Karikatur "Der korsische Kreisel voll in Fahrt"

H

haifischmama

Gast
Hallo, ich hätte ein paar Fragen zur Interpretation der Karikatur.

1. Wer ist der braun gehaltene Mann, der im Hintergrund auf dem Fass sitzt? Was macht er?
2. Was hat die wegfahrende Kutsche im Hintergrund zu bedeuten?
3. Was bedeutet das fliegende Objekt am Himmel?

Vielen Dank!
 
Hier zur Ansicht, auf diesem Bild ist es vielleicht besser zu erkennen, als auf der Vorlage aus dem Netz:
 

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HMM, der Typ auf dem Fass hat einen Stiefel in der Hand und der Typ im Kreisel ist zerlegt worden, die Körperteile liegen um ihn herum.

Ich kan leider nicht genau erkennen, was hinten in der Kutsche ist. Sieht aus wie ein Anker oder ein Kreuz.?

Ich kann das nicht lesen, was auf den Gliedmaßen steht.
 
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Leider bin ich in der napoleanischen Ära nicht sehr bewandert. Die Gestalt, die am Schwanz des Teufels hängt würde ich als einen von Napoleon eingesetzten oder mit ihm verbündeten König oder Fürsten deuten, der sich sprichwörtlich zum Teufel scheren muss. Die Gliedmaßen stellen von Napoleon verlorene Länder dar. Wer der König oder Kaiser vor dem Fass, welches für Holland steht dargestellt ist, weiß ich allerdings auch nicht. Vielleicht der wieder eingesetzte König der Niederlande der mit dem Bein noch einen weiteren Teil von Napoleons Reich erhält. Leider kann ich nicht entziffern was auf dem Bein geschrieben steht.
 
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Ahh, jetzt hab ichs ein wenig besser im Blick. Portugal und Swiss ist ab, der Holländer hält in der Hand den Stiefel, ist mir nicht schlüssig.Nen Stiefel als Sinnbild für Italien? Wohl kaum. Der Typ mit dem Teufelchen verliert ja auch seine Krone. Mich interessiert was/wer hinten in der Kutsche sitzt.
 
Der Holländische König sind auf einem Faß mit der Aufschrift Hollands und auf dem Bein (nicht Stiefel) steht United Netherlands. Die Abseitigkeit des Niederländers kann man sicher auch in die Deutung der Karikatur mit einbeziehen, aber ich wäre dafür, dass das Haifischmama selber macht.
 
Recherche

Der französische Titel der Karikatur lautet: Le Sabot corse en pleine déroute

Mit diesen Begriffen eröffnen sich neue Treffer, wie bspw. die Seite Biblioteca Nacional Digital (port.) mit einer guten Wiedergabe der Karikatur, die sich auch stark vergrößern lässt.
Obra Le sabot corse en pleine deroute, ca. 1813


Galeotto und Mirtos hatten ja schon Wesentliches gesagt, und um es kurz zu machen, es findet sich auch eine Beschreibung:

(For description see other impression).Satire: top with head of Napoleon spins above ground, lashed by representatives of the Allies who form circle (l-r Wellington, Schwarzenburg [or Francis I], the Tsar, Bernadotte and Blücher); Napoleon's severed limbs are scattered, inscribed with names of countries of his empire; behind to left, future King of Holland holds severed leg aloft with in distance to right Napoleon's wife and son driving off in carriage; in air, demon carries away distraught Joseph Bonaparte; reversed copy of BM Sat 12218. c.1814
Etching, printed in brown ink

Inscriptions
Inscription Content: Lettered on plate with caption "Ah mon frere de naples', on limbs variously 'hollande', 'france', 'portugal esp[agne]', 'italie Suisse', and with title at base
The Corsican Whipping Top in Full Spin, britishmuseum.org


Der König, der die Krone verlierend durch die Luft entschwindet, ruft demnach, - “Ah mon cher frere de naples“, - soviel wie, „Ah, mein lieber Bruder von Neapel!“ - Es handelt sich somit bei ihm um einen weiteren der 4 Brüder Napoléons, nach der Beschreibung um Jérôme Bonaparte der von Letzterem als König von Westphalen eingesetzt worden war, und nun um seinen Bruder auf dem Thron Neapels bangt, während er selbst, wie oben bereits bemerkt, vom Teufel geholt wird.

Die Sprüche auf den Gliedmaßen variieren wohl etwas bei den Karikaturen, s. Zitat




Eine interessante Abhandlung über die Karikaturen dieser Zeit:

Vom Ort der Völkerschlacht flieht er 1813 versteckt unter dem Rock einer erschrockenen Lady. Bald spielen der österreichische und preußische Feldmarschall mit dem Winzling Federball. Oder er ist zum Kreisel gestutzt, angetrieben von den Peitschen der siegreichen Gegner.
Der Herrscher auf dem Nachttopf, Napoleon in der Karikatur - Ausstellung in Hannover, (dradio.de, 08.12.2006)


Weiteres Exemplar aus dem Napoleon-Museum Arenenberg (CH)
Le sabot corse en pleine déroute (napoleon.org)
 
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Ich denke mal, dass die englische Fassung das Original ist und die französische Fassung ein späterer Nachdruck, da Napoleon immer dünnhäutiger gegen Kritik wurde und die Zensur daher gegen Ende seiner Herrschaft immer schärfer. Die Karikatur würde ich zwischen Völkerschlacht und Abdankung 1814 datieren.

Edit: Der Link vom British Museum: "The BM Sat number given refers to the French copy of the Cruikshank original,..."
 
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Ich denke mal, dass die englische Fassung das Original ist und die französische Fassung ein späterer Nachdruck, da Napoleon immer dünnhäutiger gegen Kritik wurde und die Zensur daher gegen Ende seiner Herrschaft immer schärfer. Die Karikatur würde ich zwischen Völkerschlacht und Abdankung 1814 datieren.

Edit: Der Link vom British Museum: "The BM Sat number given refers to the French copy of the Cruikshank original,..."



Das denke ich auch, der Autor George Cruikshank war wohl Brite, der sich wie im Text auf dradio.de beschrieben, dem Spott über den Korsen anschloss.
Die Kaiserkrönung 1804 war für die Spötter ebenfalls ein gefundenes Fressen. Neben Gillray profilierten sich George Cruikshank und Thomas Rowlandson mit dem recht kurz geratenen Feldherrn.
Vermutlich ist die Karikatur in Frankreich, bzw. im rom. Sprachraum bekannter, und begründet somit das Vorkommen zahlreicher Web-Seiten mit dem frz. Titel.


L´Anti-Napoléon
La Culture Populaire
 
Irrtum - „Joseph“ statt „Jérôme“ und einiges zu Joachim Murat, König von Neapel

Pardon, - mir fällt gerade auf, dass man in der Beschreibung auf der Seite des British Museum, in der vom Teufel geholten Gestalt nicht Jérôme, sondern Joseph Bonaparte sieht, also den ältesten Bruder Napoléons, - zunächts König von Neapel (1806), seit 1808 König von Spanien.


Wie auch immer, - der Ausruf: „Ah, mon cher frere de naples!“, kann ja nur den Schwager auf dem Thron Neapels meinen, Joachim Murat, der allerdings 1813 die Seiten wechselte, in das Lager der Gegner Napoléons. Der Ausruf ist also kein „Bangen“ um den geliebten Bruder, sondern die schmerzvolle Erkenntnis, dass Murat seiner (angeheirateten) Familie in den Rücken fällt.

Letzterer könnte in der Karikatur tatsächlich dargestellt sein, und sich somit auf ihn der Blick Josephs beziehen. Die Gestalt links, in rotem Rock, mit goldener Bauchbinde und blauer Schärpe entspräche vielleicht seiner Physiognomie (soweit sich Cruikshank an ihr orientierte).

Unter den vielen Uniformen, in denen man den König darstellte, gibt es auch diese, auf einem 1814/15 entstandenen Gemälde von Joseph-Boniface Franque: kunst-fuer-alle.de
 
Bei dem Mann in der weißen Uniform dürfte es sich meines Erachtens um Kaiser Franz I. handeln. Schwarzenberg (nicht -burg! (sic!)) sah doch deutlich anders aus als Franz I., der eher eine hagere Gestalt Zeit seines Lebens war. Schwarzenberg war zum Zeitpunkt der Karikatur auch deutlich jünger, erst 42 oder 43.
Blücher ist auffällig hemdsärmelig dargestellt, seine Uniform hat er offensichtlich auf der Trommel abgelegt, was wohl seinen gewissen und damals bekannten Charakterzug des Marschall Vorwärts hervorstechen lassen soll, seine zupackende und ein wenig ungehobelte Art.
Bernadotte hält sich, mir scheint das kein Zufall zu sein, auffällig zurück. Vielleicht soll das seine eventuell damals langläufig bekannte Schonung seiner eigenen Truppen im Herbstfeldzug auf Kosten der Russen und Preußen demonstrieren.

Sehr interessant finde ich, dass der Künstler bei allen (Fürst/König Wilhelm I. der Niederlande, Wellington (der Prinzregent geschweige denn George III. spielten ja keine große Rolle beim Kampf gegen Napoleon), Kaiser Franz I, Zar Alexander von Russland, Bernadotte, Blücher) außer Napoléon offenbar große Kenntnis zeitgenössischer Abbildungen vorführt. Währenddessen wir Napoléon noch wie auf den Karikaturen um 1800-1804 mit einem sehr hageren Gesicht und spitzer Nase gezeigt. Sein Hut mit dem übertriebenen Federschmuck und seine Uniform, bzw. was davon zu erkennen ist, schauen eher nach der Persiflierung der Uniform eines Generals der Republik aus. Das ist von daher ganz spannend, weil die zeitgenössischen deutschen Karikaturen ihn eigentlich immer als pummeligen Mann oft in seiner charakteristischen grünen Uniform der Gardejäger zu Pferd präsentierten, also eher so, wie er 1813 tatsächlich ausschaute.
Hier eine typische frühere Darstellung Napoleons als General der Italienarmee 1797 von Gillray: File:Barras1797.jpg ? Wikimedia Commons
 
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Bei dem Mann in der weißen Uniform dürfte es sich meines Erachtens um Kaiser Franz I. handeln. Schwarzenberg (nicht -burg! (sic!)) sah doch deutlich anders aus als Franz I., der eher eine hagere Gestalt Zeit seines Lebens war. Schwarzenberg war zum Zeitpunkt der Karikatur auch deutlich jünger, erst 42 oder 43.


Hier hat man mal alle beide auf einem Bild, man sieht deutlich den Unterschied zw. Schwarzenberg und Franz:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c8/HGM_Krafft_Sigesmeldung_bei_Leipzig_1813.jpg

Die republikanische Darstellung Napoleons kønnte ein Hinweis auf die Nicht-Anerkennung seines Kaisertitels sein - Napoleon der Usurpator.
Ich weiss allerdings nicht, ob diese Interpretation nun zu weit geht und wie durchdacht solche Karikaturen seinerzeit waren.

In keiner Person erkenne ich Murat - man hætte ihn sicher mit ueberladener Phantasie-Uniform und Lockenkopf dargestellt.
(Mit dem bereits genannten Spruch muss er allerdings gemeint sein)

Gruss, muheijo
 
In keiner Person erkenne ich Murat - man hætte ihn sicher mit ueberladener Phantasie-Uniform und Lockenkopf dargestellt.
(Mit dem bereits genannten Spruch muss er allerdings gemeint sein)

Gruss, muheijo
Murat ist auch nicht dargestellt. Nur der Ausruf des von einem Dämon hinweggetragenen Königs, der seine Krone verliert und worum es sich laut Auskunft von Diago um Joseph Bonaparte handelt, ist an Murat adressiert. Es kommt schonmal auf Karikaturen vor, dass Personen angesprochen werden, die nicht dargestellt sind.
Murat war ja der Schwager von Joseph, worunter man zu der Zeit auch bisweilen schlicht einen Bruder verstand.

Hm, aber wenn man Napoleon in seiner typischen schlichten Uniform als Oberst der Gardejäger oder der Grenadiere der Alten Garde abgebildet hätte, hätte man ihn ja nicht aufgewertet.
 
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Murat ist auch nicht dargestellt.

Ich kam gerade nochmal kurz in's Zweifeln: Der zwischen Bluecher und Alexander stehende Kønig hat Koteletten im Gesicht - charakteristisch fuer Murat.
Aber es war wohl Mode seinerzeit, und auch bei Bernadotte habe ich nun doch auf verschiedenen Bildern diese Gesichtszier gefunden.
Und die Nase und Gestalt passt doch besser zum Bernadotte. Murat war - wenn man den Abbildungen glauben schenkt - "bulliger".
Und die hellblau-gelbe Uniform lenkt einen direkt auf Schweden.

Gruss, muheijo
 
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Ich kam gerade nochmal kurz in's Zweifeln: Der zwischen Bluecher und Alexander stehende Kønig hat Koteletten im Gesicht - charakteristisch fuer Murat.
Aber es war wohl Mode seinerzeit, und auch bei Bernadotte habe ich nun doch auf verschiedenen Bildern diese Gesichtszier gefunden.
Und die Nase und Gestalt passt doch besser zum Bernadotte. Murat war - wenn man den Abbildungen glauben schenkt - "bulliger".
Und die hellblau-gelbe Uniform lenkt einen direkt auf Schweden.
Koteletten hatten für wahr eigentlich sehr viele Personen, soviele sogar, dass es scheint, dass sie bei Blücher hinzu gedacht wurden.=)

Cruishank zeigte Napoléon offenbar immer in dieser Uniform, mal diente er als Tennisball und mal wurde ihm von Blücher der Hintern versohlt, mal wird er u.a. von Blücher in einen Ofen geschoben. In einer ähnlichen Uniform wird auch N. gezeigt, wie Blücher mit N. als Marionette spielt. Ähnlich wie als Tennisball ist dann N. extrem winzig dargestellt. Ich denke, es geht dabei in der Regel um die für die Zeitgenossen überraschende Ohnmacht Napoleons im Angesicht einer bedeutend überlegenden Partei von Feinden, wovon Blücher abgesehen von Wellington einfach als Feldherr und erbitterter Gegenspieler besonders herausstach.
 
Hm, aber wenn man Napoleon in seiner typischen schlichten Uniform als Oberst der Gardejäger oder der Grenadiere der Alten Garde abgebildet hätte, hätte man ihn ja nicht aufgewertet.

Ich meine doch: Genau so, in dieser Uniform war er ja als "der Kaiser" bekannt (wie sonst?), damals wie heute kennt man ihn so - und genau das Weglassen dieses Details bzw. das Anziehen einer republikanischen Generalsuniform kønnte ein Hinweis auf das Streitigmachen seines Titels, den von den Verbuendeten angestrebten Verlust des Thrones und einsetzen eines "legitimen" Bourbonen sein.

Gruss, muheijo
 
Ich meine doch: Genau so, in dieser Uniform war er ja als "der Kaiser" bekannt (wie sonst?), damals wie heute kennt man ihn so - und genau das Weglassen dieses Details bzw. das Anziehen einer republikanischen Generalsuniform kønnte ein Hinweis auf das Streitigmachen seines Titels, den von den Verbuendeten angestrebten Verlust des Thrones und einsetzen eines "legitimen" Bourbonen sein.
Oder es geht darum, das alte Feind- und Schreckensbild des verkappten Revolutionärs zu bedienen. Obendrein passt es gut von der Figur her in das stereotype Bild des dürren Franzosen, während John Bull als Gegenüber in der Regel als übermäßiger fetter Landjunker in auch oft antiquiert wirkender Kleidung dargestellt wurde.
Der abgerissene/dürre Franzose und der dicke Engländer waren schon im 18.Jh. in Karikaturen verbreitet. Mit der Zeit verkehrte sich nur ein Aspekt ins Gegenteil. Wurde der Franzose von einem Teil der Künstler oft als altmodischer Habenichts charakterisiert, der einen alten Justaucorps mit Holzschuhen trug, während der Engländer wohl wegen seiner fortschrittlichen Verfassung als modischer erschien, blieb das Bild des Engländers ab etwa 1770/90 hinter dem des Franzosen zurück und er war oft als der altmodischere, biedere Landmann zu sehen, während der schlanke oder gar dürre Franzose überaus modisch auftrat (immer wieder ein Thema: Der Engländer in Paris oder der Franzose in London.).
 
In keiner Person erkenne ich Murat - man hætte ihn sicher mit ueberladener Phantasie-Uniform und Lockenkopf dargestellt.
(Mit dem bereits genannten Spruch muss er allerdings gemeint sein)

Ich denke mittlerweile auch, dass Joachim Murat nicht dargestellt wurde, doch meiner Ansicht nach eher deshalb, weil es wohl bedeutendere Protagonisten in dem Zusammenhang durch den Karikaturisten zu dokumentieren galt, wie etwa Wellington, der ja auch häufig mit dem typischen roten Rock charakterisiert wurde, oft mit blauer Schärpe, und goldener/gelbem Bauchwickel.

Hinsichtlich der roten Uniform, hatte ich ja oben mal einen Vergleich verlinkt:
Joseph Franque - “Joachim Murat“ (1814/15)


Doch habe ich entdeckt, dass bspw. Wellington in anderen Karikaturen des gleichen Künstlers auftritt: zweite Abbildung



Die Uniformen insbesondere einiger anderer Figuren variieren in den Darstellungen sogar, was vielleicht mit der Anfertigung von Kopien zusammenhängt.

Vgl. hier und hier.


Grüße
 
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