Der Weg nach Valmy 1791-1792

Brissotin

Aktives Mitglied
Normalerweise ist sowas wahrscheinlich ein Thema zum Bloggen, da ich aber Blogs in der Regel unendlich langweilig finde und mir auch ein bisschen Input zu der Thematik erhoffe, gerade auf Gebieten, wozu ich keine Quellen habe (preußische und österreichische Armee von 1791/92) mache ich dazu hier mal einen Thread auf. Rege Teilnahme auch von unseren Borussenkennern ist unbedingt erwünscht.
Es kann sein, dass ich nächstes Jahr so ziemlich zum Zeitpunkt der Kanonade selbst keine Zeit zum Schreiben haben werde, weil ich dann selber in der Gegend von Valmy sein werde.
Ansonsten soll dieser Thread aber tatsächlich möglichst akribisch die Ereignisse beschreiben, welche chronologisch wie politisch hin zu dem Ereignis führten, welches Goethe durch seine berühmte Aussage "Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.“ noch mehr dem kolektiven Gedächtnis einverleibt hat.

Eine Schwierigkeit zu den direkten Kampfhandlungen selbst, ist sicherlich, dass es dazu kaum Publikationen gibt. Ein berühmter Reenactor und ehemaliger Capitaine der Darstellungsgruppe 22e demi-brigade hatte mal sehr treffend bemerkt, dass Valmy gut als Anfang einer Entwicklung (die Koalitionskriege) gesehen werden darf, wovon Waterloo dann das Finale bildet. Zu Waterloo hingegen gibt es aber einen gewaltigen Rummel, nicht nur vor Ort, am Löwenhügel mit seinen teilw. kitschigen Souvenirläden, sondern auch in der Reenactmentszene (viele Gruppen stellen den Zeitschnitt 1813-15 v.a. auf Alliierter Seite dar, während die Revolutionskriege von Seiten der Verbündeten (Österreicher, Preußen, Reichstruppen, Spanier, Briten) erheblich unterrepräsentiert ist) und in der medialen Landschaft (Dokumentationen, Spielfilme ("Waterloo" von Bontartschuk), Publikationen für Laien, weiteres Publikum), während die Ereignisse von 1792-99 ziemlich ignoriert werden.
Diese Lücke kann freilich ein kleiner Thread nicht schließen. Mir geht es aber auch darum vor meinen eigenen Augen, die Geschehnisse, welche zu dem Aufeinandertreffen hinführten, nochmals in Erinnerung zu rufen.

1791 war dafür sicherlich ein wichtiges Jahr.
Was war bis zum Juni 1791 geschehen?
Im April 1791 war die königliche Familie an einer Ausfahrt nach Saint Cloud durch die Nationalgarde gehindert worden. Auf dieser Karte des Umkreises von Paris sieht man wie nah Saint Cloud an Paris gelegen ist und wohl auch, trotz der damals bescheideneren Grenzen der Stadt, gelegen war: Fichier:Saint-Cloud map.svg - Wikipédia
Jedenfalls zeigte das Ereignis mehr oder minder, dass sich der König und seine Familie in einer Art Haft befand. Die Hinderung an der alljährlichen Ausfahrt nach Saint Cloud soll dazu beigetragen haben, dass dem König und der Königin die Unfreiheit um so bewusster wurde.
Der Plan einer Flucht war bis Anfang Juni 1791 soweit gereift, dass sie für den 12., dann für den 15. Juni terminiert wurde.

Ich denke, dass die vereitelte Flucht des Königs zum einen den anderen Monarchen den Ernst der Lage desselben hinlänglich verdeutlichte, zum anderen wurde die gelungene Flucht des Comte de Provence und die Instalierung des Comte d'Artois in Koblenz zu einem Kriegsauslöser (bzw. zu einem vorgeschobenen Grund seitens der Revolutionsregierung).
 
Zuletzt bearbeitet:
... welches Goethe durch seine berühmte Aussage "Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.“ noch mehr dem kolektiven Gedächtnis einverleibt hat.
Goethe ist ja lustigerweise alles andere als Zeitnah. Seine "Kampagne in Frankreich 1792" wurde etwa 30 Jahre später verfasst. Goethe hat sich dabei auf mehrere Texte von anderen Kriegsteilnehmern gestützt, so auch die "Memoiren zur Geschichte des preußischen Staates" von Massenbach, 1809 erschienen. Massenbach schreibt dort zu Valmy:
"Wir hatten mehr verloren, als eine Schlacht... Der 20ste September hat der Welt eine andere Gestalt gegeben."
[Nach Wilfried von Bredow: Goethe in Valmy, S. 114]
Vielleicht hat ihm dieser Satz die Anregung für die "neue Epoche der Weltgeschichte" gegeben. Jedenfalls wirkt Goethe gar nicht mehr so vorausschauend, wenn man weiß das er diesen Satz aus der Perspektive der 1820er Jahre verfasst hat.

Der Feldzug von 1792 wird von den Alliierten im Herbst gestartet. Die preußischen Truppen haben unter schweren Regenfällen zu leiden und sind mit etwa 45.000 Soldaten auch nicht übermäßig viele. Aufgeweichte Wege bereiten bei der Versorgung der Armee Probleme. Dazu kommt eine Ruhrepidemie. Der Kriegsteilnehmer Laukhard schreibt dazu:
"fürchterliche Ruhr ... die Abtritte, wenn sie gleich täglich frisch gemacht wurden, sahen jeden Morgen so mörderisch aus, daß es jedem übel und elend werde mußte, der nur hinblickte: alles war voll Blut und Eiter, und einigemal sah man sogar Unglückliche darin umgekomen. Ebenso lagen viele blutige Exkremente im Lager herum von denen, welche aus nahem Drange nicht an den entfernten Abtritt hatten kommen können."
[Nach Wilfried von Bredow: Goethe in Valmy, S. 118]

Im September 1792 besteht die preußische Armee nur noch aus etwa 36.000 Soldaten. Die Ausfälle sind insbesondere auf Krankheiten zurück zu führen. Der Herzog von Braunschweig entscheidet sich eine Schlacht bei Valmy nicht anzunehmen. Ein weiterer Vormarsch mit seinen geschwächten Kräften ist riskant.

Bei den Franzosen selbst machen die Linientruppen nach Bredow einen wichtigen Teil der Armee aus. Taktische Neuerungen auf Seiten der Franzosen, die für einen "Sieg" ausschlaggebend gewesen sind, finden sich nicht.

Ein großer militärischer Wendepunkt beziehungsweise ein Epochenumbruch ist Valmy sicher nicht.

Ein berühmter Reenactor und ehemaliger Capitaine der Darstellungsgruppe 22e demi-brigade hatte mal sehr treffend bemerkt, dass Valmy gut als Anfang einer Entwicklung (die Koalitionskriege) gesehen werden darf, wovon Waterloo dann das Finale bildet.
Da halte ich den Beginn des Feldzugs von 1792 für passender. Die Preußen starten den Feldzug nicht im Sommer und schicken keine übermäßig große Armee.

Quelle:
Wilfried von Bredow: Goethe in Valmy; in: Kunisch/Münkler (Hg.): Die Wiedergeburt des Krieges aus dem Geist der Revolution. Studien zum bellizistischen Diskurs des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts, S. 113-130
 
Zuletzt bearbeitet:
Da halte ich den Beginn des Feldzugs von 1792 für passender. Die Preußen starten den Feldzug nicht im Sommer und schicken keine übermäßig große Armee.
Man könnte mit dem 15.7. anfangen, als die preußische Hauptkolonne mit Ferdinand von Braunschweig den Rhein (bei Koblenz und bei Mainz) überschreitet. Oder mit der ersten Feindberührung im August.
 
Da halte ich den Beginn des Feldzugs von 1792 für passender. Die Preußen starten den Feldzug nicht im Sommer und schicken keine übermäßig große Armee.
Es geht meines Erachtens eher um die Signalwirkung. Also Valmy war der erste (nennenswerte) Sieg der Revolutionäre, Waterloo war die letzte (wichtige) Niederlage. Mit Waterloo endete sowenig der Krieg (es gab noch ein paar Gefechte danach) wie er mit Valmy begann.

Doch würde ich den Thread generell lieber rein chronolgisch abhandeln, v.a. da die Ereignisse ohnehin in ihrer Fülle bemerkenswert sind.

Bei Kirchberger habe ich gefunden, dass sich Kaiser Leopold II. wegen Verletzungen deutscher Feudalrechte im Elsass am 14. Dezember 1790 beschwert habe. Kennt jemand den genauen Wortlaut der Beschwerde? Ich konnte ihn weder bei Kirchberger noch bei Markov ("Revolution im Zeugenstand") entdecken.
Geht es hierin auch um die württembergische Grafschaft Mömpelgard, die laut Wikipedia 1790 und 1793 von französischen Truppen besetzt wurde? Württemberg-Mömpelgard (Grafschaft) ? Wikipedia
Mir scheint, dass die Besetzungen von fremden Territorien im Frieden doch eine äußerst agressive Haltung des revolutionären Frankreichs offenbaren. Der Kaiser scheint mir sogar in Anbetracht dessen verhältnismäßig friedlich geblieben zu sein.

Abmachungen der Monarchien:
Bereits 1790 hatten sich Preußen und Österreich insgeheim auf eine vorläufige Einstellung des Konfliktes zwischeneinander geeinigt, um gemeinsam in der Folge für den Schwager des Kaisers vorgehen zu können. Katharina II. hatte ebenfalls mit Gustav III. von Schweden, ihrem schärfsten Gegner, über ein gemeinsames Vorgehen gegenüber Frankreich verhandelt.
Zwischen Schweden und Russland, gerade erst mit dem Frieden von Värälä am 14. August 1790 beendet, und Preußen und Österreich hatte seit Jahrzehnten ein Konflikt mehr oder minder offen ausgetragen geschwillt.

Die Beilegungen der Streitigkeiten zu Gunsten eines gemeinsamen Zieles sehe ich als Hauptfaktor für die erfolgreiche Vereinigung der Koalition - ebenso bedeutend sollten diese Abmachungen aber auch für das Empfinden einer Bedrohungslage auf französischer Seite gewesen sein.
 
Seit dem 15. Juni 1791 hatte sich der Comte d'Artois in Koblenz eingerichtet. Er begann dort eine Emigrantenarmee zu versammeln.

Es wäre auch schön, wenn wir zu dieser Armee und den jeweiligen Zustand derselben, also hier im Sommer 1791, etwas zusammentragen könnten. Wie gesagt wurde diese Armee ja zu einem nicht unwichtigen Zankapfel.

Zu Louis V Joseph Prince de Bourbon-Condé und seinen Weg von 1789 bis zu seinem Auftreten in Koblenz findet man etwas hier: Armée des émigrés - Wikipédia
 
...Mit Waterloo endete sowenig der Krieg (es gab noch ein paar Gefechte danach) wie er mit Valmy begann.....

Das ist zwar völlig OT, aber es interessiert mich doch:

Welche Kämpfe gab es noch nach Waterloo? Mir ist nur bekannt dass die Preussische Armee plündernd und brandschatzend gen Paris zog, sehr zum Entsetzen der Briten, die so etwas natürlich nieee getan haben (auch nicht in Badajoz oder San Sebastian:pfeif:).
 
Merci, jschmidt.

Also ich finde darin die Herzöge von Württemberg, Zweibrücken, den Fürsten von Leiningen und den Bischof von Basel wären laut französischer Seite zu Verhandlungen über Entschädigungen willig. Hingegen lehnte der Bischof von Speyer dergleichen ab und ließ seine Beschwerde gegenüber dem König von Frankreich (ab 1791 "König der Franzosen" ) auch auf dem Reichstag verlautbaren. Um die Jahreswende 1790/91 gingen offenbar franz. Versuche den Bischof von Speyer zu bereden fehl. Im Winter (März) 1791 suchte der Comte de Montmorin auch Verhandlungen mit dem Landgrafen von Hessen-Darmstadt aufzunehmen, welcher diese aber mit dem Hinweis darauf, dass die Sache bereits dem Reichstag vorgelegt sei und das gesamte Reich beträfe (was sicherlich m.E. richtig ist) ablehnte. Um die Versuche des Außenministers Montmorin (Außenminister Frankreichs Juli 1789 - Nov. 1791) gegenüber Kurtrier war es nicht besser bestellt. Die Haltung des Kurfürsten war teilw. sogar dem Wortlaut nach gleich den speyrischen Protestnoten. Der Markgraf von Baden äußerte sich etwas gelinder, drückte aber auch aus, dass er nur im Falle einer reichsweiten Einigung zu Verhandlungen mit Frankreich bereit sei.

Vor allem scheint der Streit mit den geistlichen dt. Fürstentümern durch französische Dekrete des Jahres 1790 verursacht worden zu sein, welche die gesamten Gebiete im Elsass und Lothringen in Hinsicht auf die Diözesenrechte etc. franz. Bischöfen zusprachen, was im Gegensatz wohl auch des Münsteraner Friedens stand.

Ab dem 26. April 1791 legte der Kaiser die Sache nochmals dem Reichstag vor. Die Punkte, als Fragen formuliert, welche Kurmainz in der Funktion als Reichsdirektorium zusammentrug scheinen mir für den Kriegsausbruch interessant:
- franz. Dekrete friedenschlusswidrig?
- gehört nicht das Elsass, da nicht im Münsteraner Frieden abgetreten, ohnehin noch zum Reich?
- ob die Anerkennung franz. Souveränität im Elsass durch einzelne Reichsfürsten ein Fehler?
- was man dafür tun kann, dass die noch erhaltenen (also bis 1790/91 bewahrten) Besitzungen dt. Reichsstände in Elsass und Lothringen zu verteidigen wären?
*

Fortsetzung folgt.



Mir scheinen diese Verhandlungen insgesamt sehr spannend. Es wirkt so, als ob Frankreich mit den (völker)rechtswidrigen Übergriffen schlafende Hunde geweckt hatte und dass zumindest die geistlichen Fürstentümer hier eine Chance sahen, generell die terretoriale Verschiebung der letzten etwa 150 Jahre, welche auch wirklich vertraglich schwach gesichert war, z.T. rückgängig zu machen.
Auf der anderen Seite hatte offenbar die Nationalversammlung keinerlei Gespür für die Gefahr, welche sie durch ihre Dekrete außenpolitisch heraufbeschwor. Mit dem Vatikan überwarf man sich ja ohnehin 1790/91 und die diplomatischen Beziehungen wurden abgebrochen.
Es scheint mir so, als sein die Entscheidungen der NV sehr auf sich bezogen und wenig die außenpolitischen Schwierigkeiten irgendwie beachtend, ja die Nachbarn werden scheinbar ignoriert. Fragwürdig dünkt mir ohnehin, wie das Frankreich von 1790/91, das nach wie vor ziemlich pleite war, irgendwie Geldentschädigungen für die Reichsfürsten hätte zahlen sollen (?). Möglicherweise wussten das Württemberg und die anderen scheinbar verhandlungswilligen Reichsstände nicht.

Die Agression scheint mir, bei aller vorgeblichen Verhandlungsbereitschaft des franz. Außenministers, dennoch auf französischer Seite zu liegen.

*
J.A. Reuß: "Teutsche Staatskanzley" Stettinsche Handlung, Ulm, 1797
S. 1-25
 
Fragwürdig dünkt mir ohnehin, wie das Frankreich von 1790/91, das nach wie vor ziemlich pleite war, irgendwie Geldentschädigungen für die Reichsfürsten hätte zahlen sollen (?). Möglicherweise wussten das Württemberg und die anderen scheinbar verhandlungswilligen Reichsstände nicht.

Für Württemberg kann ich das insoweit beantworten, dass von einer "Geldentschädigung" nicht die Rede war. Es ging immer um "Landstriche". Was Frankreich grundsätzlich zusagte. Sollte ja auch aus der Beute sein.
In Paris verhandelten gleichzeitig, teils zusammen teils getrennt 2 Delegationen, eine des württ. Herzogs, eine der Landstände. "Innenpolitisch" gab es Zoff, ob die neuen Gebiete inkoorporiert, (die man noch längst nicht hatte!) also auch zur Landschaft gehören, oder separat bleiben sollten.

Dieselben Verhandlungen wurden in Wien geführt, hier verhandelte der Erbprinz, der spätere König Friedrich. Joseph lehnte einen Territorialausgleich ab. Details der Verhandlungen steckte die Mutter des Erbprinzen, eine preuß. Prinzessin die die übliche Aversion gegen Wien hatte, der Landschaft.

Vielleicht noch rückblickend, die Zahlung der notwendigen Mittel zur Verteidigung von Mömpelgard machte Carl-Eugen von der Anerkennung seiner Frau Franziska durch seine Brüder abhängig, Bruder Friedrich-Eugen war Statthalter dort, was diese ablehnten.

Also eine komplexe Gemengelage
 
Württemberg und Reichsritter 1791

Für Württemberg kann ich das insoweit beantworten, dass von einer "Geldentschädigung" nicht die Rede war. Es ging immer um "Landstriche". Was Frankreich grundsätzlich zusagte. Sollte ja auch aus der Beute sein.
Mit welchen Landstrichen sollte auch entschädigt werden? Frankreich in der damaligen Stimmung wird ja keine eigenen Gebiete abgetreten haben und wo sollte es 1791 welche herbekommen? Württemberg hätte ja schlecht Gebiete des Reiches zur Kompensation annehmen können, dazu war die Reichsverfassung und die Position des Kaisers 1791 noch zu stabil.

Ich hatte gestern gelesen, dass es auch noch diverse Reichsritter im Elsass gab, welche dann 1790/91 entweder ihre Privilegien und so ziemlich alles aufgeben mussten und den Bürgereid in Frankreich schwören oder eben emigrieren. Kennt da jemand eine Größenordnung?
 
Aufruf des Königs vom 21. Juni 1791

Der Aufruf des Königs vom 21. Juni 1791 im Zuge seiner Flucht gibt meines Erachtens recht gut seine Geisteshaltung wider. Gleich am Anfang, und auf diesen Teil will ich mich beschränken, schildert er offenbar sein Hauptmotiv für die Flucht:
"Solange der König noch darauf hoffen konnte, kraft der von der Nationalversammlung angewandten Maßnahmen und aufgrund seiner Residenz in der Nähe dieser Versammlung Ordnung und Glück wiedererstehen zu sehen, hat er kein Opfer gescheut; selbst die Einbuße seiner Freiheit, derer er seit Oktober 1789 beraubt ist, hatte er klaglos erduldet. Jetzt aber sieht er als Folge aller Geschehnisse das Königtum vernichtet, das Eigentum verletzt, die persönliche Sicherheit in Frage gestellt, und vollständige Gesetzlosigkeit in allen Teilen des Reiches herrschen; es besteht keinerlei Aussicht auf eine Autorität, die stark genug wäre, dieser Unordnung Einhalt zu gebieten. Nachdem der König die Gültigkeit aller von ihm während seiner Gefangenschaft ergangenen Amtshandlungen angefochten hat, hält er es für seine Pflicht, den Franzosen sein Verhalten darzulegen. ...

...
Paris am 20. Juni 1791 gez. Louis"
*
(Hervorhebungen von mir.)
Mir macht das Ganze schon einen recht deutlichen Eindruck der Lage, beziehungsweise wie dieselbe vom König empfunden wurde. In dem Zusammenhang ist auch sein späteres Votieren für den Krieg als seine letzte Chance auch für seine persönliche Freiheit zu sehen. Aber ich will nicht zu weit voraus greifen.

* Walter Markov: "Revolution im Zeugenstand - Frankreich 1789-1799" Ph. Reclam, Leipzig, 1982
Band 2
53. Aufruf des Königs anläßlich seiner Flucht aus Paris
S. 161
 
Mit welchen Landstrichen sollte auch entschädigt werden? Frankreich in der damaligen Stimmung wird ja keine eigenen Gebiete abgetreten haben und wo sollte es 1791 welche herbekommen? Württemberg hätte ja schlecht Gebiete des Reiches zur Kompensation annehmen können, dazu war die Reichsverfassung und die Position des Kaisers 1791 noch zu stabil.

Genau dies wurde aber von den Franzosen angeboten.

In Wien äußerte man Interesse an Vorderösterreichischen Gebieten, Joseph hatte ja durchaus schon durchblicken lassen, dass er nicht so sehr an ihnen hing.

Wien und Paris waren je nach militärischer Lage mal interessiert, mal nicht.
In Württ. setzte sich Anfangs die Landschaft durch, Neutralität! Als die Revolutionsarmee dann aber 1792 entsprechend hauste, schlug das Pendel um, und man bemühte sich um eine effektive Landesverteidigung.
 
Genau dies wurde aber von den Franzosen angeboten.

In Wien äußerte man Interesse an Vorderösterreichischen Gebieten, Joseph hatte ja durchaus schon durchblicken lassen, dass er nicht so sehr an ihnen hing.

Wien und Paris waren je nach militärischer Lage mal interessiert, mal nicht.
In Württ. setzte sich Anfangs die Landschaft durch, Neutralität! Als die Revolutionsarmee dann aber 1792 entsprechend hauste, schlug das Pendel um, und man bemühte sich um eine effektive Landesverteidigung.
Das verstehe ich jetzt nicht.

Man äußerte in Wien Interesse an Vorderösterreichischen Gebieten? Aber warum sollten die Österreicher davon was abtreten und was sollte Österreich dafür bekommen? Mir erschließt sich nicht die Wechselseitigkeit. Oder sollte Österreich dafür französische Gebiete kriegen, was ich mir wie oben gesagt nicht vorstellen kann?
 
Das verstehe ich jetzt nicht.

Man äußerte in Wien Interesse an Vorderösterreichischen Gebieten? Aber warum sollten die Österreicher davon was abtreten und was sollte Österreich dafür bekommen? Mir erschließt sich nicht die Wechselseitigkeit. Oder sollte Österreich dafür französische Gebiete kriegen, was ich mir wie oben gesagt nicht vorstellen kann?

Jetzt dachte ich Du willst auf den Länderschacher hinaus, der genau da anfing.
Man bot das Bündnis an, verlangte dafür Kompensation der Verluste. Von den Franzosen versprochen, von den Österreichern hingehalten.

Aber ich sehe gerade, Du setzt die Zeitgrenze 1792 an, da lebte noch Carl-Eugen, also vergiss das meiste was ich schrieb
Jedenfalls eins, in Württemberg war man nicht an Geld interessiert.

Edit:
Carl-Eugen war die letzten Jahre mehrfach in Paris, war direkter Augenzeuge der Revolution. Der Zustand der franz. Staatskasse dürfte ihm in groben Zügen bekannt gewesen sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
@ Repo
Macht nichts.

Kurtrier hatte laut der von jschmidt angeführten Quelle (S.11) Geldentschädigungen zurückgewiesen. Von daher frage ich mich eben, wie denn anders, v.a. in Anbetracht dass der Krieg ja noch nicht ausgebrochen war und noch keine Fakten in Form von Gebietsgewinnen Frankreichs entstanden waren.

Mir klingt das Ganze eher danach, als ob Montmorin im Grunde mit leeren Händen verhandeln musste. Er bzw. Frankreich hatte Nachbarn was weggenommen und hatte so eigentlich nichts womit er sie entschädigen könnte. Dem Kaiser lagen die betroffenen Reichsstände in den Ohren, die Reichsritter scheinen alles verloren zu haben (sie hatten ja immerhin den Kaiser traditionell finanziell gestützt) und er und der französische Außenminister, der sicherlich in dieser Klemme nicht zu beneiden war, spielten auf Zeit.
Frankreich hatte zwar das Reich mit den Verstößen herausgefordert, konnte sich aber noch nicht zu einer Kriegserklärung durchringen, die auch zumindest im Juni 1791 noch bar jeglicher Begründung war. Kaiser und Reich hätten allen Grund zum Krieg gehabt, doch der kam dem Kaiser, der erstmal die Aufstände im eigenen Lande, die eben erst niedergeschlagen worden waren, verdauen musste, reichlich ungelegen.

Schon der Kriegsaustritt Österreichs mit dem Frieden von Sistowa im August 1790 war für Österreich ungünstig. Statt an der Seite Russlands weiter gegen die Osmanen vorzustoßen, sah sich Leopold II. unter preußischem Druck (Allianz Preußens mit dem Osmanischen Reich) dazu gezwungen bei einem Seperatfriedensschluss so ziemlich den Status Quo von 1788 anzuerkennen. (Derweil vermochte Russland schon an der Jahreswende 1791/92 größere Gewinne und die Garantie die Krim behalten zu können für sich veranschlagen zu können.

Man kann sagen, dass Preußen ein Hauptmotor für die Kriegsbereitschaft gegenüber Frankreich wurde. Mit dem Frieden von Sistowa und der Konvention von Reichenbach zwischen Preußen und Österreich ( vgl.: Reichenbacher Konvention ? Wikipedia ) wurden die nötigen österreichischen Kräfte für den antirevolutionären Kampf frei.
 
Die preußische Armee um 1791

O. Groehler geht in seinem Buch mit der preußischen Armee in der Zeit nach 1763 ziemlich hart ins Gericht. Zwar könnte man dagegen ins Feld führen, dass ein DDR-Autor ein Feindbild diskreditieren wollte; doch so einfach ist das offensichtlich nicht, da er ja die Leistungen der preußischen Armee im Siebenjährigen Krieg hervorhebt.

Als negative Aspekte führt Groehler an:
1. Überaltertes Offizierskorps bezeichnet als "veraltete dickbäuchige Figuren", was daher kommen soll, dass Friedrich II. aus Sparsamkeit seinen alten Offizieren nicht den Abschied geben wollte. Zahlen: Alle Generalleutnants der Infanterie z.B. über 70, die Generalleutnants bei der Kavallerie zumindest zur Hälfte über 70. Bei den unteren Dienstgraden ist es nicht ganz so drastisch, klar man musste sich ja erst hochdienen, aber auch nicht wirklich rosig.
2. Trotz Truppenvermehrung versuchte Friedrich II. Mehrkosten zu vermeiden (erinnert ein bisschen an August den Starken).
3. Das Offizierskorps wurde wieder noch ausschließlicher mit Adeligen besetzt, Ingenieur- und Artilleriekorps, allerdings auch innerhalb des Heeres nicht sehr angesehen, blieben davon ausgenommen.
4. Die Haferrationen der Pferde wurden reduziert, worunter die Kavallerie litt. Dienst zu Pferde wurde daher seltener und bei den Übungen wurden Attacken seltener, die Pferde mussten mehr geschont werden. "Brach in der Ruhezeit ein Krieg aus, so fiel die Kavallerie für den Kampf nahezu aus."
5. Die Ausbildung der Infanterie stagnierte, der Exerzierdienst und die Ausbildung wurden zum Selbstzweck und die Tüchtigkeit der Armee hat sich verringert.
6. Die Rekruten verschlechterten sich, da der Anreiz zuverlässige Soldaten zu bekommen durch Reglementierungen durch den König zusehends wegfiel. Die Hauptsache war nun angeblich, dass möglichst billige Rekruten eingekauft wurden, weil bloß noch 10 bis 20 Mann auf eigene Rechnung vom Kompaniechef beurlaubt wurden...

Mir scheint, dass Groehler den Bayerischen Erbfolgekrieg bzw. die scheinbar mangelnden Leistungen der preußischen Armee als Hinweis dafür sah, dass sich Friedrich II. den üblichen Kriegsführungen angepasst habe, was seinem Heer den Vorsprung gegenüber den anderen kriegsführenden Staaten nahm.
*

Zum einen wäre für mich interessant, ob Groehler damit ganz daneben liegt und natürlich zum anderen, ob man neben der Vermehrung der leichten Einheiten in der Schlussphase der Herrschaft von Friedrich II. und in der Zeit von Friedrich Wilhelm II. wieder von einer Erholung der preußischen Schlagfähigkeit sprechen kann?

* Olaf Groehler: "Die Kriege Friedrich II." Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin, 1986
S. 190-193
 
Ich denke, dass die vereitelte Flucht des Königs zum einen den anderen Monarchen den Ernst der Lage desselben hinlänglich verdeutlichte, zum anderen wurde die gelungene Flucht des Comte de Provence und die Instalierung des Comte d'Artois in Koblenz zu einem Kriegsauslöser (bzw. zu einem vorgeschobenen Grund seitens der Revolutionsregierung).

Ich würde die Bedeutung der bourbonischen Prinzen nicht überhöhen wollen:

Bei Möller ist zu lesen:
"Nicht allein die Fürsten, Staaten und Gesellschaftssysteme sollten sich vor der Revolution rechtfertigen, auch die Völker wollte man notfalls zu ihrem Glück zwingen, da sich der durch den nationalen Aufbruch emotionalisierte Krieg und seine ideele Mission schnell zu einem expansionistischen Nationalismus wandelten. Isnard sprach in seiner Rede vom 29. November 1791 die Drohung unverhüllt aus: "Sagen wir Europa, dass, wenn die Kabinette die Könige in einen Krieg gegen die Völker verwickeln, wir die Völker in einen Krieg gegen die Könige verwickeln werden." Und einen Monat später griff Brissot zu einer Analogie, die die säkularisierte missionarische Ideologie enthüllte: "Der Augenblick für einen neuen Feldzug ist gekommen; es wird ein Feldzug für die Freiheit der Welt sein." Und die Prophezeiung des Revolutionärs Chaumette demonstrierte, dass der nahtlose Übergang von der nationalen Begeisterung für die Rechte der Menschheit zum nationalistischen Expansionismus nicht erst eine Erfindung Napoleons war, vielmehr war sie bereits in der Befreiungsideologie angelegt, die bald zur Verbrämung territorialer und hegemonialer nationaler Interessen herhalten musste: Das Gebiet zwischen Paris, Petersburg und Moskau wird bald französisiert und jakobinisiert sein."" [1]

Die Rhetorik macht deutlich, die Bourbonen spielten keine wirkliche Rolle mehr.
Ein anderes Ereignis war wichtiger:

"Allerdings verschärfte nach dem plötzlichen Tod Kaiser Leopold II. am 1. März 1792 sein politisch noch unerfahrender Sohn und Nachfolger Franz II. die Situation, indem er er vorsichtig abwartendes Verhalten durch forsch antirevolutionäres Verhalten ersetzte. Damit verschaffte er den Brissotisten die Chance, die französische Regierung zu stürzen und ein eigenes Ministerium zu bilden, das nun den seit Monaten propagierten Kriegskurs durchsetzte.
Im Reich hegte man wie in Frankreich die Illusion der Überlegenheit, ohne zu ahnen, dass die großartige inzinierte Kaiserwahl vom 5. Juli 1792 die letzte des HRR sein würde. Und auch den Sinn für Symbolik erhielt man sich, setzte man doch die Kaiserkrönung auf den dritten Jahrestag des Bastille-Sturms fest, auf den 14. Juli 1792. Die französische Kriegserklärung an Österreich verpflichtete Preußen zum Beistand, F.W. II. zögerte nicht, seine militärische Unterstützung zu erklären." [1]

Grüße
excideuil

[1] Möller, Horst: Fürstenstaat oder Bürgernation, Deutschland 1763-1815, Siedler Verlag, Berlin, 1989, Seiten 543-544
 
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