Wirtschaftsstruktur 1789

HenningM

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Hallo Experten!

Kann man bei der FR davon sprechen, dass sich eine Gesellschaftsschicht/-klasse, nämlich das kapitalistisch orientierte (und insofern "moderne") Bürgertum nach der ökonomischen nun auch die politische Hegemonie gesichert hat?
Oder lief die politische Machtnahme VOR der real-wirtschaftlichen ab?

Hoffentlich lässt sich was anfangen mit der allgemein gehaltenen Frage. Ich habe mich eben wieder und wieder gefragt, wieviel tatsächliche Macht das städtischen Bürgertum im zerfallenden Ancien Regime hatte, wenn es doch, nach Köpfen, nur ein Bruchteil der Bevölkerung stellte und nicht, wie der 1. und 2. Stand, per se privilegiert war. Von einem industrialisierten Staat bzw. einer vormodernen Indzustriegesellschaft kann ja im Frankreich von Ludwig XVI. keine Rede sein. (Oder?)
 
"Die Historiker sind sich heute darüber einig, dass das Frankeich des Ancien Regime .... das erste Industrieland Europas war. Dieser Rang beruhte aber auf alten Mitteln und Verfahren, auf kleinen Produktionseinheiten"

Aus: Fernand Braudel, Frankreich - die Menschen und die Dinge

Braudel beschreibt ein gut entwickeltes Verlagssystem. Vor allem im Bereich der Tuchfertigung ("Die Weber" wirst du kennen) aber auch in der Metallurgie (" das gelieferte Eisen wird an eine Vielzahl von Arbeitern weitergegeben, ...., die es dann bei sich zu Hause zu Nägel, Schlössern oder anderen Eisenwaren verarbeiten").

Unter den Ludwigs XV und XVI wurde dann das Manufakturwesen gefördert. Braudel nennt neben der Tuchwirtschaft auch eine Spiegelmanufaktur. Verlegern, Manufakturbetreibern aber auch den Arbeitern wurden bedeutende Privilegien gewährt (den Arbeitern etwa Schutz vor Aushebungen).

Wie du siehst, ist das ganze sehr kleinteilig, es gibt noch keine großen Namen wie Krupp oder Renault, und deshalb schwer zu greifen. Trotzdem gab es einen bedeutenden verarbeitenden Wirtschaftszweig.

Braudel kann ich übrigens nur empfehlen, nehm ich bei jedem Frankreichurlaub mit und finde immer wieder was neues.
 
Hier die Standortbestimmung des Großbürgertums (Rentiers, Financiers, Bankiers, Großkaufleute, Reeder, Unternehmer, Großgrundbesitzer) kurz vor den Generalständen:

"Die Angehörigen des wohlhabenden, einen Großteil der Steuern tragenden, zugleich dem Staat durch seine Anleihen seit Jahren vor dem Zusammenbruch bewahrenden und demzufolge politisch immer selbstbewußteren Bürgertums sahen sich als Vorkämpfer eines neuen Staatssystems mit Räpräsentativverfassung und Steuerbewilligungsrecht einer gewählten Nationalvertretung, freilich - wie die Verfassungsberatungen seit dem Sommer 1789 und die 1791 in Kraft tretende erste Verfassung Frankreichs zeigen sollten - mit starrem Festhalten am Eigentumsgedanken und mit Einschränkungen beim Stimmrecht für Staatsbürger ohne Eigentum." [1]

Zur Industrie und Manufakturen hat steffen04 richtig ausgeführt, hier ist nur zu ergänzen, dass die Übergänge fließend waren, denn "kein Adliger ging seines Standes verlustig, wenn er Geschäfte betrieb, die mit der Nutzung des Ertrages seiner Güter zusammenhingen: Getreideverkauf, Betrieb von Glas- oder Metallhütten, Beteiligung am Handel mit Kolonialwaren hatten nichts Ehrenrühriges an sich und waren durchaus an der Tagesordnung." [2]

Nicht anders sah es auf dem Lande aus. Das Großbürgertum besaß 30 % des Grund und Bodens und damit genausoviel wie die ersten beiden Stände zusammen.

Klar also, dass das Bürgertum nach der Erringung der wirtschaftlichen Macht - und der sich daraus ergebenden staatstragenden Steuerzahlung - jetzt auch an der politischen Macht teilhaben wollte.

Grüße
excideuil

[1] Michael Erbe: Die gesellschaftlichen Konflikte und der Ausbruch der Französischen Revolution, in: Malettke, Klaus (Hrsg): Soziale und politische Konflikte im Frankreich des Ancien Régime – Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin Bd. 32, Colloquium Verlag, Berlin, 1982, Seite 116
[2] Michael Erbe, a.a.O., Seite 115
 
Erstmal vielen Dank für die Antworten! :fs:
@steffen04: Den Braudel kannte ich nicht. Der wird jetzt gelesen. (Es liegen 3 Bände vor zum Thema Frankreich. Sind Bd. 1 und Bd. 3 auch lesbar?)
@excideuil: Würdest du die Sansculotten auch unter "Bürgertum" subsummieren? Es waren ja - je nach MEinung des befassten Wissenschaftlers - neben (sozusagen) "Proletariern" auch v.a. kleine Geschäftsleute und Gesellen, die in Paris die Sektionen beherrschten. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Schicht eine Vorstellung der künftigen Wirtschaft hatte, die sich deutlich von den liberal-kapitalistischen Ideen des (Groß)Bürgertums unterschied.

Beste Grüße
Henning
 
Erstmal vielen Dank für die Antworten! :fs:
@steffen04: Den Braudel kannte ich nicht. Der wird jetzt gelesen. (Es liegen 3 Bände vor zum Thema Frankreich. Sind Bd. 1 und Bd. 3 auch lesbar?)

Auf jeden Fall.

Bd. 2 "Die Menschen und die Dinge" ist der historischste der drei Bände, Braudel hat ursprünglich geplant, ihn "Die langfristigen Zyklen der französischen Geschichte" zu nennen.

Bd. 3 "Die Dinge und die Menschen" ist der wirtschaftshistorischste, der dürfte dich vielleicht im Augenblick am Meisten interessieren.

Bd. 1 "Raum und Geschichte" beschreibt Städte und Regionen und ist ein dankbarer Reisebegleiter.

Sauber ist die von mir vorgenommene grobe Abgrenzung aber nicht. Da läuft viel ineinander über. Wirtschaftliche und soziale Aspekte sind in allen drei Bänden sehr sehr wichtig.
 
@excideuil: Würdest du die Sansculotten auch unter "Bürgertum" subsummieren? Es waren ja - je nach MEinung des befassten Wissenschaftlers - neben (sozusagen) "Proletariern" auch v.a. kleine Geschäftsleute und Gesellen, die in Paris die Sektionen beherrschten. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Schicht eine Vorstellung der künftigen Wirtschaft hatte, die sich deutlich von den liberal-kapitalistischen Ideen des (Groß)Bürgertums unterschied.
Deine Vorstellung trügt dich nicht.
Man könnte, wie du richtig sagst, aus der Tatsache heraus, dass sich unter den Sansculotten viele kleine Handwerker, kleine Geschäftsleute etc. befanden, sie zum Bürgertum zählen. Macht aber keinen Sinn, denn insgesamt handelt es sich um "Angehörige handwerklicher Kleinbetriebe aller Art, mit engem Kontakt zwischen Meistern, Gesellen und Lehrlingen, die zum Teil miteinander im selben Haus wohnten." [1] Diese gemischte Bevölkerung von Paris wird auf 5/6tel der Einwohnerschaft geschätzt also etwa 500000 Personen. Und gerade dieser Personenkreis war von der Wirtschaftskrise in 1789 und der Verschärfung durch die folgenden Emigrationen besonders betroffen.

"Äußerliches Kennzeichen des Sansculotten ist seine Kleidung; durch die hebt er sich von den sozial Höhergestellten ab. Wer lange Hose trägt, rechnet zum Volk. Die Kniehose, "culette", ist die Tracht der Aristokratie und verallgemeinert, der oberen Schichten des alten dritten Standes." [2]
Dieses äußerliche Kennzeichen symbolisierte den Unterschied zwischen arm und reich und damit den Unterschied zwischen besitzendem und arbeitenden Bevölkerungsteil. Sicherlich war der Hauptfeind der S. die Aristokratie, zunehmend wurden es auch die reichen Bürgerlichen, "die großen Pächter, diese Egoisten, und alle dicken reichen Kaufleute: gegen uns machen sie Krieg und nicht gegen unsere Tyrannen" [2] wie es in einer Adresse an den Konvent heißt.

Festzustellen ist, dass die S. grundsätzlich nicht gegen das Eigentum eingestellt waren, wie bekannt hatten viele Handwerker etc. selbst Eigentum, aber sie hatten andere Vorstellungen vom Gebrauch desselben.
Daher auch der Widerspruch "zwischen den Anhängern einer bestimmten Auffassung [S.] von einem begrenzten und kontrollierten Eigentum und den Parteigängern [Großbürgertum] des uneingeschränkten Rechts auf Eigentum, so wie es 1789 proklamiert worden ist." [2] Festzustellen ist dies z.B. daran, dass die S. Front gegen Unternehmer machten, die ihren Arbeitern nicht den gerechten Lohn zahlen wollten.

Daher identifizierten die S. das Großbürgertum zunehmend als "Bourgeois-Aristokratie", während sie vom Gegner als "Kanaille" bezeichnet werden.

Mir ist bewußt, dass ich mit den wenigen Sätzen nicht das ganze Thema, bzw. alle Facetten aufgezeigt habe.

Grüße
excideuil

[1] Michael Erbe: Die gesellschaftlichen Konflikte und der Ausbruch der Französischen Revolution, in: Malettke, Klaus (Hrsg): Soziale und politische Konflikte im Frankreich des Ancien Régime – Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin Bd. 32, Colloquium Verlag, Berlin, 1982, Seite 117
[2] Soboul, Albert: Französische Revolution und Volksbewegung: die Sansculotten, edition suhrkamp, 1978, Seiten 21-26
 
Das Thema ist natürlich ein Dauerbrenner in Frankreich.

Forum Histoire - Passion Histoire • Afficher le sujet - Qu'est-ce qui a entraîné les évènements de 1789 ?


Was relativ neu ist,ist das man neben den üblichen Thesen, die man auch hier findet,immer mehr von der Rolle des Klimas spricht.

Desweiteren finden die Thesen von Emmanuel Todd immer mehr Anhänger.

Vereinfacht sagt Todd folgendes-wenn 50% der männlichen Bevölkerung lesen und schreiben können,werden die alten Gewissheiten in Frage gestellt.Als Folge ensteht eine existensielle Unruhe und daraus wieder eine vorrevolutionnäre Stimmung, die dann umkippen kann.

Diese Situation-also Alphabetisierungsrate über 50% entstand in Frankreich zwischen 1700 und 1790.

Im Vergleich Rußland ab 1900.
 
Man könnte, wie du richtig sagst, aus der Tatsache heraus, dass sich unter den Sansculotten viele kleine Handwerker, kleine Geschäftsleute etc. befanden, sie zum Bürgertum zählen.

Die Beschreibung ist absolut zutreffend. Die "Gens de Metier" aus Paris bildeten den Kern der Sans-Culotten und es war vor allem ihr Rückhalt, der die Radikalisierung der FR erst ermöglichte. (vgl. Sewel, s. 92ff)

http://books.google.de/books?id=Iur4CMs_EtYC&printsec=frontcover&dq=work+and+revolution+in+france&hl=de&sa=X&ei=lMLZUbe5FY_QsgaF-4CYAQ&ved=0CDQQ6AEwAA#v=onepage&q=work%20and%20revolution%20in%20france&f=false

@Isleifson: Auch durch eine gebetsmühlenartige Wiederholung der angeblich hohen Relevanz von Todd wird seine Bedeutung für die Forschung zur Französischen Revolution nicht deutlich größer.

Bereits in der ersten Diskussion konnte der Beleg seiner Relevanz nicht erbracht werden (der Verweis auf Zeitungsausschnitte oder Fernsehauftritte ist ein zu dünnes Eis für den Beleg seiner wissenschaftlichen Relevanz) und in den einschlägigen Referenzwerken sowohl zur FR oder zur RR tritt er nicht in Erscheinung. Vermutlich weil die anderen Historiker Angst hätten, ihre Bücher im Sinne Todds umschreiben zu müssen. :D

Eine derartige monokausale Erklärung der FR oder der RR via Bildung bzw. dem Alphabetisierungsgrad ist schlichtweg unseriös, sofern er dieses in der behaupteten Monokausalität überhaupt wissenschaftlich ausformuliert hat.

Wobei er zu anderen Themen durchaus interessante und kompetente Ausführungen / Bücher geschrieben hat!!!!

Es müssen wesentlich mehr Kriterien erfüllt sein, damit es zu einer revolutionären Situation kommen kann.

Einen Überblick zu dem Thema bietet Tilly.

Die Europäischen Revolutionen - Charles Tilly - Google Books

Und als weitere Empfehlung, neben den sehr guten und sehr fundierten Arbeiten von Braudel ist noch in vergelichender Sicht die Arbeit von Milward und Saul zu nennen. Speziell auf das Frankreich der Revolution gehen sie ab Seite 248 ein.

http://books.google.de/books?id=zZV...a=X&ei=Vr_ZUZjTPIfEtQbPxYCQDA&ved=0CD0Q6AEwAA
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Beschreibung ist absolut zutreffend. Die "Gens de Metier" aus Paris bildeten den Kern der Sans-Culotten und es war vor allem ihr Rückhalt, der die Radikalisierung der FR erst ermöglichte. (vgl. Sewel, s. 92ff)

Work and Revolution in France: The Language of Labor from the Old Regime to 1848 - William Hamilton Sewell - Google Books

@Isleifson: Auch durch eine gebetsmühlenartige Wiederholung der angeblich hohen Relevanz von Todd wird seine Bedeutung für die Forschung zur Französischen Revolution nicht deutlich größer.

Bereits in der ersten Diskussion konnte der Beleg seiner Relevanz nicht erbracht werden (der Verweis auf Zeitungsausschnitte oder Fernsehauftritte ist ein zu dünnes Eis für den Beleg seiner wissenschaftlichen Relevanz) und in den einschlägigen Referenzwerken sowohl zur FR oder zur RR tritt er nicht in Erscheinung. Vermutlich weil die anderen Historiker Angst hätten, ihre Bücher im Sinne Todds umschreiben zu müssen. :D

Eine derartige monokausale Erklärung der FR oder der RR via Bildung bzw. dem Alphabetisierungsgrad ist schlichtweg unseriös, sofern er dieses in der behaupteten Monokausalität überhaupt wissenschaftlich ausformuliert hat.

Wobei er zu anderen Themen durchaus interessante und kompetente Ausführungen / Bücher geschrieben hat!!!!

Es müssen wesentlich mehr Kriterien erfüllt sein, damit es zu einer revolutionären Situation kommen kann.

Einen Überblick zu dem Thema bietet Tilly.

Die Europäischen Revolutionen - Charles Tilly - Google Books

Und als weitere Empfehlung, neben den sehr guten und sehr fundierten Arbeiten von Braudel ist noch in vergelichender Sicht die Arbeit von Milward und Saul zu nennen. Speziell auf das Frankreich der Revolution gehen sie ab Seite 248 ein.

The Economic Development of Continental Europe 1780-1870 - Alan Milward, S. B. Saul - Google Books

Der Link zeigt die Diskussion wie sie aktuel in Frankreich geführt wird-klassische Thesen,Klima und eben Todd.

Du darfst dich gern an der Diskussion im franz.Forum beteiligen.

Todd steht übrigends in der Tradition der école des annales also von Braudel.
 
@ alle
Habt vielen dank für eure profunden Antworten! Vor allem die zitierte Literatur werde ich mir vornehmen.
Ich bereute es mehr und mehr, in der Schule "nur" Latein und nicht Französisch genommen zu haben - obwohl Franz. ja eine Art Vulgärlatein sein soll. ;)

Ja, die FR als mMn bedeutendstes Ereignis der Modernen bietet ein unübersehbares Gewirr von Gründen, Ursachen etc. Hätte man bei einem so "simplen" Staat wie dem Ancien Regime gar nicht gedacht. Und insb. die Tatsache (?), dass alle Phasen der Revolution - vom Willen, das alte Regime etwas zu korrigieren über konstitutionelle Monarchie zur Republik und zum Terror - praktisch vom gleichen Ensemble an Aktiven durchgeführt wurde, frappiert mich stets aufs Neue. Fast kommt es mir vor, als wären selbst Robespierre und (mein Favorit!) Saint-Just zur Jakobinischen Republik gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Da beschwert man sich 1789 schüchtern und wacht 1794 auf als Diktatoren mit praktisch grenzenloser Macht auf! (Ist natürlich nicht ernst gemeint.)

Noch eine kurze Frage. Soboul wird zitiert. Ist dieser Historiker glaubwürdig, d.h. kann ich mich auf seine Urteilen cum grano salis ruhigen Gewissens verlassen? Oder gilt es insb. bei den franz. Historikern: Es gibt keine neutrale Beschäftigung mit der FR?
:rotwerd:
 
Was relativ neu ist,ist das man neben den üblichen Thesen, die man auch hier findet,immer mehr von der Rolle des Klimas spricht.

Desweiteren finden die Thesen von Emmanuel Todd immer mehr Anhänger.

Vereinfacht sagt Todd folgendes-wenn 50% der männlichen Bevölkerung lesen und schreiben können,werden die alten Gewissheiten in Frage gestellt.Als Folge ensteht eine existensielle Unruhe und daraus wieder eine vorrevolutionnäre Stimmung, die dann umkippen kann.

Diese Situation-also Alphabetisierungsrate über 50% entstand in Frankreich zwischen 1700 und 1790.

Im Vergleich Rußland ab 1900.

1. Diese Sichtweise ist absolut nicht neu, sondern bildet via Einfluss bzw. Rezeption der entsprechenden Theoretiker der Aufklärung den intellektuellen Hintergrund für die damaligen Ereignisse, vgl. zur Interaktion von Philosophie und "revolutionärer Praxis" beispielsweise Condorcet und Sieyes. Die Revolution war ein "Labor" für experimentelle Politik.

Marie Jean Antoine Nicolas Caritat, Marquis de Condorcet ? Wikipedia

Emmanuel Joseph Sieyès ? Wikipedia

Und in der Gesamtdarstellung in den Arbeiten von Israel.
A Revolution of the Mind: Radical Enlightenment and the Intellectual Origins ... - Jonathan Israel - Google Books

2. Mag ja sein, dass Todd viele Anhänger in Frankreich hat. Sicherlich auch zu Recht, da er für bestimmte politologische Themen interessante Beiträge verfaßt hat. Aber sicherlich nicht aufgrund seiner Thesen zur FR oder RR!

3. Und auch via Link auf das französische Forum ist lediglich ein "einsamer Rufer" zu erkennen, der Todd versucht seinen Mitdiskutanten nahe zu bringen. Wer das wohl gewesen sein könnte? :grübel:Allerdings mit keinem Erfolg! Kein weiterer Diskutant geht auf das Argument von Todd ein und stattdessen wird sehr klassisch die Finanzprobleme diskutiert.

Nebenbei ist in unserem Forum dieses Thema deutlich kompetenter und mit stärkerem Bezug zur aktuellen internationalen Literatur diskutiert worden.

From Deficit to Deluge: The Origins of the French Revolution - Google Books

Before the Deluge: Public Debt, Inequality, and the Intellectual Origins of ... - Michael Sonenscher - Google Books

4. Der Hinweise auf Russland, der ebenfalls immer pflichgemäß erneut von Dir gebracht wird, ist ebenfalls nicht korrekt. In "Lenin, Werke, Bd. 33, unter den "Tagebuchblättern", S. 447 berichtet er auf der Basis der Volkszählung von 1920 folgende Zahlen.

Es konnten lesen und schreiben von 1000 Personen der Gesamtbevölkerung:
1897: n = 223
1920: n = 313

Und somit ist diese These für die RR auch weitgehend ad acta zu legen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Noch eine kurze Frage. Soboul wird zitiert. Ist dieser Historiker glaubwürdig, d.h. kann ich mich auf seine Urteilen cum grano salis ruhigen Gewissens verlassen? Oder gilt es insb. bei den franz. Historikern: Es gibt keine neutrale Beschäftigung mit der FR?

Nein, es gibt keine "neutrale" Sicht auf dieses Thema. Und die Heftigkeit der Diskussion seit den zwanziger Jahre zwischen Aulard und Mathiez war bereits ein Hinweis auf die Intensität der folgenden Konflikte.

Neben historischen Aspekten, die unterschiedlich bewertet werden, ist es natürlich die politische Bewertung der FR. Und vor allem von konservativer Seite wird die FR für "beendet" erklärt. Eine politische Bewertung dieser Sichtweise mag jeder entsprechend seiner politischen Sichtweise vornehmen.

Die unterschiedlichen Schulen haben zusammen einen sehr interessanten Fundus an Studien über die FR hervorgebracht. Und alle Arbeiten sind es sicherlich wert, ernst genommen zu werden. In der Summe ergibt sich ein facettenreiches Bild, das eine Annäherung an eine "objektive" Sicht ermöglicht. Ich persönlich kann deshalb allen unterschiedlichen Ansätzen durchaus etwas abgewinnen.

Sehr zu empfehlen ist das Übersichtswerk zu den unterschiedlichen Schulen von Pelzer! Es bietet einen schnellen und kompetenten Einstieg in die zentralen Thesen der unterschiedlichen Historiker.

Revolution und Klio: die Hauptwerke zur Französischen Revolution ; [Ernst ... - Google Books
 
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Noch eine kurze Frage. Soboul wird zitiert. Ist dieser Historiker glaubwürdig, d.h. kann ich mich auf seine Urteilen cum grano salis ruhigen Gewissens verlassen? Oder gilt es insb. bei den franz. Historikern: Es gibt keine neutrale Beschäftigung mit der FR?
:rotwerd:
Hier der Wiki-Link zu Soboul:
Albert Soboul ? Wikipedia
In den Vorbemerkungen zur ersten deutschen Ausgabe 1978 schreibt Walter Markov:
"Albert Soboul steht nach dem Ableben unseres gemeinsamen Lehrers George Lefebvre unstreitig an der Spitze einer Geschichtsschreibung der Revolution "von unten", wie sie in Frankreich bezeichnet wird: einer Geschichtsschreibung, die die Revolution von ihrer realen Basis, den Volksmassen, her begreift und verdeutlicht." (Seite 7)

Das benannte Werk Sobouls umfasst im Original 1168 Seiten und basiert auf zahlreichen Originalquellen. Die von mir benutzte deutsche Ausgabe umfasst 320 Seiten und wird von über 50 Seiten Anmerkungen in kleinerem Schriftbild flankiert.
Ich habe bislang keinen Grund, Soboul infrage zu stellen.

Grüße
excideuil
 
Zuletzt bearbeitet:
3. Und auch via Link auf das französische Forum ist lediglich ein "einsamer Rufer" zu erkennen, der Todd versucht seinen Mitdiskutanten nahe zu bringen. Wer das wohl gewesen sein könnte? :grübel:Allerdings mit keinem Erfolg! Kein weiterer Diskutant geht auf das Argument von Todd ein und stattdessen wird sehr klassisch die Finanzprobleme diskutiert.
Ich hatte ähnliche Gedanken. Interessant auch, dass der "einsamer Rufer" sich sonst nicht an der Diskussion beteiligt, es ihm wohl nur darum geht, Todds Thesen in den Ring zu werfen.

Ähnlich ist es mit dem Thema Klima.
Was relativ neu ist,ist das man ... immer mehr von der Rolle des Klimas spricht.
Bei näherer Beschau wird nur eine Spekulation sichtbar, dass ein Vulkanausbruch auf Island Auswirkungen auf das Klima Frankreichs gehabt haben könnte und zu den Mißernten geführt hätte. Dieser These wird durchaus als nicht belegbar widersprochen. Also im Grunde auch nur eine Nebelkerze, denn Mißernten gab es auch früher, ohne dass diese zu einer Revolution geführt hätten. Diskutiert wurde zudem auch nicht, welche zum Zeitpunkt falsche Maßnahmen die Teuerung des Brotes und damit die Revolution befeuert haben.
In der Summe also nichts Neues.

Grüße
excideuil
 
Und ja, ich gestehe, ich gehöre zu seinen Anhängern.:winke:
Das wusste ich auch ohne dein Statement, dennoch kein Grund, in jedem Thread zur Revolution seine Thesen in den Ring zu werfen und sonst nichts zur eigentlichen Diskussion beizutragen.
Warum machts du nicht einen eigenen Thread auf?

genervte Grüße
excideuil
 
Das wusste ich auch ohne dein Statement, dennoch kein Grund, in jedem Thread zur Revolution seine Thesen in den Ring zu werfen und sonst nichts zur eigentlichen Diskussion beizutragen.
Warum machts du nicht einen eigenen Thread auf?

genervte Grüße
excideuil


Ohne dich jetzt nerven zu wollen,wie ich schon gesagt habe-es muss den Franzosen erlaubt sein sich über ihre eigene Geschichte Gedanken zu machen.

Und Todd wird eben im Moment viel diskutiert in Frankreich,ob das jetzt gefällt oder nicht.

Todd ist auch eng verbunden mit der These der révolution longue also der langen Revolution.Diese besagt folgendes-die Revolution dauerte im Grunde genommen hundert Jahre.Von 1789 bis zur Stabilisierung der dritten Republik 1875.

A prendre ou a laisser.
 
Hallo! Vielen Dank für den Literaturtipp. Den Pelzer kannte ich noch gar nicht. In google books liest es sich aber sehr vielversprechend!
 
Zur Industrie und Manufakturen hat steffen04 richtig ausgeführt, hier ist nur zu ergänzen, dass die Übergänge fließend waren, denn "kein Adliger ging seines Standes verlustig, wenn er Geschäfte betrieb, die mit der Nutzung des Ertrages seiner Güter zusammenhingen: Getreideverkauf, Betrieb von Glas- oder Metallhütten, Beteiligung am Handel mit Kolonialwaren hatten nichts Ehrenrühriges an sich und waren durchaus an der Tagesordnung." [2]

Zum Thema Adel in Handel und Industrie ein kleiner Hinweis: http://www.geschichtsforum.de/232055-post9.html

Ich stand früher mehr in der Thematik. Ganz wichtig ist auf jeden Fall der Wechsel des Geschmacks in der zweiten Hälfte des 18.Jh. von der Seide weg und hin zur Baumwolle.
 
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