Sklavenhandel, Baumwolle und Industrielle Revolution

Bdaian

Aktives Mitglied
Gern geschehen.

...Mit diesen Sklaven führen sie dann zu den spanischen Kolonien, die eigentlich außer mit dem spanischen Mutterland keinen Handel treiben durften und zwangen (angeblich)* den spanischen Kolonisten ihre Ware auf, natürlich gegen die entsprechende Bezahlung.

....

Sklaven waren eine Ausnahme. Nach dem Vertrag von Utrecht, 1713, der den Spanischen Erbfolgekrieg beendete, hatten die Briten das "Derecho de Asiento" also das Monopol für den Sklavenhandel mit den spanischen Kolonien.

Erst nach dem Verbot des Sklavenhandels in/durch Groß Britannien, 1808, haben Spanische und Portugiesische Händler dieses Geschäft in Überseeischer Form wieder aufgenommen.

Laut Marx schuf dieser Sklavenhandel (bzw. der Dreieckshandel) die finanzielle Grundlage für die Industrielle Revolution in England.
 
..

Laut Marx schuf dieser Sklavenhandel (bzw. der Dreieckshandel) die finanzielle Grundlage für die Industrielle Revolution in England.

In gewisser Weise kann hier auch eine technologische Grundlage gesehen werden.
Wir gehen gern mal davon aus, dass die Industrielle Revolution ein Kind der Kraftmaschine, also der Dampfmaschine, sei.
Es spricht aber auch einiges dafür, dass die Textilindustrie der Motor war, nachdem diese das grundsätzliche Bottleneck des Fadenspinnens überwand.
So wie ich es verstehe, beruhte die Automatisierung dieses kritischen Vorgangs auf die Verwendung von Baumwolle.
Damit hätte Marx die Sache richtig beschrieben. Denn Baumwolle war ein Produkt der Sklavenwirtschaft, deren Nutznieser man auch dann war, wenn man diese im 'inneren' Verhältnis unterbindet hatte.

Die Baumwollindustrie jedenfalls wächst explosionsartig im Mutterland der Industriellen Revolution:
The cotton industry was certainly rapidly transformed. The traditional textile industries in Europe prior to 1700 used linen and wool as raw materials. Sheets and undershirts were made of linen, outer garments of wool. Cotton was an exotic and expensive material that did not grow in western Europe. The cotton industry in Lancashire developed in the early eighteenth century as a result of trade with Egypt and India. It was still a minor industry in 1760, using only about 2.6 million pounds of cotton in 1760 (as compared to 90 million pounds of wool consumed in the woolen industry). Adam Smith in the Wealth of Nations published in 1776 hardly notices the industry, even though he was writing in Glasgow, an early center of the cotton industry. But raw cotton consumption rose dramatically by 1850, as Table 1 shows.

Table 1: Cotton Consumption 1760-1850

Year
Cotton Consumption (million lbs.)
Growth Rate.
.
1760
2.6
..
1800
51.6
..
1850
621.0
...
By the 1830s cotton represented 20% of British imports, and cotton goods were 50% of British exports.
- World Economic History
Gregory Clark
2. The British Industrial Revolution, 1760-1860

Na, das ist jetzt ein bissel am Thema vorbei..
Vielleicht wird es auch besser eingeordnet und verschoben werden.

Es wirft aber auch einen Blick zurück auf den "Dreieckshandel" der durch wohl meteoroligische Gegebenheiten begünstigt wurde.

Danke für Deine Hinweise..
Es macht wirklich Spass so.

Grüße hatl
 
Das klingt zwar einleuchtend, ist mir aber zu singulär. Es müssen verschiedene Sachen zusammen kommen um so eine Entwicklung wie die Industriealisierung auf den Weg zu bringen.
Gehen wir ruhig von der Baumwolle aus. Und die Spinnereien und die dazu nötigen Maschinen. Die müssen angetrieben werden. Entweder mittels Wasserkraft, Tiere, Menschen oder Dampfmaschinen.
Und gerade als die Spinnerei aufkam, da gab es einen Herrn Watt, der die Dampfmaschinen deutlich effizienter machte, so das man mit einer Tonne Kohle plötzlich viel mehr bewegen konnte als vorher.
Und man konnte mit den besseren Dampfmaschinen nun bessere Pumpen antreiben um die Bergwerke zu entwässern. So das man an bessere Kohle kam.
Es kam also zu diesem Zeitpunkt sehr viel zusammen. Die Entwicklungen haben sich quasi gegenseitig katalysiert oder befruchtet.

Apvar
 
Wäre der Zusammenhang aus Sklaven, Baumwolle und der Industrialisierung in England nicht eventuell ein eigenes Thema wert?

@Silesia: Im Beitrag Nr. 18 schriebst du "Ein Abriss zum Beginn".
Darf man sich auf mehr freuen?
 
Ich habe sehr verkürzt etwas wiedergegeben was ich vor sehr langer Zeit gelesen hatte.

Marx hatte (so weit ich es in Erinnerung habe) auch nicht die ganze Industrierevolution daruf zurück geführt, sondern behauptet, dadurch wäre die Akkumulation an Kapital zustande gekommen, die eine der Kernvoraussetzung für Diese gewesen ist.

Selbstverständlich sind daneben noch zahlreiche technische und soziale Voraussetzungen erforderlich. Der Industriellen Revolution ging ja auch zuerst eine Agrarische voraus, die es erst ermöglichte dass es überhaupt genügend freie Arbeiter gab.

Wenn man jedoch bedenkt, dass in der frühen Neuzeit, zu Zeiten Elisabeths I. England ein relativ armes Land war, dass die Bürgerkriege in der nachfolgenden Zeit auch nicht unbedingt förderlich waren, dass der sonstige britische Handel vor 1800 bei weitem nicht so erfolgreich war wie z.B. der der Niederländer und sie keine so ertragreichen Kolonien hatten wie die Spanier, Portugiesen oder Franzosen (Indien kam relativ spät dazu) dann spricht schon einiges für die Theorie, dass erst durch den Sklavenhandel ein ausreichender Gewinn entstand, um die späteren Entwicklungen zu ermöglichen.
 
@Bdaian: die Erträge aus den Kolonien sind ein zweischneidiges Schwert. An der Uni hab ich gelernt, dass die Edelmetallimporte Spaniens a) in Europa für Inflation gesorgt haben und b) die Mittel in Spanien grottenschlecht angelegt wurden: keine Förderung einer produzierenden Wirtschaft, sondern von Ziegenzucht, die auch die landwirtschaftliche Basis ruiniert habe. Des weiteren viel Luxuskram und Edelmetallausfuhr an Söldner (in Flandern etc.).
Bei Acerra/Meyer habe ich vor kurzen gelesen, dass a) "la profonde France" nie wirklich der See zugewandt war und b) selbst die einigermaßen ertragreichen westindischen Kolonien Guadeloupe und Martinique damals volkswirtschaftlich nicht nur keine Beitrag leisteten, sondern der zu ihrem Schutz und für ihre Versorgung erforderliche Aufwand ihren Nutzen in volkswirtschaftlicher Hinsicht so stark negiert hat, dass man schon vor den Revolutionskriegen ernsthaft mit dem Gedanken gespielt habe, sie zu Gunsten eines Engagements in Ägypten fallen zu lassen. (Ägypten übrigens tatsächlich mit dem Hintergrund Baumwollanbau).
Ich würde allerdings Apvar zustimmen, dass die Mechanisierung der Baumwollverarbeitung eher Symptom als Auslöser der Industrialisierung war und der Sklavenhandel eines von mehreren profitablen Unternehmen war. Unmittelbar hat dieser nämlich nur Profite nach Liverpool und ggf. Bristol (müsste ich nachschlagen) gespült. Das war(en) m. W. der bzw. die einzigen Häfen, deren Reeder auf die Sklaverei spezialisiert waren. Ich täte jetzt allerdings vermuten, dass dem schon in der Zeit Robinson Crusoes so war - also deutlich vor 1800.
Bezüglich eines niederländischen Handelsüberschusses: der wirkliche wirtschaftliche Vorsprung der Niederländer dürfte spätestens nach dem 3. Englisch-Holländischen Seekrieg gegenüber dem englischen Handel weitgehend dahin gewesen sein. Ggf. kann man das am Niedergang der VOC festmachen, die 1798 aufgelöst wurde.

Nicht unberücksichtigt lassen sollten wir das generell dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt gegenüber offenere Klima in England und ganz besonders in Schottland im Gegensatz zum z. T. lähmenden Klima z. B. in Spanien. Ggf hängt das mit dem Gegensatz Protestanten vs. Katholen zusammen. Gefördert wurde dies durch den relativen Rohstoffreichtum (Kohle!). Die räumliche und mentale Nähe zur See (Handel mit allem!) unterstützte Massengütertransport und Kapitalakkumulation. Und das akkumulierte Kapital wurde - noch reicher werden! - investiert statt konsumiert.
Die adeligen Eliten nahmen am nicht landwirtschaftlichen Wirtschaftsleben weit mehr teil als ihre Standesgenossen auf dem Kontinent und sie hatten häufig auch mehr Kapital (bzw. beschafften sich das auf fiese Art & Weise durch Einhegung, wodurch sie wiederm Zugang zu a) Rohstoffen und b) Land zum Anlegen von Kanälen (Infrastruktur) hatten.

Insgesamt herrschte m. E. in GB schlichtweg das bei Weitem günstigste gesellschaftliche und geographische Gesamtklima für eine Industrialisierung. Bei der Baumwollproduktion ist auch nicht nur der günstige Einstandspreis für Material und niedrige Produktionskosten wichtig, sondern auch der entsprechende Absatzmarkt. Und hier kommt Indien ins Spiel, nicht nur als Rohstoffquelle sondern auch als Absatzmarkt für die britische Massenproduktion herhalten musste. Und im Gegenzug kamen wiederum Rohstoffe und Luxusprodukte nach England, die dort mit Profit verhökert wurden usw. usf.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wobei noch eines beachtet werden muss. Woher kamen die Arbeiter? Aus den Städten und von den Zünften konnten sie nicht kommen, in den Massen, die die frühe Industrialisierung brauchte.
In England, später ganz GB wurde verstärkt ab der Mitte des 18. Jahrhunderts das Land der allgemeinen Nutzung eingezogen und auch eingezäunt. Damit waren viele Kleinbauern zur Aufgabe gezwungen. Zum Teil wurden sie sogar vertrieben. Auf dem freien Land wurden nun Schafe gezüchtet. Schafwolle brachte mehr Geld als andere Landwirtschaftliche Produkte.
Enclosure Movement ? Wikipedia
Enclosure - Wikipedia, the free encyclopedia
British Agricultural Revolution - Wikipedia, the free encyclopedia

Und was machten nun die arbeitslosen Bauern? Sie hatten mehrere Optionen, aber keine wirklich gute.
Verhungern, wirklich keine gute Option.
Auswandern in die Kolonien, schon besser, aber auch nicht so schön. Zumal damals eine Fahrt in die Kolonien meist eine Fahrt ohne Wiederkehr war.
Tagelöhner in den Städten. Schiffe be und entladen, Lagerarbeiten. Eastlondon war berüchtigt wegen der Bedingungen.
Oder aber als Tagelöhner in den neuen Fabriken, auch hier mit katastrophalen Arbeits- und Lebensbedingungen.
Billige Arbeiter und relativ preiswerte Energie. Schon ist die Industrialisierung im Gang gesetzt. Und Kleidung, welche preiswert ist, dann findet auch Kunden.

Avar
 
Woher kamen die Arbeiter?
Man darf hier die Fortschritte auf den Gebieten der Medizin und Hygiene nicht vergessen, die für geringere (Kinder)Sterblichkeitsraten sorgten. Dadurch kam es zu starkem Bevölkerungswachstum, was zu einem Überangebot an Arbeitskräften führte, und das wiederum zu geringen Löhnen, die zumindest das nackte Überleben sicherten. Die Alternativen hießen: Auswandern oder des Hungers sterben.
 
Sklaven waren eine Ausnahme. Nach dem Vertrag von Utrecht, 1713, der den Spanischen Erbfolgekrieg beendete, hatten die Briten das "Derecho de Asiento" also das Monopol für den Sklavenhandel mit den spanischen Kolonien.

Das ist dann aber schon 18. Jhdt. Ich sprach in Anlehnung an den Beitrag des Users auf den ich antwortete vom 16. Jhdt:

Im 16. Jahrhundert fuhren britische Interloper die afrikanische Küste entlang und kauften oder fingen Sklaven.
 
Etwas zum Hinweis auf Marx, der die Kapitalakkumulation aus dem Sklavenhandel als einen Aspekt der englischen Industrialisierung angeführt hat:

Bei Marx fehlt eine ökonometrische Analyse (wie bei vielen seiner Thesen oder Modelle).

Grundlegend wurde diese (Marxsche) These, allerdings noch unter Verwendung überhöhter Zahlen aus dem Sklavenhandel (die danach durch neuere Forschung drastisch reduziert wurden), von Eric Williams im Jahr 1944 aufgegriffen: "Capitalism and Slavery". Wer es lesen möchte:
https://archive.org/details/capitalismandsla033027mbp

Danach war das mehrfach Gegenstand von Literaturkontroversen, die zB teilweise bei Rawley/Behrendt, The Transatlantic Slave Trade, 2. Auflage 2005, dargestellt sind. Die früheren Vorstellungen von Profitraten wurden auf 1/3 bis 1/5 reduziert, ebenso der vermutete Anteil an Kapitalakkumulation p.a. (so. zB um 1770 auf etwa 0,1 % der gesamten englischen Bruttoinvestitionen p.a.).

Der Anteil des transatlantischen Sklavenhandels am GDP, beispielsweise 1760-1780 lag stets bei unter 0,5% p.a., teilweise noch niedriger.

Williams Analyse, dass der Sklavenhandel große (oder entscheidende) Bedeutung für die "Manchester-Industrialisierung" hatte, wird so nicht mehr geteilt. Neuere Darstellungen sind vorsichtiger, versuchen eher neutral eine "Bedeutung" herauszustellen, inkludieren den Gesamtmarkt für Schiffe, Finanzierung, Versicherungen etc. Den Nachweis, hier läge eine prägende Bedeutung der Kapitalakkumulation durch Gewinne aus dem Sklavenhandel für die Industrialisierung vor, verfolgt aber so wohl kaum einer mehr.

Populärwissenschaftlich wird aber immer noch gern auf die Williams-Publikation zurückgegriffen.

Ein anderer Trend liegt darin, die Auswirkungen eher qualitativ und prozessual zu fassen: einmal in den Wirkungsketten für Arbeitsteilung, zum anderen im Anstieg des GDP per capita, beides als Voraussetzungen einer Industrialisierung und damit verbundenen Investitionen, Nachfrageeffekten, Institutionen etc.
 
Zuletzt bearbeitet:
Man darf hier die Fortschritte auf den Gebieten der Medizin und Hygiene nicht vergessen, die für geringere (Kinder)Sterblichkeitsraten sorgten. Dadurch kam es zu starkem Bevölkerungswachstum, was zu einem Überangebot an Arbeitskräften führte, und das wiederum zu geringen Löhnen, die zumindest das nackte Überleben sicherten. Die Alternativen hießen: Auswandern oder des Hungers sterben.


Das höhere Angebot an Arbeitskräften für Fabriken war aber eher auf die Landflucht, als auf die Fortschritte der Medizin und der verbesserten Hygiene in den Städten zurückzuführen.

Die Abschaffung der Leibeigenschaft brachte den Bauern in Oberhessen fast nur Schulden und Abgaben, die an die ehemaligen Grundherren abzuzahlen waren. Neue Feldfrüchte wie die Kartoffel, die seit der letzten großen Hungerkatastrophe alteuropäischen Ausmaßes 1770/71 häufiger für menschlichen Verzehr angebaut wurde, konnten mehr Leute ernähren. Fast ganz Irland und weite Teile der deutschen Länder lebten von der Kartoffel. Die wenigen Sorten, die angebaut wurden, waren aber anfällig für Pilzbefall und Schädlinge. 1820-22 suchte eine Kartoffelfäule die oberhessischen Bauern heim, und in den 1840ern Irland.

Die grüne Insel verlor Tausende ihrer Bewohner, die emigrieren mussten oder buchstäblich verhungerten, obwohl es in Irland genug Grundnahrungsmittel gab. Während der Great Famine wurden Agrarprodukte nach England exportiert, während irische Pächter krepierten, weil sie die höheren Pachten die britische Landlords forderten, nicht aufbringen konnten.

Die Einführung der Gewerbefreiheit und die Auflösung der Zünfte, die bereits im 17. Jahrhundert zu reinen Interessenvertretungen der wohllhabenden Meister- und Meistersöhne verkommen waren, führte dazu, dass die Niederlassung von Handwerkern in den Städten nicht mehr reglementiert und kontrolliert wurde. Dafür boten Fabriken ungelernten Arbeitskräften zumindest ein regelmäßiges Einkommen. Das waren zwar im wahrsten Sinne des Wortes "Hungerlöhne", viele Zeitgenossen freuten sich aber darüber, dass vierjährige Kinder sich dort einen "reizenden Verdienst" erwerben konnten und nicht dem "Müßiggang" verfielen, den schon damals Zeitgenossen für die Ursache allen Elends verantwortlich machten.

Schon damals regten sich Zeitgenossen darüber auf, dass Proletarier in manchen Gegenden Sachsens Kaffee tranken, was ihnen die Obrigkeiten im 18. Jhd noch verboten hatten. In manchen Gegenden widmeten sich Kinder dem Schmuggel, um zur Subsistenz beizutragen. Das war aber nicht die Sucht nach Luxus, was sie motivierte, sondern die Globalisierung. Fabrikbesitzer in Sachsen ließen Arbeitskleidung für Sklaven fabrizieren, die in Brasilien auf Kaffeeplantagen und Zuckermonokulturen malochten. hergestellt von Proletariern, die zum Teil in Naturalien und Kolonialwaren bezahlt wurden, die namentlich freie Menschen, de facto aber ebenso unfrei wie die Sklaven waren, deren Arbeitskleidung sie herstellten.

Der Baumwollboom und die Erfindung der Cottongin, einer Entkernungsmaschine, die ein Yankee, Eli Whitney" erfunden hatte, verzögerte die Abschaffung der Sklaverei um ein halbes Jahrhundert. Die Gründerväter, zumindest einige, hatten 1776 gehofft, die Sklaverei würde sich von selbst erledigen, doch dann wurde durch die Cottongin die Produktivität eines Sklaven um das 50 fache gesteigert, und die Pflanzeraristokratie, die den Süden kontrollierten, investierten ihren Reichtum in noch mehr Sklaven und noch mehr Land für Monokulturen.
 
Insgesamt herrschte m. E. in GB schlichtweg das bei Weitem günstigste gesellschaftliche und geographische Gesamtklima für eine Industrialisierung. Bei der Baumwollproduktion ist auch nicht nur der günstige Einstandspreis für Material und niedrige Produktionskosten wichtig, sondern auch der entsprechende Absatzmarkt. Und hier kommt Indien ins Spiel, nicht nur als Rohstoffquelle sondern auch als Absatzmarkt für die britische Massenproduktion herhalten musste. Und im Gegenzug kamen wiederum Rohstoffe und Luxusprodukte nach England, die dort mit Profit verhökert wurden usw. usf.

Indien spielte in der frühen industriellen Revolution als Absatzmarkt eher eine geringe Rolle. Die meisten Baumwollexporte gingen nach Amerika, Europa und Afrika. Erst in den 1820er Jahren exportierte Großbritannien mehr Baumwolltextilien nach Indien, als es von dort importierte.
Parthasarathi dreht den Spieß in Why Europe Grew Rich and Asia Did Not um: Der indische Textilexport nach Großbritannien und in die sich neu gegründeten USA sowie nach Westafrika, habe den britischen Exporteuren einen starken Wettbewerb geliefert, dem die Hersteller erst dank den Kosteneinsparungen und Qualitätssteigerungen bei der Massenproduktion durch die Mechanisierung hätten widerstehen können. Doch sei die Mechanisierung und damit die Verhinderung des Strukturwandels in Großbritannien zunächst durch eine gezielte Industriepolitik gefördert worden. Das heißt vor allem die Durchsetzung und Propagierung von Freihandel innerhalb des Empires und gegenüber Drittländern, bei gleichzeitiger Protektion des britischen Marktes.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das höhere Angebot an Arbeitskräften für Fabriken war aber eher auf die Landflucht, als auf die Fortschritte der Medizin und der verbesserten Hygiene in den Städten zurückzuführen
Die Frage ist, woher diese massive Landflucht kam, schließlich war die Bevölkerung vorher jahrhundertelang kaum gewachsen. Ein paar Gründe hast Du schon genannt:
Die Abschaffung der Leibeigenschaft brachte den Bauern in Oberhessen fast nur Schulden und Abgaben, die an die ehemaligen Grundherren abzuzahlen waren. Neue Feldfrüchte wie die Kartoffel, die seit der letzten großen Hungerkatastrophe alteuropäischen Ausmaßes 1770/71 häufiger für menschlichen Verzehr angebaut wurde, konnten mehr Leute ernähren.
(…)
Die Einführung der Gewerbefreiheit und die Auflösung der Zünfte, die bereits im 17. Jahrhundert zu reinen Interessenvertretungen der wohllhabenden Meister- und Meistersöhne verkommen waren, führte dazu, dass die Niederlassung von Handwerkern in den Städten nicht mehr reglementiert und kontrolliert wurde. Dafür boten Fabriken ungelernten Arbeitskräften zumindest ein regelmäßiges Einkommen.
Ich möchte noch einen weiteren Grund anführen: Man konnte leichter heiraten als zuvor im Mittelalter und frühen Neuzeit, als über ein Drittel der Bevölkerung (Knechte und Mägde) unverheiratet blieb, was die Zahl der Kinder automatisch beschränkte.
 
Das klingt zwar einleuchtend, ist mir aber zu singulär. Es müssen verschiedene Sachen zusammen kommen um so eine Entwicklung wie die Industriealisierung auf den Weg zu bringen.
Gehen wir ruhig von der Baumwolle aus. Und die Spinnereien und die dazu nötigen Maschinen. Die müssen angetrieben werden. Entweder mittels Wasserkraft, Tiere, Menschen oder Dampfmaschinen.
Und gerade als die Spinnerei aufkam, da gab es einen Herrn Watt, der die Dampfmaschinen deutlich effizienter machte, so das man mit einer Tonne Kohle plötzlich viel mehr bewegen konnte als vorher.
Und man konnte mit den besseren Dampfmaschinen nun bessere Pumpen antreiben um die Bergwerke zu entwässern. So das man an bessere Kohle kam.
Es kam also zu diesem Zeitpunkt sehr viel zusammen. Die Entwicklungen haben sich quasi gegenseitig katalysiert oder befruchtet.

Apvar

Das ist sicher grundsätzlich richtig.
Clark untersucht eben diese Problematik verschiedener Einflüsse und Umbrüche.
http://www.econ.ucdavis.edu/faculty/gclark/ecn110b/readings/chapter4.pdf

Nun kommt er aber zu dem Ergebnis, dass die Entwicklung und Verbreitung der Kraftmaschine als eine zweite Stufe der Entwicklung zu sehen sei. Während die erste Stufe darin bestünde, dass bereits vorher durch die Revolution der Automatisierungen der Textilindustrie, auch mit herkömmlichen Energiequellen, eine vorhandene "Massenproduktion" so gesteigert werden konnte, dass diese vervielfacht werden konnte, ohne dass es einer Kraftmaschine bedurfte (jedoch eines hohen Einsatzes von monetären Investitionen).
Zunächst kommt hierfür Seide, und dann Baumwolle in Frage.
Nachdem Seide zwar für eine Automatisierung des Fadenspinnens (der Bottleneck) besonders geeignet ist, jedoch wenig verfügbar, macht die Baumwolle der Sklavenarbeit schließlich das Rennen.

Es wäre also nicht ausgemacht, so wie wir uns das heute vorstellen, dass die Kraftmaschine der erste Zünder der industriellen Revolution war.

Eine Anmerkung zu Watt:
Watt hat die Newcomen-Maschine verbessert, indem er den Kondensator dieser Maschine in einen separaten Raum auslagerte.
Er hat aber keine wirkliche Neuerung hervorgebracht.
Es war Richard Trevithick, der das hervorbrachte, was wir heute als "Dampfmaschine" verstehen. (Es gab nie eine Watt´sche Dampflokomotive)

Das Erstaunliche findet sich doch bevorzugt dann, wenn man begründet annehmen darf, dass es anders gewesen sein könnte, als bisher gedacht.


Grüße hatl
 
Die Frage ist, woher diese massive Landflucht kam, schließlich war die Bevölkerung vorher jahrhundertelang kaum gewachsen. Ein paar Gründe hast Du schon genannt:

Ich möchte noch einen weiteren Grund anführen: Man konnte leichter heiraten als zuvor im Mittelalter und frühen Neuzeit, als über ein Drittel der Bevölkerung (Knechte und Mägde) unverheiratet blieb, was die Zahl der Kinder automatisch beschränkte.

Die restriktive Sitten- und Heiratsgesetzgebung und Peuplierungspolitik absolutistischer Staaten wollte arme Leute an der Fortpflanzung hindern, und in vielen deutschen Ländern mussten Arme ein Mindestvermögen von 200 fl nachweisen, um eine Heiratserlaubnis zu bekommen. Allerdings gelang es nicht, die demographische Entwicklung im gewünschten Sinne nachhaltig zu beeinflussen. Es gab nur mehr unerwünschte uneheliche Kinder, und die repressive Sittengesetzgebung, die vor allem die Mütter traf und sie diskriminierte, führte zu mehr Findelkindern und mehr illegalen Abtreibungen und Kindstötungen. Die Liberalisierungen und Reformen, die unter französischer Herrschaft wurden nach den napoleonischen Kriegen vielerorts unter der Restauration wieder abgeschafft.
 
Laut Marx schuf dieser Sklavenhandel (bzw. der Dreieckshandel) die finanzielle Grundlage für die Industrielle Revolution in England.


Wobei er allerdings die gigantischen Gewinne der East India Company beiseite lässt. Händel mit Tee, Gewürzen, Baumwolle usw. waren mindestens ebenso lukrativ, klangen aber nicht so melodramatisch wie der Sklavenhandel.
 
Das Sklavenschiff Juba segelte 1787 von Bristol nach Old Calabar, Nigeria und von dort nach St. Vincent in der Karibik. Die Investoren steckten 4.678 Pfund in das Schiff. Die Juba war auf ihrer dritten und letzten Reise, sie sank vor der irischen Küste. Leider ist in meiner Quelle nicht aufgeführt, ob im Invest anteilig die Kosten für die Juba selbst enthalten sind. Es ist auch nicht angeführt ob die Juba mit voller Rückladung gesunken ist - dann hätte sich der Gewinn der Reise deutlich erhöhen können. (hab ich schon mal erwähnt, wie sehr mich die mangelnden betriebswirtschaftlichen Kenntnisse von Kuratoren ärgern?)

Die Juba lud in Afrika:

1,5 to Elfenbein
28 Fässer Palmöl
5 t to Kiefernholz (as use as a dye – also als Basis für Lacke?)
230 Sklaven, 201 kamen lebend an


Kosten-Nutzen-Rechnung:

Invest: 4.678 Pfund
Erlöse: 5835 Pfund
Ertrag: 1157 Pfund.


Ist das viel? Das Schiff war etwa ein halbes Jahr unterwegs, 25 Prozent Rendite pro Fahrt, rein rechnerisch 50 Prozent Rendite pro Jahr – das ist tatsächlich mehr als meine Volksbank mir zur Zeit zahlt.

Auf einer anderen Tafel wird der Wert eines Sklavenschiffs namens „Africa“ mit 1247 Pfund angegeben. Die Kaufleute konnten sich also nach jedem Toern ein neues Schiff leisten – auch nicht schlecht.

Es konnte aber auch schief gehen. Die acht Eigner der „Africa“ steckten jeder 711 Pfund in Schiff und Reise. Nach Ende der Fahrt erhielt jeder der Eigner 670 Pfund, machte also 41 Pfund Miese.

Quelle: eine Erläuterungstafel im Charles H. Wright Museum of African American History, Detroit MI. Die Tafel strotzt leider vor Fehlern, deswegen kann ich nicht ermitteln, wie hoch die Erlöse aus dem Sklavenhandel lagen. Ich komme auf Zahlen zwischen Minus und etwa der Hälfte der Gesamterträge des Toerns.
 
@steffen:

Erstmal vielen Dank für das instruktive Beispiel. Das sind solche Teilkosten- und (modern) Deckungsbeitragsbetrachtungen, wie sie Williams aufführt, der in den Recherchen Pionierarbeit geleistet hat.

Die Renditen sind - in ähnlicher Höhe wie für andere lukrative Waren - zweifellos nachweisbar, und eben auch früher nicht selten in solchen Höhen von 25% oder mehr angenommen.

Für die Aggregation und die Auswirkungen auf die Nationalökonomie liegen auch griffige Schätzungen vor.
 
Das Sklavenschiff Juba segelte 1787 von Bristol nach Old Calabar, Nigeria und von dort nach St. Vincent in der Karibik. Die Investoren steckten 4.678 Pfund in das Schiff. Die Juba war auf ihrer dritten und letzten Reise, sie sank vor der irischen Küste. Leider ist in meiner Quelle nicht aufgeführt, ob im Invest anteilig die Kosten für die Juba selbst enthalten sind. Es ist auch nicht angeführt ob die Juba mit voller Rückladung gesunken ist - dann hätte sich der Gewinn der Reise deutlich erhöhen können. (hab ich schon mal erwähnt, wie sehr mich die mangelnden betriebswirtschaftlichen Kenntnisse von Kuratoren ärgern?)

Die Juba lud in Afrika:

1,5 to Elfenbein
28 Fässer Palmöl
5 t to Kiefernholz (as use as a dye – also als Basis für Lacke?)
230 Sklaven, 201 kamen lebend an


Kosten-Nutzen-Rechnung:

Invest: 4.678 Pfund
Erlöse: 5835 Pfund
Ertrag: 1157 Pfund.


Ist das viel? Das Schiff war etwa ein halbes Jahr unterwegs, 25 Prozent Rendite pro Fahrt, rein rechnerisch 50 Prozent Rendite pro Jahr – das ist tatsächlich mehr als meine Volksbank mir zur Zeit zahlt.

Auf einer anderen Tafel wird der Wert eines Sklavenschiffs namens „Africa“ mit 1247 Pfund angegeben. Die Kaufleute konnten sich also nach jedem Toern ein neues Schiff leisten – auch nicht schlecht.

Es konnte aber auch schief gehen. Die acht Eigner der „Africa“ steckten jeder 711 Pfund in Schiff und Reise. Nach Ende der Fahrt erhielt jeder der Eigner 670 Pfund, machte also 41 Pfund Miese.

Quelle: eine Erläuterungstafel im Charles H. Wright Museum of African American History, Detroit MI. Die Tafel strotzt leider vor Fehlern, deswegen kann ich nicht ermitteln, wie hoch die Erlöse aus dem Sklavenhandel lagen. Ich komme auf Zahlen zwischen Minus und etwa der Hälfte der Gesamterträge des Toerns.

Die Juba hatte jedenfalls wenig "Abgänge" an Sklaven bei dieser Fahrt. Die Lord Ligonier segelte am 7. Juli 1767 von Juffure/Gambia ab mit 140 Sklaven an Bord und erreichte am 29. September 1767 Annapolis im heutigen Bundesstaat Maryland mit 98 Sklaven an Bord.

Interessant ist das Schicksal des dänischen Schiffs Patientia. Am 30. Juli 1753 nahm die Patientia 275 Sklaven an Bord und segelte in Richtung Westindien. Am 5. August 1753 gelang es vor der Küste Ghanas 249 der 275 Sklaven, die Besatzung zu überwältigen und sich an Land zu retten. Mit Hilfe der Briten und des britischen Schiffs Triton gelang es den Dänen, 66 der entflohenen Sklaven wieder einzufangen. 2 Sklaven wurden getötet und für ihre Hilfe musste der dänische Kapitän Ole Erichson 13 Männer und 4 Frauen als Bergelohn an die Briten abtreten. 44 entflohene Sklaven wurden von diesen wieder eingefangen, die die Dänen wieder zurückkauften, dazu weitere 75 Sklaven für mehr als 5000 Rthl. Am 30. September 1753 lichteten die Dänen die Anker und fuhren mit 165 Sklaven nach Westindien. 1754 erreichte die Patientia wieder Kopenhagen. Trotz des Sklavenaufstands war die Fahrt für die Dänen immer noch ein wirtschaftlicher Erfolg und die Patientia schloss die Fahrt mit Profit ab.

http://de.wikipedia.org/wiki/Patientia_(Schiff)
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben