Napoleon und militärtechnische Neuerungen

excideuil

unvergessen

Ich bin auf dieses Zitat gestoßen:
„So innovativ Napoleon als Stratege und Taktiker wirkte, so sehr verschloss er sich waffentechnischen Neuerungen. Seine leichte Infanterie zahlte einen hohen Preis dafür, dass für sie niemals Büchsen mit gezogenen Läufen eingeführt wurden, wie sie bei Jägerkorps deutscher Staaten und den britischen Schützenregimentern in Gebrauch waren. Erfindungen wie dampfgetriebene Fahrzeuge oder die Raketentechnik – eine britische Raketenbatterie nahm an der Schlacht von Leipzig teil – hielt er für nutzlos. Demgegenüber forcierte er die Verbesserung der militärischen Infrastruktur und den Aufbau eines Kommunikationssystems von optischen Telegrafen, einer Erfindung der Gebrüder Chappe, in seinem gesamten Einflussbereich.“ [1/ Seite 163]

Der erste Satz klingt wie ein Faktum, er will mir aber nicht in den Kopf. Warum sollte ausgerechnet einer der größten Militärs eine solche Haltung an den Tag legen? Grund genug, nach einer Erklärung zu suchen.

Aus folgendem Zitat:

„Der Erste Konsul war persönlich nicht bestechlich und hätte es auch nicht nötig gehabt. Oft änderte er durch einen Befehl überraschend territoriale Dispositionen des Außenministers, manchmal zuungunsten und manchmal zugunsten Bayerns. Bonaparte war, wenn er nicht gerade im Felde stand, voll beschäftigt mit der Regelung seiner Beziehungen zu den europäischen Großmächten und mit dem Ausbau des französischen Imperiums. Als der bayerische Gesandte Cetto einmal bei ihm erschien, um ihm klarzumachen, wie wichtig es für Frankreich sei, dass nicht Österreich, sondern Bayern das bisher freisingsche Werdenfelser Land (das Gebiet um Partenkirchen und Mittenwald) bekäme, musste er feststellen, dass der Erste Konsul von der Geografie dieser Gegend, in der er noch keinen Feldzug geführt hatte, keine Ahnung und auch weder Zeit noch Lust hatte, sich damit zu beschäftigen. Bayern solle seine Vorschläge schriftlich einreichen, sagte er verständlicherweise.
Cetto berichtete, Bonaparte habe einem Diplomaten, der mit ihm über deutsche Angelegenheiten sprechen wollte, gesagt: „C’est l’affaire de M. Talleyrand, il a refait l’Allemagne“ (Dies ist Sache von Herrn Talleyrand, er hat Deutschland neu geordnet).
Doch war gerade Talleyrand auch ein wahrhaft schöpferischer Außenminister. Was unter Napoleon an Konstruktivem in der Außenpolitik geleistet wurde, war im Wesentlichen das Werk Talleyrands.“ [2]

geht hervor, dass Napoleon sicherlich das letzte Wort hatte, er sich auf das Wichtige (Großmächte) konzentrierte, weniger „Wichtiges“ und maßgebliche Zuarbeit von Ministern etc. kam bzw. erledigt wurde.

Kann man das so auch auf den militärischen Bereich übertragen? Napoleon konzentrierte sich auf Gesamte (optische Telegrafen) lehnt Dampfmaschinen, Raketentechnik, weil (noch) nicht relevant ab. Die Büchsen sind das „weniger“ Wichtige, was von einem Minister entschieden wurde.

Oder spielen möglicherweise auch Kapazitäts- und/oder Innovationsprobleme eine Rolle?

Dieses Zitat deutet an, dass die Qualität auch eine Rolle gespielt hat:
„Die Bewaffnung (der sächs. Armee) entsprach jener der Großen Armee. Auf Grund der der hohen Qualität der sächsischen Waffenschmieden war sie teilweise sogar besser.“ [1/ Seite 164]

Oder hat der Autor uneingeschränkt Recht, weil Napoleon sich auf sein Genie, seinen Stern verließ?

Grüße
excideuil


[1] Bauer, Gerhard: Geblendet vom Glanz der Goldenen Adler – Das sächsische Heer an der Seite der Großen Armee 1806-1813, in: Martin, Guntram; Vötsch, Jochen; Wiegand, Peter (Hrsg.): Geschichte Sachsens im Zeitalter Napoleons – Vom Kurfürstentum zum Königreich 1791 – 1815, Sächs. LZ für pol. Bildung, Beucha, Dresden, 2008
[2] Weis, Eberhard: Montgelas Bd. 2, C.H.Beck, München, 2005, Seiten 143-144 (Berichte Cetto 7.1.1802/25.7.1802)
 
Ob's nun belegt ist oder nicht, ich finde solch ein Zitat bezeichnend:

"Was veranlasst Sie zu der Annahme, dass ein Schiff gegen den Wind und gegen die Strömung segeln könnte, wenn man nur ein Feuer unter Deck anzünde? Ich habe keine Zeit, mir so einen Unsinn anzuhören." Napoleon über Robert Fultons Dampfschiff.

Ich las auch irgendwo, dass haufenweise Erfinder und solche, die es vorgaben, bei Napoleon vorstellig waren. In seiner typischen Art wurde dann im Minutentakt entschieden. Da mag dann manch vernuenftige Løsung untergegangen sein, wenn der Erfinder nicht schnell genug ueberzeugend auf den Punkt kam.

Bezuegl. der engl. Raketen lag er aber richtig, sie waren Spielzeug.

Gruss, muheijo
 
[...]
Kann man das so auch auf den militärischen Bereich übertragen? Napoleon konzentrierte sich auf Gesamte (optische Telegrafen) lehnt Dampfmaschinen, Raketentechnik, weil (noch) nicht relevant ab. Die Büchsen sind das „weniger“ Wichtige, was von einem Minister entschieden wurde.

Oder spielen möglicherweise auch Kapazitäts- und/oder Innovationsprobleme eine Rolle?

Dieses Zitat deutet an, dass die Qualität auch eine Rolle gespielt hat:
„Die Bewaffnung (der sächs. Armee) entsprach jener der Großen Armee. Auf Grund der der hohen Qualität der sächsischen Waffenschmieden war sie teilweise sogar besser.“ [1/ Seite 164]
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In den Revolutions- und Napoleonischen Kriegen waren die " Levées en masse", die mehr als andere das militärische Potential einer Staates und seiner Armee steigerten. Die Nutzung der Kopfstärke der Armeen und ihres Kriegsgerätes, nicht technologische Überlegenheit, verschafften Napoleon seine Siege. Der Wandel in der Kriegskunst, mit überlegenen Waffen und nicht notwendiger Feldherrnkunst Kriege zu gewinnen, war das Produkt des Industriezeitalters, also erst ca. 40 Jahre nach Napoleon.

Hobson, Maritimer Imperialismus S. 44
 
Zuletzt bearbeitet:
In einem Punkt war Napoleon (auch nach obigem Zitat) absolut auf der Höhe der Zeit: Die schnelle Nachrichtenübermittlung
 
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