Details am "Wegesrande" - Beschriftungen zu Napoleon im Weinviertel

tomm99

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Franzosenkreuz Loosdorf


Ein vielleicht kleines Thema, aber doch wert darüber mal zu reden.

Die Beschriftung der Tafel beim Franzosenkreuz in Loosdorf (NÖ-Weinviertel) beginnt mit dem Satz: „Zu Beginn des 19. Jh. kam es in Österreich zu einer vaterländischen Bewegung gegen Napoleon.

Dieser Satz spiegelt doch einen eher „verstaubten“ Zeitgeist wider. Tatsache ist vielmehr, dass für Europas Monarchen und Mächtige wie Klemens Fürst von Metternich der Kampf gegen Napoleon zugleich ein Kampf gegen die Ideen der Französischen Revolution gewesen ist. Nach diesem sog. „vaterländischen Kriegen“ wurde 1815 die politische Polizei ausgebaut, ein umfassendes Spitzelsystem überwachte bald ganz Österreich und Deutschland. Viele Menschen resignierten, "privatisierten" und zogen sich in die Biedermeier-Idylle zurück. Politische Friedhofsruhe breitete sich aus. Erst in den 1830er Jahren formierten sich die demokratisch-nationalen Kräfte neu.

Was war das für eine Befreiung? Sicher keine Befreiung in Richtung Demokratie, in Richtung Emanzipation des Volkes. Denn die alten Monarchen festigten nach Napoleons Ende ja noch einmal ihre Macht. Wenn wir heute von den "Befreiungskriegen" sprechen, dann meinen wir die Befreiung von der Herrschaft Napoleons. Eine Befreiung der Menschen war das nicht!

Napoleon hat auch segensreich gewirkt, das kann man durchaus würdigen. In den linksrheinischen Gebieten hat er u.a. den Code civil eingeführt und die Macht der Kirchen gebrochen.

Napoleon trug Ideen von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit zu uns. Wir reden insgesamt zu wenig über diese Zeit, aber schlussendlich missbrauchte auch er die Macht für seine eigenen Ziele.

Wenn man diese Tafel liest, glaubt man eine böse Macht hat Österreich überfallen und einen pluralistischen Rechtsstaat beseitigt. Rückblickend betrachtet darf man das napoleonische Zeitalter nicht mit einfachen „Schwarz-Weiß“ Argumenten bewerten. Was meint Ihr?
 

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Napoleon trug Ideen von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit zu uns.
Legenden leben scheinbar ewig ...

„Dieser Mann da (Napoleon) taugt nicht mehr für das Gute, das er bewirken könnte, seine Zeit, da er mit Gewalt die Revolution zähmte, ist vorbei; die Ideen, die er allein noch bannen könnte, sind ohnedies nur noch schwach und stellen keine Gefahr mehr dar, aber es wäre fatal, würden sie gänzlich erlöschen. Er hat die Gleichheit zerstört, das ist gut; aber die Freiheit muss uns erhalten bleiben; ebenso die Gesetze; dafür bietet er keine Gewähr. Das ist der Moment, ihn zu stürzen. " [1] (Hervorhebungen von mir)

Dies schrieb Talleyrand im November 1812 an eine Freundin. Immerhin ein Mann, der mit der franz. Politik sehr vertraut war.

Grüße
excideuil

[1] Willms, Johannes: Talleyrand Virtuose der Macht 1754-1838, C.H. Beck, München, 2011, Seite 192
 
1.
Die Beschriftung der Tafel beim Franzosenkreuz in Loosdorf (NÖ-Weinviertel) beginnt mit dem Satz: „Zu Beginn des 19. Jh. kam es in Österreich zu einer vaterländischen Bewegung gegen Napoleon.

Dieser Satz spiegelt doch einen eher „verstaubten“ Zeitgeist wider. Tatsache ist vielmehr, dass für Europas Monarchen und Mächtige wie Klemens Fürst von Metternich der Kampf gegen Napoleon zugleich ein Kampf gegen die Ideen der Französischen Revolution gewesen ist.

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Nach diesem sog. „vaterländischen Kriegen“ wurde 1815 die politische Polizei ausgebaut, ein umfassendes Spitzelsystem überwachte bald ganz Österreich und Deutschland. Viele Menschen resignierten, "privatisierten" und zogen sich in die Biedermeier-Idylle zurück. Politische Friedhofsruhe breitete sich aus. Erst in den 1830er Jahren formierten sich die demokratisch-nationalen Kräfte neu.

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Was war das für eine Befreiung? Sicher keine Befreiung in Richtung Demokratie, in Richtung Emanzipation des Volkes. Denn die alten Monarchen festigten nach Napoleons Ende ja noch einmal ihre Macht. Wenn wir heute von den "Befreiungskriegen" sprechen, dann meinen wir die Befreiung von der Herrschaft Napoleons. Eine Befreiung der Menschen war das nicht!

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Napoleon hat auch segensreich gewirkt, das kann man durchaus würdigen. In den linksrheinischen Gebieten hat er u.a. den Code civil eingeführt und die Macht der Kirchen gebrochen.

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Napoleon trug Ideen von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit zu uns. Wir reden insgesamt zu wenig über diese Zeit, aber schlussendlich missbrauchte auch er die Macht für seine eigenen Ziele.

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Wenn man diese Tafel liest, glaubt man eine böse Macht hat Österreich überfallen und einen pluralistischen Rechtsstaat beseitigt. Rückblickend betrachtet darf man das napoleonische Zeitalter nicht mit einfachen „Schwarz-Weiß“ Argumenten bewerten. Was meint Ihr?
1.
Dieser Satz ist doch erstmal ganz wertungsfrei - von daher ganz OK.

2.
Und? Gab es in Frankreich unter Napoléon keine Spitzel? Schonmal was von Fouché gehört?

3.
Das mag stimmen. Die Monarchien waren die Gewinner des Krieges. Aber hatten denn die Monarchen irgendwas hinsichtlich Demokratie versprochen? Sie werden sich gehütet haben.
Der Begriff "Befreiungskriege" gehört allerdings meines Erachtens hinterfragt. Wer wurde befreit? Wurden die Sachsen befreit, als sie unter preußische Herrschaft kamen? Wurden die Vorderösterreicher befreit, die zurück unter Österreichs Herrschaft wollten, aber bei Baden blieben? Befreiung ja vielleicht, aber vor allem von den anhaltenden Kriegslasten für einen großen Teil Deutschlands, Befreiung auch von der für weite Teile katastrophalen französischen Wirtschaftspolitik, Befreiung auch von der egoistischen Grenzziehung im Sinne Napoléons, der einfach seine Satelitenstaaten beschnitt oder vergrößerte nach Gutdünken (bspw. Westphalen und Berg, auch das Kgr. Holland).

4.
In vielen Gebieten blieb alles beim Alten. Ich habe neulich ein Schreiben der Bauern aus einem französisch gewordenen Teil Deutschlands gesehen, worin diese sich bei Napoléon darüber beschwerten, dass der bei ihnen zuständige Chef der Verwaltung sich nicht an die neuen Gesetze halte. Er war übrigens derselbe wie vor der Übernahme durch die Franzosen und nach 1815 kam er auch unter den Preußen wiederum in Amt und Würden.

5.
Ich würde eher sagen, diese Ideen wurden in der Revolution von den Armeen Frankreichs getragen. Letztlich aber beuteten auch diese die Zivilbevölkerung aus und diese war überwiegend mit den "Befreiern" unzufrieden.

6.
Wie bitte?
Was war denn damals ein Rechtsstaat nach heutigen Normen?
Napoléons Frankreich würde man nach Montesquieus Muster als einen Despotismus bezeichnen.

Schwarz-Weiß Argumente mag es geben - gutes und schlechtes, auf allen Seiten. Aber es gab auch was dazwischen.
Mir scheint, dass Deutschland auf einem Weg der Reform war, der dann durch den Ausbruch der Revolution und den Widerstand gegen Reformen wie unter Joseph II. jäh zusammenbrach. Viele fortschrittlichen Gedanken wurden in den 1790ern wieder begraben.
 
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