Ist die Missing-Link-Theorie noch aktuell?

systemlemming?

Neues Mitglied
Als Außenstehender dachte ich bislang, es wäre Usus, dass man den "Missing Link" vom Affen zum Menschen noch nicht gefunden hat, er aber existieren müsse. Nun stolperte ich über einen Artikel der Süddeutschen:
Es gibt kein "Missing Link"
... Über die Jahrmillionen wiederholte sich dieser Prozess, wobei zu jeder Zeit mehrere Ur-Menschen-Arten existiert haben dürften. Zuletzt war dies offenbar vor einigen zehntausend Jahren der Fall, als Homo sapiens und Homo neanderthalensis nebeneinander existierten.

Die Suche nach dem einen "Missing Link" war und ist deshalb vergeblich, und ob wir anhand von Fossilien eines Tages die richtige Entwicklungslinie aufstellen können, ist fraglich. Quelle: Stammesgeschichte des Menschen - Es gibt kein "Missing Link" - Wissen - Süddeutsche.de
-> Wieso soll es fraglich sein?
-> Weshalb ist die Suche nach einem Missing Link vergeblich? Das geht überhaupt nicht daraus hervor (ich wollte jetzt wegen des Urheberrechts nicht den ganzen Text kopieren).

Wie ist der aktuelle Forschungsstand zur Thematik, weiß da jemand was genaues?

Danke!
 
Über den genauen Forschungsstand eher nicht, aber über die Grundproblematik:

Es ist frgalich, weil der Fossilienbestand nun mal dünn ist. Um die tatsächliche Ahnenreihe des Homo sapiens zurückverfolgen zu können, bräuchte es ein Fossil alle x Jahre (oder y Generationen), um halbwegs sicher sagen zu können, welche wie zueinander stehen. Ob es diese Fossilien gibt ist fraglich, ob sie gefunden werden noch mehr.

Solange es so wenig Fossilienfunde gibt wie bisher (und das sind ja schon einige), verdoppelt sich das Problem eigentlich mit jedem Fund. Wenn wir das "missing link" zwischen zwei Fossilien, die vermutlich in einer Absatmmungsreihe stehen, finden (nennen wir sie A und B, und den neuen Fund X), wird sich die Frage stellen, was zwischen A und X war, und zwischen X und B: Zwei "missing links".
 
Der Hinweis darauf, dass der rekonstuierte Stammbaum des Menschen immer komplizierter wird, ist richtig. Aufgrund der Fortschritte im Bereich Genetik und neuen Datierungsmethoden steigt die Datenmenge ständig, selbst wenn keine neuen Fossilfunde dazukommen würden. Richtig ist, dass der Stammbaum des Menschen deswegen ständig neu sortiert wird. Fossilien, die man lange Zeit für Vorfahren des Menschen hielt, werden aufgrund neuer Erkenntnisse in die Nebenlinie des Stammbaums verbannt. Das beste Beispiel hierfür war der Neanderthaler. Gleichzeitig ist der Neanderthaler natürlich ein Beispiel dafür, dass solche Einschätzungen auch wieder revidiert werden können.


Die Süddeutsche Zeitung ist eine Tageszeitung. Ich würde Beiträge zum Thema Vor- und Frühgeschichte in Tageszeitungen nicht auf die Goldwaage legen. Noch schlimmer wird es, wenn es (wie hier) um Naturwissenschaft geht.

Ich habe den Zeitungsartikel jetzt gelesen. Die Aufzählung der prähistorischen Menschenarten hat etwas von Name-Dropping. Das Problem der Datierungsmethoden sowie der Einfluss der modernen Genetik auf die Evolutionstheorie wird in der Zeitung gar nicht erst erwähnt. Dass der Neanderthaler seit ein paar Jahren doch wieder als teilweiser Vorfahr des Jetztmenschen gilt, ist dem Autor entgangen. Ich habe auch die Vermutung, dass die Verwendung der Begriffe "Missing Link" und "Evolutionstheorie" in dem Zeitungsartikel irgendwie nicht ganz richtig ist. Es scheint mir eher so, dass der Journalist daran scheitert, die Evolutionstheorie im Detail zu verstehen und seinen Unmut darüber kundtut.

Süddeutsche schrieb:
Dabei würde nur ein einziger Schädel mit den Eigenschaften eines modernen Homo sapiens, datiert auf die Zeit von vor einer Millionen Jahre, reichen, um die Evolutionstheorie eindeutig zu widerlegen.
Schon naiv, oder? Dieser eine Schädel würde den Stammbaum des Menschen zwar auf den Kopfstellen, aber keineswegs die Evolutionstheorie wiederlegen.:bangin:
Gerade im Fazit wird deutlich, dass der Autor die Sache mit dem Missing Link eben doch nicht verstanden hat. Nur weil es nicht gefunden wird, bedeutet dies noch lange nicht, dass es nicht exisitiert hat. Vorausgesetzt der Mensch stammt von prähistorischen Affen ab, muss es auch etwas dazwischen gegeben haben.

Zu Frage von systemlemming?:
Die Frage, wer das Missing Link ist, ist durchaus noch aktuell. Die Antwort hierauf ändert sich jedoch laufend und vor allem aber wird die Antwort immer komplizierter.
In populärerwissenschaftlichen Darstellungen, insbesondere Kinderbüchern findet man häufig noch diese Abbildung von der Menschwerdung des Affen. Von links nach rechts maschieren Menschenaffe, Australiopithicus, Homo erectus, Neanderthaler und Jetztmensch mit ihren jeweiligen Werkzeugen in der Hand (vom einfachen Stein über Faustkeil bis zum Schraubenschlüssel). So geradlinig ist der Stammbaum sicher nicht.
 
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These zu Psilocybin

Wahrlich tiefherzlichen Dank an Reinecke und Maglor! Jetzt macht einiges mehr Sinn für mich, danke dafür. Ich liebe dieses Forum einfach :)

Zum Thema entdeckte ich bei der Recherche noch eine andere sagen wir einmal Kuriosität. Da ich mich auf dem Gebiet überhaupt nicht auskenne und nicht einschätzen kann wie plausibel die These ist, möchte ich kurz eure Meinung dazu hören. Es geht darum, dass ein ethnologischer Forscher behauptet, erst der Wirkstoff Psilocybin hätte beim Affen eine Art Bewusstseinssprung ausgelöst und somit wäre nach meiner Interpretation dieser These zufolge Psilocybin das eigentlich fehlende Glied in der Kette. Laut Rätsch stellt sich das wie folgt dar:
Terence McKenna stellte die Hypothese auf, dass "Magic Mushrooms" und hier vor allem psilocybinhaltige Pilze der Art Psilocybe cubensis der induzierende Katalysator in der Evolution der Primaten [...] waren, durch den die Affen zu Menschen wurden. Dies könnte zum Beispiel auf die bewusstseinserweiternde Wirkung zurückzuführen seien, die ja durch ihre Wirkstoffe Psilocybin und Psilocin die Schranken des gewohnten Denkens sprengen und somit eventuell einen Durchbruch in der Selbstwahrnehmung unserer frühen Vorfahren auslösten. (Quelle: Rätsch, Christian: 1998 Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Vorwort von Albert HOFMANN. Aarau: AT Verlag. Ebenfalls: Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft (WVG).[6., korrigierte Aufl. 2001], zitiert nach: Zauberpilzblog.net, zuletzt abgerufen: 17.12.2016, 13:46)
ISt das theoretisch möglich? Kennt sich hier jemand mit der Pharmakologie etwas genauer aus? Jedenfalls eine recht spannende These wie ich finde, auch wenn etwas ungewohnt. Ich musste anfangs ja schon schmunzeln ;)
 
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