Hoch zu Ross?

Ilhuicamina

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Ich habe mir vor einigen Tagen das Buch "Tatort Eulau" gekauft, in dem ein Massaker an Angehörigen der Schnurkeramikkultur beschrieben wird, das vor ca. 4500 stattgefunden hat. In dem Buch ist mir eine Nebensache aufgestossen: die Autoren glaubten anfänglich, dass Angehörige der Glockenbecherkultur die Täter gewesen waren und stellten die auch etwas detaillierter vor, z.T. hoch zu Ross, eine Streitaxt schwingend! (Ob der/die Reiter Steigbügel hatten, konnte ich auf den Bildern leider nicht sehen!)

Bei Keegan und Ferrill habe ich gelesen, dass zuerst die Assyrer ca. 800-900 B.C. das Pferd als Reittier verwendet haben, also sehr viel später als Eulau. Daher meine Fragen: Gibt es wirklich Hinweise darauf, dass Glockenbecherleute oder Schnurkeramikleute mehr als 1000 Jahre vor den Assyrern das Pferd zum Reiten verwendet haben? Und dann, gibt es Hinweise, dass die Erfindung des Reitens mehrmals und unabhängig voneinander gemacht worden ist?
 
Steigbügel wären aber ein ziemlich großer Fauxpas, die wurden im 3. Jhdt. v. Chr. erstmals von den Skythen verwendet (zumindest eine Vorstufe davon). Nur als Anmerkung, weils mir auffiel...

Nun ja, das war eher ironisch von mir gemeint. Mir kamen diese reitenden Glockenbecherleute 2500 B.C. so hanebüchen vor, mal vom Bauchgefühl her, dass ich es den Autoren zugetraut hätte, die Gäule auch mit Steigbügeln zu versehen. Sorry!
 
Hm interessante Frage, ich habe dazu folgendes gefunden:

Archologie - Die ersten Reiter der Welt - Wissen - sueddeutsche.de

Kann das aber nicht überprüfen............

Das paper in Science kenn ich, aber das sagt über das Pferd als Reittier auch nichts aus, nur über die Domestizierung des Pferds. Konsensus scheint zu sein, dass das Pferd zuerst als Zugtier, auch für Streitwagen eingesetzt wurde, und erst später als Reittier, als stärkere "Rassen" gezüchtet wurden, die einen Reiter überhaupt tragen konnten. Und das sollen nach Keegan/Ferrill erst die Assyrer geschafft haben, und nicht die Glockenbecherleute.
 
Nun ja, das war eher ironisch von mir gemeint. Mir kamen diese reitenden Glockenbecherleute 2500 B.C. so hanebüchen vor, mal vom Bauchgefühl her, dass ich es den Autoren zugetraut hätte, die Gäule auch mit Steigbügeln zu versehen. Sorry!

Du musst dich doch nicht entschuldigen, Sarkasmus kommt geschrieben einfach nicht gut rüber... :S
 
Das paper in Science kenn ich, aber das sagt über das Pferd als Reittier auch nichts aus, nur über die Domestizierung des Pferds. Konsensus scheint zu sein, dass das Pferd zuerst als Zugtier, auch für Streitwagen eingesetzt wurde, und erst später als Reittier, als stärkere "Rassen" gezüchtet wurden, die einen Reiter überhaupt tragen konnten. Und das sollen nach Keegan/Ferrill erst die Assyrer geschafft haben, und nicht die Glockenbecherleute.
Ich formuliere es einmal so: Die Assyrer scheinen die ersten gewesen zu sein, bei denen der Einsatz von Kavallerie nachweisbar ist, weil sie ihn auf Reliefs dargestellt haben. Inwiefern zentralasiatische Nomaden schon früher berittene Krieger verwendet haben, lässt sich wohl schwer feststellen.
 
Nun, da es Wildpferde , und nach der letzten Doku auf ZDF ff. auch die Wildpferde, die Stammtiere unserer heutigen Rassen, heute noch gibt, einmal das Exmoor -Pony und dann das Kaspische Pferd, das erste ein Kaltblut, das andere ein Vollblut, brauchten die Assyrer keine "starken" Pferdferassen züchten. Beide sind kräftig genug, einen nicht zuuuu hünenhaften Reiter zu tragen. Und das Exmoor schafft so gar so was wie KdG.
Und das "Dülmener Wildpferd", ein kleines Hauspferd, springt auch mit einem 1,80 Mann normaler Statur über 80cm Hindernisse. Da es die 2 Reitarten ,-einmal "Kalt/Warmblut mit 5 Gängen und Vollblut mit 3 Gängen-, gibt, ist zu vermuten, das Reiten wohl mehr als einmal erfunden wurde.
 
Konsensus scheint zu sein, dass das Pferd zuerst als Zugtier, auch für Streitwagen eingesetzt wurde, und erst später als Reittier, als stärkere "Rassen" gezüchtet wurden, die einen Reiter überhaupt tragen konnten. .

Den frühesten Beleg für Pferde und Streitwagen stellt m.W. die Standarte von Ur dar:

Standarte von Ur ? Wikipedia

Die Kassiten sollen das Reiten in Mesopotamien eingeführt haben, vielleicht erinnere ich aber auch falsch. Die entsprechende Stelle kann ich noch nachschlagen.
 
Ja, bitte, das würde mich interessieren, vor allem, ob es sich tatsächlich um berittene Krieger handelte, und wenn ja, wie das gehandhabt wurde. (Die Assyrer handhabten ihre Kavallerie anfangs nämlich noch ausgesprochen umständlich: Zu jedem Reiterkrieger gehörte ein weiterer Reiter, der sein eigenes Pferd und das seines kämpfenden Kameraden lenkte.)
 
Dass Pferdenamen und Farbbezeichnungen für Pferde zu den wenigen Zeugnissen des Kassitischen gehören, die in dem Babylonischen erhalten wurden, war die Stelle gewesen (Edzard, Beck 2004).
Nach Edzard sollen Hurriter und Kassiten den Streitwagen eingeführt haben, er merkt auch an, dass es sich dabei aber wohl um eine global-vorderasiatische Entwicklung gehandelt habe.
Bei Jursa (Beck 2008) sollen die Hurriter die Streitwagen eingeführt haben.

Da das im Widerspruch zur Ur III Standarte steht, habe noch mal recherchiert:

"Das Pferd als Reittierwird in in Mesopotamien seit dem 3. Jht. v. Chr. gelegentlich dargestellt. Aber erst im 2. Jht. v. Chr. hat es größere Bedeutung gewonnen. [...]"

Wohl vor allem auf Siegeln, auch Terrakotten, aber immer noch selten.

Wissenschaftliche Veröffentlichung ... - Deutsche Orient Gesellschaft, Evelyn Klengel-Brandt, Nadja Cholidis - Google Bücher

Erst in der Eisenzeit habe das Reiten im täglichen Leben zugenommen, was durch die zunehmenden Bedeutung während neuassyrischer Feldzüge und Reliefdarstellungen gezeigt werde.
Da gibt es auch eine Fußnote, die für die Reliefs auf Barthel hinweist.

Ich habe noch in den Amarna-Briefen einen Hinweis gefunden:

"Mir und meinem Haus und meinem Pferd und meinen Wagen ... ist in hohem Grade Wohlbefinden."

Es scheint sich hierbei um eine Grußformel zu handeln, da Burna-Burias II. (1359-1333) Amenophis IV. dasselbe Glück für dessen Vierbeiner wünscht.

Es ist doch auch in mehreren Briefen von Pferdelieferungen nach Ägypten die Rede. Ich habe die aber immer nur in Zusammenhang mit Gespannen gefunden.

Die El-Amarna-Tafeln, mit Einleitung und Erläuterungen : Knudtzon, Jörgen A., 1854- : Free Download & Streaming : Internet Archive

EDIT:
Einige Reliefs sind auch bei Amiet (Kunst d. Alten Orients, Herder) abgebildet.
Löwenjagd. Palast des Assurbanipals. Ninive

Ein Beispiel aus dem Netz

EDITEDIT: Ein, zwei Pferdedarstellungen habe ich auch noch in meinem Rollsiegelfundus gefunden.
 
Zuletzt bearbeitet:
irgendwie kriege ich da was nicht zusammen. Gezähmte Pferde gibts nach den Beschreibungen im Netz seit ~2500 v. Chr. Sowohl in Europa als auch Vorderasien.

Die Rassen der reitbaren "Wildpferde" sind die leichten kaspischen Pferde und die vergleichsweise schweren "Tarpane". Die letzteren sind scheinbar von der Mongolei bis Großbrittannien / Portugal nachgewiesen. Die Bilder oben zeigen kaspische Pferde. Warum dann das Reiten in der Region dieser Pferde erfunden sein soll?????

Dann zur "Kavallerie"
Die Erfinder der Kavallerie müssen nicht die Erfinder des Reitens sein.
 
Nun, da es Wildpferde , und nach der letzten Doku auf ZDF ff. auch die Wildpferde, die Stammtiere unserer heutigen Rassen, heute noch gibt, einmal das Exmoor -Pony und dann das Kaspische Pferd, das erste ein Kaltblut, das andere ein Vollblut, brauchten die Assyrer keine "starken" Pferdferassen züchten. Beide sind kräftig genug, einen nicht zuuuu hünenhaften Reiter zu tragen. Und das Exmoor schafft so gar so was wie KdG.
Und das "Dülmener Wildpferd", ein kleines Hauspferd, springt auch mit einem 1,80 Mann normaler Statur über 80cm Hindernisse. Da es die 2 Reitarten ,-einmal "Kalt/Warmblut mit 5 Gängen und Vollblut mit 3 Gängen-, gibt, ist zu vermuten, das Reiten wohl mehr als einmal erfunden wurde.

Aber diese Wildpferde sind doch allesamt keine "echten" Wildpferde sondern nur verwilderte ehemalige Haustierrassen.
 
@wsjr:
nein, eben nicht. Zumindest beim Exmoor sind sich einige Forscher wohl sicher, das es vom Stammvater der Kaltblüter abstammt als Wildpferd. Auch die Wildpferde Portugals sollen zum großen Teil von Wildpferden abstammen.
Nun sind 2-3 tausend jahre natürlich ne lange Zeit, in etwa 800-1000 Generationen, in denen sich die Umwelt und auch die Wildpferde verändern können. Aber das Exmoor soll sich im Knochenbau nicht von den Wildpferden davor unterscheiden. Es scheint sich um eine "Spielart" unseres ursprünglichen Wildpferds zu handeln. 6 Gangarten im Unterschied zum modernen Warmblut/Vollblut mit 3.
Also nicht nur Schritt/Trab /Galopp sondern
Schritt/Tölt/Trab/Pass/Rennpass/Galopp. Und die sind scheinbar nicht von Menschen auf die Insel gebracht worden.

Das Przswalski Pferd ist übrigens kein Vorfahr unserer Pferde, der Gensatz hat eine andere Zahl.
 
Die Bilder oben zeigen kaspische Pferde. Warum dann das Reiten in der Region dieser Pferde erfunden sein soll?????

Verzeih wenn ich das mißverständlich ausgedrückt habe, aber das habe ich nie behauptet.
Ich hatte lediglich die oben genannte Stelle bei Edzard falsch erinnert, was ich im folgenden Beitrag richtigstellen wollte. Im Gegenteil, meine Annahme, mit der Einwanderung der Kassiten sei auch das Reiten in Mesopotamien bekannt geworden, spricht gegen ein "Erfinden" der Reitkunst in Mesopotamien. Aber das war ja, wie gesagt, sowieso falsch erinnert.

Meine Idee, die Aussage, dass die Domestizierung von Pferden sich schon vor der Eisenzeit anhand von Darstellungen in der Kunst belegen lässt, mit ein paar Rollsiegeln zu illustrieren, hat offenbar ebenfalls nicht zur Wahrheitsfindung beigetragen.

Der Ursprung domestizierter Equiden in Mesopotamien wird übrigens im heutigen Iran vermutet. Erste Textbelege stammen aus der neusumerischen Zeit, davor seien Onager vor die Streitwagen gespannt worden. (Um solche wird es sich wohl dann auch bei der Standarte oben und anderen Kunstobjekten handeln). Das sumerische Wort für Pferd ist ein Lehnwort aus dem Elamischen.

Demnach gab es den Streitwagen vor dem Pferd, das in neusumerischer Zeit in Mesopotamien bekannt wurde. Es wird dann wohl zunächst die Onager ersetzt haben, denen sie "überlegen" gewesen seien und deren Haltung nun "unrentabel" geworden sei. Bis sich die Reitkunst zu Kriegszwecken durchgesetzt hat, ist dann wohl einige Zeit vergangen, sodass man sicher von berittenen Kriegern erst in der Eisenzeit sprechen kann.

Übrigens fand ich Raveniks Hinweis darauf, dass es einen Unterschied macht, auf einem Pferd zu reiten oder von diesem aus zu kämpfen, recht hilfreich, so ich ihn denn richtig verstanden habe. Anders lässt sich nicht erklären, dass es schon aus dem 3. Jht. Darstellungen von Streitwagen gibt, berittene Krieger sich aber offenbar nicht oder nicht ausreichend für diese Zeit belegen lassen. So zumindest für Mesopotamien.

Trotzdem vielen Dank, dass Du mich im Gegenzug für den per PN gesendeten Literaturhinweis und Link zu den Reitern bei dem Kurganvolk auf die Unzulänglichkeiten meines Beitrags hinweist.:winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
@ Wilfried

Da sind sich die Forscher nicht so einig. Untersuchungen an mtDNA und Y-Chromosom haben für das Exmoor-Pferd keine besonderen Ergebnisse gebracht, d.h., nach den derzeitigen Ergebnissen ist das Exmoor-Pferd nicht so ungewöhnlich. Das waren zwei Arbeiten, eine in Nature Genetics in 2004 (Y), die andere in (mtDNA) in PLoS ONE in 2010. Kennst Du neuere Arbeiten mit aDNA, die den "echten" Wildpferdstatus des Exmoore-Pferds bestätigen?

Ich habe mal kurz nachgesucht, so wie ich das verstehe, behauptet (nur) die Exmoor Pony Society, dass Exmoor-Pferde echte Wildpferde sein könnten. Aus Goodwin et al., 2008: " ...(a) it has been claimed that 12,000-year-old horse bones found in the nearby Mendip caves resemble modern Exmoor ponies (Exmoor Pony Society, 2007)."
 
Nun, den Wildpferdstatus wird man nicht bestimmen können und "reinrassige" Wildpferde können das auch nicht sein. Denn wenn die Kelten ihre Pferde mit nach England brachten, sind diese sicher auch gelegentlich verwildert und haben sich dann mit den heimischen Wildpferden vermischt. Die Angeln und Sachsen brachten ganz sicher ihre Pferde mit, hielten ihre Tiere in kleinen Gruppen auf offenen Weiden -> Hengste entlaufen, Stuten werden "fortgeführt", es bleibt ein sehr urtümliches Pferd mit Haustiereinschlag. Wobei in den "germanischen" Pferden auch ein Großteil "Tarpan" enthalten gewesen sein muß. Eine Belegung von frei auf der Weide lebenden Stuten durch einen Wildhengst ist nun mal schlecht zu vermeiden.
 
Eine Belegung von frei auf der Weide lebenden Stuten durch einen Wildhengst ist nun mal schlecht zu vermeiden.

Eher umgekehrt. Die Y-Chromosomen aller Pferderassen sind genetisch, soweit überprüft, identisch (mit Ausnahme einer Population in China). Das wird so interpretiert, dass nur sehr, sehr wenige Hengste (nur ein Stammvater?) für die Etablierung der heute bestehenden Pferderassen eingesetzt wurden.

Das ist ganz verständlich dargestellt in: Limited number of patrilines in horse domestication - Nature Genetics

Im Gegensatz dazu findet sich in der in der weiblichen Linie vererbten mtDNA eine ziemliche Variation, aber auch da fällt der Exmoore-Pferdeapfel nicht soweit vom (Pferde)Stamm. Langer Rede kurzer Sinn, nach den bisherigen Befunden ist das Exmoore-Pony nicht sehr verschieden von anderen mitteleuropäischen Pferderassen.
 
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na, wie denn auch???
Die Zucht weg vom Wildpferd hin zu großen Rassen gibts ja auch erst seit max 1000 Jahren oder 400-500 Generationen. Und in Polen hat es "Einkreuzungen" von "Wildpferden" in die Hauspferd -Population gegeben.

Hier ist ´s wohl ähnlich wie bei Hund und Katze, welche Wolfsrasse ist der Stammvater des Haushunds???? Und wieviel andere haben da "eingeheiratet", die als Wölfe den gleichen Stammvater hatten??

Wenn alle Pferde von einem Hengst abstammen, können das auch die Wildpferde gewesen sein, von denen die Hauspferde abstammen.
 
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