Napoleon: strategische Überdehnung und Ziel der Hegemonie?

Balisto

Neues Mitglied
Könnt ihr mir helfen?
Ich versuche mich fürs Abi vorzubereiten aber hänge bei einer Frage & zwar:
Warum scheiterte Napoleons Versuch, eine Vorherrschaft in Europa durchzusetzten?
LG :winke:
 
Es gibt sicherlich viele Anworten auf Deine Frage, die viele Detailaspekte benennen können. Ein generelles Konzept zur Analyse des Niedergangs ist die "strategische Überdehnung". Sie gilt sofern zuviele Ziele mit zu geringen Mitteln über eine zu lange zeit verfolgt werden. Vgl. dazu Kennedy

Aufstieg und Fall der großen Mächte: ökonomischer Wandel und militärischer ... - Paul M. Kennedy - Google Books


Dass das Auftreten von strategischen Überdehnungen mit dem Aufbau von "Imperien" einhergeht ist sicherlich kein Zufall, sondern eine empirisch beobachtbare enge Verbindung. Und sollte berücksichtigt werden.

Relevant ist in diesem Zusammenhang auch die Erkenntnis, dass der Krieg den Krieg nährt. Und verweist auf die Dynamik von Sicherheitsbedürfnissen und der materiellen Absicherung von Imperien.

Imperien: die Logik der Weltherrschaft : vom Alten Rom bis zu den ... - Herfried Münkler - Google Books

Ein besonders deutliches Beispiel für das Ergebnis einer strategischen Überdehnung ist der Rückzug von Napoleon aus Russland. In diesem Fall wirkt sich die strategische Situation auch direkt auf der operativen und taktischen Ebene aus.

Großer Rückzug ? Wikipedia

Die einfachst Antwort wäre allerdings, dass er gescheitert ist, weil er keinen Erfolg in Spanien hatte. Und dieser Mißerfolg hat sich auf weitere Entscheidungen bzw. Feldzüge negativ ausgewirkt und ihn nachhaltig geschwächt.
 
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Könnt ihr mir helfen?
Ich versuche mich fürs Abi vorzubereiten aber hänge bei einer Frage & zwar:
Warum scheiterte Napoleons Versuch, eine Vorherrschaft in Europa durchzusetzten?
LG :winke:

Mein Mitdiskutant Thane hat m.E. vollkommen recht, die "strategische Überdehnung" des Herrschaftsbereiches und der Ziele.

- Spanien wird zwar erobert und besetzt, aber nicht unterworfen bzw. integriert
- die Kontinentalsperre erweist sich, salopp gesagt, als wirtschftspolitischer Flop mit außenpolitischen Hypotheken
- die eklatante Niederlage in Rußland
- die Existenz einer mehrmals gedemütigten Großmacht an der Südostflanke
- die fehlende Satuiertheit der französischen Herrschaft in den Gebieten des ehemaligen HRR inkl. Italiens
- kein Friede mit UK

Nur so als Denkansatz.


M.

-
 
Napoleon

Hallo

1. Es war eine Eroberung, keine pol. Einigung, Vereinigung
2. milit. strategische und takt. Fehler (Trafalgar, Waterloo, Rußlandfeldzug) führten zur Niederlage
3. Hauptgegner GB konnte nie eliminert werden
4. Preußen wurde nie vollkommen geschlagen und leistete immer Wiederstand


mfg
schwedenmann
 
Hallo

1. Es war eine Eroberung, keine pol. Einigung, Vereinigung
2. milit. strategische und takt. Fehler (Trafalgar, Waterloo, Rußlandfeldzug) führten zur Niederlage
3. Hauptgegner GB konnte nie eliminert werden
4. Preußen wurde nie vollkommen geschlagen und leistete immer Wiederstand


mfg
schwedenmann

Mir hebt das alles (nicht nur der zitierte Post) auf das militärische ab, obwohl Melchior ja die Kontinentalsperre nannte. Natürlich kam Napoleon vom Militär her und auf seinen militärischen Erfolgen basierte auch sein politisches Charisma. Dennoch muss man wohl den britisch-französischen Konflikt und zwar nicht nur den militärischen sondern gerade den wirtschaftlichen in den Mittelpunkt stellen und die Kontinentalsperre damit als den Dreh- und Angelpunkt des Scheiterns sehen. Ohne Kontinentalsperre hätte es sicher nicht den Vertrag von Fontainebleau gegeben, der gewissermaßen die Aufteilung Portugals zwischen Frankreich und Spanien vorsah (eigentlich viel komplexer, aber das würde zu weit führen) und letztlich zur Instabilität Spaniens führte; gleichzeitig führte die Kontinentalsperre, als Folge von Trafalgar zum Gegenteil von dem, was beabsichtigt war: Statt England zu isolieren wurde England zur Drehscheibe des internationalen Handels, was letztlich wiederum dazu führte, dass Staaten aus dem Kontinentalsystem ausscherten, was Napoleon wiederum zum Krieg zwang. Damit muss man sagen, dass die Ausrufung der Kontinentalsperre, die trotz ihres Scheiterns beibehalten wurde, den Grundstein für Napoleons Scheitern legte.

Nun noch ein Wort zu Waterloo. Waterloo ist eigentlich schon nach der Niederlage Napoleons. Frankreich war ausgeblutet und nach der Völkerschlacht von Leipzig 1813 war Napoleon eigentlich militärisch am Ende, 1814 trat er zurück und musste ins Exil.

Aber sein Charisma hatte er offenbar trotz der Jahre 1812 - 1814 nicht verloren und es liefen ihm die Scharen ja, als er 1815 aus seinem Exil zurückkehrte, begeistert zu. Aber er konnte eben - aus welchen Gründen auch immer - nicht an sein militärisches Genie anknüpfen und verlor in diesem weltberühmten gottverlassenen belgischen Nest seine letzte Schlacht. Aber dies war lediglich ein letztes Aufflackern einer eigentlich schon gelöschten Flamme.
 
Mir hebt das alles (nicht nur der zitierte Post) auf das militärische ab, obwohl Melchior ja die Kontinentalsperre nannte. Natürlich kam Napoleon vom Militär her und auf seinen militärischen Erfolgen basierte auch sein politisches Charisma. Dennoch muss man wohl den britisch-französischen Konflikt und zwar nicht nur den militärischen sondern gerade den wirtschaftlichen in den Mittelpunkt stellen und die Kontinentalsperre damit als den Dreh- und Angelpunkt des Scheiterns sehen.

Das Abheben auf das Militärische sehe ich auch als den Blick verkleisternd.

Meiner Ansicht nach findet sich das Scheitern schon im Vertrag von Amiens. England wurde ein Handelsvertrag verweigert. Betrachtet man die Wirtschaftsleistung beider Staaten, dann wird deutlich, dass England mit 2,5 -3 x dem Frankreichs haushoch überlegen war, die Verweigerung des Handelsvertrages zwangsläufig Krieg bedeuten musste.

Betrachtet man die weitere Entwicklung nach Lunéville und Amiens, so kann man feststellen, dass N. versuchte, den brit. Handelseinfluß auf dem Kontinent zu stören: z. B. Holland, Hannover, Italien. Zwangsläufig waren auch kontinentale Interessen: Österreich- Italien, Rußland - Naher Osten ... berührt. In der Summe verlor N. nicht nur die letzten Möglichkeiten zur See, sondern auch Vertrauen, sah sich auch nach der St. Petersburger Deklaration von 1805 der 3. Koalition gegenüber. Das heißt, England, bei Vertragsabschluß von Amiens isoliert, konnte Bündnispartner gewinnen. Sicherlich mit Millionen von Pfund Stirling finanziert aber die kontinentalen "Partner" hätten sich nicht finanzieren lassen, wenn sie nicht in N. den größeren Feind, den Störer des Gleichgewichts gesehen hätten.

Nach Austerlitz schied Österreich mit dem Vertrag von Preßburg aus. Mit Rußland gab es keinen "Friedensvertrag".
Das Jahr 1806 erlebt die Wende vom Gleichgewicht zur Hegemonie. Talleyrand versuchte ein neues kontinentales Gleichgewicht: einen (von Frankreich unabhängigen) Rheinbund, einen Nordbund unter Führung Preußens, Österreich als dritte deutsche Macht, dazu gab es Friedensverhandlungen mit Rußland (Oubril) und mit England. Und dies auch mit dem Ziel, der weiteren Ausdehnung Frankreichs einen Riegel vorzuschieben.

Sicherlich richtige Gerüchte, dass Preußen Hannover wieder verlieren sollte, veränderte alles entscheidend: Der Sieg von Jena und Auerstädt, die Ausrufung der Kontinentalsperre waren die Folge.

Richtig ist wohl, dass sich mit der Ausrufung der Kontinentalsperre die Überdehnung der Kräfte andeutete, denn eine Sperre macht nur Sinn, wenn sie denn auch umfassend ist.
Es folgt die Schlacht von Pr. Eylau, die Schlacht, die zum ersten Mal deutlich macht, dass eine kontinentale Macht fähig war, der bislang überlegenen Kriegsführung N. Paroli zu bieten. Auch nach Friedland wird klar, dass Rußland nicht vernichtet ist, der Zar aus verschiedenen Gründen Frieden schließt.

Das Jahr 1808 macht die Überdehnung der Kräfte deutlich. Zum ersten Mal (Erfurt) griff N. nach ernsthaften diplomatischen Mitteln, um den Zaren an seiner Seite zu halten, da nach der span. Katastrophe ein 2 Frontenkrieg drohte.
Der Krieg mit Österreich kam zwar erst 1809, hier wird mit Aspern deutlich, dass die militärische Überlegenheit Frankreichs sich langsam überlebt.

Die dann folgende kontinentale Ruhe ist trügerisch, sie kann es nur sein. Wie kann ein N. glauben, dass die Inkaufnahme des Niedergangs von Industrien, des normalen Handels sich positiv auswirkt, stattdessen Spekulanten und Schmuggler sich ein goldenes Näschen, besser riesen Nasen verdienen? Wie kann er glauben, dass zwangsbefriedete Staaten sich mit diesem Ergebnis abfinden?
So auch in Rußland. Der Handel liegt darnieder. Der Zar gerät unter Druck...
Hin und her, Fakt bleibt, eine Sperre funktioniert nur, wenn sie umfassend ist...

Es folgt der Feldzug von 1812....

Fazit:
Lunéville regelte die natürlichen Grenzen Frankreichs - völkerrechtlich!
Amiens hätte die Chance geboten, dass Frankreich diese Grenzen noch heute hätte.
Mit Eroberern ist das so eine Sache. Sie meinen, alles militärisch "regeln" zu können und vergessen leicht, dass eine überlegene Wirtschaft selbst die Sonne von Austerlitz locker ausgleicht.

Grüße
excideuil
 
@ElQ und exci

Ich habe Eure kritischen Anmerkungen schon verstanden und möchte gerne daran anknüpfen.

Das Scheitern Napoleons an wirtschaftshistorischen Indikatoren festmachen zu wollen, dürfte sehr schwer fallen, dazu war seine Herrschaft historisch einfach zu kurz. Die französische Wirtschaft und die der verbündeten bzw. zwangsverbündeten Staaten war agrarisch und vorindustriell allerhöchstens protoindustriell geprägt und die französische Wirtschaft hatte Zugriff auf den gesamten europäischen Markt mit den bekannten Ausnahmen (=> Kontinedntalsperre). These: Wäre er wirtschaftspolitisch clever gewesen, hätte er die agrarische Überschußproduktion Rußlands und tw. Preußens kurzerhand aufgekauft oder wie auch immer vom Markt genommen (z.B. auch durch Entschädigungszahlungen). Er war aber wirtschaftspolitisch nicht clever, sondern war in militärischen Denkkategorien befangen.

Eine Ressourcenüberspannung könnte m.E. nur bei der Rekrutierung konstatiert werden, die hat N. durch Kontingentstellungen der verbündeten Mächte zu substituieren versucht.

Meine Ansicht ist, These: N. ist an der mangelnden legitimatorischen Grundlage seiner Machtausübung nachhaltig gescheitert. Er hat bzw. mußte das Tuch mit der Revolution zerschneiden, ohne vor 1789 zurück gehen zu können, was er m.E. auch nicht wirklich wollte. Er hat das zerschnittene Tuch mit der Kirche von der Revolution geerbt und dann halbherzig "geflickt" (1801). Außer seinem Charisma den französischen Bajonetten und einem vagen Modernisierungsanspruch (z.B. Code civil) gab es kein Herrschaftskonzept, jenseits der militärischen Übermacht und nationaler Überhöhung Frankreichs. Seine charismatische Herrschaft gleichsam dynastisch zu verstetigen ist ihm nicht gelungen, exci nannte in #7 einige nicht ergriffene Chancen.

Polemisch zugespitzt: Den Krieg gewonnen, den Frieden verloren.


M. :winke:
 
4. Preußen wurde nie vollkommen geschlagen und leistete immer Wiederstand
Wann leistete es immer Widerstand? 1809 wäre Schills Zug zu nennen, aber das war ja eine Ausnahme und das Resultat war auch eher eine Tragödie für seine Gefährten.

Ich sehe es auch eher so, dass sein Scheitern weniger im militärischen Zusammenhang als im politischen zu sehen ist. Für ein wirklich dauerhaftes Empire mangelte es ihm am rechten Einsehen und am diplomatischen Fingerspitzengefühl. Letztlich ließ er sich nichts raten. Das kann gutgehen, aber eben nur mit einem Gespür für das Mögliche.
 
@ Melchior

Vielen Dank für deine Gedanken!

Was die Wirtschaft angeht, noch ein paar Anmerkungen:

Betrachten wir N. als Degen Sieyès', dann war ihm nur die Rolle des die Ruhe schaffenden Militärs zugedacht, der im Grunde nur dafür zu sorgen hatte, dass das aus der Revolution siegreich hervorgegangene Bürgertum seine Herrschaft manifestieren konnte. Daraus ergab sich ein sicherlich oft unsichtbarer Vertrag zwischen Bürgertum und ihm.
Wenn wir die Zeit betrachten, dann dürfen wir nicht nur die Interessen N. sehen, sondern vor allem die des Bürgertums und deren wirtschaftlichen Interessen.
Und diese klafften im Laufe der Jahre immer weiter auseinander.
Keine Frage, N. Hegemonialpolitik schaffte Absatzmärkte, aber auch hier die Überdehnung, weil Frankreich gar nicht in der Lage war, England auch nur ansatzweise zu ersetzen. Der Handel mit Rußland erreichte z.B. Summen, die zu vernachlässigen sind, daher war aus Sicht des Bürgertums der Krieg mit Rußland durch nichts zu begründen.

Wirtschaftlich betrachtet sind Maßnahmen wie Abschottung oder gar Sperren destruktiv, und sie haben den "Charme", dass zu ihrer Durchsetzung zusätzlich erhebliche Mittel aufgewendet werden müssen, die dann woanders fehlen. Daher halte ich Aufkäufe von Ernten oder Überproduktion für nicht durchfürbar.

Maßnahmen wie die Kontinentalsperre haben dann noch den Effekt, dass wirtschaflichen Fehlentwicklungen nicht entgegengewirkt werden kann, ohne das System in Frage zu stellen. N. tat dies selbst.

Destruktive Wirtschaft führt auch in kurzer Herrschaft zu Unzufriedenheit in der Bevölkerung, hat politische Folgen, die nicht kalkuliert werden können, nicht zuletzt auch unter dem Aspekt, dass Mißernten etc. dann besonders "ins Kontor regnen".

Nicht zuletzt führen destruktive wirtschaftliche Maßnahmen zum Ausbleiben von Innovation. Tulard z.B. hebt darauf ab.

Betrachten wir die Koalitionskriege, dann war England in der Lage, 66 Millionen Pfund Stirling, das entspricht etwa 1,8 Mrd. Franc, an Subsidien aufzuwenden, und dies ungeachtet der eigenen Aufwendungen für Flotte und Heer.
Trotz der Hegomonie auf dem Kontinent war die Wirtschaft Frankreichs weder in der Lage, die Wirtschaft Englands zu schwächen, noch, wirtschaftlich aufzurücken.

Damit bleibt die Wirtschaft für mich das Maß aller Dinge.

Kommen wir zur Legitimität.
Ich gebe dir recht, dass N. als "Degen" ein Usurpator in den Augen des französischen Bürgertums war. Mit dem Mißerfolg ließ es ihn fallen. (Das franz. Bürgertum tolerierte auch die Bourbonen, weil sie Ruhe versprachen!)
Anders sieht das aus meiner Sicht international aus. Legitim ist, was mit einem Machtpotenzial aufwartet, egal, ob es ein N. oder eine Schweizer Republik ist. Die machtpolitischen Interessen werden ausbalanciert, sicherlich spielen familienpolitische und traditionelle Gründe eine Rolle, im Grunde ist aber auch da Name Schall und Rauch. Betrachten wir Bernadotte oder Murat. Bernadotte konnte sich halten, weil er im richtigen Augenblick Vertrauen gewinnen konnte, Murat wurde entthront, weil er dies nicht vermochte.

Besonders deutlich wurde die Legitimität auf dem Wiener Kongress: Preußen wollte ganz Sachsen, von legitimen Ansprüchen des sächs. Königs kein Wort, nein, es gab auch den Vorschlag, ihn an anderer Stelle zu entschädigen... Ergebnis war die Teilung Sachsens. Also reine Machtpolitik zum Zeitpunkt der Entscheidung.

Wer hätte die Legitimität eines N. in den "natürlichen Grenzen" Frankreichs nach Lunéville und Amiens infrage gestellt? Wohl niemand.

Grüße
excideuil

(Vorschlag an die Moderation, diesen Thread in das Unterforum zu verschieben, das Thema interessiert und bringt bestimmt noch einige gute Sachbeiträge!)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Melchior,
dem Rest deines Postings möchte ich zustimmen, dies sind alles ergänzende Faktoren, aber dem im Folgenden zitierten kann ich nicht zustimmen.

Das Scheitern Napoleons an wirtschaftshistorischen Indikatoren festmachen zu wollen, dürfte sehr schwer fallen, dazu war seine Herrschaft historisch einfach zu kurz.

Exideuil hat dazu ja schon wesentliches geschrieben, es muss aber an dieser Stelle wiederholt werden, dass der napoleonische Wirtschaftskrieg gegen England bzw. die Durchsetzung des Kontinentalsystems mehrere Feldzüge erst notwendig machte - eben auch gegen Spanien und Russland. Dies führte zu Überdehnung und angesichts der assymetrischen Kriegführung in Spanien und Russland auch zur allmählichen Aufreibung der Grande Armée.
Nebenbei konnte ein solcher Wirtschaftskrieg wie die Kontinentalsperre nicht im Sinn des liberalen Bürgertums sein. Und dieses liberale Bügertum war es doch, auf welches Napoleon sich in den besetzten Ländern stützen musste. Diese Leute waren es doch, die mit den Errungenschaften der Frz. Revolution am meisten anfangen konnten.
Heinrich von Kleist ironisierte dann auch die Kontinentalsperre in seinen Abendblättern. Da er Frankreich/Napoleon nicht offen kritisieren durfte versteckte er die Kritik an dem Wirtschaftskrieg und die Berichterstattung über die negativen Auswirkungen der Kontinentalsperre für Europa und Frankreich dann in Artikeln z.B. über Modetrends in Paris. Aus dieses kurzen Artikeln wird aber sehr deutlich, wie schlecht es um die Wirtschaft bestellt war:

Korrespondenz und Notizen aus Paris
Moden. Den Sommer über trugen unsere Damen große Schleier, Roben mit langen Schleppen und große Schals. Diesen Herbst sieht man sie alle mit sehr kleinen Schals, kurzen Röcken und halben Schleiern. Kaschmirschals und Schleier von 100 Louisdor werden abgelegt und verkauft, um kleine Schal-Fichü, oder einen Diminutivschleier anzuschaffen. Von dem Kleide wird gar nicht viel Erwähnung getan; lang oder kurz, es gilt alles gleich, wenn es nur alle Tage ein neues ist. Zu dem Ende arrangiert sich eine Dame mit ihrer Nähterin; diese nimmt das Kleid von gestern zurück, und verkauft es einer andern, die es am dritten Tage wieder ebenso, gegen das Kleid einer vierten macht: dergestalt, daß eine Boutique de Modes eine Art von Gemeingut der Pariser Damen und der ganze Handel damit gewissermaßen ein Tauschverkehr (eine Leihanstalt) wird.
 
Heinrich von Kleist ironisierte dann auch die Kontinentalsperre in seinen Abendblättern. Da er Frankreich/Napoleon nicht offen kritisieren durfte versteckte er die Kritik an dem Wirtschaftskrieg und die Berichterstattung über die negativen Auswirkungen der Kontinentalsperre für Europa und Frankreich dann in Artikeln z.B. über Modetrends in Paris. Aus dieses kurzen Artikeln wird aber sehr deutlich, wie schlecht es um die Wirtschaft bestellt war:
Ich sehe darin keinerlei Kritik an der Kontinentalsperre. Gibt es einen Historiker, der die Kritik an der Kontinentalsperre daraus herauslesen und konkret erklären konnte?

Dass man dauernd Kleider kaufte und wieder, weil sie unmodisch waren oder man so sehr Geck war, dass man keines zweimal tragen wollte, dann gleich wieder verkaufte hat sicher nichts mit der Kontinentalsperre zu tun. Es gibt oft Kraikaturen, welche Damen oder Herren persiflieren, denen es nur um den schönen Schein geht und die eigentlich nur durch ihre Kleidung standesgemäßg leben können. Sie werden oft in Dachkammern oder anderen elenden Behausungen dargestellt, wo sie dann aber akribisch dabei sind, zumindest ihr Äußeres also ihre Kleidung zu bewahren, um ja modisch zu bleiben.
 
Du musst zwischen den Zeilen lesen:
- die Erwähnung der Louis d'Or ("Kaschmirschals und Schleier von 100 Louisdor werden abgelegt und verkauft")
:rechts: Louis d'Or wurden, als Kleists Abendblätter erschienen, seit etwa 15 Jahren nicht mehr geprägt
:rechts: Louis d'Or waren nicht gerade wenig wert. Nun werden Kleidungsstücke für 100 Louis d'Or verkauft, um was kaufen zu können? "Kleine Schal-Fischü (Fichu) und Diminutiv-Schleiher")
Schon die Notwendigkeit alte Kleidung verkaufen zu müssen, ist doch ein deutlicher Hinweis auf den wirtschaftlichen Niedergang, mehr noch, wenn man sieht, wer die Kleidung verkaufen muss, nämlich diejenigen, die sich zuvor locker Kleidung besorgen konnte, wo Modeassecoires leicht mal 100 Louis d'Or kosten konnten.
Dann beachte man die Jahreszeiten: "Den Sommer über trugen unsere Damen große Schleier, Roben mit langen Schleppen und große Schals. Diesen Herbst sieht man sie alle mit sehr kleinen Schals, kurzen Röcken und halben Schleiern."
:rechts: Sprich: Die Herbstmode muss mit weniger Stoff auskommen, als die Sommermode, was diametral zu den Temperaturen steht. Sprich: Es wird recycelt (was im Text ja auch mehrfach Erwähnung findet).
Zu guter letzt wird im Prinzip der "Second-Hand-Laden" als Leihhaus beschrieben: "Zu dem Ende arrangiert sich eine Dame mit ihrer Nähterin; diese nimmt das Kleid von gestern zurück, und verkauft es einer andern, die es am dritten Tage wieder ebenso, gegen das Kleid einer vierten macht: dergestalt, daß eine Boutique de Modes eine Art von Gemeingut der Pariser Damen und der ganze Handel damit gewissermaßen ein Tauschverkehr (eine Leihanstalt) wird."

Man trägt gewissermaßen das, was schon von anderen Leuten aufgetragen wurde, was immer wieder recycelt wurde, weshalb aber die Stoffe immer weniger werden, was sich eben darin ausdrückt, dass die Schals kleiner und diminutiver und die Röcke kürzer werden.

Es ist dabei völlig unerheblich, ob das in der Sache stimmt, Kleist schreibt es so und dies eben 1810/11, auf dem Höhepunkt der Kontinentalsperre. Und Kleist schrieb für ein Publikum, welches ihn verstand. Wegen Texten wie diesem entzog ihm die Berliner Polizei ihre Gunst. Seine Berliner Abendblätter lebten nämlich davon, dass er täglich die Polizeiberichte bekam und abdrucken konnte. Als ihm die Polizei diese wegen seiner franzosenfeindlichen Haltung nicht mehr gab, gingen die Absatzzahlen der Abendblätter herunter und er musste die Zeitung aufgeben. Kurze Zeit später beginn er Selbstmord.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank dafür, dass die Moderation meinem Wunsch entsprochen hat!

Das Beispiel, dass El Quijote anführt, beschreibt es völlig richtig. Die destruktiven Auswirkungen der Kontinentalsprre betrafen nicht nur die Mode sondern auch die "normalen" Kolonialwaren, die jetzt nicht oder wenn, dann nur völlig überteuert zu haben waren. Wenn dies dann noch mit gravierenden Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit einhergeht, dann ist die zunehmend murrende Haltung des Bürgertums verständlich. (Von der auch Tulard spricht, ich kann ihn leider erst in ein paar Tagen zitieren!)

Verständlich auch deshalb, weil das in der Revolution siegreiche Bürgertum jetzt auch den Sieg auskosten und ausleben möchte und sei es in der Vorführung/Präsentation des erworbenen Reichtums. Wenn dann ein Eroberer im Weg steht, der ganz andere Ziele hat, dann wird klarer, dass sich das Bürgertum auch mit den Bourbonen abfinden wird, die in der Person Ludwig XVIII. trotz aller Differenzen den Interessen des Bürgertums realpolitisch näher standen als Napoleon.

Grüße
excideuil
 
@ElQ und exci

Habt vielen Dank für Eure ausführlichen Antworten.

Daß die Kontinentalsperre auch für Frankreich und seine Verbündeten negative wirtschaftliche Auswirkungen hatte ist unbestritten, dazu ist die Literaturlage viel zu klar. Nur, hatte sie Auswirkungen auf die Kampfkraft der Armee? Ich meine, nein.

Der Mangel an Kolonialwaren ist verschmerzbar, der Mangel an edlen Tüchern wohl auch, nicht verschmerzbar ist der Verlust der Söhne in einem wahrscheinlich als sinn- und ziellos erkannten permanenten Kriegszustand. Wenn dann bei einem charismatischen Herrscher ohne legitimatorischen Hintergrund die Erfolge auch noch ausbleiben, dann wird sich die staatstragende Schicht wohl abwenden, exci beschrieb es.

These: Die Kontinentalsperre als Übergang Frankreichs zur strategischen Defensive? Auch wenn die Kontinentalsperre gleichsam als deus ex machina offensive Kriegsführung erzwang?

M.
 
Ein besonders deutliches Beispiel für das Ergebnis einer strategischen Überdehnung ist der Rückzug von Napoleon aus Russland. In diesem Fall wirkt sich die strategische Situation auch direkt auf der operativen und taktischen Ebene aus.

Jenseits von wirtschaftlichen Krisen, die folgt man Braudel oder Milward, sich für Frankreich unterschiedlich, es gab Erholungsphasen und krisenhafte Entwicklungen mit deflationären Phasen, ausgewirkt haben, hat sich Napoleon primär zu Tode gesiegt.

Wirtschaft und Gesellschaft in Frankreich im Zeitalter der ... - Fernand Braudel, Ernest Labrousse - Google Books

The economic development of continental Europe, 1780-1870 - Alan S. Milward, S. B. Saul - Google Books

Die Überdehnung kann man direkt an demographischen Faktoren festmachen. In diesem Sinne lagen die Verluste (Tote) Frankreichs im Rahmen der napoleonischen Kriege bei ca. 916.000 Toten. Und das ist eine Mortalitätsrate von ca. 38 Prozent für die Teilkohorte der von 1790 bis 1795 geborenen.

Dieser Wert, um seine Dimension zu verdeutlichen, liegt um 14 Prozent über dem Wert der Generation, die primär die Teilnehmer am WW1 gestellt haben, schreibt Gates in seinem Epilog.

The Napoleonic Wars 1803-1815 - David Gates - Google Books


ps: @ Melchior: Dei Kampfkraft war insofern berührt, als über die extremen Kosten für die Armee die Finanzkraft Frankreichs beansprucht wurde. Und in diesem Sinne hatte Frankreich mit einer relativen Wettbewerbsschwäche bei der Beschaffung von Finanzmitteln gegenüber von GB zu kämpfen. Auch, weil N. vergleichsweise konservativ war bei den Finanzierungsformen (so Braudel und Milward)
 
Zuletzt bearbeitet:
Daß die Kontinentalsperre auch für Frankreich und seine Verbündeten negative wirtschaftliche Auswirkungen hatte ist unbestritten, dazu ist die Literaturlage viel zu klar. Nur, hatte sie Auswirkungen auf die Kampfkraft der Armee? Ich meine, nein.

Zumindest ich hebe gar nicht so sehr auf eine auf die Kampfkraft der Armee ab - die allerdings auch eine indirekte Folge der Kontinentalsperre war - sondern darauf, dass die Kontinentalsperre Napoleon immer wieder Kriege aufzwang, die er sich ohne diese hätte sparen können. Mit Spanien war man verbündet, Portugal war neutral, mit Russland hatte man Frieden geschlossen. Hätte man nicht stattdessen 1806 mal versuchen sollen, mit den Briten in eine andere Form der Kommunikation einzutreten?

Der Mangel an Kolonialwaren ist verschmerzbar, der Mangel an edlen Tüchern wohl auch, nicht verschmerzbar ist der Verlust der Söhne in einem wahrscheinlich als sinn- und ziellos erkannten permanenten Kriegszustand.

Wie gesagt, es handelt sich ja nicht um einen Wirtschaftsartikel ausgezeichneten Bericht, sondern um einen Modebericht, den Kleist da in seiner Zeitung abdruckt. Die Berliner Abendblätter waren nicht besonders umfangreich - es war Deutschlands allererste täglich erscheinende Zeitung! - heute wäre dieser Bericht vielleicht in der Rubrik "Aus aller Welt", "Klatsch" oder "Mode" zu finden. Aber genau darum geht es ja: Der Zensur zu entgehen, seine Botschaft dort unterbringen, wo sie gelesen wird, ohne dass die Zensoren, die ihre Aufmerksamkeit weniger auf den Boulevardteil, als auf den politischen Teil legen, das mitbekommen.*


*Zur Zensur. Wie vielleicht bekannt ist, wurde damals in Preußen im Zuge der Reformen vom Steins und Hardenbergs offiziell nicht zensiert. Später wurde unterschieden in Vorzensur und Nachzensur. Vor- und Nachzensur hing immer ab von der Masse der Bögen der Veröffentlichung. Unter 20 Bögen wurde vorzensiert, darüber nach zensiert, also nach der Veröffentlichung.
Kleist wurde Opfer der indirekten Zensur, er bekam einfach nicht mehr die Informationen, die seine Leser interessierte, die Polizeiberichte. Inhalt dieser Polizeiberichte waren Unfälle und das Unwesen einer Mordbrennerbande, welche die Dörfer in der Umgebung von Berlin in Angst und Schrecken versetzte.
 

Nun, da mir Zeit und meine Bibliothek wieder zur Verfügung steht, ein vllt. gehaltvoller Beitrag meinerseits:

Dass die Kontinentalsperre auch für Frankreich und seine Verbündeten negative wirtschaftliche Auswirkungen hatte ist unbestritten, dazu ist die Literaturlage viel zu klar. Nur, hatte sie Auswirkungen auf die Kampfkraft der Armee? Ich meine, nein.

Der Mangel an Kolonialwaren ist verschmerzbar, der Mangel an edlen Tüchern wohl auch, nicht verschmerzbar ist der Verlust der Söhne in einem wahrscheinlich als sinn- und ziellos erkannten permanenten Kriegszustand. Wenn dann bei einem charismatischen Herrscher ohne legitimatorischen Hintergrund die Erfolge auch noch ausbleiben, dann wird sich die staatstragende Schicht wohl abwenden, exci beschrieb es.

These: Die Kontinentalsperre als Übergang Frankreichs zur strategischen Defensive? Auch wenn die Kontinentalsperre gleichsam als deus ex machina offensive Kriegsführung erzwang?
M.

Die Kampfkraft war insofern berührt, als über die extremen Kosten für die Armee die Finanzkraft Frankreichs beansprucht wurde. Und in diesem Sinne hatte Frankreich mit einer relativen Wettbewerbsschwäche bei der Beschaffung von Finanzmitteln gegenüber von GB zu kämpfen. Auch, weil N. vergleichsweise konservativ war bei den Finanzierungsformen (so Braudel und Milward)


Ich schlage mich, was die Kampfkraft angeht, eher auf die Seite von Melchior:
Gegen Rußland zog N. 1812 ein Heer von 675 000 Mann zusammen und erlitt in Rußland eine Niederlage. Unbestritten dürfte wohl sein, dass wenn er in der Lage gewesen wäre, die Truppen, die die Einhaltung der Kontinentalsperre sicherten, mitzuführen, dann wären auch diese 100000 oder 200000 Mann zugrunde gegangen. An der Ausrüstung lag es auch nicht, da nur ein schneller Feldzug geplant war.

Selbst nach der Niederlage in Rußland war er in der Lage, ein neues Heer zu mobilisieren, das, obwohl aus oft viel zu jungen Jahrgängen bestehend, den Verbündeten noch so manche Niederlage beibringen sollte. Finanzieren konnte N. die Truppe auch, er griff auf die 2-300 Millionen Franc in Gold zurück, die in den Tuilerien angehäuft waren.

Dennoch ging der Feldzug verloren. Und wieder spielt hier die Wirtschaft mit. Ein wichtiger Grund war, dass die verlorenen Bestände an Pferden nie wieder ausgeglichen werden konnten. Ob man dies allerdings der Kontinentalsperre „ankreiden“ kann, vermag ich nicht zu beurteilen.

Keine Frage war der Aderlass an Menschen ernorm. Aber, selbst bei seiner Rückkehr von Elba werden ihm Chancen von Historikern eingeräumt, hätte er sich auf die Prinzipien der Revolution und den „4. Stand“ gestützt.
Das bedeutet wohl, dass man die Ressource Mensch unabhängig von Statistiken betrachten muss, denn, wer hätte z.B. Spanien diese Widerstandskraft gegen N. zugetraut?

Ich meine, die Niederlage N. ist in der Wirtschaft und damit mit der Kontinentalsperre zu suchen und zu finden.
Weiter oben habe ich ausgeführt, dass eine solche Maßnahme nur „Sinn“ macht, wenn sie umfassend, ohne „Löcher“ ist.
Eine solche Maßnahme macht aber auch nur „Sinn“, wenn die eingebundenen „Partner“ auch damit leben können:

Tatsächlich sollte die Kontinentalsperre aber 2 Ziele erreichen:
Die wirtschaftliche Niederringung Englands und der Schutz der franz. Industrie gegenüber den kontinentalen Mächten. Dazu Erbe:

„Gedacht als Speerspitze gegen London, erwies sich es sich dennoch als stumpfe Waffe. Denn einerseits wurde das Kontinentalsystem, das letztlich nur französischen Wirtschaftsinteressen diente und den übrigen Staaten keinerlei Vorteile … bot, dort nicht akzeptiert. Dies war umso mehr der Fall, als N. selbst durch das Dekret von St. Cloud im Juli 1810 für den Handel mit begehrten Kolonialwaren den Häfen des Empire … Ausnahmegenehmigungen erteilte und damit sein eigenes Blockadesystem unterlief.“ [1/Seite 85]

Tulard geht ins Detail:
„Das Embargo von Jefferson führte dazu, dass die franz. Industrie keine amerikanische Baumwolle mehr bekam. Die Fabrikanten erhalten nur noch Baumwolle aus Neapel und der Levante, aber die reicht nicht. Zu den Klagen der Industriellen kommen die der Verbraucher, die finden, die Preise für Woll- oder Leinenstoffe seien zu hoch. Die Einfuhr von Rohzucker fällt von 25 Mill. Kilo 1807 auf 2 Mill. Im Jahr 1808. Und auch der Kaffee wird immer teurer. Der Innenminister Cretet gibt am 1. Juni 1808 zu: „Die Waren aus den Kolonien werden so teuer, dass man sich wundern muss, dass sich noch Käufer finden für Baumwolle aus Pernambuco, zu 11 bis 12, für Zucker zu 5 bis 6 und für Kaffee zu 8 Francs. Die einzige Erklärung ist, dass der enorme Gewinn, den diese Waren erbrachten, sie zum Gegenstand von Börsenspekulationen machte, an denen Angehörige aller Schichten beteiligt waren.“ [2/Seite 423]

Und damit muss ich Melchior widersprechen, die Kolonialwaren hatten eine deutliche Gewichtung:
„Die Spekulation mit Kolonialwaren hatte das Börsenspiel mit Assignaten abgelöst, doch führte dieses Spekulationsspiel – dessen Gefahren Mollien in seiner Korrespondenz mit N. aufzeigte – zu einer Kette spektakulärer Zusammenbrüche an den bedeutenden Bankplätzen Frankreichs, Deutschlands und Italiens.“ [3/ Seite 268]

„Am Ende des Kaiserreiches waren dem Pariser Bürger Kaffee, Zucker und Zeitungen genommen worden: Man verlangte zu viele Opfer von ihm!“ [2/ Seite 355]

So richtig deutlich wird die Sperre im Verhältnis mit Rußland, dem eigentlich einzig verbliebenen Verbündeten auf dem Kontinent:
„Die Einführung der Kontinentalsperre hatte den Export von Getreide, Hanf und Holz nach England gestoppt: Napoleon hatte keinen Ausweichmarkt angeboten. So kam es zur lebhaften Unzufriedenheit der russischen Landbesitzer. Der russische Export nach Frankreich soll nach den Berichten der Zeit einen Wert von 257000 Rubeln dargestellt haben, während Frankreich für nur 1511 Rubel Waren nach Rußland exportierte.“ [2/Seite 437]

Hoppla, da werden ja gleich 2 Interessen berührt: Rußland und England. Gegen England mag Frankreich ja passen, nur gegen den Freund Rußland? Wen wundert es da, dass der Zar die Sperre unterläuft? Gar gegen Frankreich Schutzzölle erhebt?

Frankreich war sich sogar ob des Problems bewusst:
Champagny schrieb am 7. Dezember 1807 an Caulaincourt: „Seine Majestät haben mich beauftragt, mit Ihnen über den franz. Handel zu sprechen. Petersburg ist wohl auf ihn angewiesen. Es gibt keine günstigere Gelegenheit, diesen wieder aufleben zu lassen.“ Aber man scheiterte rasch: die Entfernungen, die Verteuerungen der Transporte, die Unsicherheit, die Kredite, das Vorhandensein von Märkten in Italien und Deutschland, die leichter erreichbar waren, führten dazu, dass sich der franz. Handel schnell wieder von Rußland abkehrte. Der endgültige Verlust dieses Marktes war also nur ein geringes Übel und rechtfertigte in den Augen des franz. Handels nicht, deshalb einen Krieg ins Auge zu fassen.“ [2/ Seite 439]

Die kurzen Handelswege Frankreichs erzwangen, dass England die langen Wege in der restlichen Welt in Kauf nahm, Frankreich und deren Verbündete von ihren Kolonien entband und den Unzufriedenen auf dem Kontinent finanzielle Unterstützung anbot … freilich unterstützt von vielfältigen Schmugglern, zu denen letztlich auch N. selbst gehörte.

In der Summe bedeutet das wohl sogar, dass die Sperre das engl. Empire erst ermöglichte. Und so schließt sich wohl der Kreis zu Amiens.

Grüße
excideuil

[1] Erbe, Michael: Revolutionäre Erschütterung und erneuertes Gleichgewicht – Internationale Beziehungen 1785 – 1830, Ferdinand Schöningh, Paderborn – München – Wien – Zürich, 2004
[2] Tulard, Jean: Napoleon oder der Mythos des Retters, Wunderlich, Tübingen, 1978
[3] Tulard, Jean: Geschichte Frankreichs Band 4: Frankreich im Zeitalter der Revolutionen 1789-1851, DVA, Stuttgart, 1989
 
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