige Stütze einer Monarchie, ihr lenkendes und beförderndes Element, ihr Gegenpol" [Hunecke] sein soll. Hier steht er zusammen mit einem Grafen Narbonne oder eben dem Marquis de Caulaincourt, um den Kreis wieder zu schließen.

Grüße
excideuil
 
Zu Napoleon könnte ich einen Literaturtipp gebrauchen. Ich würde ein Buch suchen, dass meine Frage beantwortet. Wie kommt ein Mensch dazu, es für selbstvverständlich zu halten, das Millionen andere für seine Pläne sterben müssen? (Ich weiß von der Sorte Mitmenschen hatten wir seitdem noch schlimmere.) Ich suche trotzdem ein Buch, dass Napoleon und seine Karriere vom psychologichen (psychiatrischen?) beleuchtet.
In der Zeit Geschichte Heft 2/2006 beantwortet Eckart Kleßmann - in Fragen napoleonische Zeit kein Unbekannter - einige Leserfragen, u.a. diese:

"Was hatte Napoleon für einen Charakter? Wie war er persönlich?

"Widersprüchlich in allen Punkten. Er war sowohl roh, brutal und zynisch als auch liebevoll und zartfühlend. Er dachte weder in ideologischen begriffen, noch konnte er hassen. Menschen interessierten ihn letztlich nicht, wenn sie ihm nicht nützlich waren. Deswegen hatte er auch nie einen Freund. Bis heute hat niemand aus seinen Widersprüchen ein schlüssiges Charakterbild herauslesen können." Seite 85

Sicherlich sehr verkürzt dargestellt, macht es dennoch deutlich, wie schwierig es ist, die Person Napoleons zu fassen. Deswegen haben pro-napoleonische Werke wie das von Vincent Cronin ebenso ihre Berechtigung wie das sehr kritische von Jaques Presser, um nur zwei zu nennen. Der Weisheit letzter Schluss stellt aber keines dar.

Grüße
excideuil
 
In der Zeit Geschichte Heft 2/2006 beantwortet Eckart Kleßmann - in Fragen napoleonische Zeit kein Unbekannter - einige Leserfragen, u.a. diese:

"Was hatte Napoleon für einen Charakter? Wie war er persönlich?

"Widersprüchlich in allen Punkten. Er war sowohl roh, brutal und zynisch als auch liebevoll und zartfühlend. Er dachte weder in ideologischen begriffen, noch konnte er hassen. Menschen interessierten ihn letztlich nicht, wenn sie ihm nicht nützlich waren. Deswegen hatte er auch nie einen Freund. Bis heute hat niemand aus seinen Widersprüchen ein schlüssiges Charakterbild herauslesen können." Seite 85
Hm, erinnert mich auch an Friedrich II.. Kein Wunder, dass Napi nicht wenig von ihm hielt. Vielleicht auch wegen gewissen Ähnlichkeiten hinsichtlich des Umgangs mit der Religion.

Aber das hat mit Caulaincourt nicht viel zu tun.

Ich bin ihm recht früh begegnet. Kommt aber eben auch drauf an, ob man sich näher bspw. mit dem Russlandfeldzug beschäftigen möchte. Man denke an die Doku auf Arte vor Kurzem zum Russlandfeldzug (franz. Zweiteiler), wobei Caulaincourt am häufigsten auf franz. Seite vorkam auch natürlich als unendlich häufiger Mahner und Warner. :fs:
 
Ich bin ihm recht früh begegnet. Kommt aber eben auch drauf an, ob man sich näher bspw. mit dem Russlandfeldzug beschäftigen möchte. Man denke an die Doku auf Arte vor Kurzem zum Russlandfeldzug (franz. Zweiteiler), wobei Caulaincourt am häufigsten auf franz. Seite vorkam auch natürlich als unendlich häufiger Mahner und Warner. :fs:
Das Tragische an der Sache ist, dass Caulaincourt und später auch Narbonne absolut recht hatten mit ihren Mahnungen und Warnungen. Tragisch auch deshalb, weil der Marquis seinen jüngeren Bruder bei Borodino verlor.

Caulaincourt war lange genug am Hof von St. Petersburg als Großgesandter - wo er trotz 800000 Francs Bezügen noch privates Vermögen zur bestmögl. Repräsentation aufwendete * -, um sich ein Bild von den Verhältnissen in Rußland machen zu können. Sträflich daher, wenn ihn Napoleon abkanzelte und seine Warnungen nicht beachtete:
"Sie sprechen wie ein Russe!" fuhr er ihn an.
"Eher wie ein guter Franzose, und als treuer Diener Ew. Majestät!" [1] **
Der Kaiser blieb bei der Diplomatie der Kanone.

* Das scheint zu der Zeit kein Einzelfall gewesen zu sein, auch von Talleyrand ist bekannt, dass er viel Geld in offizielle Bälle und Empfänge steckte, die von seinem Gehalt nicht hätten beglichen werden konnten.

** Auch Talleyrand sah sich im Zusammenhang mit Erfurt 1808 solchen Vorwürfen ausgesetzt:
Talleyrand, Sie sind und bleiben doch ewig ein Österreicher!" - "Nur ein klein wenig, Sire; richtiger wäre es wohl, zu sagen, dass ich niemals ein Russe werde, sondern immer ein Franzose bleibe!" [2]

Grüße
excideuil


[1] Caulaincourt: „Unter vier Augen mit Napoleon – Denkwürdigkeiten des General Caulaincourt, Herzogs von Vicenza, Großstallmeister des Kaisers“, von Dr. Friedrich Matthaesius, Verlag von Velhagen & Klasing, 1937
[2] Talleyrand: „Memoiren des Fürsten Talleyrand“, herausgegeben mit einer Vorrede und Anmerkungen von Herzog de Broglie, Original Ausgabe von Adolf Ebeling, Köln und Leipzig, 1891-1893, Bd.1, Seite 308
 
Zurück
Oben