General Winter und die Zinnpest

Neddy

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Mahlzeit!
Bin heute in der Arbeit mit einem Artikel aus der FAZ konfrontiert worden, der die großen Verluste bei Napoleons Truppen im Rußlandfeldzug unter anderem auf die Zinnpest zurückführt. Zinnpest ? Wikipedia
Zinn löst sich bei großer Kälte in Wohlgefallen auf. Die im Artikel angeführte Mär besagt, dass eben dieses mit den Knöpfen der Uniformen von Napoleons Truppen geschehen sein soll. Sie konnten ergo ihre Kleider nicht mehr vernünftig schließen und mussten jämmerlich erfrieren. Das habe ich noch nie gehört und finde es auch insofern nicht plausibel, als ja nicht alle Truppen die selben Knöpfe benutzt haben und sicherlich Messing, Horn, Holz etc. ebenfalls in Gebrauch waren. Dem Verlust von Zinnknöpfen sollte m. E. durch andere Knöpfe oder Riemen Abhilfe geschaffen werden können.
Trotzdem die Frage: Ist irgendwie was da dran? Gibt es verlässliche Quellen dazu? Oder handelt es sich hier um eine durch vielfältiges Abschreiben selbstbewiesene und dadurch verewigte Legende?
 
Ich denke eher zweiteres. Zinn war wie du schon sagst nicht das einzige Material aus dem Knöpfe hergestellt wurden. Zudem gab es Zinn 1812 auch nicht erst seit vorgestern, nachdem der Zinnzerfall bereits bei halbwegs angenehmen Temperaturen (Tante Wiki sagt 13,2 ° C) einsetzt, dürfte die Zinnpest nicht gerade das Megageheimnis schlechthin gewesen sein. Außerdem halte ich es für wenig wahrscheinlich, dass Zinn so schnell zerfällt. Wenn ich den Wikiartikel richtig verstehe, ist die Zinnpest nichts anderes als eine Form der Metallkorrosion und das geht nun mal nicht innerhalb von ein paar Monaten. Nachdem wir gerade eine günstige jahreszeitliche Lage haben: kann mal jemand irgendeinen Zinngegenstand für mehrere Wochen nach draußen stellen und den Zerfall dokumentieren?
 
...kann mal jemand irgendeinen Zinngegenstand für mehrere Wochen nach draußen stellen und den Zerfall dokumentieren?
Seit jeher werden bei uns Regenrinnen und Fallrohre mit Zinn verlötet. Die Lötnähte lösen sich auch nach Jahrzehnten nicht auf. Sie reissen höchstens irgendwann durch Materialermüdung, wenn sie zu knapp überlappt worden sind.

Ich halte das Ganze für Mumpitz. Auch wenn es war sein sollte, das Zinn sich auflöst, dann macht man sich eben Knöpfe aus Holz oder bindet sich die Jacke mit einem Bindfaden zu.
 
Seit jeher werden bei uns Regenrinnen und Fallrohre mit Zinn verlötet.

Dafür wird doch aber Lötzinn verwendet, mit einem Zinnanteil, aber auch anderen Metallen wie Antimon und Wismut. Die verhindern wiederum den Zerfall.

Bei den Hilfsmitteln bin ich allerdings bei Dir, kann ich mir auch nicht als Ursache vorstellen.:winke:
 
Dafür wird doch aber Lötzinn verwendet, mit einem Zinnanteil, aber auch anderen Metallen wie Antimon und Wismut. Die verhindern wiederum den Zerfall.

Bei den Hilfsmitteln bin ich allerdings bei Dir, kann ich mir auch nicht als Ursache vorstellen.:winke:
Bismut, nicht Wismut.
Das Lötzinn der Dachklempner ist aber überwiegend mit Blei legiert und enthält nur sehr wenig Antimon (>0,5%). Bei Objekten aus gegossenem Zinn, ausgenommen Trinkgefäßen, wurde aber auch kein reines Zinn verwendet, da dieses sowieso zu spröde für den alltäglichen Gebrauch ist.
 
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Bismut, nicht Wismut.

Mein Chemieunterricht ist halt schon länger her, daher die alte Bezeichnung Wismut statt Bismut.

Das Lötzinn der Dachklempner ist aber überwiegend mit Blei legiert und enthält nur etwas Antimon.
Weshalb es eben nicht die Zerfallseigenschaften des Zinns aufweisen kann.

Aber egal: jedenfalls ist die Prozessdauer doch das erste Problem zum Einhaken, worauf oben schon Lili hingewiesen hat.
 
Die im Artikel angeführte Mär besagt, dass eben dieses mit den Knöpfen der Uniformen von Napoleons Truppen geschehen sein soll. Sie konnten ergo ihre Kleider nicht mehr vernünftig schließen und mussten jämmerlich erfrieren.

Gibt es verlässliche Quellen dazu?

In den Memoiren geht de Marbot (22. Kapitel) auf den erbärmlichen Zustand der Armee ein. Er beschreibt sie als zerlumpt und es fehlte insgesamt Kleidung. Durch das Marschieren war das Schuhwerk fast vollständig zerstört.

Memoiren des französischen Generals ... - Jean-Baptiste-Antoine-Marcelin de Marbot - Google Bücher

Er geht dabei aber nicht auf das Thema "Zinn" als Ursache ein, sondern eher auf generelle Abnutzung und keine angemessene Logistik aufgrund von Verrat, Schlamperei und Bereicherung.

Und bei Elting findet sich ebenfalls kein Hinweis auf diesen "kriegsentscheidenden" Umstand, der wohl aufgrund einer zu starken Fokussierung auf die direkte Wirkung von Kälte auf den menschlichen Organismus, den unmittelbaren und nicht selten tödlichen Auswirkungen von Schlachten und der nicht minder verheerenden Wirkung von Parasiten auf das Wohlbefinden der Soldaten wohl irgendwie übersehen worden sein muss.

http://books.google.de/books?id=Xv5v4qDln_UC&printsec=frontcover&dq=swords+around+a+throne&hl=de&ei=HmrNTq2NGafN4QTfgJFm&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=1&ved=0CC8Q6AEwAA#v=onepage&q=swords%20around%20a%20throne&f=false
 
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Die Legende vom General Winter ist wohl nicht tot zu kriegen.

Ich halte die Geschichte mit dem Zinn, von der ich noch nichts, weder bei Caulaincourt, Ségur, Tarlé oder Lieven gelesen habe, für Unfug. Schon aus logischen Gründen. Welcher Soldat erfriert, weil ein Knopf/mehrere Knöpfe kaputt gehen? Ein Soldat, der erfinderisch beim Biwak ist, der sich in jeder Situation zu helfen weiß? Und der findet keinen Ersatz? Völlig absurd und im Grunde eine Beleidigung! Ich halte es für möglich, dass Knöpfe nicht standhielten, wenn sich ein "Dickerer" den Uniformrock eines toten Kameraden zusätzlich überziehen wollte. Mag sein, aber ist das dann "Schuld" des Materials? Es bleibt dennoch die nicht der Jahreszeit entsprechende Ausstattung der Soldaten.

Ich denke eher, da wird die Legende gefüttert. Und weil der Winter tatsächlich keine entscheidende Rolle gespielt hat, wird auf Nebenschauplätzen gewildert. Nach dem Motto: Hängen bleibt ja immer etwas.

Grüße
excideuil
 
Sie konnten ergo ihre Kleider nicht mehr vernünftig schließen und mussten jämmerlich erfrieren. Das habe ich noch nie gehört und finde es auch insofern nicht plausibel, als ja nicht alle Truppen die selben Knöpfe benutzt haben und sicherlich Messing, Horn, Holz etc. ebenfalls in Gebrauch waren. Dem Verlust von Zinnknöpfen sollte m. E. durch andere Knöpfe oder Riemen Abhilfe geschaffen werden können.
Trotzdem die Frage: Ist irgendwie was da dran? Gibt es verlässliche Quellen dazu? Oder handelt es sich hier um eine durch vielfältiges Abschreiben selbstbewiesene und dadurch verewigte Legende?
Die Uniformröcke der Franzosen wurden vorne auch garnicht geknöpft sondern gehakt. :rofl: Dazu verwendete man Haken und Ösen aus Messing. Die Westen wurden freilich geknöpft, befanden sich aber unter den Uniformröcken und wurden bei dem neuen Bardin-Schnitt von den Uniformröcken vollständig verdeckt. Hier auf einem zeitnahen Stich. In der Mitte sieht man einen Grenadier mit einem Uniformrock dieses Schnittes, der 1811 etwa eingeführt wurde. http://www.napoleon-online.de/Bilder/Cotta_Kriegsszenen33.jpg Ansonsten wäre zu sagen, dass ein großer Teil der Uniformen keine Zinn- sondern Messingknöpfe hatten. Blieben die Mäntel, welche mit unter Zinnknöpfe gehabt haben mögen. Wenn man sich zeitgenössische Abbildungen anschaut, kommt man zu dem Eindruck, dass diese nicht oder nur selten regulär ausgegeben wurden. Die Versorgung mit Mänteln besserte sich zwar bei den Franzosen, um 1800 gab es nur bisweilchen welche für die Wachen, aber scheint nicht ganz zufriedenstellend gewesen zu sein. Auf vielen zeitgenössischen Darstellungen von 1812 erkennt man, dass behelfsmäßig Schaffelle und dergleichen über den Uniformen getragen wurden, weil es eben offenbar keine Mäntel gab. Auch zeitgenössische Beschreibungen bestätigen dies.

Also mir klingt das seltsam. Richtig ist, dass beide Seiten darunter gelitten haben müssten. Außer der Knöpfe beträfe es wohl die Löffel. Teller hatten die einfachen Soldaten ja eh keine oder kaum bei den Franzosen.

Wenn es wahr wäre, dann hätten die Russen selber aus Erfahrung auch keine Zinnknöpfe für ihre Uniformen verwendet.
 
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Anscheinend geht es um diesen ælteren Artikel aus der FAZ: (Auszug, das Thema ist eigentlich ein ganz anderes)
"Zu den Feinden, die Napoleons Armee in Russland dezimierten, gehörte die Zinnpest - so lautet zumindest eine in der Chemie beliebte Anekdote. Im Winterfrost ließ sie die Zinnknöpfe der Uniformen epidemieartig zu Pulver zerfallen, weil Zinnatome sich unterhalb von 13 Grad Celsius zu einer anderen Kristallstruktur umsortieren. Viele Soldaten erfroren. Je kälter es wurde, desto stärker wütete die Metallseuche."

Als der Winter kam, waren die meisten Soldaten bereits tot, verwundet, verstreut: Es waren ja vielleicht noch 100.000 Mann, die Moskau am 18.Oktober wieder verliessen, und da waren die Temperaturen noch angenehm.
Kalt wurde es erst im November (7. November -7 Grad, 14.November knapp -24 Grad (das ist dann schon richtig kalt), 6.Dezember -37,5 Grad)

Da ist man dann aber nicht wegen fehlender Knøppe erfroren:
Es gibt zahlreiche Beschreibungen und Bilder, wie sich die Soldaten behelfsmæssig gegen die Kælte schuetzten; die Zinnpest als Ursache fuer den Erfrierungstod (weil man sich dann vermeintlich nicht mehr anstændig kleiden kann) kann man getrost vergessen.
Wichtiger wæren da z.B. eher Wærmeschutz des Kopfes; ein Kuerassierhelm bei minus 37 Grad mag da nicht das ideale gewesen sein.
Ebenso fehlte passendes, intaktes Schuhwerk, etwas, was absolute Mangelware war.

Uebrigens, es gab auch voraussehende Kommandanten, die ihre Soldaten in Moskau mit Pelzmuetzen, Handschuhen und Schaffellen u.æ. versorgten.
Gluecklich konnte sich auch schætzen, wer z.B. Pelz oder Tuch aus Moskau mitnahm.
Wer da eher auf seine sonstigen, vermeintlich wertvollen Pluenderungen à la Gold o.æ. bedacht war, und diese nicht rechtzeitig aufgab, war schneller verloren.

Gestorben ist man dann z.B. im Schlaf im Nachtlager:
Weil man nicht genug Wærme am Biwakfeuer hatte, weil man sich eine Holzunterkunft suchte, die dann von den Kameraden entweder als Brennholzersatz abgerissen oder direkt angezuendet wurde, weil man sich nicht rechtzeitig um Winterkleidung gesorgt hatte, weil man verhungerte, verdurstete, ausgezerrt und krank war, und und und.

Wenn man schon nach Ausruestungsdetails sucht, finde ich die Geschichte mit den nicht scharf beschlagenen Hufeisen durchaus spannender, sie hat den bis zum Winter noch verbliebenen Pferden den Rest gegeben, auch wenn es derer ebenfalls nicht mehr all zu viele waren.

Gruss, muheijo
 
Ich habe da ein paar Fragen.

Als der Winter kam, waren die meisten Soldaten bereits tot, verwundet, verstreut: Es waren ja vielleicht noch 100.000 Mann, die Moskau am 18.Oktober wieder verliessen, und da waren die Temperaturen noch angenehm.
Kalt wurde es erst im November (7. November -7 Grad, 14.November knapp -24 Grad (das ist dann schon richtig kalt), 6.Dezember -37,5 Grad)

1.
Wichtiger wæren da z.B. eher Wærmeschutz des Kopfes; ein Kuerassierhelm bei minus 37 Grad mag da nicht das ideale gewesen sein.
Ebenso fehlte passendes, intaktes Schuhwerk, etwas, was absolute Mangelware war.

2.
Uebrigens, es gab auch voraussehende Kommandanten, die ihre Soldaten in Moskau mit Pelzmuetzen, Handschuhen und Schaffellen u.æ. versorgten.
Gluecklich konnte sich auch schætzen, wer z.B. Pelz oder Tuch aus Moskau mitnahm.
Wer da eher auf seine sonstigen, vermeintlich wertvollen Pluenderungen à la Gold o.æ. bedacht war, und diese nicht rechtzeitig aufgab, war schneller verloren.

3.
Gestorben ist man dann z.B. im Schlaf im Nachtlager:
Weil man nicht genug Wærme am Biwakfeuer hatte, weil man sich eine Holzunterkunft suchte, die dann von den Kameraden entweder als Brennholzersatz abgerissen oder direkt angezuendet wurde, weil man sich nicht rechtzeitig um Winterkleidung gesorgt hatte, weil man verhungerte, verdurstete, ausgezerrt und krank war, und und und.
1.
Auf einigen Abbildungen sieht man ja Kürassiere oder Dragoner, die noch bei der Beresinaüberquerung ihre Helme trugen, wobei es ja schon zuvor nach Deinen Angaben unter 20 Grad minus war. Die Frage wäre natürlich, was es für Alternativen gab und ob eine ungeeignete Kopfbedeckung nicht besser war als keine.

2.
Wie sah denn das aus? Kann man sagen, dass einige Händler praktisch alles stehen und liegen ließen, als sie die Stadt verließen und schon noch einige Vorräte an Bekleidung und dergleichen zurückgelassen wurden?

Am schlimmsten stelle ich mir überhaupt den Hunger vor, wenn keine Fuhrwerke mit Fourage mitgeführt werden konnten. Obendrein verdurstete man, denn bei den Temperaturen friert auch die Flüssigkeit in Flaschen ein. Ich habe schonmal gefrorenen Wein nach einer eiskalten Nacht in einem Biwak in der Flasche gesehen. Wir konnten den freilich wieder am Feuer flüssig machen. :D

3.
Nach meiner Erfahrung wärmt ein offenes Feuer bei Temperaturen um den Gefrierpunkt eigentlich schon fast garnicht mehr. Man müsste sich schon beinahe hinein legen, was wirklich nicht gerade ungefährlich ist und obendrein die damals durch die Engpässe wertvolle Decke angriff. Wie sieht das denn medizinisch aus? Wärmt es nur gefühlt nicht mehr oder wärmt es auch physisch nicht mehr?
 
1.
Auf einigen Abbildungen sieht man ja Kürassiere oder Dragoner, die noch bei der Beresinaüberquerung ihre Helme trugen, wobei es ja schon zuvor nach Deinen Angaben unter 20 Grad minus war. Die Frage wäre natürlich, was es für Alternativen gab und ob eine ungeeignete Kopfbedeckung nicht besser war als keine.

Ob Tschako oder Helm oder keins von beiden, man musste etwas finden, das man sich um den Kopf wickeln konnte - ueber oder evtl. unter der normalen Kopfbedeckung, oder als Ersatz.
Genommen wurde, was da war, es waren ja nicht wenige, die Tuch, Schals, Frauenkleider, whatever aus Moskau mitgenommen hatten
Ganz ohne geht es nicht --> Tod.

2.
Wie sah denn das aus? Kann man sagen, dass einige Händler praktisch alles stehen und liegen ließen, als sie die Stadt verließen und schon noch einige Vorräte an Bekleidung und dergleichen zurückgelassen wurden?

Ich weiss leider nicht, inwieweit Moskau (nach dem Brand) in %-Zahlen ausgepluendert worden ist. Ob da ueberhaupt noch etwas vorhanden war, was nicht Niet- und Nagelfest war.
Ich hatte nur nochmals gelesen, dass bezuegl. des Winters einige Kommandanten vorab schon eher um ihre Leute besorgt waren als andere, und dafuer sorgten, dass die richtigen Dinge mitgenommen wurden.

Siehe auch das rechtzeitige Beschlagen der Pferde mit dem richtigen "Schuhwerk", die Polen haben's gemacht, die Franzosen (bis auf Coulaincourt's Zustændigkeitsbereich) fanden das, trotz Empfehlung der Polen, unnøtig.

Am schlimmsten stelle ich mir überhaupt den Hunger vor, wenn keine Fuhrwerke mit Fourage mitgeführt werden konnten. Obendrein verdurstete man, denn bei den Temperaturen friert auch die Flüssigkeit in Flaschen ein. Ich habe schonmal gefrorenen Wein nach einer eiskalten Nacht in einem Biwak in der Flasche gesehen. Wir konnten den freilich wieder am Feuer flüssig machen. :D

In der Tat, Hunger und Durst waren stændiger Begleiter. Man meint ja, Wasser ist genug da, in Form von Schnee/Eis. Nur muss man das ja eben erst mal ueber Feuer im Kessel auftauen, und viel Schnee gibt nur wenig Wasser.
Es gibt Berichte, dass Pferde auf dem Marsch bei lebendigem Leib angeschnitten wurden, um das Fleisch sogleich roh zu verschlingen. Pferdekadaver gefroren in der grøssten Kælte ziemlich schnell.
Als "Gewuerz" kam auch Schiesspulver zum Einsatz, es gibt auch Berichte von Kanibalismus --> es muss entsetzlich gewesen sein.

3.
Nach meiner Erfahrung wärmt ein offenes Feuer bei Temperaturen um den Gefrierpunkt eigentlich schon fast garnicht mehr. Man müsste sich schon beinahe hinein legen, was wirklich nicht gerade ungefährlich ist und obendrein die damals durch die Engpässe wertvolle Decke angriff. Wie sieht das denn medizinisch aus? Wärmt es nur gefühlt nicht mehr oder wärmt es auch physisch nicht mehr?

Ein offenes Feuer ist natuerlich kein Ofen, aber er war vielfach die einzige Alternative. Es wird wohl schon etwas gewærmt haben, wenn man dicht dran stand oder lag, von der einen Seite jedenfalls. Das werden dann auch keine kleinen Lagerfeuer gewesen sein, sondern man hat richtig Feuer gemacht, dazu wurden ja ganze Hæuser abgebrochen - oder direkt abgefackelt.
Dennoch sind viele erfroren; es war wohl øfter der Fall, dass man am næchsten Morgen die Leichen um ein erloschenes Feuer hat liegen sehen.

Andere verbrannten wiederum in der bæuerlichen Huette am Ofen, weil die keine schnelle Anfeuerung vertrugen und dann die ganze Huette Feuer fing...Oder weil das Biwakfeuer ausserhalb zu Nahe an der Huette war und das Feuer uebergriff.

Gruss, muheijo
 
Ich hatte mal nachgesehen. Die russischen Infanterietruppen, welche den Schreckenswinter von 1708/09 im Zuge des Großen Nordischen Krieges gegen die Schweden mitmachten, trugen Uniformen, deren Westen und Uniformröcke allerdings tatsächlich mit Knöpfen von Zinn geschlossen wurden.
"Die Taschenklappen waren gezackt geschnitten und wurden mit vier Zinnknöpfen geschlossen, während drei weitere Knöpfe jede Manschette an Ort und Stelle hielten. Der Kaftan wurde vorne, je nach Länge, mit 13 bis 16 blanken Zinnknöpfen zugeknöpft. ..."
*

Mit "Kaftan" ist hier eigentlich ein einfacher Surtout nach westlichem Schnitt gemeint. Diese Röcke waren eigentlich immer vom Halsausschnitt bis auf die Höhe der natürlichen Taille zu knöpfen.
Jedenfalls habe ich noch nicht gelesen, dass plötzlich den Russen die Uniformen aufgegangen wären, obwohl es ja logischer als bei den Franzosen 1812 gewesen wäre, deren Röcke ja mit Haken und Ösen geschlossen wurden.

* Angus Konstam: "Die Armee Peters des Großen" Siegler, Königswinter, 2010
S. 25
 
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