Männerphantasien 1+2

Schini

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Klaus Theweleits Analyse "Männerphantasien?" führte bei ihrer Erstveröffentlichung im Jahre 1977 zu heftigen Kontroversen. Rudolf Augstein wertete sie als "aufregendste deutschsprachige Publikation des Jahres..., ein vermischendes, entgrenztes, ein verschwenderisch überfließendes Diagnostizieren der männer-rechtlichen Eroberungskultur."

Klaus Theweleit untersucht in den "Männerphantasien" das Phänomen des Faschismus unter dem Aspekt des Geschlechterverhältnisses. Wegen seiner immensen Materialfülle und der Vielfalt seiner überraschenden Aspekte wurde dieses Werk ein nicht mehr wegzudenkender Klassiker der Faschismusforschung und ein kulturkritisches Standardwerk. Im Zentrum stehen die Verstörung zwischen den Geschlechtern und der sich selbst unbekannte Mann als Voraussetzungen für das faschistische Krankheitsbild. Klaus Theweleit zeigt, wie der menschliche Körper - im ersten Band der ängstigende weibliche, im zweiten der unfertige männliche, in Texten, Bildern und Kunstprodukten auf eine lebensvernichtende Realität eingestellt wurde. Er beschreibt die männliche Körpererfahrung, die sich bereitwillig stählen und in das mörderische soldatische Erlebnis kanalisieren ließ.

Klaus Theweleit • Männerphantasien 1+2 • Piper • 2000 • 509 und 495 Seiten
 

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Schini schrieb:
Klaus Theweleit untersucht in den "Männerphantasien" das Phänomen des Faschismus unter dem Aspekt des Geschlechterverhältnisses. Wegen seiner immensen Materialfülle und der Vielfalt seiner überraschenden Aspekte wurde dieses Werk ein nicht mehr wegzudenkender Klassiker der Faschismusforschung und ein kulturkritisches Standardwerk. Im Zentrum stehen die Verstörung zwischen den Geschlechtern und der sich selbst unbekannte Mann als Voraussetzungen für das faschistische Krankheitsbild. Klaus Theweleit zeigt, wie der menschliche Körper - im ersten Band der ängstigende weibliche, im zweiten der unfertige männliche, in Texten, Bildern und Kunstprodukten auf eine lebensvernichtende Realität eingestellt wurde. Er beschreibt die männliche Körpererfahrung, die sich bereitwillig stählen und in das mörderische soldatische Erlebnis kanalisieren ließ.

Klaus Theweleit • Männerphantasien 1+2 • Piper • 2000 • 509 und 495 Seiten

Ich lese gerne im Archiv hier.
Aber das ist ja wohl das Haarstreubenste was ich je gelesen habe.
Der Herr Theweleit bekommt dafür auch noch Geld. Es ist nicht zu fassen.
 
Schini schrieb:
...Klaus Theweleit untersucht in den "Männerphantasien" das Phänomen des Faschismus unter dem Aspekt des Geschlechterverhältnisses. Wegen seiner immensen Materialfülle und der Vielfalt seiner überraschenden Aspekte wurde dieses Werk ein nicht mehr wegzudenkender Klassiker der Faschismusforschung und ein kulturkritisches Standardwerk. Im Zentrum stehen die Verstörung zwischen den Geschlechtern und der sich selbst unbekannte Mann als Voraussetzungen für das faschistische Krankheitsbild...

So sehr überraschen können die bei Klaus Theweleit formulierten Zusammenhänge zwischen den Geschlechterbeziehungen und der Entstehung von Faschismus eigentlich nicht.

Schon vor der zitierten Erstausgabe von 1977 schrieben z. B. Wilhelm Reich in seinem Buch „Massenpsychologie des Faschismus“, 1933 (neu Köln 1972), über die gesellschaftliche Funktion der Sexualunterdrückung, Theodor W. Adorno u. a. in seinen „Studien zum autoritären Charakter“, Frankfurt 1973, über Merkmale des autoritären Charakters sowie Anneliese Schuon-Wiehl in ihrem Buch „Faschismus und Gesellschaftsstruktur“, Frankfurt 1973, über Faschismus und psychosexuell bedingte autoritäre (faschistische/faschistoide)Charktere.
 
florian17160 schrieb:
...
Der Herr Theweleit bekommt dafür auch noch Geld. Es ist nicht zu fassen.

herr theleweit bekommt dafür nur in dem maße geld, wie es leute gibt, die bereit sind seine schrift für geld zu erwerben. wo also ist das problem?

aber ich bin auch der ansicht, obwohl ich das werk nicht gelesen habe, daß es sich hierbei um einen weniger gravierenden aspekt im zusammenhang mit ernsthafter faschismuserforschung handelt.
 
ponzelar schrieb:
aber ich bin auch der ansicht, obwohl ich das werk nicht gelesen habe, daß es sich hierbei um einen weniger gravierenden aspekt im zusammenhang mit ernsthafter faschismuserforschung handelt.
Aber du kennst doch hoffentlich Wilhelm Reich :confused:
 
aha, und die frage ob ich "hoffentlich" w. reich kenne soll deshalb also im zusammenhang mit diesem thread hier ein thematischer bezug sein? naja, egal.

mir scheint der hier angesproche aspekt auch ohne kenntnis der schriften reichs oder des vorgestellten buches von theweleit aus ganz simpelen empirischen erwägungen heraus -unbeschadet der akademischen freude, die man an so was haben kann- eher wenig bedeutsam. es gibt nämlich ne menge gesellschaften, die einen annähernd gleichen prozentsatz von männern aufweisen wie z.b. deutschland, italien oder frankreich, die in abendländisch-christlich-patriacharlischen verhältnissen groß wurden, also unfertig-männliche geschöpfe wurden, die sich selber -in sonderheit ihren körper- nicht kannten, ohne deshalb der krankheit des faschismus anheim zu fallen.

der kritik vom florian möchte ich mich dennoch nicht anschließen, denn wenn leute daran freude haben, kann ich nichts schlimmes daran finden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was ist, wenn man das mal von der anderen Seite betrachtet?
Ich machte mir etwas Gedanken, daß man bei diesen Theorien nicht homosexuellen Männern oder Anhängern sado-masochistischer Sexualpraktiken unberechtigter Weise eine Nähe zum Faschismus unterschiebt...:grübel:
 
Arne schrieb:
Was ist, wenn man das mal von der anderen Seite betrachtet?
Ich machte mir etwas Gedanken, daß man bei diesen Theorien nicht homosexuellen Männern oder Anhängern sado-masochistischer Sexualpraktiken unberechtigter Weise eine Nähe zum Faschismus unterschiebt...:grübel:

Sondern....?
 
Cassandra schrieb:

:confused:
Die Nachfrage verstehe ich jetzt nicht - findest du es richtig die alle in einen Topf zu werfen?
Leute wie Freddie Mercury oder Walter Sedlmayer oder was weiß ich, waren doch keine Faschisten.
 
Arne schrieb:
:confused:
Die Nachfrage verstehe ich jetzt nicht - findest du es richtig die alle in einen Topf zu werfen?
Leute wie Freddie Mercury oder Walter Sedlmayer oder was weiß ich, waren doch keine Faschisten.

Sorry Arne, ich wollte nur deine andere Seite sehen, ich wusste einfach nicht welche Sicht du jetzt meinst. Ich sehe selbstverständlich in den beiden keine Faschisten.

LG
Cassandra
 
Theweleit ist ein Paradebeispiel wie ein durchaus interessanter Ansatz durch ideologische Voreingenommenheit und Engstirnigkeit verdorben wird. Wirklich schade, da er sich doch recht ausführlich in die Materie eingearbeitet hat. Dass er sein Publikum findet ist aber nicht verwunderlich. Hoffentlich gibt es einmal ein Werk, dass sich mit der Thematik objektiver auseinandersetzt. Ein interessantes Feld ist es allemal.
 
arch-angelsk schrieb:
Theweleit ist ein Paradebeispiel wie ein durchaus interessanter Ansatz durch ideologische Voreingenommenheit und Engstirnigkeit verdorben wird.

Das interessiert mich jetzt aber. Kannst du diese Aussage etwas länger ausführen, sprich welche Voreingenommenheiten und Engstirnikeiten du meinst bzw. wie sich die mangelnde Objektivität äußert?
 
Schini, du hast das Buch empfohlen und scheinst dich mit den Theorien intensiver beschäftigt zu haben. Bevor wir jetzt aneinander vorbeireden, weil wir nur kurze "Schlagworte" kennen, also Halbwissen zu dieser Arbeit haben - kannst du uns eine kurze Zusammenfassung dazu geben? (wenn das überhaupt möglich ist).
Ich habe es bisher so verstanden (ohne das Buch gelesen zu haben), daß die Theorie aufgestellt wird, daß sich besonders "frustrierte" , homophile Männer mit einem Hang zum Sadomasochismus und Männer, die unterdückt aufwuchsen mit dem Faschismus anfreunden können und dort ihre Erfüllung finden.

Kann man das so (extrem verkürzt) sagen, oder habe ich das völlig falsch verstanden?
 
Addendum: Methoden und Inhalte in den Männerphantasien

Männerphantasien 1+2 ist Klaus Theweleits Dissertation. Er ist heute Professor für Kunst und Theorie an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe. Außerdem ist er Lektor an der Universität Freiburg.

Der erste Teil des Buches ist im engeren Sinne eine Untersuchung der Freikorpsliteratur, besonders zwischen 1918 und 1923, mit psychoanalytischem Schwerpunkt. Die methodischen Ursprünge liegen natürlich bei den Theorien Sigmund Freuds, die durch Wilhelm Reich in Bezug auf den Faschismus ergänzt, aber auch kritisiert werden. Hierbei bezieht Theweleit sich auf Deleuze und Guattari, die ein psychologisch geprägtes Analysemodell der Gesellschaft entwickelt hatten. Theweleit versucht hauptsächlich mit Hilfe dieser drei Modelle, sinnvolle Schlüsse zu aus den Texten zu ziehen - wobei sich das letztgenannte als sinnvollste erweist.

Ein Mitglied hat mich darauf hingewiesen, dass Theweleits Thesen nicht nur auf den Faschismus angewendet werden können (diese können nur als Untermauerung dienen), sondern durchaus universale Geltung haben. Man denke nur an Sparta...

Theweleit untersucht das "Wesen des 'weißen Terrors' und [die] Sprache desr soldatischen Männer als einem Teil davon. Es geht also nicht nur um die Frage, was die Spache der soldatischen Männer 'aussagt' oder 'bedeutet'; vielmehr ist zu fragen, wie sie funktioniert: welche Rolle sie im Verhältnis des Mannes zur übrigen Realität spielt und wo ihr körperlicher Ort ist" (I, S. 33). Sein Hauptbezugspunkt ist also der menschliche Körper, der mit anderen menschlichen Körpern in Beziehung steht und natürlich zur übrigen Objektwelt, und damit eine Realität schafft. Die Körperbeziehungen werden in der Sprache ausgedrückt und deshalb kann auch eine 'faschistische Sprache' Aussagen über die Körper- und Objektbeziehungen, also die Realität, zulassen. Das Geschlechterverhältnis ist von Theweleit willkürlich gewählt, es ist ihm aber aufgrund der 'ambivalenten Affektivität' aufgefallen: "Sie schwanken zwischen intensivem Interesse und kühler Gleichgültigkeit, Aggressivität und Verehrung, Haß, Angst, Fremdheit und Begehren (ebenda)".

Das alles klingt sehr theoretisch. Wie aber läßt sich das in einem Männerleben darstellen? Der Versuch einer Geschichte: Ein Mann wird in den Krieg gerufen, er wird Soldat und verläßt Mutter und Braut, Frau und Kind. Was aber, wenn sie nicht auf seine Rückkehr warten will, einen anderen heiratet oder eine Affäre hat? Es muß gar nicht passiern, allein die Angst davor, das Mißtrauen reicht aus. Aus Liebe wird Gleichgültigkeit, vielleicht auch Haß und Rache für den Verrat, aber auf jeden Fall wird die Frau leblos(er). Die Männer ziehen sich im Frieden von ihren Frauen zurück, wird sachlich und vernünftig. Aber er muß sich immer noch gegen Verlockungen wehren, wenn die Frau sich überwältigen läßt, muß sie bestraft werden. Jungfrau oder Hure. Entsexualisierung oder aggressive Sexualität, die bestraft werden muß. Kastrierende Flintenweiber, rote Krankenschwestern bedrohen die Soldaten/Männer. Mütter, Schwestern, weiße Krankenschwestern sind die einzigen, die gut wegkommen, die auch zur Heirat geeignet sind. Beziehungen zu beiden sind unmöglich, sie machen Angst, sie stellen einen Mangel dar und scheinen einen Wunsch nach eigener Auflösung zu wecken. Aber die freudsche Theorie des Unbewußten, der Ödipuskomplex, reichen für eine Erklärung dieses Verhaltens nicht aus...

Jetzt wird es radikal...
 
Puhh...danke für die Erläuterung, also da halte ich mich jetzt besser aus der Diskussion raus. Um das richtig zu interpretieren und zu verstehen bedarf es einiger Semester Psychoanalyse scheint mir, da fehlt mir der akademisch-fachliche "Unterbau".
 
Inzwischen gibt es ja auch eine nicht geringe Anzahl weiblicher Soldaten, auch mit unmittelbarer Kampferfahrung. Da fragt man sich, ob es da signifikante Unterschiede im Verhalten zu den maenlichen Kollegen gibt. Wenn ich an diesen Folterskandal im Irak denke, so scheint die Wirkung auf die Psyche beider Geschlechter nicht so dramatisch unterschiedlich zu sein, denn da waren ja beide Geschlechter involviert.
 
manganite schrieb:
Inzwischen gibt es ja auch eine nicht geringe Anzahl weiblicher Soldaten, auch mit unmittelbarer Kampferfahrung. Da fragt man sich, ob es da signifikante Unterschiede im Verhalten zu den maenlichen Kollegen gibt. Wenn ich an diesen Folterskandal im Irak denke, so scheint die Wirkung auf die Psyche beider Geschlechter nicht so dramatisch unterschiedlich zu sein, denn da waren ja beide Geschlechter involviert.

Wenn es hier um die Zusammenhänge von Sexualunterdrückung (in diesem Kontext auch um Sadismus und Masochismus), autoritäre Charaktere und Faschismus (vgl. z.B.http://www.antisemitismus.net/kritische-theorie/02.htm, http://de.wikipedia.org/wiki/Autorit%C3%A4rer_Charakter usw. unter "Adorno+autoritärer Charakter) geht, so hat das nichts bzw. nur sehr vermittelt mit Homosexualität zu tun und ist in keiner Weise geschlechtsspezifisch.
 
Ich habe gerade diesen alten Thread wieder ausgegraben, weil Umzüge und/oder Aufräumaktionen dazu führen, daß man wieder auf Bücher stößt, die man sich einst während des Studiums einmal zugelegt hatte - im konkreten Fall Band 1 des hier empfohlenen Werkes von Klaus Theweleit.

Zunähst darf ich mich dazu Zeitgeschichte online - Fachportal für die Zeitgeschichte anschließen, was die grundsätzliche Bewertung dieses Buches angeht.

Hinzuzufügen habe ich folgende Punkte: Meines Erachtens ist es eher aus psychologischer bzw. psychoanalytischer Sicht interessant denn aus der Sicht des Historikers. Der Historiker findet zwar durchaus sehr interessante Ansätze zur Faschismusforschung; ansonsten aber kommt Klaus Theweleit bei seinen historischen Bezügen nicht allzu weit über Allgemeinplätze hinaus - polemisch könnte man sagen "er verharrt in Banalitäten" - und kolportiert zudem einige Geschichtsmythen, deren historische Unkorrektheit sich inzwischen erwiesen hat - was wir jedoch Theweleit (wenn überhaupt) nur bedingt anlasten können, da er viele diesbezügliche Forschungsergebnisse beim Schreiben seines Werkes (1977 - s.o.) natürlich noch nicht kennen konnte.

Wollte ich an der Stelle - wenn auch ziemlich verspätet - noch loswerden... :winke:
 
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