Napoleons Ägyptenfeldzug

Brissotin

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Da ich derzeit nicht bewerten kann, gebe ich hier mal meinen Senf ab.
[MOD: Bezug ist das Thema hier: http://www.geschichtsforum.de/f16/bonaparte-ein-m-rder-und-kriegsverbrecher-42654/ ]

Leider habe ich mich nur am Rande und sehr wenig mit dem Ägyptenfeldzug nebst der Expedition Richtung Jaffa beschäftigt. Dieses Gemälde von Gros ist mir natürlich am geläufigsten: File:Antoine-Jean Gros - Bonaparte visitant les pestiférés de Jaffa.jpg - Wikipedia, the free encyclopedia Es markiert natürlich eher eine positive Facette des damaligen Generals.

Beeindruckend fand ich Deine Quellenangaben, excideuil.:yes:

Im Übrigen wirkt es auf mich, als ob irgendwie bei diesem Feldzug aufgrund der Umstände andere "Regeln" als im normalen Krieg gegolten zu haben scheinen.
Es ist für mich ein bisschen schwierig die Vorgehensweise von Bonaparte in dem Zusammenhang einzuordnen. Insgesamt war der Feldzug für mich eine Art Himmelfahrtskommando mit einem exotischen Hintergrund und Ziel. Man muss das Unternehmen an sich wohl auch dem Direktorium anlasten. Was wollten denn die Franzosen in Ägyten und welche Erfolge malte man sich in Anbetracht der britischen Überlegenheit zur See aus?
 
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Was wollten denn die Franzosen in Ägypten
Es ging wohl darum, britische Kommunikationslinien zu unterbrechen und auch die Kontrolle über die Wirtschaft Ägyptens zu bekommen.

und welche Erfolge malte man sich in Anbetracht der britischen Überlegenheit zur See aus?
Die britische Seeüberlegenheit war zu diesem Zeitpunkt noch nicht so klar, denn seit 1796 bestand ja der Zweite Vertrag von San Ildefonso, der explizit gegen den gemeinsamen Feind England gerichtet war und dessen dritter Artikel sich mit der Zusammenlegung spanischer und französischer Flottenteile befasste.

Einzeln war Frankreich vielleicht der Flotte von England nicht gewachsen, aber die britische Seeherrschaft, wie wir sie kennen, war das Resultat von Trafalgar 1805.
 
Die britische Seeüberlegenheit war zu diesem Zeitpunkt noch nicht so klar, denn seit 1796 bestand ja der Zweite Vertrag von San Ildefonso, der explizit gegen den gemeinsamen Feind England gerichtet war und dessen dritter Artikel sich mit der Zusammenlegung spanischer und französischer Flottenteile befasste.

Einzeln war Frankreich vielleicht der Flotte von England nicht gewachsen, aber die britische Seeherrschaft, wie wir sie kennen, war das Resultat von Trafalgar 1805.
Naja, aber mit der spanischen Flotte und deren Erfolg hatte man doch schon seit dem Ancien Régime seine Erfahrungen.

Und ich sehe bei der französischen Flotte keine so zahlreichen Erfolge ihrerseits, die zu irgendwelchen Hoffnungen Anlass gegeben hätten. Die Schlacht bei Abukir ist für mich eher charakteristisch gewesen und ich kann mir fast nicht vorstellen, dass die Franzosen über den Ausgang so sonderlich erstaunt gewesen sein dürften.
 
Naja, aber mit der spanischen Flotte und deren Erfolg hatte man doch schon seit dem Ancien Régime seine Erfahrungen.

Und ich sehe bei der französischen Flotte keine so zahlreichen Erfolge ihrerseits, die zu irgendwelchen Hoffnungen Anlass gegeben hätten. Die Schlacht bei Abukir ist für mich eher charakteristisch gewesen und ich kann mir fast nicht vorstellen, dass die Franzosen über den Ausgang so sonderlich erstaunt gewesen sein dürften.

Den Amerikanischen Unabhämgigkeitskrieg hatte man verloren, weil man nicht die Seeherrschaft gegen Franzosen, Spanier und zeitweilig Niederländer hatte behaupten können. Es gab zwar keine großen Niederlagen, die "unentschiedenen" Seegefechte vor Grenada, Trinidad und in der Cheasepeake Bay reichten um den Krieg zu verlieren. Die Spanier (Bernardo de Galvez) konnten dabei sogar Britische Stützpunkte wie Mobile und Pensacola von See aus angreiffen und erobern, was zu anderen Zeitpunkten undenkbar gewesen wäre.

Die Vereinigung der drei nachfolgenden Flotten war immer ein Risiko für die Briten. Es herrscht heute eine sehr "britische" Sicht auf die Seegeschichte des 18. Jahrhundert. Soooo schlecht waren die Franzosen zur See auch nicht, vor allem bevor sie ihre adligen Offiziere guillotinierten.
 
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Was wollten denn die Franzosen in Ägyten und welche Erfolge malte man sich in Anbetracht der britischen Überlegenheit zur See aus?

Folgt man Chandler dann verfolgte das Direktorium eine Reihe von Zielsetzungen mit der Expedition.

The Campaigns of Napoleon - David G. Chandler - Google Books

1. Kompensation für die Verluste der bisherigen französichen Kolonien und somit Erhalt eines Kolonialreichs

2. Aufbau und Festigung einer langfristigen Position und Ausbau von Ägypten als profitable koloniale Basis.

3. Besetzung eines strategisch sehr relevanten Gebiets, das für die Kontrolle des Mittelmeers, Klein-Asiens und dem Zugang nach Fernost entscheidend war. Zumindest während der Anfangsphase gab es keine Ambitionen in Richtung Indien.

4. Und ein idealistisches Ziel, indem Frankreich, als die modernste aller Nationen (so das Selbstbild) zu einer aufklärerischen und emanzipierende Mission aufbrach, um der "Wiege der Menschheit" die Ideale der FR zu vermitteln. Ähnliche Proklamationen ließ Napoleon, inklusive der Religionsfreiheit, in Ägypten verlautbaren.

5. Die Mission war auf lediglich 6 Monate terminiert und sollte lediglich ein Intermezzo bilden im Vorfeld der Invasion der Britischen Inseln.

Interessant ist, das Talleyrand der wichtigste Unterstützer von Napoleon für diese Mission war. Und noch interessanter ist seine Motivation, die darauf abzielte, den Krieg von Europa weg in Richtung der Peripherie zu verlagern.
 
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Die britische Seeüberlegenheit war zu diesem Zeitpunkt noch nicht so klar, denn seit 1796 bestand ja der Zweite Vertrag von San Ildefonso, der explizit gegen den gemeinsamen Feind England gerichtet war und dessen dritter Artikel sich mit der Zusammenlegung spanischer und französischer Flottenteile befasste.

Volle Zustimmung! Das Mittelmeer war zum Zeitpunkt der Planung des Ägyptenfeldzuges ein franco-spanisches mare nostrum. Die Briten hatten es im Januar 1797 vollständig geräumt, nachdem die Position dort durch den spanischen Kriegseintritt unhaltbar geworden war. Die britischen Schlachtflotten waren bis 1797 trotz des Glorious First of June nicht gerade spektakulär erfolgreich gewesen. Obwohl Hood in Toulon die gesamte französische Mittelmeerflotte auf einem silbernen Tablett überreicht worden war, wurde es versäumt, diese Flotte rechtzeitig fortzuschaffen oder wenigstens zu verbrennen oder unbrauchbar zu machen. Dieses Versagen (mit personifiziert durch einen gewissen Sir Sidney Smith) war angesichts der zur Verfügung stehenden Zeit sowie der flammfördernden Eigenschaften eines damaligen Schiffes mit seiner Ausrüstung schon wieder eine Leistung. 1797 brach die Führungskrise in der Royal Navy durch die Meutereien in Spithead und in der Nore offen zu Tage. Während St. Vincent jeden Sonntag irgendwelche Meuterer aufhängte, übergab die gedemütigte Besatzung der Hermione ihr Schiff den Spaniern, nachdem sie ihre hirnlos-brutale Schiffsführung abgeschlachtet hatte. Auch die Schlacht von St. Vincent war weniger ein Triumph als vielmehr ein weiteres Anzeichen für die zahlenmäßige Überlegenheit der Alliierten in spanischen und mediterranen Gewässern. Der erste & einzige durchschlagende Erfolg einer britischen Schlachtflotte war ganz weit weg in der Nordsee gegen die Holländer erfochten worden. Mit Stand Frühjahr 1798 hatte Napoleon für seine Überfahrt nach Ägypten freie Bahn!
Erst auf Grund sich verdichtender Gerüchte, dass in Toulon eine Armee sowie eine Transportflotte zusammengezogen wurden, wurde Nelson mit drei Schlachtschiffen als eine Art "schwerer Aufklärungszug" ins Mittelmeer entsandt, um die Lage zu peilen.
Lediglich das Vertrauen, das St. Vincent in Nelson setzte & das Glück, das St. Vincents Mittelmeerflotte (vor Cadiz) rechtzeitig verstärkt wurde & St. Vincents Umsicht, daraufhin sofort seine allerbesten Schiffe zu Nelson zu beordern & Nelsons Aggressivität führten zu dem vollständigen Triumph von Aboukir, der dennoch zu spät kam. (Diese Entscheidungen bilden in meinen Augen neben der Durchsetzung der "close blockade" die operative Grundlage für den britischen Erfolg während der Seekriege gegen das revolutionäre Frankreich!) Das strategische timing für die französische Ägyptenexpedition war ausgezeichnet. Die große Besorgnis um die indischen Besitzungen, die die Eroberung Ägyptens in London auslöste ist wohl das beste Zeichen, dass die Idee nicht gar so verrückt war, wie sie im Nachhinein scheinen mag.
 
...andererseits gelang es den Briten 1798 Menorca wiederzuerobern (um es allerdings 1802 "freiwillig" an die Spanier wieder abzutreten).
 
Das war aber nach Aboukir. Diese Schlacht hat die maritimen Kräfteverhältnisse im Mittelmeer gewendet.

Aber nicht gänzlich. Schließlich ist Napoleon 1799 mittels einer Fregatte aus Ägypten geflohen und hat seine Armee unter General Kleber zurückgelassen.

Apvar
 
Das war aber nach Aboukir. Diese Schlacht hat die maritimen Kräfteverhältnisse im Mittelmeer gewendet.
Mir kommt es aus der Einnerung immer so vor, als sei die französische Seite froh gewesen bei der Überfahrt über das Mittelmeer nicht erwischt worden zu sein. Wenn es diese Furcht generell schon gab, scheint mir das nicht unbedingt für einen erfolgsversprechenden Auftrag zu klingen. So und dann saß die Armee in Ägypten und nun sollte die Kommunikation auf Dauer über See klappen, wenn man froh war einmal den bösen Briten ein Schnippchen geschlagen zu haben?
Ich bin nicht wirklich überzeugt. Selbst wenn die Franzosen viele und gute Schiffe im Mittelmeer gehabt haben mochten, Dominanz sieht für mich anders aus als ihr Verhalten 1798.
Man muss natürlich die gesamtpolitische Lage im Hinterkopf haben. Wenn ich mich recht entsinne, hatte man auch Bonaparte ein Kommando in Irland angeboten, ein Unterfangen was schon unter General Hoche desaströs gescheitert war. Die tatsächliche Invasion in Irland unter General Humbert 1798 war dann auch wieder nur ein kleines Unternehmen, ähnlich dem 1797 bei Fishguard (Wales). Immerhin war es auch dem maritimen Unterfangen, welches Humbert nach Irland brachte gelungen, nicht von den Briten abgefangen zu werden. Das Ende dieser Invasion dürfte hinlänglich bekannt sein.
 
Aber nicht gänzlich. Schließlich ist Napoleon 1799 mittels einer Fregatte aus Ägypten geflohen und hat seine Armee unter General Kleber zurückgelassen.

Apvar
Aber gerade das spricht doch für eine Dominanz. Wäre diese nicht vorhanden gewesen, hätte man vielleicht versuchen können, die Armee per Flotte zu retten. Eine Fregatte in einer Badewanne so groß wie das Mittelmeer zu finden, ist schon nicht eben einfach. Man denke an die Jagden der Briten auf Robert Surcouf.
 
Leider habe ich mich nur am Rande und sehr wenig mit dem Ägyptenfeldzug nebst der Expedition Richtung Jaffa beschäftigt. Dieses Gemälde von Gros ist mir natürlich am geläufigsten: File:Antoine-Jean Gros - Bonaparte visitant les pestiférés de Jaffa.jpg - Wikipedia, the free encyclopedia Es markiert natürlich eher eine positive Facette des damaligen Generals.

Insgesamt war der Feldzug für mich eine Art Himmelfahrtskommando mit einem exotischen Hintergrund und Ziel. Man muss das Unternehmen an sich wohl auch dem Direktorium anlasten. Was wollten denn die Franzosen in Ägyten und welche Erfolge malte man sich in Anbetracht der britischen Überlegenheit zur See aus?

In der Facette von der du ansprichst, liegt wohl auch mehr Legende als Wahrheit. Ich erinnere mich, gelesen zu haben, dass es mehr ein schnelles durchschreiten des Raumes war und das Anfassen der Kranken soll es gar nicht gegeben haben.

Und der Feldzug war wohl ein Abenteuer aber allein dem Direktorium die Schuld zu geben? Sicherlich war es froh, B. los zu werden aber auch der General wollte diese Expedition.
Interessant ist, das Talleyrand der wichtigste Unterstützer von Napoleon für diese Mission war. Und noch interessanter ist seine Motivation, die darauf abzielte, den Krieg von Europa weg in Richtung der Peripherie zu verlagern.
Richtig ist, dass Talleyrand den Verlust der amerik. Kolonien voraussah, und empfahl, sich einen Einflußbereich in der Nähe (Ägypten) Frankreichs zu sichern. Allerdings nur unter den Bedingungen, dass mit der Hohen Pforte ein Bündnis geschlossen war, das Frankreich kommerzielle Vorteile sicherte und dass ein allgemeiner Frieden bestand, einschließlich der mit England! Richtig ist auch, dass er in der Kolonialexpansion ein Mittel sah, "den Kriegseifer der Franzosen abzulenken, die Ordnung im Innern zu befestigen und so Frankreich von seinen unruhigsten Elementen zu befreien."
Beide Bedingungen waren nicht erfüllt und T. war gegen die Expedition zu diesem Zeitpunkt.
In Italien hatte Bonaparte sich noch den Anschein gegeben, dass die Expedition erst nach einem Frieden mit England erfolgen sollte, aber „kaum war er in Paris, so brannte er darauf loszuschlagen. Er wartete nicht einmal den Frieden mit Deutschland ab. Er enthüllte dem Direktorium seine Pläne und dieses billigte sie, da es froh war, ihn los zu werden.“
Vergeblich versuchte T. B. zu drängen, sich nach Rastatt zu begeben (T. an B. am 21. u. 24. Feb. 1798)
Da sowohl B. als auch das Direktorium die Expedition wünschten, „ließ er durch seine Büros alle verlangten Denkschriften anfertigen, berief sich, um die Expedition zu rechtfertigen, auf die Autorität eines Subalternen, den Konsul Magallon, übernahm vor den ausländischen Agenten, wie vor Sandoz-Rollin, die Verantwortung für die Expedition als ein Mittel, um das Direktorium „von jenen revolutionären Ideen abzulenken, die Europa in den Abgrund gestürzt hatten.“ Nur betonte er in seinen Berichten an das Direktorium immer wieder, man dürfe nicht mit der Hohen Pforte einen Bruch herbeiführen.“ [1]

Grüße
excideuil

[1] Dard, Émile: „Napoleon und Talleyrand“, Verlag Emil Roth, Gießen, Berlin, 1938, Seiten 64-66
 
In der Facette von der du ansprichst, liegt wohl auch mehr Legende als Wahrheit. Ich erinnere mich, gelesen zu haben, dass es mehr ein schnelles durchschreiten des Raumes war und das Anfassen der Kranken soll es gar nicht gegeben haben.

Und der Feldzug war wohl ein Abenteuer aber allein dem Direktorium die Schuld zu geben? Sicherlich war es froh, B. los zu werden aber auch der General wollte diese Expedition.
Man muss das Gemälde natürlich vor dem historischen Hintergrund 1804 sehen.

Nein, ich würde auch nicht dem Direktorium allein die Schuld geben. Deswegen schrieb ich ja "auch". Es ist immer die Frage, ob man der Regierung eines Staates die volle Verantwortung für militärische Entscheidungen zurechnen kann oder ob da nicht auch die Glieder der Befehlskette eine nicht zu vernachlässigende Rolle hatten.

Andererseits finde ich es auch, von der gängigen Praxis her bedenklich, wenn ein Befehlshaber in Rastatt mitverhandeln sollte. Schon die Einmischung oder die Schlüsselrolle Bonapartes in Compo Formio und Leoben war aus Sicht einer republikanischen Ordnung bedenklich - die Bedenken der Revolutionäre am Beginn der Revolutionskriege gegenüber einer zu maßgeblichen Rolle der militärischen Führer hatten sich eigentlich bestätigt. Das soll freilich nicht die Maßnahmen gegen angebliche oder tatsächliches Vorgehen gegen erfolgreiche Revolutionsgenerale rechtfertigen (Houchard, Custine).

Wenn das Direktorium hoffte sich Bonapartes mit dem ägyptischen Auftrag zu entledigen muss man sich aber doch auch nach den Kosten dieses Unterfangens fragen, sowohl an Geld als auch an Menschenleben.

Wie sahen denn die Kenntnisse Talleyrands oder des Direktoriums über die innerägyptischen Verhältnisse aus? Gab es da genug Forschungen ihrerseits z.B. durch Spionage?
 
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