Getreidenutzung vor 100.000 Jahren?

Arldwulf

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Steinzeitliches Müsli : Scienceticker – tagesaktuelle Nachrichten aus Wissenschaft und Forschung

Getreide steht sehr viel länger auf dem Speisezettel des Menschen als bislang angenommen. Zu diesem Schluss kommt ein kanadischer Archäologe nach Untersuchungen in einer ostafrikanischen Höhle. Dort gefundenen steinzeitlichen Werkzeugen haften winzige Stärkekörner an, von denen die meisten aus Hirsesamen stammen.

Was ich mich dabei gefragt habe ist:

Wie lange dauert es eigentlich Getreide zu domestizieren? Bisher bin ich immer davon ausgegangen das es sich hierbei um einen Zeitraum von "nur" einigen Jahrtausenden gehandelt habe.

Aber je weiter man in der Zeit zurück geht in der derartige Nahrungsmittel genutzt werden umso mehr stellt sich doch die Frage: Warum wurden die nicht viel früher domestiziert?
 
Wildgetreide als Nahrungspflanze muss doch nichts mit Domestikation zu tun haben, das hat man mit den potentiellen Beutetieren ja die längste Zeit auch nicht gemacht.

Im aktuellen Spiegel steht übrigens ein Artikel, dass es vielleicht nicht der Hunger, sondern der "Hang zum Suff" (Bierbrauen) war, der uns zu Ackerbauern machte.
 
Aber je weiter man in der Zeit zurück geht in der derartige Nahrungsmittel genutzt werden umso mehr stellt sich doch die Frage: Warum wurden die nicht viel früher domestiziert?

Weil Landwirtschaft eine Schweinearbeit darstellt; solange der Mensch sich diese Plackerei ersparen konnte hat er das auch getan. Erst als es keine Alternativen gab (weil das Jagdwild dezimiert war, oder die bisher wild gesammelten Körner, Früchte etc. nicht mehr reichten) konnte sich so was Ineffizientes wie Landwirtschaft durchsetzen.

Oder als der Entzug zu stark wurde, wie gerade wieder einige Wissenschaftler darlegten. (Ob nach ein, zwei Klaren ist bisher noch nicht verifiziert, aber es wird dran gearbeitet... ;)).
 
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Was ich mich dabei gefragt habe ist:

Wie lange dauert es eigentlich Getreide zu domestizieren? Bisher bin ich immer davon ausgegangen das es sich hierbei um einen Zeitraum von "nur" einigen Jahrtausenden gehandelt habe.

Aber je weiter man in der Zeit zurück geht in der derartige Nahrungsmittel genutzt werden umso mehr stellt sich doch die Frage: Warum wurden die nicht viel früher domestiziert?

In GRIN - Gab es eine Kultivierung von Getreide im Epipaläolithikum? - Hauptseminararbeit* sind Sammeln-Kultivieren-Domestikation-Ackerbau gut erklärt.
Die Phase Sammeln mit sehr fließendem Übergang zum Kultivieren könnte bes. in Afrika lang gewesen sein und teilweise unmittelbar zu Garten- Acker- oder Hackfruchtbau übergegangen sein.
Domestikation bedeutet ja nur, dass die Wildpflanzen durch das Zutun der Menschen ihre Eigenschaften verändern. Bei vielen Getreidearten wurde anfangs zufällig auf das Halten der Körner an der Ähre und Größe/Anzahl der Körner ausgelesen.
Bei den Sorghumarten, die einen kräftigen Stengel haben, dauerte diese Selektion möglicherweise länger. Geschichte Afrikas - Google Bcher

Grassamen sind jedenfalls gut geeignet, um Vorräte für schlechte Zeiten anzulegen und um die wertvollen Körner vor Schädlingen zu schützen, sind keramische Gefäße nützlich, das hat man in Afrika relativ früh erkannt. http://www.snf.ch/SiteCollectionDocuments/horizonte/69_09_10_11_12_d.pdf

Es gab mehr als einen Weg zur Landwirtschaft, mit unterschiedlichen Ergebnissen Entstehungsgebiete
 
Es gab mehr als einen Weg zur Landwirtschaft, mit unterschiedlichen Ergebnissen Entstehungsgebiete

Gestern nacht habe ich den Link nur oberflächlich angesehen.
Eben habe ich mich weiter durchgeklickt und finde viele Zusammenhänge gut und verständlich erklärt. Auf strittige Punkte wird hingewiesen, auch wenn die "Ökointention" mehr als deutlich ist.

Auf einen Punkt weist der Seitenbetreiber auch für Afrika hin, nämlich auf die Förderung von Gräsern durch Brände und Megafauna. In Australien wurde Feuer von Menschen bewußt eingesetzt, da fehlten aber auch die Weidetiere, die den Wald in Schach hielten.
Er vermutet sogar, dass der südamerikanische Amazonasregenwald sich erst in der heutigen Form bilden konnte, seit Menschen ihn relativ in Ruhe lassen. Ein interessanter Gedanke, der beim Getreide leider OT ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Phase Sammeln mit sehr fließendem Übergang zum Kultivieren könnte bes. in Afrika lang gewesen sein und teilweise unmittelbar zu Garten- Acker- oder Hackfruchtbau übergegangen sein.

Gerade bei diesem fliessendem Übergang frage ich mich immer ein wenig ob es nicht eine wesentliche Selbstdomestikation gegeben haben muss.

Um ein simples Beispiel zu machen:

Menschen gehen auf eine Reise, als Proviant nehmen sie gesammelte Früchte, Körner und Wurzeln mit, vielleicht irgendwann auch ein paar gefangene Jungen von Wildtieren.

Und während der Reise hinterlassen sie etwas davon. Körner fallen zu Boden, Fruchtkerne werden ausgespuckt und Jungtiere entkommen. Ähnlich funktioniert dies ja auch bei der normalen Verbreitung von Früchten über Tiere welche diese essen und die Kerne ausscheiden.

Was im Umfeld des Menschen zu einer Verbreitung von Lebensformen führen sollte die diesem von Nutzen sind. Je länger die Nutzung dann andauert, und je weiter die Menschen wandern umso warscheinlicher wäre eine solche Verbreitung weitreichend.

Und für die Pflanzen wäre es eine Form der Selektion - nur diejenigen welche mitgenommen werden verbreiten sich.

Interessant ist das ganze ja auch bezüglich Vorformen der Kultivierung. Ähnlich den Buschbränden der australischen Ureinwohner, welche durch Düngung den Boden verbessern. Aber es könnte auch direktere kulturelle Aussagen gegeben haben, ala: "siedle in der Nähe von Ähren, dort ist gutes Land mit reichem Wild" die sich dann weiterentwickelt haben ("Gib dem Boden Ähren, dann wird es gutes Land mit reichem Wild")
 
Zuletzt bearbeitet:
Domestikation bedeutet aber nicht, dass der Mensch die Organismen mitnimmt und verbreitet. Das passiert auch durch Tiere mit manchen Pflanzem (z.B. Kletten).
Entscheidend ist die bewusste Auslese und bewusste Anpflanzung der selektierten nächsten Generation. Das ist in der Altsteinzeit ganz bestimmt noch nicht passiert.

Die Sentinelesen, ein isoliertes Naturvolk auf den Andamanen, schätzen Kokosnüsse sehr. Es gibt aber dort keine Kokospalmen. Kann nur heißen, sie nutzen die angespülten Nüsse sofort und sind bisher nicht auf die Idee gekommen, diese lieber anzupflanzen oder keimen zu lassen. Ich hatte dazu mal was verlinkt.
http://www.geschichtsforum.de/f25/die-letzten-total-isolierten-menschen-23720/
 
Gerade bei diesem fliessendem Übergang frage ich mich immer ein wenig ob es nicht eine wesentliche Selbstdomestikation gegeben haben muss.

Um ein simples Beispiel zu machen:

Menschen gehen auf eine Reise, als Proviant nehmen sie gesammelte Früchte, Körner und Wurzeln mit, vielleicht irgendwann auch ein paar gefangene Jungen von Wildtieren.

Und während der Reise hinterlassen sie etwas davon. Körner fallen zu Boden, Fruchtkerne werden ausgespuckt und Jungtiere entkommen. Ähnlich funktioniert dies ja auch bei der normalen Verbreitung von Früchten über Tiere welche diese essen und die Kerne ausscheiden.

Was im Umfeld des Menschen zu einer Verbreitung von Lebensformen führen sollte die diesem von Nutzen sind. Je länger die Nutzung dann andauert, und je weiter die Menschen wandern umso warscheinlicher wäre eine solche Verbreitung weitreichend.

Und für die Pflanzen wäre es eine Form der Selektion - nur diejenigen welche mitgenommen werden verbreiten sich.

Interessant ist das ganze ja auch bezüglich Vorformen der Kultivierung. Ähnlich den Buschbränden der australischen Ureinwohner, welche durch Düngung den Boden verbessern. Aber es könnte auch direktere kulturelle Aussagen gegeben haben, ala: "siedle in der Nähe von Ähren, dort ist gutes Land mit reichem Wild" die sich dann weiterentwickelt haben ("Gib dem Boden Ähren, dann wird es gutes Land mit reichem Wild")

Vorformen der Kultivierung ist ein sehr spannendes Thema.
Durch die Bezeichnung "Neolithische Revolution" wird uns das Bild einer Erfindung suggeriert, vorher schlichtes Jagen und Sammeln, dann plötzlich Ackerbau.
In den Gebieten, in denen die produzierende Wirtschaftsweise entstand, war es mit Sicherheit eine lange Entwicklung, die jeweils unterschiedlich verlief, je nach Ausgangsbedingungen. Selbst in Gebieten wie Europa, wo zumindest die Idee von anderen übernommen wurde, mussten bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, um die Wirtschaftsform zu wechseln.

Die Menschen müssen schon in Afrika, wo wir am längsten lebten, auf den Geschmack von Grassamen und Körnern gekommen sein, sie gehörten wie Früchte und Wurzeln zum Sammelgut, die Körner mit Steinen zu zerkleinern/mahlen und zu erhitzen machte sie besser verdaulich.

Sammler merken sich ihre besten Fundplätze und wenn dort nicht eßbare Konkurrenzpflanzen (Unkräuter) die geschätzten Gräser bedrängten, werden sie diese ausgerissen haben. Jäten und Hacken halte ich für die ersten gärtnerischen Maßnahmen, damit trifft der Mensch die Pflanzenauswahl und fördert deren Wachstum.
 
Domestikation bedeutet aber nicht, dass der Mensch die Organismen mitnimmt und verbreitet. Das passiert auch durch Tiere mit manchen Pflanzem (z.B. Kletten).
Entscheidend ist die bewusste Auslese und bewusste Anpflanzung der selektierten nächsten Generation. Das ist in der Altsteinzeit ganz bestimmt noch nicht passiert.

Ich würde bes. in der Anfangsphase auf eine unbewußte Domestikation setzen und so meinte @Aridwulf vielleicht auch die Selbstdomestikation.
Es ist beim Getreide aus Gräsern vielleicht ähnlich wie bei Hund aus Wolf, die Gräser konnten sich umso besser verbreiten, je mehr ihnen erst Megafauna, Brände und dann zunehmende Menschenbevölkerung die lästigen Bäume und Büsche vom "Leib hielt".
 
Vorformen der Kultivierung ist ein sehr spannendes Thema.
Durch die Bezeichnung "Neolithische Revolution" wird uns das Bild einer Erfindung suggeriert, vorher schlichtes Jagen und Sammeln, dann plötzlich Ackerbau.
In den Gebieten, in denen die produzierende Wirtschaftsweise entstand, war es mit Sicherheit eine lange Entwicklung, die jeweils unterschiedlich verlief ...
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Sammler merken sich ihre besten Fundplätze und wenn dort nicht eßbare Konkurrenzpflanzen (Unkräuter) die geschätzten Gräser bedrängten, werden sie diese ausgerissen haben. Jäten und Hacken halte ich für die ersten gärtnerischen Maßnahmen, damit trifft der Mensch die Pflanzenauswahl und fördert deren Wachstum.

sehe ich auch so. die gezielte selektion von pflanzenindividuen mit bestimmten merkmalen, ob knolle oder grassame, ihre aufhebung für aussaht (trotz hunger), selbst die entdeckung der effekte einer bodenbearbeitung erfordern zeit, beständigkeit in der beobachtung von zusammenhängen und irgendwann gezielte, beständig werdende arbeit, erfahrungsüberlieferung.
das setzt wiederum ein längeres verweilen an ort und stelle voraus ebenso wie die not, diese arbeit zu verrichten, die ja keine sinekure ist. denke, dass grade für längere zeit klimatisch ungünstige situationen und die oasis-rolle von flüssen und seen, die weiträumig mit sehr trockenen gebieten umgeben waren, diese notlage und zwang vor ca. 100000 jahren in südostafrika schafften (leider nur spiegel-artikel):

Klimakatastrophe in Afrika: Dürre rottete beinahe die Menschheit aus - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Wissenschaft


grüsse
 
Ich würde bes. in der Anfangsphase auf eine unbewußte Domestikation setzen und so meinte @Aridwulf vielleicht auch die Selbstdomestikation.
Es ist beim Getreide aus Gräsern vielleicht ähnlich wie bei Hund aus Wolf, die Gräser konnten sich umso besser verbreiten, je mehr ihnen erst Megafauna, Brände und dann zunehmende Menschenbevölkerung die lästigen Bäume und Büsche vom "Leib hielt".

Ja, genau betrachtet habe ich diesen Begriff bei der Entstehung des Hundes geklaut. Dort gab es mal einen Artikel über eine Art Selbstdomestikation die man beim Wolf vermutet hat. Wilde Wölfe gewöhnten sich gemäss der dort genannten Theorie an in der Nähe von Menschen zu leben und veränderten sich über diese veränderte Lebensweise bereits als Vorform der dann echten Domestikation.

So war es auch bezüglich Pflanzen gemeint. Bevor diese gezielt gezüchtet wurden hat der Mensch seine Umwelt vielleicht schon verändert gehabt und einzelne, für ihn nützliche Pflanzen gefördert und verbreitet.
 
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