Archäologen finden Spuren an durchbohrtem Schädel

Und hier der Link zur Originalveröffentlichung als eventuelle Diskussionsgrundlage:
findet sich in dem Link irgendwas zur Unterscheidung von Verletzungen durch Mord im Gegensatz zu Verletzungen durch Kriegshandlungen (Clanhändel) im Zeitalter der Keulen, Steinäxte und Faustkeile?
 
Ich glaube, der Begriff "Mord" ist hier etwas flapsig oder auch reißerisch gewählt, lenkt das Denken aber zu einseitig Richtung Krimi. Besagt werden soll wohl nur, dass es sich um ein Opfer "einer tödlichen zwischenmenschlichen Auseinandersetzung", "von absichtlicher tödlicher Aggression", handelte ( Ältestes Mordopfer aller Zeiten entdeckt - science.ORF.at ), dass also ein Mensch einen anderen (vermutlich vorsätzlich, da man kaum versehentlich zweimal auf jemanden einschlagen wird) getötet hat. Den genauen Hintergrund wird man freilich nicht aufklären können. Denkbar ist wohl alles, von Eifersuchtsmord bis zu Clankrieg.
 
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findet sich in dem Link irgendwas zur Unterscheidung von Verletzungen durch Mord im Gegensatz zu Verletzungen durch Kriegshandlungen (Clanhändel) im Zeitalter der Keulen, Steinäxte und Faustkeile?

Auf die Schnelle habe ich dazu nichts Ausdrückliches gefunden, werde den Artikel aber morgen nochmals intensiver lesen. Was für Mord und gegen eine kriegerische Auseinandersetzung mit mehreren Beteiligten sprechen könnte, ist, dass die Leiche durch einen Schacht in eine Art Friedhofshöhle geworfen wurde, in der sich Knochen von mindestens 28 Individuen befinden, die jedoch nur zu einem geringen Teil unverheilte Skelettfrakturen und einige verheilte Schädelverletzungen aufweisen.

Im Artikel spricht man übrigens auch nur von "tödlicher interpersoneller Gewalt".
 
findet sich in dem Link irgendwas zur Unterscheidung von Verletzungen durch Mord im Gegensatz zu Verletzungen durch Kriegshandlungen (Clanhändel) im Zeitalter der Keulen, Steinäxte und Faustkeile?
Auch nach genauerem Lesen findet sich in der Veröffentlichung der Wissenschaftler weder eine Interpretation der tödlichen Verletzung als Mord noch als Folge einer kriegerischen Auseinandersetzung. Wie gesagt, beschreiben die Wissenschaftler den Sachverhalt als tödliche interpersonelle Gewalt. Mord scheint also eine - vielleicht naheliegende - journalistische Interpretation zu sein. Lediglich in der Einführung erläutern die Autoren allgemein unter Hinweis auf andere Veröffentlichungen, dass interpersonelle Gewalt mit dem Kampf um knappe Ressourcen, Bevölkerungsdichte und Gebietsverteidigung in Zusammenhang gebracht werden kann und dass bei anderen Funden gewisse Schnittmarken und Brüche von Knochen als Kannibalismus interpretiert werden, der auf Gewalt zwischen menschlichen sozialen Gruppen hindeuten könnte. Bei diesem Fund spricht jedoch nichts für Kannibalismus.

Eine Unterscheidung zwischen Mord und Krieg kann hier m.E. nicht allein anhand der tödlichen Verletzung des Knochens getroffen werden. Zusätzlich müssen die Fundumstände berücksichtigt werden: Gibt es mehrere Opfer? Wurden die Opfer bestattet? Wurde an den Opfern nach dem Tod manipuliert? Wurde eine bestehende Siedlung bzw. Lagerplatz aufgegeben? Gibt es Brandspuren? usw.

Vorliegend gibt es einen (einzigen) Schädel, an dem man eine absichtliche tödliche Gewalteinwirkung nachweisen kann, der gemeinsam mit den Überresten von mindestens 28 Individuen in einer Art "Begräbnisstätte" deponiert wurde. Das kann man interpretieren oder man hält sich zurück, um der Gefahr des Spekulierens zu entgehen.
 
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Was für Mord und gegen eine kriegerische Auseinandersetzung mit mehreren Beteiligten sprechen könnte, ist, dass die Leiche durch einen Schacht in eine Art Friedhofshöhle geworfen wurde, in der sich Knochen von mindestens 28 Individuen befinden, die jedoch nur zu einem geringen Teil unverheilte Skelettfrakturen und einige verheilte Schädelverletzungen aufweisen.
Warum? Auch ein Opfer einer kriegerischen Auseinandersetzung könnte doch von den Überlebenden seiner Gruppe geborgen und an den üblichen "Bestattungsort" gebracht worden sein.
 
Warum? Auch ein Opfer einer kriegerischen Auseinandersetzung könnte doch von den Überlebenden seiner Gruppe geborgen und an den üblichen "Bestattungsort" gebracht worden sein.

Das stimmt. Aus der Abwesenheit von Funden mehrerer Opfer menschlicher Gewalt kann man nicht schließen, dass eine Auseinandersetzung nicht mehrere Beteiligte hatte. Ich hoffe, in meinem heutigen Beitrag wird deutlich, dass ich bei einer Interpretation in die eine oder andere Richtung anhand der bekannten Fakten vorsichtig sein möchte.
 
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findet sich in dem Link irgendwas zur Unterscheidung von Verletzungen durch Mord im Gegensatz zu Verletzungen durch Kriegshandlungen (Clanhändel) im Zeitalter der Keulen, Steinäxte und Faustkeile?

Denkbar ist wohl alles, von Eifersuchtsmord bis zu Clankrieg.

Es überrascht, mit welcher Selbstverständlichkeit manche User, die sonst für Aussagen über das Paläolithikum absolut gesicherte Belege einfordern, ohne jede Spur von Evidenz betr. paläolithisches Kriegswesen über kriegerische "Clanhändel" oder über "Clankrieg" als Möglichkeit der Erklärung räsonnieren.

Der Fall Cr-17 (noch weniger der andere Fall) kann sicher nicht als ein Indiz dafür dienen. Wer weiß denn, warum das Individuum die tödlichen Schläge, wenn es denn welche waren, erhielt? Theoretisch kann der hypothetische Totschlag einen anderen Grund gehabt haben als den Streit zwischen zwei Individuen. Cr-17 könnte ja aus irgendeinem Grund "ausgerastet" sein im Kontext von geistiger Verwirrung oder konsumierter Überdosis einer Naturdroge, wodurch die Tat als Selbstschutzmaßnahme eines anderen Individuums oder einer Gruppe zu werten wäre. Drogenkonsum, z.B. Pilze, war im Paläolithikum vermutlich nicht nur im schamanistischen Kontext verbreitet, zudem fand man auf Neandertaler-Gräbern Spuren von Pflanzen mit psychotroper Wirkung, was für eine nicht unerhebliche Bedeutung des Drogenkonsums im Leben der Neandertaler spricht.

Cr-17 könnte auch aus dem schon genannten Grund geistiger Verwirrung "ausgerastet" sein, vielleicht hatte er einen psychopathologischen Defekt, warum auch immer.

Eifersucht, wie Ravenik meint, erscheint mir aus folgendem Grund als Erklärung unwahrscheinlich: Hätte es dieses Motiv schon in jenen Zeiten gegeben, dann hätten sicher viele Totschläge aus diesem Grund stattgefunden, und es müssten mehr Skelette gefunden worden sein, die Spuren lethaler Gewalteinwirkung aufweisen.

Aus den in Rede stehenden Funden auf "Clankriege" zu schließen, hat jedenfalls keine Basis in der Evidenz.

Auch nur entfernt gesicherte Anzeichen für "Kriege" oder systematische Gewalttaten gibt es für das Paläolithikum nicht. Erst ab dem 5. Jt. BCE (Talheim usw.) gibt es archäologische Indizien für systematische Gruppenaggressivität, wobei der Hintergrund der Gewalttätigkeiten nur hypothetisch zu erschließen ist. Man weiß ja nicht einmal genau, um wen es sich bei den Beteiligten handelt.

Von "Clankriegen" im Paläolithikum kann also dem Stand der Forschung nach null die Rede sein. Es gibt auch keine Höhlenzeichnungen mit solcher Motivik, was im Falle faktischer Kriege sehr verwunderlich wäre. Man fand zwar Höhlenkunst mit Kriegsmotivik, die aber aus viel späteren Zeiten datiert, d.h. dem Neolithikum (insbesondere um 8.000 BCE), allerdings ohne entsprechende Waffenfunde.
 
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Es überrascht, mit welcher Selbstverständlichkeit manche User, die sonst für Aussagen über das Paläolithikum absolut gesicherte Belege einfordern, ohne jede Spur von Evidenz betr. paläolithisches Kriegswesen über kriegerische "Clanhändel" oder über "Clankrieg" als Möglichkeit der Erklärung räsonnieren.

Dafür würde die Bestätigung, dass es sich bei der tödlichen interpersonellen Gewalt um einen Clankrieg handelte - die Antwort werden wir realistisch gesehen mangels sinnvoller Methoden dies zu ermitteln niemals erhalten - großmütterliche Theorienkartenhäuser umschmeißen, welche vom Verlust des matriarchalen Paradieses in dem Gewalt unbekannt war durch eine Patriarchalisierung der vormals matriarchalen Gesellschaft seit dem Neolithikum ausgehen. Ist das vielleicht auch der Grund für die etwas überzogene Reaktion auf die tatsächlichen Äußerungen in diesem Thread?
 
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Es überrascht, mit welcher Selbstverständlichkeit manche User, die sonst für Aussagen über das Paläolithikum absolut gesicherte Belege einfordern, ohne jede Spur von Evidenz betr. paläolithisches Kriegswesen über kriegerische "Clanhändel" oder über "Clankrieg" als Möglichkeit der Erklärung räsonnieren.
(...)
Von "Clankriegen" im Paläolithikum kann also dem Stand der Forschung nach null die Rede sein.
...es tut mir sehr leid, dass die Gazetten Überschriften wie "erstes Mordopfer" publiziert haben :winke:
Mit Sicherheit wird die seriöse Forschung ermitteln, dass dort Urmutter Gaia sich höchstselbst manifestierte und einen Rüpel, der neanderthalische Macho-Sprüche vom Stapel ließ, per Steinaxt maßregelte :D:D
 
@ Chan:
Ich glaube, meine Formulierung "Denkbar ist wohl alles, von Eifersuchtsmord bis zu Clankrieg." sollte wohl hinreichend deutlich gemacht haben, dass jeder beliebige Hintergrund denkbar wäre, man aber nicht mehr als spekulieren kann. Ich wollte damit gar nicht explizit einen Eifersuchtsmord oder Clankrieg ins Spiel bringen, sondern nur die journalistische Aufmachung vom "Mord" ins Reich der Spekulation verweisen.

Zu den Clankriegen verweise ich aber darauf, dass es bei unseren nahen Verwandten, den Schimpansen, auch zu kriegsähnlichen Aktivitäten zwischen Angehörigen verschiedener Gruppen kommt. Insofern ist die Vorstellung doch wohl nicht komplett abwegig, dass ein Hang zum Kriegerischen bereits bei unseren letzten gemeinsamen Vorfahren bestanden haben könnte und dann auch in der langen Entwicklung zum Menschen erhalten blieb. Aber natürlich ist das nur Spekulation. Das ist Deine abenteuerliche Geschichte von Notwehr gegen einen im Drogenrausch Ausgeflippten aber erst recht. Wie viele Höhlenzeichnungen gibt es übrigens von Drogenkonsum oder ausflippenden Konsumenten? Höhlenmalereien hatten aber auch gar nicht die Funktion, umfassend den Alltag der Frühmenschen zu dokumentieren.

Warum Du Eifersucht so dezidiert ausschließt, verstehe ich nicht. Dass es auch im Tierreich bei vielen Arten zwischen Männchen zu gewaltsamen Konflikten um Weibchen kommt, dürfte bekannt sein. Das ist zwar keine "Eifersucht" im menschlichen Sinn, die Eifersucht hat aber letztlich vergleichbare Wurzeln: den Wunsch, einen bestimmten Artgenossen (u. a. sexuell) exklusiv für sich zu haben. Somit finde ich auch hier die Vorstellung nicht völlig abwegig, dass es auch unter unseren Vorfahren zu Balzrivalitäten gekommen sein könnte und, sobald der Mensch in der Evolution den nötigen geistigen Bewusstseinsgrad entwickelte, um Eifersucht im menschlichen Sinne empfinden zu können, Eifersucht aufgetreten sein könnte. Aber ja, das ist natürlich nur Spekulation.
 
Somit finde ich auch hier die Vorstellung nicht völlig abwegig, dass es auch unter unseren Vorfahren zu Balzrivalitäten gekommen sein könnte
Die Balzrivalitäten unter Männchen enden bei Säugetieren selten tödlich (wenn, dann eher als "Restrisiko"). Es geht eher darum, Dominanz zu demonstrieren, denn das beeindruckt die Weibchen. Bei Pferden z. B. ist das Aufbäumen der Hengste zwar beeindruckend, aber nicht tödlich für den Rivalen; der (Schau-)Kampf wird mit den Vorderbeinen ausgetragen, wo Pferde nicht viel Kraft haben, denn das Ziel ist es lediglich, den Rivalen mit den Vorderbeinen einknicken zu lassen und ihn somit zu einer symbolischen Demutsgeste zu veranlassen. Es geht dabei ja auch - evolutionär - nicht um etwas wirklich Wichtiges, nur darum, wer die dickste Stute kriegt.

Mit den sehr kräftigen - und damit potenziell tödlichen - Hinterbeinen kämpfen nur den Stuten, aber da geht es ja auch um etwas Wichtiges, nämlich um die Nachkommen, also um Leben und Tod.

Allerdings : Nach Konrad Lorenz ist der Mensch als einer der wenigen Arten (neben den Ratten) in der Lage, einen Artgenossen willentlich zu töten. Er führt das darauf zurück, dass wir nicht-körpereigene Waffen herstellen können, für die uns eine instinktive Tötungshemmung fehlt. Vielleicht war Cr-17 ja auch ein Opfer dieses "Fortschritts" in der Waffentechnik.
 
Das "willentliche" Töten eines Artgenossen wird bei Tieren schon deswegen nicht vorkommen, weil sie (mit vielleicht wenigen Ausnahmen wie höheren Primaten) nicht in der Lage sind, einen bewussten Vorsatz zu bilden. Gezielte Tötungshandlungen gegenüber Artgenossen sind aber durchaus verbreitet. Schimpansen habe ich ja schon erwähnt. Aber auch Infantizid und Kannibalismus ist bei vielen Tierarten zu finden.
 
Da gibt es durchaus auch andere Meinungen zu. Z.B. will ein Park Ranger im Yosemite beobachtet haben, wie ein Schwarzbär einen Artgenossen gezielt in den Autoverkehr gejagt hat. Und auch dem Großen Tümmler wird nachgesagt, dass er Schweinswale aus Spaß tötet. Dabei lächeln Delphine doch immer soooo sympathisch.
Die Frage ist natürlich ob die Interpretationen solcher Beobachtungen korrekt sind. Beim Schimpansen gilt es aber als sicher, dass er mit Absicht tötet.
 
Wenn ein Löwe den Nachwuchs des Rudels, welches er gerade übernimmt, massakriert dann kann man durchaus von einer zielgerichteten Tötung ausgehen.
Ob Konflikte bis zum Tod ausgetragen werden hängt einfach davon ab, ob es sich lohnt- sprich, fördert es die Verbreitung des eigenen Erbguts. Spieltheoretisch sind solche Szenarien anschaulich untersucht und die Tierwelt bietet genug Beispiele für jede Variation.
 
Löwenmännchen entscheiden allerdings nicht, die Jungen des aus dem Rudel vertriebenen Vorgängers zu töten, sie sind darauf "programmiert".
 
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