Bestattung

muchacho

Mitglied
Hallo,
welche Funktion hat die Bestattung?Ohne Grabbeigaben muss das nicht ein Zeichen vom Glauben an Leben nach dem tot sein. Ich denke, dass es zuerst das Begraben von Toten gab und erst danach die Vernüpfung mit der Religion. Gibt es eine plausible Theorie, die erklären würde, warum Mensch überhaupt die Toten begraben?
 
welche Funktion hat die Bestattung? [...] Ich denke, dass es zuerst das Begraben von Toten gab und erst danach die Vernüpfung mit der Religion. Gibt es eine plausible Theorie, die erklären würde, warum Mensch überhaupt die Toten begraben?

Die Bestattung könnte man als Abschiedsritual ansehen. Man schützt so außerdem den geliebten Menschen vor Aasfressern.
 
Die Bestattung könnte man als Abschiedsritual ansehen. Man schützt so außerdem den geliebten Menschen vor Aasfressern.

Auch wenn das lapidar klingt, gibt es einen über alle Zeiten wesentlichen Grund der Bestattung kurz und präzise an.

Damit sollte die Diskussion aber nicht beendet sein, denn es gab Kulturwandel bei den Bestattungsformen und Ritualen.
Da Gräberreste zu den häufigsten Artefakten gehören, lohnt es sich mE über die, der jeweiligen Bestattungsart, zugrundeliegenden Vorstellungen zu spekulieren.
Ein anschauliches Beispiel sind für mich die entfleischten Gebeine, die sekundär unter den Schlafpodesten in den Wohnräumen der Familie in Catal Höyük untergebracht wurden, beerdigt wäre dabei nicht das richtige Wort.
 
Ich denke mal, dass wir Menschen zwischen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unterscheiden können, was nicht so ganz unwichtig ist.So gesehen, geräten die Toten nicht automatisch in Vergessenheit wie bei anderen Tierarten. Ich habe Bestattungen teilweise bei Elefanten beobachtet. Wenn sie einen toten Elefanten finden, dann versuchen sie seinen Leichnam zu bedecken. Das sagt schon etwas über die emotionale Bindung aus, das tun sie aber auch gegenüber fremden Elefanten, das kann ich mir dann nciht erlären:D Interessant wäre auch, wie der Kannibalismus unter den Menschen von damals mit den Bestattungen von Toten vereinbar sind.
 
Interessant wäre auch, wie der Kannibalismus unter den Menschen von damals mit den Bestattungen von Toten vereinbar sind.

Z.B. in dem man versucht, den Verstorbenen in der Gemeinschaft weiterleben zu lassen, in dem man ihn in sich aufnimmt. So etwas setzt natürlich voraus, dass man Körper und Geist/Seele/Animus/Wesen als von einander nicht zu trennende Komponenten des Menschen ansieht.
 
Ich denke folgende Gründe für eine Bestattung wären sicher denkbar:

- Emotionale Verarbeitung eines Verlustes durch ein Ritual
- Emotionale Verarbeitung eines Phänomens, das man nicht versteht, durch ein Ritual
- Den Leichnam an einer bestimmten Stelle begraben, damit man ihn quasi "besuchen" kann, wenn man hier wieder vorbeikommt
- Schutz des Toten vor Aasfessern
- Schutz seiner selbst vor Krankheiten
- Schutz seiner selbst vor Raubtieren, die durch den Kadaver angelockt werden
 
Ich denke folgende Gründe für eine Bestattung wären sicher denkbar:

- Emotionale Verarbeitung eines Verlustes durch ein Ritual
- Emotionale Verarbeitung eines Phänomens, das man nicht versteht, durch ein Ritual
- Den Leichnam an einer bestimmten Stelle begraben, damit man ihn quasi "besuchen" kann, wenn man hier wieder vorbeikommt
- Schutz des Toten vor Aasfessern
- Schutz seiner selbst vor Krankheiten
- Schutz seiner selbst vor Raubtieren, die durch den Kadaver angelockt werden
Sehr schön aufgeführt, das sind so die Gedanken, die mir durch den Kopf gehen.Ich denke, dass klimatisch gesehen jede Gruppe aus einem anderen Grund bestattet hat.Z.B., in heißen Gegenden geht die Verwesung sehr schnell voran und kann sehr viel Probleme verursachen, besonders wenn die Menschengruppe nicht weiterwandert.
 
Interessant wäre auch, wie der Kannibalismus unter den Menschen von damals mit den Bestattungen von Toten vereinbar sind.
Konkretisiere das doch mal bitte.
Kannibalismus ist vorgekommen, aber wann und wo interessiert.
 
Dazu müssten wir ersteinmal den Begriff "Kannibalen" auseinandernehmen. Kannibalismus kann einen Religiösen/Rituellen Hintergrund haben. Man hat Artgenossen oder deren Teile gefr/gessen um sich Ihre Kräft anzueignen, sie sich zu verinnerlichen und damit bei sich behalten, Körperteile von Feiden opfern, oder weiss der Kuckuck. Sowas in der Art.

In Zeiten von Hungersnöten kann es durchaus zu Kannibalismus kommen, doch glaube ich, dass 90% der Fälle wohl eher aus den oben beschriebenen Gründen vorkamen.

Daher wiederum vermute ich, dass man die (abgenagten) Knochen der womöglich Angehörigen nicht einfach weggeschmissen, sondern diese in jeweils üblicher Weise beigesetzt hat, nachdem die lieben Verwandten verputzt waren. Bei Kannibalismus gegenüber Feinden mag man sich freilich anders verhalten haben.
 
Dazu müssten wir ersteinmal den Begriff "Kannibalen" auseinandernehmen. Kannibalismus kann einen Religiösen/Rituellen Hintergrund haben. Man hat Artgenossen oder deren Teile gefr/gessen um sich Ihre Kräft anzueignen, sie sich zu verinnerlichen und damit bei sich behalten, Körperteile von Feiden opfern, oder weiss der Kuckuck. Sowas in der Art.

In Zeiten von Hungersnöten kann es durchaus zu Kannibalismus kommen, doch glaube ich, dass 90% der Fälle wohl eher aus den oben beschriebenen Gründen vorkamen.

Über Zahlen kann man nur spekulieren, ich würde bei mehr als 90% kultische / religiöse Gründe vermuten.
Diese Inkorporation von verehrten Ahnen oder gefürchteten Feinden würde ich nicht als Kannibalismus bezeichnen.

Daher wiederum vermute ich, dass man die (abgenagten) Knochen der womöglich Angehörigen nicht einfach weggeschmissen, sondern diese in jeweils üblicher Weise beigesetzt hat, nachdem die lieben Verwandten verputzt waren. Bei Kannibalismus gegenüber Feinden mag man sich freilich anders verhalten haben.
Wir sollten den echten Kannibalismus aus dem Bestattungsthema raushalten.
 
hab ich doch, sofern du den kannibalismus rein zur nahrungsaufnahme als "echten" bezeichnest
 
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Ich denke, es waren von Anfang an religiöse Gründe, die Menschen dazu gebracht haben, die Toten zu bestatten. Seitdem der Mensch über sich selbt reflektieren kann, fragt er sich, was mit ihm passiert, wenn er stirbt. Und da ist es höchst beruhigend, wenn er denkt, dass seine Seele weiterleben wird, und wenn er weiss, dass seine Angehörigen mit dem passenden Bestattungsritual seine Seele auf den richtigen Weg bringen. Bestattungen geben darüber hinaus die Möglichkeit, Trauer zu organisieren, was für die menschliche Psyche sehr wichtig ist.

Hygienische Gründe können es nicht sein, immerhin hat der Mensch die (teilweise reichlichen) Überreste seiner Mahlzeiten auch nicht entsorgt, sondern einfach am Lagerplatz rumliegen lassen.
Während der Mensch also schon längst über religiöses Denken verfügte und die Toten Angehörigen nicht einfach liegen ließ, hatte er weiterhin keine Probleme damit, inmitten von Leichen und Abfällen zu hausen.

Zu Bestattungen habe ich noch eine andere Frage. Warum finden Archäologen zahlreiche bestattete Skelette von Neandertalern in Europa, aber nix von den modernen Mensch aus gleicher Zeit?
Kann es sein, dass unsere Vorfahren ihre Toten verbrannt haben und wir deshalb keine Skelette finden? In einer Doku neulich spekulierte jemand, die Indianer Nordamerikas haben vor 12000 Jahren ihre Toten auf Bäume gehängt. o_O Das würde ebenfalls keine archäologisch verwertbaren Spuren hinterlassen. Ist diese Bestattungspraxis aus irgendwelchen Kulturkreisen bekannt?
 
In einer Doku neulich spekulierte jemand, die Indianer Nordamerikas haben vor 12000 Jahren ihre Toten auf Bäume gehängt. o_O Das würde ebenfalls keine archäologisch verwertbaren Spuren hinterlassen. Ist diese Bestattungspraxis aus irgendwelchen Kulturkreisen bekannt?


Klar. Meine Grossmutter hängt jeden Winter Futterbällchen für die Meisen in die Bäume, Überbleibsel einer uralten Tradition =)

Ne, im Ernst. Davon les ich zum ersten Mal. :grübel:
 
Zu Bestattungen habe ich noch eine andere Frage. Warum finden Archäologen zahlreiche bestattete Skelette von Neandertalern in Europa, aber nix von den modernen Mensch aus gleicher Zeit?

Ist das so? Welche Zeit meinst du?
Der moderne Mensch taucht etwa vor 35000 -40000 Jahren in Europa auf, davor gibt es Funde von "Neanderthalern" und einigen "archaischen" Sapiens, bei letzteren müßte ich nachlesen.

Kann es sein, dass unsere Vorfahren ihre Toten verbrannt haben und wir deshalb keine Skelette finden? In einer Doku neulich spekulierte jemand, die Indianer Nordamerikas haben vor 12000 Jahren ihre Toten auf Bäume gehängt. o_O Das würde ebenfalls keine archäologisch verwertbaren Spuren hinterlassen. Ist diese Bestattungspraxis aus irgendwelchen Kulturkreisen bekannt?
Die Luftbestattung gibt es sogar noch heute Dakhmah ? Wikipedia, und war im iranischen Raum vor dem Islam weit verbreitet.
Entfleischen durch Vögel etc und spätere Bestattung nur der Gebeine wurde schon im Neolithikum in Catal Höyük praktiziert.
 
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Ist das so? Welche Zeit meinst du?
Der moderne Mensch taucht etwa vor 35000 -40000 Jahren in Europa auf, davor gibt es Funde von "Neanderthalern" und einigen "archaischen" Sapiens, bei letzteren müßte ich nachlesen.
Diese Zeit meine ich. Ich lese immer wieder, dass Knochenfunde des modernen Sapiens aus dieser Zeit fehlen. Meine Quellen sind zumeist Artikel aus Spielge & Co., Spektrum der Wissenschaft usw. Das ein oder andere Fachbuch war aber auch schon dabei, die Titel habe ich leider nicht mehr parat.

Welcher Zeit sind die "archaischen" Sapiens zuzuordnen? Zur Einwanderung in Europa lese ich auch immer wieder 35000-40000, aber auch 50000-55000. Kann mir nicht erklären, wie das zusammenpasst und warum die Angaben so stark abweichen.

Danke für den Hinweis auf die Luftbestattungen. :)
 
Zur Einwanderung in Europa lese ich auch immer wieder 35000-40000, aber auch 50000-55000. Kann mir nicht erklären, wie das zusammenpasst und warum die Angaben so stark abweichen.
Sieh erst mal auf das Erscheinungsjahr deiner Quelle. Außerdem, sooo dramatisch finde ich die Differenz (geologisch gesehen) nicht - das Zeitfenster ist mit um 40000 ganz gut getroffen. Was da in Europa aus Südost und Ost einrückte, waren keine "archaischen Sapiens" (die musst du wohl noch 100000 Jahre weiter zurück in Afrika und später Palästina suchen), sondern Menschen wie du und ich.
 
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Möglicherweise halte ich jetzt unnötigerweise einen Vortrag, aber vielleicht hilft es auch evtl. vorhandene Begriffs- und Zeitverwirrung zu klären.

Stand der Forschung ist wohl im Moment:
Die ersten Menschen (homo erectus, bzw., homo heidelbergensis) scheinen wohl so um 1.000.000. v.Chr. Zentraleuropa betreten zu haben. Dies ist erstmal eine Vermutung aufgrund der verblüffend frühen Datierung von Homo erectus Funden in Georgien mit 1,8 Mio.

Spätere Fundorte des H.E. wären z.b. Mauern oder Weimar.

Dann folgen, (bzw. gleichzeitig mit spätem homo erectus) homo steinheimnensis (Steinheim). Wohl so um 400.000
Homo neanderthalensis entwickelt sich wohl ab 250.000 in Europa.
Bitte die Zahlen oder die Artbezeichnungen jetzt nicht auf die Goldwaage legen. Da ist die Forschung einfach laufend im Fluss, es gibt auch unterschiedliche Lehrmeinungen.

Homo sapiens sapiens´ Einwanderung zu datieren, wird z.Zt. stark diskutiert. Tatsächlich sind die ältesten Skelettfunde so um 35.000, allerdings datiert die Mobilkunst (Vogelherd) in Gestalt von Elfenbeingeschnitzten Tier- und Menschenfiguren deutliche früher, wobei zeitlich passende Homo sapiens sapiens-Funde fehlen.
Das führt jetzt im Fach zur Diskussion ob diese frühe Mobilkunst nicht dem Neandertaler zuzuordnen ist.
Es gibt also wirklich zwei Daten für das erste Auftauchen des modernen Menschen in Europa. Einmal eben das späte Datum, aufgrund der Skelette, einmal das frühe aufgrund der kulturellen Hinterlassenschaft.
Diese Zeitabschnitt zu diskutieren bzw. Beiträge zum Für und Wider der Zuordnung der Mobilkunst zu liefern ist m.E. hochkomplex, da es im Grunde um die korrekte Zuordnung von sehr schmalen Stratigraphien in Höhlen geht, zum andern eine Diskussion zu den (vermutlichen) Fähigkeiten des Neandertalers aber auch um eine echt verwickelte Diskussion in Sachen Erkenntnistheorie....

Da jedoch getreu dem Motto: „Die Abwesenheit eines Beweises ist nicht der Beweis der Abwesenheit“ für das Fehlen von Skeletten des HSS für den frühen Zeitraum sehr wohl eine Fundlücke angenommen werden kann, sind auch Gedanken in Richtung „Bestattung ohne arch. Hinterlassenschaft“ zulässig.
Baumbestattungen, flache Grabgruben (Eiszeit...), Verbrennung etc. sind denkbar und möglich.
Die verschiedenen Bestattungsformen der Vorgeschichte sind so vielfältig, dass m.E. keine einheitliche Theorie zu Sinn und Zweck von Bestattungen möglich ist.
Nach meiner Meinung steht vielleicht der würdige Umgang mit Verstorbenen und der Schutz der Leiche im Vordergrund. Glaubensvorstellungen mögen hinzu kommen, aber aus der Grab- bzw. Bestattungsform einen verwertbaren Rückschluss auf die Glaubensvorstellungen zu erzielen, halte ich letztlich nicht für möglich.

Just my two bones.

Thomas
 
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