Mobilisierung von Soldaten-Napoleonische Kriege

Zoki55

Aktives Mitglied
Von was hing es eigentlich ab wie groß die Armee sein würden in den Napoleonischen Kriegen. Hab irgendwas von 300.000 Preußen gelesen beim Sechsten Koalitionskrieg, da wirken ja die französischen Heere wenn man die Bevölkerung von Frankreich sich ansieht ja mikrig. Wenn Wehrpflicht nach preußischen Muster so effektiv war, warum führte es Frankreich nicht genauso ein.
 
Versuch einer allgemeinen Antwort, die so noch keinen konkreten Staat benennen kann:

Eine Armee kostet Geld. Die Truppen wollen bezahlt werden und die Ausrüstung muss hergestellt und herangeschafft werden.

Dieses Geld musste erst mal da sein - entweder aus Steuermitteln, Plünderung oder vom Kapitalmarkt (Schulden). Im letzteren Falle musste es auch freies Kapital geben, dessen Eigentümer dem um das Geld heischenden Staat dermaßen vertrauten, dass sie es ihm anvertrauten.

Des Weiteren muss die Ausrüstung erst mal verfügbar sein. Bringt ja nix, 1 000 000 Soldaten auszuheben, wenn ich nur 150 000 davon ausrüsten kann.

Auf Grund logistisch-technischer Überlegungen konnten Armeen im Felde nicht wahllos groß sein. Irgendwann wurden sie allein auf Grund der eingeschränkten Kommunikations- und Führungsmittel nicht mehr händelbar. Ab irgendeiner Heeresgröße, je nach Operationsgebiet, gab es für einen Feldzug nicht mehr genügend Straßen, nicht genug Unterkunft, keine ausreichende Wasserversorgung, nicht genügend Möglichkeiten, Quartier zu machen etc.

In der Regel kannst Du auch sagen, dass ein in der Nähe der eigenen Versorgungsbasis operierendes Heer effektiv größer sein kann als, eines, das fern der Versorgungsbasis operiert und zu dem viele oder sämtliche Nachschubgüter auf sandigen Wegen auf Ochsenkarren herangeschafft werden müssen.

Des weiteren bemisst sich die maximale Größe einer Armee auch aus der Zahl zur Verfügung stehenden tauglichen Führungs- und Fachpersonals. Wäre vielleicht mal interessant, wie sehr z. B. die Anzahl von (Huf-)Schmieden, Büchsenmachern und anderen Spezialhandwerkern limitierende Engpassfaktoren waren. Solche züchte man nicht so schnell heran, wie Infanteristen, die aber dennoch auf ihre Arbeitskapazität angewiesen waren.

Zuletzt müssen die Menschen auch verfügbar sein. Du kannst aus jeder möglichen Wirtschaft nur x% - Menschen herausziehen, ohne dass diese Schaden nimmt, mit möglichen Nachteilen für z. B. landwirtschaftliche Produktion und damit Lebensmittelversorgung, infrastrukturelle Grundbedürfnisse (Fertigung, Verkehr) und Steueraufkommen. Jeder Staat wird - je nach wirtschaftlich-demographischer Verfassung einen Punkt erreichen, ab dem jeder zusätzliche ausgehobene Soldate sich nachträglich auf die gesamtstaatliche Situation auswirkt (und damit auch auf die Sicherheit der Regierung). Das hängt natürlich auch von den politischen Zielen der Regierung ab und auch vom "Dienstwillen" der Bevölkerung. Bei bestimmten Berufsgruppen (für UK denke ich an Schmuggler und Kohlenschiffer) war der Aufwand, sie in den Dienst zu pressen und zu beaufsichtigen, enorm hoch.

Poltische Ziele: Zu guter letzt kam es auch darauf an, wie groß der Wille von Regierung und Verwaltung tatsächlich war, ein starkes Militär zu erhalten und einzusetzen - Begrenzung politischer Ziele war hier ein Stichwort. Militär ist eine teure Angelegenheit und ein großes Militär kann durch die Ressourcenbindung auch das eigene Land ab einem bestimmten Punkt mehr schädigen als dass es ihm nützt. Außerdem kann man die Kohle, die das Militär verbraucht dann nicht mehr für Prunkbauten, Oper und andere Projekte einsetzen.
 
Ist ja auch eine Frage des Zeitpunktes. Nehmen wir mal den 6. Koalitionskrieg. Wieviele Jahre hatte Preußen davor Kriege mitgemacht?
1. Koalitionskrieg: 1792-95 (Frieden von Basel)
Niederschlagung des Aufstandes in Polen 1794
4. Koalitionskrieg: 1806-1807
6. Koalitionskrieg: 1812 mit gegen Russland

Wieviele Kriege hatte Frankreich bisher mitgemacht:
6 Koalitionskriege.
Agieren musste Frankreich praktisch weltweit zu See und zu Land.
Entsprechende Engpässe gab es auch bei der Aushebung nach praktisch 21 Jahren unablässiger Kriege.
 
Und früher wa man Stolz auf den hohen Anteil von Soldaten an der Gesamtbevölkerung, der in Preußen 1813/14 erreicht wurde. In zurückgewonnenen Gebieten war er bis zu doppelt so hoch, da viele in der Französischen Armee dienten. Noch bei Waterloo sollen einige Westfalen noch nicht aus Französischen Diensten entlassen worden sein. (Vielleicht eher solche, die in Frankreich 'hängengeblieben' waren.) Andere waren einfach noch nicht zurück. Wieder andere umgekommen. Und andere dienten in Einheiten, die von Preußen übernommen wurden und fielen ebenfalls aus der Statistik.

Die Zeiten für viele Freiwillige waren in Frankreich längst vorbei, während Preußen noch Kriegsbegeisterung wecken konnte.
 
Ich frage mich auch, ob Freiwillige in das System des Empire gepasst hätten. Die Freiwilligen-Armee von 1792/93 war schon sehr unzuverlässig und schlecht kommandierbar - nach dem Motto, ich kann machen was ich will, bin ja schließlich freiwillig da.

Die Freiwilligkeit ist auch so eine Sache. Die Söldner des 18.Jh. rekrutierten sich überwiegend aus "Freiwilligen". Durch meine Recherchen für die Veranstaltungen der letzten Jahre bin ich betreffend den Schwäbischen Kreistruppen auf unterschiedlichste Facetten der Freiwilligkeit gestoßen. Offenbar war es zumindest in Schwaben nicht üblich wie im Fall Bräker bei den Preußen geschildert, dass man arglistig Leute entführte. Mir ist einmal ein Fall eines betrunken gemachten Rekruten untergekommen, der aber sogar schaffte die Anwerbung wieder rückgängig zu machen und das, was er selber an Unkosten hatte, ersetzt zu bekommen (oder zumindest bei der Obrigkeit einzuklagen). Bei gewissen Delikten scheint die Begnadigung zu Militärdienst nicht ganz ungewöhnlich gewesen zu sein - dagegen opponiert allerdings schon "Der vollkommene teutsche Soldat", dass es unnütz wäre eine Armee von Strauchdieben aufzustellen, die obendrein evtl. zu dem Handwerk nicht taugten noch willig wären. Bisweilen findet man eine Art Flucht ins Militär, z.B. von Männern die bis über beide Ohren in Schulden steckten. Da dann allerdings die Gläubiger an den Staat gingen, hatte dieser auch kein Interesse daran, dass sich der Privatmann aus seiner Verantwortung stahl.

Einen besonders hohen Anteil an Soldaten auf die Gesamtbevölkerung findet man oftmals im Ancien Régime in Kleinstaaten, wo das Militär einem gewissen Faible des Herrschers entsprach, was dann in durchaus noch höheren Quoten als in Preußen münden konnte. Anhalt-Zerbst, Schaumburg-Lippe und zeitweilig Sachsen-Gotha wären ein paar Beispiele.

Egal ob großer oder kleiner Staat ist doch die Frage immer dieselbe, welche Aufgabe dem Militär beigemessen wurde und ob sich dieses nicht eventuell selbst tragen konnte (als Subsidientruppen o.ä.).

Frankreich hatte bei 24-26 Millionen Einwohnern um 1792 angeblich ein Millionenheer (wenn ich mich recht entsinne), das bereits im 1. Koalitionskrieg praktisch an sämtlichen Landgrenzen gegen die Nachbarn kämpfte. Dieses Heer musste von einem agrarisch geprägten Staat, welcher finanziell am Boden lag getragen werden. Ob der Verkauf des Besitzes der Emigranten und ähnliches diesen enormen finanziellen Bedarf decken konnte, halte ich für fraglich.
 
Zurück
Oben