Kollaps.Warum Gesellschaften überleben oder untergehen

ursi

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Eines vorweg: Jared Diamonds Buch skizziert keineswegs ein Schreckensszenario ohne Auswege, dazu ist der Geografieprofessor aus Kalifornien zu sehr Realist und auch Optimist. Die bedrohliche Covergestaltung und der Titel sind hier ein wenig irreführend. Der Pulitzer-Preisträger Diamond -- er erhielt diese Auszeichnung für Arm und Reich -- untersucht, welche Bedingungen dazu führen, dass eine Gesellschaft untergeht. Prototyp dieses Untergangs ist für ihn die Gesellschaft der Oster-Insel. Daneben erzählt der Autor z.B. die Geschichte der Mayas oder der Wikinger, wendet sich aber auch heutigen Gesellschaften zu. U.a. stellt er das Beispiel Ruanda vor; das Land, in dem bekanntlich ein Völkermord von monströsen Ausmaßen stattfand.

Ganz Wissenschaftler benennt Diamond zunächst einmal fünf Faktoren, die beim Untergang einer Gesellschaft eine Rolle spielen können. Da wären zunächst Schäden, die der Umwelt unabsichtlich zugefügt werden. Als Zweites hebt Diamond Klimaveränderungen hervor. Weiterhin können feindliche Nachbarn ein Faktor der Zerstörung sein. Viertens: Die Hilfe freundlicher Nachbarn nimmt ab. Die fünfte und laut Diamond wichtigste Frage lautet jedoch: Wie reagiert eine Gesellschaft auf ihre Probleme? Keiner der fünf Faktoren dürfte für sich genommen zum Untergang führen, vielfach wirken sie in Kombination. Der fünfte Faktor aber, also wie man ökologischen und anderen Problemen begegnet, ist laut Diamond besonders bedeutsam.

Gesellschaften miteinander zu vergleichen, ist natürlich nicht unumstritten. Diamond nimmt diese Herausforderung an und legt eine kenntnisreiche Analyse vor, die man gleichermaßen unter kulturgeschichtlichen wie unter gesellschaftskritischen Aspekten lesen kann. Dem Ethos des Wissenschaftlers folgend, verzichtet der Autor dabei auf wilde Untergangsszenarien. Vielmehr hält er den Menschen den Spiegel vor und zeigt, wie Gesellschaften ihre eigene Existenz bedrohen. Ein denkwürdiges Lern- und Lesebuch. --Mathias Voigt

Kurzbeschreibung
Der Untergang beginnt immer gleich: Klimakatastrophen, Raubbau an der Umwelt, rapides Bevölkerungswachstum, politische Fehleinschätzungen. Was versetzt unserer heutigen Welt den Todesstoß? Warum sind frühere Gesellschaften wie die Maya und Wikinger zugrunde gegangen, während andere sich behaupten konnten? Der Bestseller-Autor Jared Diamond geht diesen brennenden Fragen auf den Grund. Basierend auf neuesten Forschungen, zeigt er am Beispiel Chinas, Australiens und Afrikas, was wir tun müssen, um unseren eigenen Untergang zu vermeiden.

Jared Diamond Kollaps.Warum Gesellschaften überleben oder untergehen • Fischer • 2005 • 800 Seiten

Buchempfehlung von Leopold Blum
 

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Liebe Ursi, ich nehme an, daß Du das Buch gelesen hast. Meine Frage: Was müssen wir tun, um unseren (Europas) Untergang zu verhindern? Oder sind wir vorläufig - im Vergleich mit China, Afrika, Australien nicht bedroht?
Oder muß ich mir das Buch kaufen, um eine Antwort zu finden?
Freundliche Grüße, Franzei
 
Franzei schrieb:
Was müssen wir tun, um unseren (Europas) Untergang zu verhindern?

Ich habe das Buch auch gelesen und fand die Analysen der untergegangenen sowie der (durch Gegenmaßnahmen) dem Untergang entkommenen Kulturen faszinierend.

Die Kapitel mit den Schlussfolgerungen für hier & heute fand ich allerdings ziemlich langweilig, er hätte sich besser weglassen sollen. Es ist eben sehr schwierig, eine Kultur, der man selbst angehört, aus der "Vogelperspektive" zu betrachten.

Ich meine, man muss die Frage in einen "technischen" und in einen gesellschaftlichen Teil auftrennen.

Die technische Frage wäre, wie sieht es bei uns mit Bodenerosion, Ressourcenverbrauch, Umweltzerstörung usw. objektiv aus ? Ich erinnere mich an eine sehr umfassende Studie für den amerikanischen Präsidenten aus dem Jahre 1975, "Global 2000". Diese verfolgte genau dieses Ziel, verschwand aber in der Versenkung. Wahrscheinlich wollte es keiner so genau wissen.

Damit wären wir schon beim gesellschaftlichen Aspekt. Diamond stellt - im Zusammenhang mit den Osterinseln - die Frage: "Was dachten wohl die Menschen, die den letzten Baum fällten ?" (Danach konnten keine Boote mehr für den Fischfang gebaut werden und der Abstieg begann)

Ich glaube, dies ist die entscheidende Frage: Welche gesellschaftlichen Mechanismen führen dazu, dass eine hochentwickelte Gesellschaft etwas tut, was ihr schadet ? Oder ist dies der Normalfall und das Gegenteil die Ausnahme ?

Ich sehe da ziemlich schwarz. Warum ? Diamond beschreibt das Beispiel eines amerikanischen Entwicklungshelfers in Papua Neuguinea, der (ungewollt) eine Spur der Verwüstung hinterließ. Papua-Neuginea war nämlich ein Land, das im Jahr 900 n.Chr. an seine Grenzen stieß und den Weg zu einer ausgeklügelten, nachhaltigen Landwirtschaft fand, die die hohe Bevölkerungsdichte ernähren kann. Amerika wurde erst vor 500 Jahren zum Plündern freigegeben und seine Ressourcen sind noch nicht erschöpft. Es befindet sich also in einer Entwicklungsphase, die vor dem Crash in Papua-Neuguinea liegt. Der Entwicklungshelfer war also geprägt von der Idee "rafft an euch, was ihr kriegen könnt, dann werdet ihr so reich wie wir."

Ich glaube, man muss heute die ganze Erde als Osterinsel sehen und wir sind gerade dabei, die letzten Bäume zu fällen.
 
Franzei schrieb:
Liebe Ursi, ich nehme an, daß Du das Buch gelesen hast. Meine Frage: Was müssen wir tun, um unseren (Europas) Untergang zu verhindern? Oder sind wir vorläufig - im Vergleich mit China, Afrika, Australien nicht bedroht?
Oder muß ich mir das Buch kaufen, um eine Antwort zu finden?
Freundliche Grüße, Franzei

Nein ich habe das Buch noch nicht gelesen. Aber Leo hat es, es ist ja auch seine Empfehlung. Vielleicht hat er ja eine Antwort darauf.
 
ursi schrieb:
Nein ich habe das Buch noch nicht gelesen. Aber Leo hat es, es ist ja auch seine Empfehlung. Vielleicht hat er ja eine Antwort darauf.

Das allermeiste hat mir da Klaus bereits dankenswerterweise abgenommen...Ich finde (ähnlich lese ich es auch bei Klaus raus), dass das Buch im letzten Kapitel ein klein wenig hinkt: Die Analyse davor find ich klasse, das "Rezept" für uns heute hingegen hinkt etwas. Etwas schwierig, das in 4 Worte zusammenzufassen...(ich werds morgen mal versuchen)


Ach ja in Sachen Osterinsel ein Kommentar zu Jared Diamond aus einer anderen Warte:

Wenn verdeutlicht werden soll, wie gedankenlos der Mensch den Planeten plündert und sich so die eigenen Lebensgrundlagen entzieht, tritt stets das mahnende Beispiel der Osterinsel auf den Plan. In pädagogisch wertvoller Absicht wird „Aufstieg und Fall“ der pazifischen Insel (in heimischer Sprache Rapa Nui) erzählt.

Und das geht in etwa so: Es war einmal eine Hochkultur, die stellte viele hundert riesige Steinköpfe auf, um den Göttern zu gefallen. Leider brauchten die Menschen zum Transport Baumstämme. Deshalb musste irgendwann die letzte Palme dran glauben, woraufhin die Kokosmilch ausging, der Boden fortgeweht wurde, die Tiere ausstarben und auch keine Fische mehr gefangen werden konnten, weil das Holz zum Schiffsbau fehlte. Das Verhängnis mündete in Bürgerkrieg und gegenseitigen Kannibalismus, worauf die Zivilisation verschwand.

Aktuell macht sie sich Jared Diamond in seinem Bestseller „Kollaps“ diese Deutung zu eigen und spricht von „Ökozid“. Das zivilisationskritische Publikum hört die Metapher gerne und verzichtet auf genauere Nachfragen. Dies erledigen jetzt eine ganze Reihe von Wissenschaftlern in der Zeitschrift „Energy & Environment“. Die schöne Geschichte wird dort furchtbar gefleddert und es bleibt nur ein Gemisch von Mythen, Gerüchten, falschen Annahmen und selektiv ausgewählten Daten und Belegen übrig. In kurzen Worten lauten die neueren Erkenntnisse: Als die ersten Europäer um 1720 die Osterinsel betraten, ernährten sich die Menschen mit einer intensiven Landwirtschaft und frischem Fisch aus den reichen Fangründen. Der Anthropologe Benny Peiser von der Universität in Liverpool schreibt: „Sie hatten sich erfolgreich veränderten Bedingungen angepasst.“ Zum Aussterben der Inselbevölkerung kam es erst nach der Ankunft der Europäer und zwar durch rücksichtlose Sklavenhändler und eingeschleppte Krankheiten. Die Einwohner der Osterinsel haben ihren Untergang mit großer Wahrscheinlichkeit nicht selbst verursacht. Das mag Weltuntergangs-Propheten und den Anhängern einer Denkschule missfallen, die die Osterinsel zum Kronzeugen für ihre Zivilisations- und Gesellschaftskritik gemacht haben. Dennoch ist es Zeit die Einwohner von Rapa Nui zu rehabilitieren. Als abschreckendes Beispiel sind sie so wenig geeignet wie Häuptling Seattle als Vorbild.

http://www.achgut.de/dadgd/view_article.php?aid=1769&ref=8
 
Vorneweg. Das Buch hört sich interessant an.

Der Anthropologe Benny Peiser von der Universität in Liverpool schreibt: „Sie hatten sich erfolgreich veränderten Bedingungen angepasst.“ Zum Aussterben der Inselbevölkerung kam es erst nach der Ankunft der Europäer und zwar durch rücksichtlose Sklavenhändler und eingeschleppte Krankheiten. Die Einwohner der Osterinsel haben ihren Untergang mit großer Wahrscheinlichkeit nicht selbst verursacht.

Da schiesst der Herr aber über's Ziel hinaus! Fakt bleibt, dass sich die Inselbewohner einer zentralen Ressource entledigt haben. Vielleicht haben sie sich erfolgreich angepasst. Steinskultpuren haben sie jedenfalls nicht mehr errichten können. Schifffahrt war auch nahezu unmöglich, etc.. Und über Langzeitfolgen können wir auch nur spekulieren ...

Würden uns heute das Holz ausgehen, würden wir auch nicht gleich aussterben - aber es würde uns sicher um einiges schlechter gehen.
 
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