Krankheit und Heilkunde in den Urgesellschaften

SRuehlow

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Krankheit und Heilkunde in den Urgesellschaften Teil 1


Einleitung

Wissen über Krankheiten und Tod bei den Menschen vor- und frühgeschichtlicher Populationen basieren fast ausschließlich auf archäologischen Funden. Da aus dieser Zeit kein Nachweis einer geregelten schriftlichen Überlieferung vorliegt, kann nur eine sorgfältige Untersuchung des primären Fundmaterials Auskunft über das Leben der frühgeschichtlichen Völker geben. Für die Medizingeschichte, insbesondere aber für die Paläopathologie, die sich mit der Erforschung der Krankheiten unserer Vorfahren beschäftigt, sind menschliche Skelettfunde die wichtigsten Quellen. Diese geben uns Hinweise auf Art, Ursache und Häufigkeit bestimmter Erkrankungen sowie auf die Möglichkeiten der damaligen Heilmethode.
Über die Heilmethode und die Heilmittel des früheren Menschen sind wir nur äußerst unzureichend informiert. Dies liegt vor allem daran, dass nur in wenigen Kulturen der Jungstein- und Frühbronzezeit eine Schrift verbreitet war. Medizinhistorisch relevante Berichte aus dieser Zeit sind bisher nicht bekannt geworden. Aus diesen Gründen liegen zum Thema Heilmethoden nur Hypothesen vor, die sich in wenigen Fällen an Skelettfunden belegen lassen, wie z.B. an Trepanationen, das heißt Öffnungen der Schädelplatte mittels Schaber und/oder Bohrer.
Häuftig sind Skelettfunde aufgrund postmortaler Zerstörung (Bodenerosionen, Schleifungen, Zerstörung bei der Auffindung, etc.) schlecht erhalten. In diesen Fällen kann nur eine eingeschränkte Untersuchung erfolgen, so dass verläßliche Aussagen über den Gesundheitsstatus eines vor- bzw. frühgeschichtlichen Menschen zum Zeitpunkt seines Todes nur bedingt möglich sind.
Die Ergebnisse derartiger Einzeluntersuchungen sind zwar sehr interessant, sagen aber wenig über die Lebensbedingungen bzw. die Krankheitsbelastung einer größeren Population aus. Die Untersuchung einer vollständigen Nekropole (z.B. ein Gräberfeld) mit relativ gut erhaltenen Skeletten läßt hingegen zuverlässige Schlüsse über Krankheitsursachen und Krankheitshäufigkeiten in der betreffenden Bevölkerung und einer bestimmten Region zu. Erst diese demographische Auswertung erlaubt die Rekonstruktion des Gesundheitszustandes einer Bevölkerung.


Karies und Arthrose plagen schon den Neandertaler

Bekanntlich haben sich aus der Frühzeit des Menschen (z.B. aus der Zeit des Homo erectus vor etwa 500000 Jahren) nur sehr wenige Skelettfunde erhalten. Da sie in der Regel äußerst fragmentarisch vorliegen, sind sie für demographische Untersuchungen nicht geeignet. Dennoch ermöglichen sie – in Verbindung mit Fundstücken der materiellen Kultur – gewisse begrenzte Rückschlüsse auf die herrschenden Lebensbedingungen der frühgeschichtlichen Bevölkerung.
Von den Paläoanthropologen sind im Laufe der letzten 100 Jahre viele fossile Menschenknochen gefunden worden, die deutliche Krankheitsspuren erkennen lassen. Beispielsweise finden sich am Schädel des Neandertalers von Gibraltar kariöse Zähne. Ähnliches ist auch am so genannten Rhodesia-Schädel zu beobachten. Dieser Schädel eines frühen Menschen wurde in Broken Hill im heutigen Sambia gefunden und besitzt sowohl Merkmale des Homo erectus als auch des Homo sapiens neanderthalensis. Am Schädel dieses Mannes ist es aufgrund kariöser Zähne zu einer ausgeprägten Abszedierung des Oberkiefers, also einer Ausbildung eitriger Abszesse, gekommen. Der Neandertaler von Chapelle-aux-Saints, der etwa 40000 v.Chr. lebte, litt unter ausgedehntem Zahnausfall, der auf Erkrankung der Zähne und Kiefer zurückgeführt werden kann. Alle diese in das Paläolithikum (Altsteinzeit) datierenden Befunde sind insofern von Interesse, da Karies häufig als Zivilisationskrankheit angesehen wird. Wie die letztgenannten Fälle zeigen, trat Karies aber schon in der Frühzeit des Menschen auf und ist heute – wie Untersuchungen des Primatologen Adolph H. Schutz gezeigt haben – auch bei wildlebenden Menschenaffen gar nicht so selten. Deshalb sollte die Zahnkaries nicht uneingeschränkt als Zivilisationskrankheit bezeichnet werden.
Auch Knochenfunde und Gelenkverschleiß lassen sich vergleichsweise häufig bei den Menschen der Altsteinzeit nachweisen. So besaß z.B. der Neandertaler von Chapelle-aux-Saints eine ausgeprägte Arthrose der Halswirbelsäule. Ganz entsprechende Befunde konnten aus Skeletten des so genannten Cro-Magon-Menschen (Homo sapiens sapiens) beobachtet werden, der vor etwa 30000 Jahren im heutigen Südwest-Frankreich lebte. Bei keinem dieser Knochenbrüche kann der Nachweis einer Schienung bzw. Wundbehandlung erbracht werden. In den Kulturbereich des frühen Homo sapiens datieren auch einige der sogenannten Venus-Statuetten, die in der Regel Frauen nut ausgeprägter Adipositas (Fettleibigkeit). Diese Figuren müssen sicherlich in Zusammenhang mit bestimmten religiösen Vorstellungen gesehen werden. Eine derartige Fettleibigkeit – wie beispielsweise bei der so genannten Venus von Willendorf (Österreich) – ist als krankhaft einzustufen.


Sesshaftigkeit erhöht Ansteckungsgefahr

Aus den Neolithikum (Neusteinzeit, in Mitteleuropa etwa 5000-2200 v.Chr.) liegen sehr viel zahlenreichere und vor allem auch vollständige Skelettfunde vor, als aus dem Paläo- und Mesolithikum. Aus diesen Gründen verfügen wir auch über bessere Kenntnisse über die Erkrankungen der Menschen der Neusteinzeit und die Möglichkeiten der damals praktizierenden Behandlungsmethoden. Nun erfolgte im Neolithikum eine Umstellung von einer Jäger- und Sammlerbevölkerung zu einer Ackerbau- und Viehzuchtbevölkerung. Dieser Wechsel der Wirtschaftsstruktur, der zwangsläufig mit einer Sesshaftwerdung des damaligen Menschen verbunden war, wurde von dem bekannten englischen Archäologen V. Gordon Childe in den 1930´er Jahren als „Neolithische Revolution“ bezeichnet. Heute wissen wir zwar, dass es sich nicht um eine Revolution im eigentlichen Sinn gehandelt hat. Unbestritten ist jedoch, dass es zu diesem Zeitpunkt zu einer Veränderung größeren Ausmaßes gekommen ist, die sich auch auf die Ursachen, die Verbreitung und die Häufigkeit von Krankheiten auswirkte. So brachte die Lebensweise der sesshaften, ackerbaubetreibenden Menschen der Bandkeramik im 6. Jahrtausend v.Chr. – im Vergleich zu einer Jäger- und Sammlerbevölkerung – sicherlich ein erhöhtes Infektionsrisiko für bestimmte Erkrankungen mit sich. So traten beispielsweise chronische Stirnhöhlenentzündungen – bedingt durch den Rauch offener Feuerstellen innerhalb der Häuser – relativ häufig auf. Das Zusammenleben einer größeren Gruppe von Menschen auf vergleichsweise engstem Raum, besonders in den Wintermonaten, brachte eine Erhöhung der Ansteckungsgefahr mit sich, die durch unzureichende sanitäre Anlagen noch entsprechend gefördert wurde.
Die Untersuchung von Mangelerkrankungen, die sich an prähistorischen Skeletten ablesen lassen, ermöglicht differenzierte Rückschlüsse auf die unzureichende bzw. fehlerhafte Ernährung. Zu den am weitesten verbreiteten Mangelerkrankungen, die sich rekonstruieren lassen, gehören Anämie (Blutarmut), Skorbut (chronischer Vitamin-C-Mangel) und Rachitis (chronischer Vitamin-D-Mangel).
 
Krankheit und Heilkunde in den Urgesellschaften Teil2

Skelette geben Aufschluss über Gelenk- und Zahnerkrankungen
Arthrose wird in der Regel als Verschleißerscheinung der Gelenke angesehen. Als wichtigste Ursache wird eine einseitige physische Dauerbelastung oder ein Gelenktrauma (Verletzung des Gelenks) angenommen. Der aufgrund von Überbelastung entstandene Gelenkverschleiß lässt sich vielfach mit einem bestimmten Aktivitätsmuster des Erkrankten in Verbindung bringen. Ähnlich wie bei frühmittelalterlichen Bevölkerungen werden auch bei neolithischen Populationen Männer und Frauen unterschiedliche Tätigkeiten im Sinne einer Arbeitsteilung ausgeübt haben, so dass durch die Ergebnisse einer paläopathologischen Untersuchung Rückschlüsse auf die ausgeübten Tätigkeiten möglich sind. Bisher konnten nur wenige Populationen auf ihren Gelenkverschleiß untersucht werden, so dass zur Zeit noch wenig Daten vorliegen.
Im Äneolithikum der Ukraine (etwa 3.vorchristliches Jahrtausend) lebte nahe der heutigen Ortschaft Baštečki eine Gruppe von Ackerbauern, deren Skelette paläopathologisch untersucht werden konnten. Das Leben zu dieser Zeit muss wohl relativ rauh gewesen sein, da von den 32 Erwachsenen dieser Nekropole fünf Männer gut verheilte Knochenbrüche aufwiesen. Die Art der Heilung schließt in zwei Fällen – einem Ellen- und einem Wadenbeinbruch – eine Schienung der gebrochenen Gliedmaßen nicht aus. Als weitere Zeichen äußerer Gewalteinwirkung konnte der Nachweis über den Gebrauch steinerner Streitäxte erbracht werden: Einem etwa 40-50jährigem Mann war mit einer derartigen Waffe das Mittelgesicht und der Hirnschädel zerschmettert worden. Bei dieser streitbaren Population wurden auch die Gelenke der Erwachsenen auf Arthrose untersucht. Im Vergleich zu anderen prähistorischen Populationen konnten allerdings nur geringgradige Verschleißerscheinungen beobachtet werden.
Es ist interessant, dass erwartungsgemäß die Männer in der Regel einen stärkeren Gelenkverschleiß als die Frauen aufwiesen. Bei den Männern war das Kniegelenk am häufigsten betroffen. Es folgen in der Häufigkeit Ellenbogen- und das Schultergelenk. In der Krankheitsintensität zweigten Knie-, Schulter-, Ellenbogen- und körpernahes Handgelenk in etwa den gleichen Krankheitswert, der bei den Frauen in dieser Höhe nur für das Schultergelenk erreicht wurde. Bei den Frauen waren das körpernahe Handgelenk und das Schultergelenk am häufigsten erkrankt. Es ist auffällig, dass bei dieser äneolithischen Population das Hüftgelenk kaum einen Krankheitswert erkennen ließ, während bei uns heutigen Mitteleuropäern Hüft- und Kniegelenke am häufigsten und am intensivsten von Gelenkverschleiß betroffen sind.
Die Untersuchung der Zähne und Kiefer dieser äneolithischen Population aus der heutigen Ukraine zeigt, dass nur etwa 11% der Erwachsenen an Karies litt, während etwa 76% der Erwachsenen entzündliche Zahnfleischerkrankungen aufwiesen. Ursache dieser relativ hohen Parodontopathie-Rate war sehr wahrscheinlich eine unzureichende Mundhygiene. Diese Annahme findet sich durch den Zahnsteinbefund ihre Bestätigung: Etwa 88% der Erwachsenengebisse ließ Zahnstein erkennen. Die sehr geringe Karieshäufung spricht dafür, dass diese Menschen eine wenig kariogene (= Karies hervorrufende) Nahrung zu sich nahmen. Auch diese Annahme konnte durch Art und Intensität der Zahnabrasion bestätigt werden. Die Gebisse der Bestatteten aus der Nekropole der bandkeramischen Siedlung bei Aiterhofen im heutigen Niederbayern ergab eine etwas höhere Krankheitshäufigkeit: Etwa 37% der Dauergebisse wiesen kariöse Läsionen auf. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Karieshäufung zur Zeit des Neolithikums sicherlich nicht so groß war wie in der späten Eiszeit oder gar im europäischen Mittelalter.
Zahnbehandlungen sind aus dieser Zeit – mit einer Ausnahme – nicht nachgewiesen worden. Pia Bennike gelang es 1985 mit ihren Untersuchungen von neolithischen Zähnen aus Dänemark, Spuren von Bohrungen an Zahnaußenflächen nachzuweisen, von denen sie vermutet, dass sie am lebenden Menschen vorgenommen wurden.

Tumorerkrankungen und Infektionskrankheiten
Nicht selten kann an vor- und frühgeschichtlichen Skelettfunden auch der Nachweis für Tumorerkrankungen erbracht werden. Ein Beispiel aus der mitteleuropäischen Bankkeramik ist das Gräberfeld vom Viessenhäuser Hof bei Stuttgart. Erste Untersuchungen haben ergeben, dass eine Tumorhäufigkeit von etwas über 10% liegt. Diese weit überdurchschnittliche Krankheitshäufung kann zur Zeit noch nicht sicher geklärt werden. Vielleicht handelt es sich um einen Bestattungsplatz, auf dem vor allem Menschen mit auffälligen Krankheiten bestattet wurden (vgl. mittelalterliche Seuchenfriedhöfe). Fundstücke aus den verschiedenen Teilen der Alten und Neuen Welt belegen, dass Tumorerkrankungen schon vor Tausenden von Jahren auftraten. Viel häufiger als Tumorerkrankungen sind in der Regel die Spuren von Entzündungskrankheiten zu finden. So konnten an etwa 2% der Schädel der erwachsenen Bandkeramiker aus Aiterhofen eine Schädelachosteromyelitis (Knochenmarksentzündung) nachgewiesen werden. Bei Kindern trat diese Erkrankung mit etwa 4 bis 5% sehr viel häufiger auf (z.B. Ikiztepe, Franzhausen, Gemeinlebarn).
Noch viel häufiger können die Spuren entzündlicher Reaktionen der Hirnhäute beobachtet werden. Diese entzündlichen, nicht selten mit Blutfluss einhergehenden Erkrankungen gehen oft von einer eitrigen Mittelohrentzündung aus. Sie stehen im Zusammenhang mit Entzündungen der Nasennebenhöhlen. Die wichtigsten Merkmale der entzündlichen Hirnhauterkrankung am archäologischen Schädelfund sind feine schuppenförmige Auflagerungen und Zeichen eines gesteigerten Hirndrucks. Diese Veränderungen sind an prähistorischen Kinderschädeln relativ häufig zu finden: Am Ikiztepe mit über 9%, in Gemeinlebarn mit 10%, in Hainburg mit über 17% und in Franzhausen mit über 22%.
Eine der häufigsten Ursachen für das Auftreten von Infektionserkrankungen dürften mangelnde hygienische und sanitäre Einrichtungen gewesen sein. Es ist anzunehmen, dass bei Populationen, die eine intensive Haustierhaltung betrieben haben, die Infektionsgefahr besonders hoch ist, da einige Haustier-Erkrankungen auch für den Menschen gefährlich werden können, wie zum Beispiel Milzbrand oder Hasenpest. Ein erhöhtes Infektionsrisiko ist vor allem gegeben, wenn zahlreiche Menschen und ihre Haustiere unter einem Dach leben, vgl. die großen Lagerhäuser zur Zeit der Bandkeramik. Da diese Krankheiten keine Spuren am Skelett hinterlassen, ist ihr sicherer Nachweis noch nicht möglich.
Hingegen lassen sich andere Krankheiten innerer Organe sehr gut am archäologischen Knochenfund diagnostizieren: Z.B. wird eine Rippenfellentzündung oder ein Pleuraabszess an den Rippeninnenflächen charakteristische Spuren hinterlassen. Eine chronische Herz-Kreislauf-Lungenerkrankung kann an den Röhren der Langknochen der unteren Gliedmaßen nachgewiesen werden, da sie typische baumrindenähnliche Auflagerungen verursachen. Letztgenannte Veränderungen konnten an einigen Skeletten aus der bandkeramischen Nekropole in Aiterhofen (Niederbayern) und einem jungneolithischem Skelett der Badener Kultur in Leobersdorf (Niederösterreich) nachgewiesen werden.
Über Verletzungen wurde weiter oben schon kurz berichtet. Es wurden in neuerer Zeit in einem bandkeramischen Massengrab in Talheim (Württemberg) mehrere Skelette geborgen, die mehrere nicht überlebte Schädeldachverletzungen zeigen. Zwischen Schädeldachverletzung und Trepanation (operative Öffnung des Schädels) besteht ein sehr enger Zusammenhang. Neuere Untersuchungen haben ergeben, dass schon in der Jungsteinzeit Trepanationen in vielen Fällen nach einer Schädeldachverletzung durchgeführt wurden. Auf diese Weise wurden Knochensplitter entfernt, so dass sie Wunde besser ausheilen konnte und zum anderen verhindert, dass sich aufgrund der Blutung oder eines Ödems ein lebensbedrohlicher Hirndruck aufbauen konnte. Da der vor- und frühgeschichtliche Mensch sicherlich über bessere körpereigene Abwehrkräfte verfügte als wir heutzutage, konnte er in der Regel einen derartigen Eingriff vergleichsweise gut überstehen. Er gibt prähistorische Schädel, die mehrere gut verheilte Trepanationen erkennen lassen, die alle zu verschiedenen Zeitpunkten angelegt wurden. Die älteste Technik zur Eröffnung des Schädeldachs eines Lebenden ist auch zugleich die schonendste gewesen: Mit einem Feuersteinschaber wurde – nach Umklappen der Kopfschwarte – das knöcherne Schädeldach in einem umschriebenen Bezirk geöffnet (sog. Schabemethode). Die Überlebenschancen für einen derartigen Eingriff betrugen im Neolithikum etwa 73%. Für die von den Griechen und Römern praktizierte modernere Methode, die mit einem Kronentrepan durchgeführt wurde, betrug die Überlebenschance hingegen nur durchschnittlich 50%.
 
Quellen zu diesem Bericht:

Grossinger, Richard: Wege des Heilens: Vom Schamanismus der Steinzeit zur heutigen modernen Alternativmedizin, München 1985

Rüster, Detlef: Alte Chirurgie, Legende und Wirklichkeit, Berlin 1985

Schott, Heinz: Chronik der Medizin, Augsburg 1997
 
SRuehlow schrieb:
...Von den Paläoanthropologen sind im Laufe der letzten 100 Jahre viele fossile Menschenknochen gefunden worden, die deutliche Krankheitsspuren erkennen lassen. Beispielsweise finden sich am Schädel des Neandertalers von Gibraltar kariöse Zähne. Ähnliches ist auch am so genannten Rhodesia-Schädel zu beobachten. Dieser Schädel eines frühen Menschen wurde in Broken Hill im heutigen Sambia gefunden und besitzt sowohl Merkmale des Homo erectus als auch des Homo sapiens neanderthalensis. Am Schädel dieses Mannes ist es aufgrund kariöser Zähne zu einer ausgeprägten Abszedierung des Oberkiefers, also einer Ausbildung eitriger Abszesse, gekommen. Der Neandertaler von Chapelle-aux-Saints, der etwa 40000 v.Chr. lebte, litt unter ausgedehntem Zahnausfall, der auf Erkrankung der Zähne und Kiefer zurückgeführt werden kann. Alle diese in das Paläolithikum (Altsteinzeit) datierenden Befunde sind insofern von Interesse, da Karies häufig als Zivilisationskrankheit angesehen wird. ...

einige erbsen-zählende ergänzungen ;) :
der nea-schädel von gibralta wurde 1848 gefunden (noch vor dem namengebenden aus mettman), also vor gut 160jahren.
der broken hill schädel ist ein archaischer sapiens schädel bzw. wird dem afrikanischen homo heidelbergensis zugsprochen, also befindet sich nicht direkt in der neandertalensis linie.

karies als zivilisationskrankheit heute hat seine ursachen in einer falschen ernährung und pflege. kieferentzündungen, gefolgt von zahnausfall bei neandertalern wird an vorrangig auf deren gebrauch ihres gebisses als 3. hand zurück geführt. die benutzung des gebisses zum halten und bearbeiten von materialien hatte zwangsläufig verletzungen des zahnfleisches zur folge. in den wunden kam es zum bakterienbefall und damit zu den entzündungen.
nebenbei, wenn ich mich richtig erinnere, entwickelte der neandertaler auch, durch den starken gebrauch des gebisses, größere wurzelkanäle und damit eine bessere und längere versorgung seiner zähne, wodurch er die starke zahnabnutzung besser als wir kompensieren konnte.

siehe:
f.schrenk, neandertaler / u.a.
o.v.frisch, zähne
d.johanson, lucy / u.a.
clemens, gedächnis :rolleyes:
 
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