Was passierte in Dijon im Januar 1794? (Notre Dame de Dijon)

El Quijote

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Ich hatte vor kurzem im Rahmen einer Dienstreise die Gelegenheit, mir Dijon anzuschauen. Eine schön Stadt, deren Besuch sich lohnt.
Unter anderem war ich auch in der Kirche Notre Dame de Dijon, dabei fielen mir die Tympana auf, die sich im für Frankreich ungewöhnlichen Narthex befinden: Diese sind im Januar 1794 systematisch, in ikonoklastischer Weise, zerstört worden. Nun ist mir klar, dass die Französische Revolution in Teilen antiklerikal war und sich sicher dieses antiklerikale Element im Rahmen des konterrevolutionären* Aufstandes in der Vendée verstärkt hat. Jedoch ist mir nicht klar, warum man im Januar 1794 ausgerechnet in Dijon und nur bei dieser einen Kirche, so systematisch die Tympana zerstört hat. Die Meißelspuren sind bis heute zu sehen.
Wer kann helfen?




*das Wort konterrevolutionär ist hier nicht als im Sinne früherer Ostblockrhetorik wertend sondern rein beschreibend gemeint.
 
Ich hatte vor kurzem im Rahmen einer Dienstreise die Gelegenheit, mir Dijon anzuschauen. Eine schön Stadt, deren Besuch sich lohnt.

Ich hoffe, Dich hat Deine Dienstreise auch noch an andere schöne Örtlichkeiten in der Bourgogne geführt. Da gibt es eine große Auswahl.:winke:



Unter anderem war ich auch in der Kirche Notre Dame de Dijon, dabei fielen mir die Tympana auf, die sich im für Frankreich ungewöhnlichen Narthex befinden: Diese sind im Januar 1794 systematisch, in ikonoklastischer Weise, zerstört worden. Nun ist mir klar, dass die Französische Revolution in Teilen antiklerikal war und sich sicher dieses antiklerikale Element im Rahmen des konterrevolutionären* Aufstandes in der Vendée verstärkt hat. Jedoch ist mir nicht klar, warum man im Januar 1794 ausgerechnet in Dijon und nur bei dieser einen Kirche, so systematisch die Tympana zerstört hat. Die Meißelspuren sind bis heute zu sehen.
Wer kann helfen?




*das Wort konterrevolutionär ist hier nicht als im Sinne früherer Ostblockrhetorik wertend sondern rein beschreibend gemeint.


Ich kann mich an einen - schon länger zurückliegenden - Aufenthalt in Dijon erinnern, wo ich auch die zerstörten Tympana an einer Kirche (das war dann wohl Notre Dame) gesehen habe.

Hier noch ein Bild der Zerstörung:
(von Eglise Notre-Dame à Dijon)

Allerdings ist die teilweise oder sogar totale Zerstörung von Symbolen des Ancien Régime kein Einzelfall. In Straßburg wurde m. W. sogar geplant die Kathedrale abzureißen. In Liège fiel die Kathedrale den Wüten der Revolutionäre in gänze zum Opfe.

Auch an anderen Kirchen in Dijon wie auch in mehreren anderen Städten in der Bourgogne (wie auch in ganz Frankreich) sind diese Zerstörungen zu beobachten:

À Dijon la Chartreuse de Champmol, le portail de Notre-Dame, Saint-Michel, la rotonde de Saint-Bénigne, le tombeau des ducs, l'imagerie des portails de la Madeleine de Vezelay, comme à Semur-en-Auxois, à Auxonne, à Mâcon sont autant de monuments qui gardent dans leurs pierres mutilées les traces des brutalités de la déchristianisation.

Histoire de la Bourgogne ? Wikipédia

Oben sind einige Orte bzw. Bauten aufgeführt, die in der Bourgogne noch die Spuren der Zerstörung während der Terrorphase der Revolution zeigen. Andere Kirchen sind später wieder restauriert und Schäden beseitigt worden. M. W. wurden auch bei Notre-Dame von Paris eine Reihe von Skulpturen zerstört, die dann später wieder ersetzt worden sind.

Die Zerstörung des Tympanons fällt mit Januar 1794 auch in die Zeit des Terrors. Notre Dame von Dijon dürfte weniger die Ausnahme in der Zerstörung sein, aber vielleicht eine (von mehreren) Ausnahmen in der Wiederherstellung.
 

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Leider hatte ich keine Gelegenheit, mir Burgund genauer anzusehen.

Allerdings ist die teilweise oder sogar totale Zerstörung von Symbolen des Ancien Régime kein Einzelfall.

Es handelte sich ja nicht um die Zerstörung von Symbolen des Ancien Régime sondern um Szenen christlicher Geschichte oder Symbolik, die sorgfältig ausgemeißelt wurden. Hätte man die Kirche zerstören wollen, hätte man sich sicher nicht die Mühe gemacht, nur die Bilder zu zerstören.
 
Leider hatte ich keine Gelegenheit, mir Burgund genauer anzusehen.

Ich kann es nur empfehlen. Gerade die kleinen Städtchen bieten "la France profonde". :)


Es handelte sich ja nicht um die Zerstörung von Symbolen des Ancien Régime sondern um Szenen christlicher Geschichte oder Symbolik, die sorgfältig ausgemeißelt wurden. Hätte man die Kirche zerstören wollen, hätte man sich sicher nicht die Mühe gemacht, nur die Bilder zu zerstören.

Die katholische Kirche Frankreichs war eng mit dem Ancien Régime verbunden (der Klerus war der zweite Stand). In Paris wurden im November 1793 alle Kirchen in Tempel der Vernunft umgewidmet. Ich könnte mir vorstellen, dass die Vorgänge in Dijon damit in Verbindung stehen.

Ich habe leider (außer einigen Burgundreiseführern) keine Information, wie die Revolution sich in Dijon entwickelte, vermute aber, dass die von christlichen Symbolen "gereinigte" Kirche erhalten werden sollte, um neu genutzt zu werden (z. B. als Tempel der Vernunft oder für einen Kult des höheren Wesens). Andere Kirchengebäude wurden auch vollkommen profanisiert und als Lagerstätten, Gefängnisse oder Fabrikgebäude benutzt. Das Kloster von Fontenay (in der Nähe von Dijon) wurde eine Papiermühle. Das Panthéon von Paris, in dem die Großen der Grande Nation ruhen, war auch früher eine Kirche.

hier kurz aus der Wiki:

Bereits mit den „Septembermorden“ von 1792 und im Sommer 1793 war es zu militanten Auftritten gegen die Kirche gekommen, ab Herbst geriet die Entchristianisierung zu einer vor allem vom Kleinbürgertum getragenen Massenbewegung; diese fand ihre Anhänger zuerst in den Provinzstädten südlich von Paris und in Lyon und äußerte sich oft in karnevalsähnlichen Umzügen mit Kirchengerätschaften, Entweihungen von Kirchen, Bilderstürmen oder Zeremonien für Revolutionsmärtyrer, die Gesandte des Nationalkonvents organisierten. Die Bewegung griff schnell auf das Zentrum über, und im Oktober verbot die commune (Gemeinde) von Paris die Abhaltung aller öffentlichen religiösen Zeremonien.

aus: Kult der Vernunft ? Wikipedia


P. S.: ich hoffe, Du hast auch von dem berühmten "Moutarde de Dijon" probiert. Für meinen Geschmack etwas zu scharf - wie der Düsseldorfer Löwensenf.


EDIT: ich bin gerade beim Herumsuchen noch auf ein Buch gestoßen:

http://books.google.de/books?id=qHY...Y9ICgBQ&ved=0CCYQ6AEwATge#v=onepage&q&f=false

bin gerade ein wenig in Eile, aber wahrscheinlich findet sich da etwas zu den Vorgängen in Dijon. Beim Überfliegen sah ich gerade, dass auf Seite 43 wohl etwas ist.
 
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EDIT: ich bin gerade beim Herumsuchen noch auf ein Buch gestoßen:

La Révolution à Dijon, 1789-1795 - Justin Ledeuil - Google Books

bin gerade ein wenig in Eile, aber wahrscheinlich findet sich da etwas zu den Vorgängen in Dijon. Beim Überfliegen sah ich gerade, dass auf Seite 43 wohl etwas ist.

Im oben genannten Werk werden einige Beschädigungen allgemein genannt, aber auch gleichzeitig werden Maßnahmen erwähnt, um Kunstschätze zu retten, allerdings weniger wegen ihrer religiösen, sondern wegen ihrer kunsthistorischen Bedeutung.

Aber ich bin noch auf einen anderen Aufsatz gestoßen:

http://www.bm-dijon.fr/documents/MEMOIRES CACO/1832-2001/1963-1969-026-14-305-339-1370154.pdf

Nach diesem Aufsatz war die Zerstörung am Tympanon von Notre Dame keine behördliche bzw. staatliche Maßnahme, sondern ein gewisser Bürger Bernard, Apotheker, hatte im Januar 1794 auf eigene Initiative Hand (bzw. Hammer) an den Tympanon gelegt. Andererseits ist niemand gegen gegen ihn eingeschritten. Es wird sicherlich einige Zeit gedauert haben, bis das Zerstörungswerk vollendet war.
 
Nun bei vielen französischen Kahdralen der Gotik gab es die sogenannte Könisgalerie,d.h. die biblischen Könige wurden entweder als Galerie an der Fassade oder in den archivoöen des Eingangsportals dargestellt.Und die waren natürlich ein bevorzugtes Ziel der revolutionären Zerstörungen- es gibt in Frankreich kaum eine Königsgalerie,die dem entgangen ist.
Erst mit Violet-le-Duc begriff man die Gotik als "nationalen" französischen Stil und fing mit der Restaurierung an.
Im übrigen ist vieles auc nich auf direkte Zerstörung sondern mangelnde Pflege und Ersatz zurückzuführen.
 
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Im Übrigen ist vieles auch nicht auf direkte Zerstörung sondern mangelnde Pflege und Ersatz zurückzuführen.
Im genannten Falle ist es überdeutlich.
Es gibt natürlich auch andere Beispiele. In Burgos z.B. am Chor kommt der Sandstein runter und man kann nichts dagegen tun. Er zerbröselt einfach. Schuld daran sollen irgendwelche Salze im Sandstein sein.

Catedral de Burgos - Wikipedia, la enciclopedia libre

Im genannten Beispiel sieht man aber noch die sauber angesetzten Meißelspuren.

Es wird sicherlich einige Zeit gedauert haben, bis das Zerstörungswerk vollendet war.

Gerade dann, wenn es von einem einzelnen Bürger vollzogen wurde. Allein Leiter aufstellen, hoch, runter, Leiter versetzen, wieder hoch, wieder runter wird einiges an Zeit gekostet haben.
 
Im genannten Beispiel sieht man aber noch die sauber angesetzten Meißelspuren.


Gerade dann, wenn es von einem einzelnen Bürger vollzogen wurde. Allein Leiter aufstellen, hoch, runter, Leiter versetzen, wieder hoch, wieder runter wird einiges an Zeit gekostet haben.

Alleine die Tatsache, dass niemand dagegen eingeschritten ist, sagt einiges über die damalige Zeit mit ihren revolutionären Wirrungen und Verwirrungen aus. Kunsthistorisch ist es auf jeden Fall ein Verlust.
 
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