Weshalb bewunderte Goethe Napoleon?

Napoleon über Goethe: „Voilå un homme!“

Mir fällt da immer als erstes der Fürstenkongress in Erfurt (1808) ein.
Am Rande des Kongresses traf sich Napoleon mit Christoph Martin Wieland, mit Johannes von Müller und mit Johann Wolfgang von Goethe.
Man sagt, die Begegnung mit Goethe war die populärste.

Napoleon diskutierte mit Goethe über: „Die Leiden des jungen Werthers“.
Napoleon überreichte Goethe das Kreuz der Ehrenlegion.
Napoleon nutzte die Gelegenheit und nahm noch in Weimar an einer Theateraufführung teil.

1806 sah es allerdings etwas anders aus.
Da kniff Goethe vor Napoleon, als Napoleon mit seinen Truppen in Weimar einmarschierte. Napoleon kann von der siegreichen Schlacht bei Jena und Auerstedt.

Goethe und Napoleon...
Da gibt es einiges.
Ich finde den Kommentar zum Buch „Goethe und Napoleon“ ganz interessant:

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/buechermarkt/901601/

Nachtrag:
Treffen in Stadthalterei in Erfurt.
Heute Sitz der Regierung Thüringen.

Wir sind zwar in Erfurt mit historischen Gebäuden durch deren Schönheit und Vielzahl verwöhnt, aber das ist eines der schönsten Gebäude.
Das wir jetzt diesen Blick zu diesen Gebäude wiederhaben, verdanken wir nicht zu letzt auch der Wende 1990.
 
Zuletzt bearbeitet:
Goethe/Napoleon und der Zeitgeist damals

Danke fuer den Buchkommentar.
Allerdings sehr sperrig geschrieben diese Rezebsion.
Aber was mich interessiert:

"Goethe hatte sich getäuscht; "sein Kaiser" - wie er ihn seit der Erfurter Begegnung immer nannte- war nicht der erträumte Friedensfürst, sondern einer, der den kriegerischen Hals nicht voll bekam. "

Erstwar er (getaeuscht) begeistert, dann ent-taeuscht.

War Goethes Sympathie und Antipathie entsprechend dem deutschen Zeitgeist? Bei den "Buergerlichen" und bei den Eliten?

El Gringo
 
Verstehe diese Frage nicht.
Ich glaube Goethe hatte da seine souveräne, eigene Meinung.

Möglich wäre aber auch, er bildet sich eine Meinung bei der Freitagsgesellschaft (Wittumspalais), zumindest wird er dessen Meinung berücksicht haben.

Vielleicht kann man es vergleichen:

L.v. Beethoven -> 3. Sinfonie (1803 – 1804) und dann 1813 „Wellingtons Sieg“.
 
Begeisterung und Enttäuschung liegen häufig recht nah beieinander, sind vielleicht sogar nur zwei Facetten derselben Medaille.
 
Hegel erschien er als der "Weltgeist zu Pferde", und auch Heinrich Heine bewahrte ihm noch Jahre später ein positives Andenken. Immerhin brachte er Gewerbefreiheit, Emanzipation und ein Gesetzeswerk, das teilweise heute noch gültig ist. Im Königreich Westphalen entstand ein Parlament, zum ersten Mal waren auf deutschem Boden de iure alle Menschen vor dem Gesetz gleich, und im Reich des Königs lustig war es sogar möglich geworden, aus der Kirche auszutreten.
Was allerdings im Königreich Westphalen gleich zu Beginn die beziehungen belastete, war die Plünderung von Kunstschätzen in der Residenz Kassel, und auch in den folgenden Jahren griff Napoleon rücksichtslos auf die Ressourcen zurück. Die Einführung der Wehrpflicht zwang viele junge Männer Kriege auszufechten, die nicht die ihren waren, und die westphälische Armee verlor einen Großteil ihres Bestands in Russland und Spanien.

Bethoven war ein bewunderer der revolution und verehrte Napoleon als eine Lichtgestalt und Verbreiter der Aufklärung, und er wollte ihm die 3. Symphonie widmen. Mit seiner Selbstkrönung hatte Napoleon aber nach Bethovens Meinung die Ideale der Revolution verraten und Bethoven änderte die Widmung.
 
@Scorpio: Zustimmung zu dieser Beschreibung. Sie erklärt zutreffend das durchaus komplizierte Spannungsverhältnis zwischen den idealistischen Erwartungen an die praktische Umsetzung der Aufklärung, der Faszination einer charismatischen Herrschergestalt als "Friedensfürsten" und der realpolitischen Umsetzung der Ideen der FR und letzlich ihrer Pervertierung im Verlauf des "ersten Kriegs der Nationen".

Mit den entsprechenden negativen Rückwirkungen auf das Verhältnis zum "gefallenen" charismatischen Herrscher und der zunehmenden "patriotischen" Überlagerung der negativen Bewertung von "N" durch die Deutschen / Preußen.

Insofern hat natürlich auch ElQ recht, wenn er Begeisterung und Enttäuschung als verwandte emotionale Zustände in Bezug auf "N" definiert.
 
Bethoven war ein bewunderer der revolution und verehrte Napoleon als eine Lichtgestalt und Verbreiter der Aufklärung, und er wollte ihm die 3. Symphonie widmen. Mit seiner Selbstkrönung hatte Napoleon aber nach Bethovens Meinung die Ideale der Revolution verraten und Bethoven änderte die Widmung.
Ich frage mich immer wieder ein bisschen, ob Beethoven nicht bei der Symphonie eher den Napoleon als "Befreier" in den Italienfeldzügen vor Augen hatte, statt den Machtmensch dann im Consulat.:grübel: Schon in den ersten Jahren des 19.Jh., wir hatten das mal an anderer Stelle besprochen, fanden sich ja Hinweise, dass zum Teil die Öffentlichkeit durchaus diesen Wandel Frankreichs hin zu einer Monarchie wahrnahm, während andernorts nichts destotrotz die republikanischen Aspekte betont und gefeiert wurden.

Im Fall von Goethe muss man sicherlich berücksichtigen, was seine Umwelt war. Sein fürstlicher Freund hatte sich ja nach ein paar Jahren völlig in den Schutz Preußens begeben und damit sozusagen das politische Ruder völlig rumgeworfen. Goethe war selber Teilnehmer des 1. Koalitionskrieges, wenn auch kein Kombattant. Goethe war an der Rheinfront, während er über Jahre über Bonaparte nur vom Hörensagen erfahren konnte, da ja in Deutschland eher Moreau, Hoche und andere kommandierten. Vehse gibt in seinem Werk zum Weimarer Hof der Goethezeit aber auch ganz gut wider, dass Napoléon von nahem recht viel von seinem Ruhm einbüßte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Safranski zum Verhaeltnis Goethe zu Politik

Vielen Dank fuer Eure interessanten Beitraege.

Habe auch etwas geforscht und wie Ihr wisst, hat ja gerade Safranski eine Goethe-Biografie veroeffentlicht.

In Bezug auf Napoleon fand ich das hier ganz interessant:

Im deutschen Patriotismus seiner Zeit sah Goethe vor allem einen Massenwahn, und es scherte ihn wenig, dass seine Landsleute ihn für einen Verräter hielten, weil er demonstrativ zu Napoleon hielt, der gerade die deutschen Lande verwüstet hatte, aber dem Weimarer Dichter bei einer persönlichen Begegnung in Erfurt geschmeichelt und ihm anschließend den Orden der Ehrenlegion verliehen hatte. Dieser Goethe, der auf dem nationalen Ohr so taub war, taugte nicht zum Übervater des Bismarck-Reiches.
Überhaupt gilt: Man verehrte Goethe, aber um ihn war auch immer eine gewisse Kälte, Arroganz und Steifheit, mit der er sich allzu kollektiven Gemeinschaftsfreuden entzog....
aus:Goethe-Biografie: Verliebt in Goethe | ZEIT ONLINE


Als Politiker hat er zum Beispiel die kluge Idee entwickelt, durch einen Fürstenbund der mittleren Mächte eine Balance zwischen den Großmächten Preußen und Habsburg zu etablieren. Diese Vision war vernünftig, auch wenn die Geschichte anders verlaufen ist. Es spiegelt sich darin eine existenzielle Haltung wider: Goethe war davon überzeugt, dass wie das kleinere Staatsgebilde gegenüber den Großen so auch das Individuum gegenüber den überindividuellen Daseinsmächten seine eigentliche Individualität ausbilden kann.
1797 bis 1805 Kulminationspunkt der Deutschen Klassik. In dieser Zeit geschieht Elementares. In den gebildeten Kreisen wird Kunst als die höchste Ausdrucksform des Menschen angesehen. Einen solch ungeheuer hohen Rang - man nennt es nicht umsonst die Kunstperiode - hat die Kunst niemals wieder erreicht. Schon bald nach 1805 wendet sich das Blatt. Napoleon erklärt, die Politik sei das Schicksal. Mit den Befreiungskriegen 1813 steigt die Politikbegeisterung hoch, Nationalismen entstehen"... So steigen also andere Daseinsmächte herauf, die eine größere Bedeutung zu haben scheinen.
aus: Rüdiger Safranski über: "Goethe. Kunstwerk des Lebens" | TLZ
 
Weltgeist und Napoleon

Hegel erschien er als der "Weltgeist zu Pferde"

Tja, Hegels weltgeist war eh schon Idealismus, von daher passend zu dieser Zeit um Goethe und Napoleon.

Siebenjaehriger Krieg.... Preußen wahrte seinen Status als Großmacht.
"Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus,
und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen."

So GOETHE zu Offizieren nach der Kanonade von Valmy, 1792.

Napoleon gründete 1806 / 1807 zwei Staaten auf reichsdeutschem Gebiet.Beide sollten für das französische Modell, etwa eine moderne Verwaltung, werben - ein Traum, der sich für viele Bürger bis zur Auflösung der Staaten 1813 als Alptraum erwies: Sie wurden ausgenommen, bespitzelt und unterdrückt.

(siehe auch > Der Spiegel 2007 > "BEGEISTERUNG FÜR DAS VATERLAND - DER WELTGEIST ZU PFERDE" von Planert, Ute SPIEGEL SPECIAL Geschichte*1/2007 - DER WELTGEIST ZU PFERDE

Philosophischer Aspekt “Weltgesit” siehe auch hier DER SPIEGEL*14/2007 - Hegel hat gewonnen

El Gringo
 
Begeisterung und Enttäuschung liegen häufig recht nah beieinander, sind vielleicht sogar nur zwei Facetten derselben Medaille.

Sehr gut dargestellt an der Figur des Pierre Besuchow in Tolsois "Krieg und Frieden", der am Anfang des Romans ein glühender Bewunderer Napoleons ist, um schließlich ein Attentat auf ihn zu planen.
 
Die Völkerschlacht von 1813: Furchtbares Gemetzel mit unendlichen Folgen - Literatur Nachrichten - NZZ.ch

Da wird behauptet:

".... um Goethe ins Licht zu rücken, dessen berühmte Erfurter Begegnung mit Napoleon am 2. Oktober, also vierzehn Tage vor der Schlacht, nicht fehlen darf. Der Dichter

verehrte den Franzosen, dem erwachten deutschen Patriotismus zum Trotz, auch noch nach dessen Niederlage von Leipzig."

Nicht genau hingeschaut... Goethe und Napoleon trafen sich 1808, die Schlacht war 1813.
 
Nicht genau hingeschaut... Goethe und Napoleon trafen sich 1808, die Schlacht war 1813.

Nach meiner Ansicht hat er schon genau hingeschaut.
Im Artikel steht:

„Oder um Goethe ins Licht zu rücken, dessen berühmte Erfurter Begegnung mit Napoleon am 2. Oktober, also vierzehn Tage vor der Schlacht, ...“.

Na ja, ist ja eine Zeitung aus der Schweiz.
Bei Tell hätten die sicher nicht geirrt ;).

Goethe traf sich gleich dreimal mit Napoleon.
1. Am 02.10.1808 in Erfurt.
2. Am 06. und 10.10.1808 in Weimar.

Nachtrag.
Kann ja auch sein, die NZZ hat da was durcheinander gebracht.

Wenn’s um 14 Tage geht, könnte auch Auerstedt gemeint sein, aber 14 Tage vor Auerstedt hat sich Goethe nicht mit Napoleon getroffen. Aber die 14 Tage stimmen (02.10. / 14.10) :) .
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bin mir nicht sicher, wen oder was Goethe mehr liebte, den Kaiser oder doch eher den Orden der Ehrenlegion, der ihm verliehen worden war.

Zeitgenössisch ist folgendes überliefert:
"Bei dieser Gelegenheit muss ich Ihnen doch die betrübte Nachricht melden, dass Goethe, seitdem ihm Napoleon das Schandkreuz der Ehrenlegion ins Knopfloch gesteckt hat, sich beträgt, wie es einem solchen Legionär ziemt." [1] schrieb der Patriot Franz Passow.

Wilhelm v. Humboldt am 9. Jan. 1809 an seine Frau:
"Ohne das Legionskreuz geht Goethe niemals, und von dem, durch den er es hat, pflegt er immer "mein Kaiser" zu sagen!" [1]

Selbst nach der Völkerschlacht von Leipzig war Goethe noch dieser Meinung:
"Man könne doch einen Orden, durch den einen ein Kaiser ausgezeichnet hat, nicht ablegen, weil er eine Schlacht verloren hat. Ich dachte bei mir, dass es freilich schlimm ist, wenn man für das Ablegen der Legion keine besseren Gründe hat." [2]

Humboldt besorgte dann Goethe einen österreischischen Orden, "damit Goethe nach Napoleons Untergang würdig ausgestattet bleibe." [2]

Dennoch wurde er auch später mit dem Orden Napoleons gesichtet:
"Das Pentagramm macht dir Pein?", soll er Ende Juli 1814 in Wiesbaden gesagt haben, als er dewegen verstimmt angeredet wurde; und dann steckte er den Orden in die Tasche." [2]

Und ich meine gelesen zu haben, dass Goethe in den Tuilerien nach dem aktuellen Model des Ordens - jetzt mit dem Bildnis Heinrich IV. - nachgesucht hat.

Grüße
excideuil

[1] Kleßmann, Eckhart (Hrsg.): Deutschland unter Napoleon in Augenzeugenberichten, Karl Rauch Verlag, Düsseldorf, 1965, Seite 337
[2]
Seibt, Gustav: Goethe und Napoleon – Eine historische Begegnung, dtv, München, 2008, Seite 205
 
Dennoch wurde er auch später mit dem Orden Napoleons gesichtet:
"Das Pentagramm macht dir Pein?", soll er Ende Juli 1814 in Wiesbaden gesagt haben, als er dewegen verstimmt angeredet wurde; und dann steckte er den Orden in die Tasche." [2]

Faust:

Das Pentagramm macht dir Pein?
Ei sage mir, du Sohn der Hölle;
Wenn das dich bannt, wie kamst du denn herein?
Wie ward ein solcher Geist betrogen?“

Mephistopheles:

„Doch dieser Schwelle Zauber zu zerspalten,
Bedarf ich eines Rattenzahn“.

1814!
Da hat wohl der Geheimrat aus einen seiner Werke zitiert.
So wie ich weis, hat er wohl den Faust 1806 vollendet und 1808 veröffentlicht.


Ich bin mir nicht sicher, wen oder was Goethe mehr liebte, den Kaiser oder doch eher den Orden der Ehrenlegion, der ihm verliehen worden war.


Folgt man Beethoven: „Göthe behagt die Hofluft zu sehr – mehr als einem Dichter ziemt“.

Interessant der ganze Artikel: „Das Treffen in Teplitz“.
Ein Artikel von „Zeit Online“, 2012, Ausgabe 28.

-> Das Treffen in Teplitz.
 
Und ich meine gelesen zu haben, dass Goethe in den Tuilerien nach dem aktuellen Model des Ordens - jetzt mit dem Bildnis Heinrich IV. - nachgesucht hat.
Goethe bekam 1808 während des Fürstenkongresses 2 Orden, den des Ritters der Ehrenlegion und von Alexander I. den St. Annenorden 1. Klasse. Während Goethe mit der der Ehrenlegion ein Träger unter mehreren 10000 war, konnten den St.Annen-Orden 1. Klasse nur wenige Hundert aufweisen.
Die unterschiedliche Wertschätzung der Monarchen dürfte auf die unterschiedliche Kenntnis der Werke Goethes zurückzuführen sein: "Im Gegensatz zu Napoleon, der nur den "Werther" gelesen hatte - allerdings angeblich mehrmals -, dürfte Alexander mehrere Goethesche Werke gekannt haben, wohl sogar in der Originalsprache. Als Sohn einer deutschen Mutter und Enkel vier deutscher Großeltern sprach und verstand er fließend deutsch. Der Weimarer Aufführung von Schillers "Don Karlos" am 15. Oktober 1808 dürfte er mühelos haben folgen können."

Dennoch trug Goethe den Orden der Ehrenlegion, was ihm - wie schon w.o. beschrieben Ärger brachte:
"Mit harschen Worten tadelte es der im Oktober 1813 bei Goethe einquartierte österreichische Generalfeldzeugmeister Graf Hieronymus Colloredo-Mansfeld, dass Goethe ihm im Schmuck dieses Ordens entgegentrat, woraufhin Goethe das Zeichen abnahm und seinen russischen Orden anlegte."

Mehr noch: "Nach dem Sturz Napoleons wurde das Goethe verliehene Ritterkreuz der Ehrenlegion im sachsen-weimarischen Hof- und Staatshandbuch nicht mehr erwähnt. Goethe konnte es daher nur recht sein, dass König Ludwig XVIII. von Frankreich [...] ihm 1818 das Offizierskreuz des nunmehr königlichen Ordens der Ehrenlegion verlieh. Aber auch dadurch rückte Goethe nur von der fünften und letzten auf die vierte Rangklasse des Ordens."

Grüße
excideuil

Quelle: [Benl, Rudolf] ... in unserer unbeschreiblich bedrängten Lage. 1806-1814 Erfurt als Domäne Napoleons, Ausstellungskatalog, Erfurt 2008, Seite 77
 
Zurück
Oben