Ötzis Tod

pascaltaks

Neues Mitglied
Hola, Internet!

Kürzlich habe ich mich mit meiner Freundin über Ötzis Tod unterhalten und wir sind auf einige interessante Ansätze gestoßen, die eventuell hilfreich sein könnten. Wenn ich mich nicht irre, dürfte die geläufigste Darstellung seines Todes noch stets jene sein, dass er von einem Krieger eines feindlichen Stammes o. ä. mit einem Pfeilschuß ermordet worden war.
Das, ich erlaube mir es so auszudrücken, hat keinerlei Logik.
Unserer Meinung nach ist es viel wahrscheinlicher, dass Ötzi von jemandem getötet wurde, den er kannte und vermutlich auch weitgehend vertraute. Oder zumindest von einer Person, die wusste wer er war.

Ötzi war seine letzten Tage nicht auf der Flucht. Warum das nicht plausibel erscheint, erkläre ich später.
Gehen wir davon aus, dass Ötzi eventuell eine Art spirituelle Führungsperson gewesen war. Wäre er dann Teil einer Jagdgruppe gewesen? Allerdings - wer sucht nach Wild über der Baumgrenze? Auch auf der Suche nach Stellen für Erzabbau oder, als eventuelle Händlerkultur, auf der Suche nach einem Pass über die Alpen, klingen vielleicht interessant, sind aber ebensowenig plausibel. Wenn Ötzi bereits jenes stattliche Alter erreicht hat und einen sozial derart hohen Status innehielt, dann wären dies alles keine zumutbaren Arbeiten für ihn gewesen.
Was allerdings möglich wäre, als spirituelle Führungsperson könnte er eine Art Reingungsritus betrieben haben, man weiß von einigen Kulturen dieser Zeit, dass sie Kultreligionen besaßen, "magische" Schreine aufsuchten, um zu beten, zu meditieren oder Opfergaben zu bieten. Auch Berge sind in vielen Kulturen als heilig angesehen worden, teilweise wie Götter angebetet worden. Das könnte auch die Höhe erklären, inder er sich zum Zeitpunkt des Todes befand. Sowie den stetigen Höhenwechsel. In seinen Atemwegen wurden schließlich Pollen von Pflanzen verschiedener Höhenlagen gefunden. Er könnte einer Art Pilgerpfad gefolgt sein, die sich in einem Zick-Zack den Berghang auf und ab schlängelte. Einen Schreinlauf so zu gestalten würde sogar Sinn machen, mit beschwerlichen Aufstiegen und leichteren Abstiegspassagen. Gut möglich, dass Ötzi zu seinen Lebzeiten jene Reise öfter unternommen hatte. Gut möglich, dass er dabei meistens alleine war, aber wir vermuten, dass er es bei seinem letzten Mal nicht war.

Warum wir glauben, dass sein Mörder ein Bekannter war, ihn vermutlich sogar über einen längeren Zeitraum als Gefährte gefolgt war und der fremde Krieger ausscheidet, ist eigentlich ganz einfach: Wir können eigentlich mit relativ großer Sicherheit davon ausgehen, dass diese Menschen bereits in ihrer Art zu Denken und zu Handeln uns relativ identisch waren.
Versetzen wir uns also in einen Krieger, der Ötzi und seinem Stamm/Dorf feindlich gesinnt war. Warum sollte ein solcher Krieger sich die Mühe machen, einen alten Mann, tagelang durch das Gebirge und Wälder zu jagen und sich, als Ötzi endlich tot war, nicht ein Zeichen seines Triumphes aneignen? Es macht keinen Sinn, einen fremden Menschen bis zum Tod zu hetzen und anschließend den Leichnam einfach liegen zu lassen. Wenigstens die Kupferaxt, die zu Ötzis Zeit von enorm großen Wert gewesen sein muss, hätte ein solcher Krieger sich ohne zu zögern angeignet. Sowie Teile des Equipments. Es macht keinen Sinn, diese liegen zu lassen - außer, wenn ihr Besitz problematisch werden könnte. Diese Gegenstände waren aufwendig herzustellen, offensichtlich auch von schöner Machart. Kein Krieger der sich die Mühe macht, eine Führungsperson zur Strecke zu bringen, verzichtet auf solche, nützliche Kriegsbeute.

Dann, die Lage, in der Ötzi ermordet wurde. Er befand sich in einer Art Spalte, war also für einen Bogenschützen aus der Entfernung nicht wirklich ein einfaches Ziel, da er sich im Verborgenen befand. Außerdem musste Ötzi wohl ein Nachtlager aufgeschlagen haben. Wenn jemand über Tage verfolgt wird, dann ist man doch nicht so dämlich und entfacht ein Feuer, nachts auf einem Berg, wo es Kilometerweit sichtbar ist. Ötzi war vermutlich am Essen, nachts, ja selbst unter Tage an einem solchem Ort ohne Feuer, macht sichs wirklich niemand zur Jause gemütlich.
Hätte er sich vor einem Sturm verborgen, wäre er ebenfalls nicht in einer solch entspannten Position gewesen.
Und für einen Bogenschützen widerum ein unmögliches Ziel. Die Verfolgertheorie macht keinen Sinn. Ötzi fühlte sich von Anfang an sicher und war schlichtweg nicht allein.
Er wurde von Menschen ermordet, die ihn kannten, um seinen Status wussten. Ihn vielleicht darum beneideten. Ötzi war sehr alt für seine Zeit. Ungeduld? Vielleicht war er auch einfach eine sehr polarisierende Person, die sich Feinde machte, wie es bei Führungspersonen keine Seltenheit ist.
Außerdem durfte sein Mord ein sozial nicht tolerierbarer Akt gewesen sein. Ansonsten hätten sich diese Personen ebenfalls wenigstens Axt und einige Kleinigkeiten aneignen können. Diese Dinge waren hangemachte Unikate. Jeder hätte auf Anhieb erkannt, wessen Waffen und Kleider der Mörder wirklich trägt. Belastende Evidenzien? Oder schlichtweg Gegenstände, die für den Mörder keinen Nutzen hätten. Weil er sie selbst bereits trug? Ein sozial Gleichgestellter?
Möglich, das Ötzi von "Novizen" begleitet wurde, die sein Handwerk lernen sollten, die jene Pilgerreise machen wollten, um die Wege der Geister und was es auch gewesen sein mochte, zu erfahren. Eine Art spiritueller Ausflug. Oder gar eine ganze Gebetsgruppe? Eine Reisegruppe gleichgestellter, grauer Eminenzen, Schamanen, die sich versammelten um zu einem besonderen Datum gemeinsam zu beten?
Seine Begleiter dürften alle insgeheim von den Mordplänen gewusst haben, nicht so aber das restliche Dorf, denn wäre dem so - sie hätten ebenfalls die Leiche plündern können. Wie gesagt, diese Dinge waren nützlich. Außer für solche, die bereits ähnlich gut ausgerüstet waren. Diese Menschen hätten ohne weiteres den Mord publik machen können (eine Erklärung für den Steinmonolithen von Latsch?) Was mir persönlich allerdings eher zweifelhaft vorkommt. Mir erscheint es mehr als ein geheimer, eventuell politischer Mord, der als Unfall dargestellt werden sollte (ein Sturz in den Bergen).

Diese Fragen wird man wohl nicht wirklich lösen können.
Aber für mich steht relativ zweifelsfrei fest, dass Ötzi nicht von einem fremden Krieger verfolgt und ermordet wurde. Sein mutmaßliches Verhalten vor dem Tod und die Bronzeaxt sind zu widersprüchlich für diese Theorie. Sowie Ötzi starb, weißt alles auf einen Mörder oder eine Gruppe von Eingeschworenen hin, die Ötzi - aus welchen Gründen auch immer - aus dem Weg haben wollten. Denn auch sie ließen Ötzi so liegen, wie er fiel, als man ihn den Pfeil aus vermutlich nächster Nähe in den Rücken schoß. Gut möglich, dass einige Ötzi in eine Konversation verwickelt hielten, während ein anderer die Tat vollbrachte...
Ich hoffe, wir konnten einige Leute zum Nachdenken, Korrigieren und Diskutieren anregen!
 
Versetzen wir uns also in einen Krieger, der Ötzi und seinem Stamm/Dorf feindlich gesinnt war. Warum sollte ein solcher Krieger sich die Mühe machen, einen alten Mann, tagelang durch das Gebirge und Wälder zu jagen und sich, als Ötzi endlich tot war, nicht ein Zeichen seines Triumphes aneignen?
Mhh...mal ein paar Einwände:

Wir haben keine Ahnung ob derjenige welcher Ötzi getötet hat ein Krieger war. Nur, dass ihm jemand mit einem Pfeil in den Rücken schoss. Ihn als "alten Mann" zu bezeichnen kann auch leicht in die Irre leiten. Mit 40-45 war er zwar sicher kein Jungspund mehr. Aber ganz sicher immer noch in der Lage zu kämpfen.

Auch was Ötzi bei sich trug ist völlig ungewiss. Ob jemand sich etwas aneignete davon oder nicht lässt sich kaum sagen. Denkbar ist, dass wir den Wert seiner Gegenstände für die damalige Gesellschaft überschätzen. Noch problematischer: Wir haben keine Ahnung ob Ötzi allein war, oder in einer Gruppe. Wer auch immer ihn getötet hat, hatte evtl. gar keine Zeit den Leichnam zu plündern.

Was aus meiner Sicht nicht so recht zu deiner Theorie passt ist der Kampf den der Leichnahm offenbar schon eine kurze Zeit vor seinem Tod führte. Mit Wunden auf den Armen und dem Rücken - Kratzspuren.

Wenn diese von ihm bekannten Begleitern stammen sollten welche ihn später umbrachten wäre er wohl recht unvorsichtig gewesen diese mit einem Bogen in den Rücken zu lassen.

Mal ein Alternativszenario: Ötzi und seine Gruppe haben in der Nacht zuvor eine andere Gruppe überfallen deren Krieger gerade weg waren und dabei Ärger gemacht, die Kratzspuren und Armverletzungen stammen von wehrhaften Damen. Anschließend verzog man sich auf höhere Lagen, verspeiste bei einer Rast das Fleisch eines Steinbocks - und wurde dabei von ein paar wütenden Herren überrascht welche dies nicht so witzig fanden. Ötzi starb, seine Gruppe flüchtete oder geriet in einen Kampf - die anderen jagten hinterher.

Und um die Leiche kümmerte sich keiner mehr weil der Kampf weiter ging.

Das ganze geht auch simpler, es gibt etliche Szenarien wie es gewesen sein könnte. Und viele davon beinhalten Fragen ob die übrig gelassenen Gegenstände ein "Zeichen des Triumphs" gewesen wären. Das können wir schlicht nicht sagen. Die Axt kann genausogut der Gegenstand sein mit der vorher der Kopf der Frau seines Mörders eingeschlagen wurde. Sowas nimmt man nicht so gern mit.

Selbst rituelle Vorstellungen ala "man nimmt einem Toten seine Waffe nicht" oder "wir nehmen keine Waffen von Volksgruppe X, unsere haben andere Zeichen" lassen sich nicht ausschließen.

Es gibt einfach zu viele Möglichkeiten. Aus heutiger Sicht erscheint uns der Schluss "so eine Axt war wertvoll" einfach. Aber ob sie den damaligen Leuten so viel bedeutete (und wenn ja, dann was sie dem Mörder bedeutet haben könnte) lässt sich nicht so einfach sagen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch was Ötzi bei sich trug ist völlig ungewiss. Ob jemand sich etwas aneignete davon oder nicht lässt sich kaum sagen. Denkbar ist, dass wir den Wert seiner Gegenstände für die damalige Gesellschaft überschätzen. (..)Aus heutiger Sicht erscheint uns der Schluss "so eine Axt war wertvoll" einfach. Aber ob sie den damaligen Leuten so viel bedeutete (und wenn ja, dann was sie dem Mörder bedeutet haben könnte) lässt sich nicht so einfach sagen.
Zu Ötzis Zeit war eine Kupferaxt wahrscheinlich noch ein "billiges Imitat". Wertvoll waren Jadeit-Äxte, deren bekannte Herstellung am Monte Viso (im Piemont nahe der ital./frz. Grenze) zwar um etwa 4.000 c. Chr. abbrach, die jedoch noch lange danach im Gebrauch waren.
Januar: Ein 6000 Jahre altes Symbol der Macht - Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt / Landesmuseum für Vorgeschichte Halle
Anhand von Imitationen aus Kupfer lässt sich in Dänemark belegen, dass alpine Beile dort noch um 3500 v. Chr. und somit tausend Jahre nach ihrer Herstellung im Umlauf waren.(..)
Die Jadeitbeile Mitteldeutschlands und auch das des Halberstädter Museums, dürften im Verlauf der ersten Hälfte oder Mitte des 4. Jahrtausends hierher gelangt sein.
Jadeitit-Äxte waren bis Mitte des 4. Jtsd. in Westeuropa vorherrschend, und wurden weiträumig verhandelt. Ein wesentlicher sekundärer Verarbeitungs- und Verteilungsplatz war Carnac in der Bretagne.
Zwischen Atlantik und Schwarzem Meer , Die großen Beile aus alpinem Jadeit im 5. und 4.Jt. v.Chr | Serge Cassen - Academia.edu
Neben Jadeitit gab es noch weitere überregional verhandelte Klingenmaterialien, wie z.B. den Hornstein von Arnhofen bei Kelheim. Zu den Jadeitit-Beilen werden "der Einfachheit halber" (vorsteh. Link, S. 191) auch solche aus Omphacit gezählt - ein dem Jadeit chemisch und in der Entstehungsgeschichte verwandtes Mineral, dass in Hochgebirgslagen des Ötztals verbreitet ist. All diese Materialien wurden im 4.Jtsd. schrittweise von der unteren Donau aus durch Kupfer verdrängt (s. angehängte Karte zur Fundverteilung um etwa 4.000 v. Chr.)

Nehmen wir mal an, im Ötztal wurde das Geschäft des Omphacit-Abbaus zur Axtklingenherstellung betrieben, mit kommerzieller, wohl aber auch kultisch-religiöser Relevanz. Und dann latscht da ein Fremder durch - nach DNA-Analysen vermutlich danubischer Neolithiker. Mit Kupferaxt im Gepäck. [Ötzi wird wohl nicht von der unteren Donau gestammt, haben, eher aus der kupferverarbeitenden Mondseekultur im Salzkammergut - seine Axt war aus jeden Fall aus Mondsee-Kupfer gefertigt]. Und "verirrt" sich auch noch in das hochalpine, vielleicht "geheiligte" Klingenabbaugebiet. Das kann schon ziemlich nach hinten los gehen. Und dass in solchem Szenario die Kupferaxt unbeachtet liegen gelassen wird, ist nachvollziehbar.

Eine ausführliche Diskussion der Ausbreitung von Kupfer- gegenüber Steinäxten findet sich u.a. hier
Über die Grenzen hinweg? Zur symbolischen Bedeutung von Äxten, Beilen und Kupfer im mitteleuropäischen Jungneolithikum | Rouven Turck - Academia.edu
Die norditalienische Kupfermetallurgie begann etwa um 3.200 v.Chr., also kurz nach Ötzis Tod, über ein halbes Jahrtausend später als im nordostalpinen Raum.
 

Anhänge

  • Beile Steinzeit med.jpg
    Beile Steinzeit med.jpg
    186,8 KB · Aufrufe: 771
Zu Ötzis Zeit war eine Kupferaxt wahrscheinlich noch ein "billiges Imitat".
.....

Ich hätte angenommen, dass es dennoch ein wertvoller Besitz war, der lokal nicht allgemeine Verbreitung hatte.
Es wäre also die Frage, ob der Besitz von metallischen Gegenständen eine Besonderheit war.

Grüße hatl
 
Es gibt eine Fernsehdokumentation, in der verschiedene Szenarien diskutiert, ich hoffe, hier aus arte, das ist die richtige Doku, bitte sehr, ich gucke sie mir auch noch einmal an. Ich dachte nach der Strontiumanalyse (Zahnschmelz), dass Ötzi ein Einheimischer war, Augusto, ich lese noch mal nach.https://www.youtube.com/watch?v=dLjFVdD8S9o
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Die Frage ist halt was "wertvoll" zu jener Zeit bedeutet hat. Geld gab es ja nicht, und unsere heutige Ansicht speist sich nur daraus, das Kupferbeile selten waren. Ob Ötzis Mörder aber deshalb das Beil und den Dolch hätte tauschen können? Hängt stark davon ab ob er in dieser entlegenen Gegend überhaupt Tauschhandel treiben konnte.

Und wie gesagt, es ist auch denkbar das man seine Sachen zwar für Wertvoll hielt aber aus anderen Gründen nicht wollte. Oder sie nicht holen konnte.
 
und weiß man ob er gleich gestorben ist, vielleicht war er lediglich "angeschweisst" und hat sich noch verstecken können
 
Wenn Du die Gegend da oben kennen würdest wüßtest Du.daß da nicht viel ist mit Verstecken. Zwischen Tilsenjoch und Similaunhütte befinden wir uns auf 3200 Meter
 

Anhänge

  • oetzi_fundort.jpg
    oetzi_fundort.jpg
    103,9 KB · Aufrufe: 838
Weil's oberhalb der Baumgrenze liegt, bedeutet das nicht, dass es dort keine Orte gab, sich zu verstecken. Hat man Ötzis Mumie nicht hinter einem Felsblock in einer Mulde gefunden?!
 
Ich dachte nach der Strontiumanalyse (Zahnschmelz), dass Ötzi ein Einheimischer war, Augusto, ich lese noch mal nach.
Gutes Stichwort - ich hab da auch noch mal nachgelesen. Die grundlegende Arbeit war wohl die von W. Müller aus 2003 - die steckt leider hinter einem paywall.
Origin and Migration of the Alpine Iceman
Die Daten und Ergebnisse werden aber relativ ausführlich diskutiert in der folgenden Hausarbeit, auf die ich mich im weiteren stütze
http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=4&cad=rja&uact=8&ved=0CDQQFjAD&url=http%3A%2F%2Faxel.berger-odenthal.de%2Fwork%2FReferat%2FIsotope.pdf&ei=qtNbVbmVHoKxUdq5gdAB&usg=AFQjCNGNb89Z29aa4ZQdBlZT61Pl85lhxw&sig2=WjPr2wWo-x6Ri5g_oFwnaQ&bvm=bv.93756505,d.d24
Grundsätzlich scheint Müller nur den näheren Umkreis des Ötztals untersucht zu haben, zwischen Inn, Wipptal (Brenner), Rienz/Pustertal, und Isera/Trentino. Dort hat er einen "Treffer" gelandet (Feldthurns im Eisacktal) - er hat aber keinesfalls eine Herkunft von weiter entfernt ausgeschlossen, ja noch nicht einmal untersucht.

Zu Methoden und Ergebnissen im Einzelnen:

  1. Sauerstoffisotopenanalyse (Δ18O): Wasser, dass das Sauerstoffisotop O18 enthält, verdunstet schwerer und regnet leichter ab als Wasser mit dem Isotop O16. Aus der verhältnismäßig hohen O18-Konzentration in Ötzis Zähnen und Knochen wurde daher auf Wohnsitz südlich des Alpenhauptkamms geschlossen, da nur dort entnommene Wasserproben vergleichbare Isotopenverhältnisse aufwiesen.
    Ob diese Methode noch dem heutige Stand der Wissenschaft entspricht, ist zweifelhaft. Das Isotopenverhältnis gilt, nach in Eisbohrkernen festgestellten erheblichen Schwankungen, inzwischen als Indikator für prähistorischen Klimawandel. Das Alpenklima zur Zeit von Ötzis Tod war offenbar anders als heute, sonst wäre er nicht zum "Eismann" geworden. So erscheint es mir problematisch, anhand 2003 gemessener lokaler Isotopenverhältnisse, die zudem noch stark vom Schmelzwasseranteil (Höhe/ Jahreszeit) abhängig sind, ohne prähistorische Klimakorrektur direkt Rückschlüsse auf den Wohnort vor 5.000 Jahren zu ziehen.
  2. Strontiumisotopenanalyse:Während 86Sr stabil vorkommt, bildet sich 87Sr v.a. durch radioaktiven Zerfall von Rubidium (87Rb). Strontium und Rubidium haben unterschiedliche mineralogische Eigenschaften - Strontium subsitituiert Calcium, Rubidium Kalium. Dementsprechent reichert sich 87Rb, und in der Folge 87Sr, v.a. in kaliumhaltigen Mineralien, insbesondere Glimmer, an, und ist vermehrt in glimmerhaltigen Gesteinen wie Gneisen, Graniten und Schiefern zu finden. 86Sr dagegen dominiert in calciumreichen Gesteinen, insbesondere Basalten und Kalksteinen. Die Isotopenanalyse läßt damit Rückschlüsse auf die Geologie der Herkunftsregion zu, ist jedoch alles andere als ein exaktes Ortungsinstrument.
    Ötzis Kiefern und Knochen weisen ein relativ hohen Anteil von 87Sr auf, der im Grenzbereich zwischen permischen Vulkaniten (Porphyr) und Glimmer (Phyllit)-haltigem Gneis liegt. Damit schloss Müller eine Herkunft sowohl aus den Kalkalpen als auch aus dem Vinschgau aus. In seinem Betrachtungsraum blieb als einzige plausible Möglichkeit die Gneisregion um die mittlere Eisack, kurz vor Eintritt in die porphyrische Bozener Caldera.
    Grundsätzlich jedoch ist eine Nachbarschaft von Pophyren und phyllitischen Gneisen alles andere als selten. Sie findet sich u.a. im Thüringer Wald; die bei Ötzi gemessenen Strontiumwerte (87Sr/86Sr~0,719) stehen auch einer Herkunft von der mittleren Rhone nicht entgegen.
    http://www.limnogeology.ethz.ch/revel.pdf
    Die Uni München hat sich der lobenswerten Aufgabe gestellt, eine Strontiumisotopenkartierung für den zentralen (Vor-)Alpenraum vorzunehmen. Ausgangspunkt ist eine geologische Grobkartierung (Anlage). Danach kommen zunächst wohl prinzipiell alle Regionen für Ötzis Herkunft in Frage, die im Grenzbereich von rosa und gelber Markierung liegen. Die zu erwartenden detaillierteren Kartierungen werden genaueren Aufschluss geben.
    TP01: Kartierung lokaler, bioverfügbarer Isotopien (Sr, Pb, O) und Applikation des Isotopenfingerabdruckes auf archäologische Fragestellungen. - Transalpine Mobilität und Kulturtransfer - LMU München
  3. Blei-Isotopenanalyse (Uran-Blei-Datierung): Ähnliches Prinzip wie bei Strontium, hier Betrachtung von 206Pb als Zerfallsprodukt von Uran 238 (Uran-Radium-Reihe). Die bei Ötzi gemessenen Werte (18,3-18,6) liegen im mittleren Bereich, was den Schluss nahelegt, dass er sich meist in der Nähe leicht uranhaltiger Erzlagerstätten aufgehalten hat. Die meisten österreichischen Bleilagerstätten, einschl. St. Veit bei Imst/ Tirol, würden beispielsweise passen.
    http://www.landesmuseum.at/pdf_frei_remote/VerhGeolBundesanstalt_1978_0403-0409.pdf
Woher jetzt meine Skepsis?
Ötzi ? Wikipedia
In den Haaren wurden hohe Konzentrationen von Metallen nachgewiesen, daher vermutet man, dass er mindestens zeitweilig mit Kupferverhüttung in Kontakt kam.
Im mittleren Eisacktal ist bislang keine frühe Kupferverhüttung nachgewiesen. Dagegen ist dort Förderung von Serpentinit, einem "Grünstein" zur Beil- und Schmuckherstellung, gesichert - potentiell bis ins Veneto und die Ljubljaner Marsch verhandelt.
http://laboratoriobagolini.it/bibli...olithic and Bronze Ages in Northern Italy.pdf (S. 300)
Für den Mitterberg bei Bischofshofen dagegen ist frühe Kupferverhüttung belegt, u.a. durch die archäometrische Analyse von Ötzis Beil, aber auch vieler anderer Kupferfunde der Mondsee-Kultur. Die dortige Geologie lässt ähnliche Strontiumisotopenverhältnisse erwarten, wie sie bei Ötzi gemessen wurden. Leider sind die Bleiisotopenmessungen des Mitterbergs (208Pb/206Pb) nicht direkt mit denen Ötzis (206Pb/204Pb) vergleichbar.
http://www.uibk.ac.at/geographie/fo...-pdf-files/2012-stoellner-et-al-aioe_sp-4.pdf (Abb.18, S. 129)
Das 206Pb/204Pb-Verhältnis des Mitterberger Kupfers in der Himmelsscheibe von Nebra (19,0) liegt etwas zu hoch für Ötzi, aber dieses Kupfer stammt aus dem östlichen Buchberg-Revier. Dies ist geologisch älter, und enthält daher mehr Bleiisotope aus radioaktivem Zerfall, als das Hauptrevier westlich der Salzach, dessen 206Pb/204Pb-Verhältnis durchaus in der bei Ötzi festgestellten Größenordnung liegen könnte.
 

Anhänge

  • karte_l.jpg
    karte_l.jpg
    47 KB · Aufrufe: 683
Zuletzt bearbeitet:
und weiß man ob er gleich gestorben ist, vielleicht war er lediglich "angeschweisst" und hat sich noch verstecken können

"Der Pfeil durchschlug Nerven und wichtige Blutgefäße, lähmte den linken Arm und zerschmetterte das Schulterblatt. Er drang rund acht Zentimeter in den Körper ein und blieb nahe der Lunge stecken. Vermutlich hat der Mann aus dem Eis die Verwundung nur wenige Stunden überlebt."

Ötzi wurde erschossen - Spektrum der Wissenschaft
 
Der Artikel ist von 2001, stellt das den letzten Stand der Dinge dar? Da ist ja immer mal wieder nachkorrigiert worden, den Korrekturen widersprochen worden etc.
 
Der Artikel ist von 2001, stellt das den letzten Stand der Dinge dar? Da ist ja immer mal wieder nachkorrigiert worden, den Korrekturen widersprochen worden etc.

Keine Ahnung.
Ich wüsst jetzt aber auch nicht warum sich der "ärztliche Befund" später geändert haben könnte.
Kann auch falsch sein, scheint mir aber nicht wahrscheinlich.
 
Zunächst einmal hat man ja die Pfeilspitze ganz übersehen. Und wenn ich das richtig im Kopf habe, hat es später Kontroversen darüber gegeben, wie schnell sie zum Tod Ötzis geführt hat. Deshalb frage ich, ob der Artikel von 2001 die letzte Instanz darstellt.
 
Im Wikipedia-Artikel steht, dass sich zitiert ist ein Kongress 2011, die Wissenschaft über die Todesursache oder was entscheidend zum Tod führte, ein Schädeltrauma oder der Pfeilschuss, der möglicherweise große Blutgefässe getroffen haben könnte, nicht einig ist, inzwischen scheinen jedoch Fibrinspuren in der Pfeilwunde für einen direkten Tod durch den Pfeilschuss sprechen (2012).
In der Dokumentation "Leichensache Hauslabjoch-der Ötzimord" war zu sehen, dass die Pfeilspitze kurz vor dem Herz steckte, nach Meinung der Wissenschaftler im Film ein Schuss eines geübten Großwildjägers, der sehr sicher tödlich ist, bzw. den Tod innerhalb weniger Minuten bewirkt.
Im Film werden drei von verschiedenen Wissenschaftlern vertretene Szenarien diskutiert, und auch die jeweiligen Gegenargumente genannt
1. claninterner Machtkampf, Rachemord
2. Verfolgung nach einer kriegerischen Auseinandersetzung
3. rituelles Opfer

Für Version 2 spricht, dass der Eismann einige Kampfverletzungen (linker Arm, Rücken) aufweist, insbesondere eine tiefe Schnittverletzung in der rechten Hand, die schon am verheilen war. Die steckengebliebene Pfeilspitze war gedrungener, als die Pfeilspitzen des Eismannes (der Pfeilschaft wurde vom Schützen herausgezogen).
Dass das Opfer (Todeszeitpunkt wahrscheinlich Frühjahr wegen im Magen 2009 gefundenen Hopfenbuchenpollen) auf 3200 m auf einen Gebirgspass war, lässt sich mit einer möglichen Verfolgung erklären. Der Similaunpass liegt anscheinend in einem Grenzgebiet zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen und Kulturen.
Etwa zwei Stunden vor seinem Tod hatte er ein substantielles Mahl aus Getreide und Steinbockfleisch gegessen, im wiki-Artikel steht nun, dass dies gegen eine überhastete Flucht spricht - meiner Ansicht nach kann es auch sein, dass er dachte, dass er seine Verfolger abgeschüttelt hat.
Ich halte dieses Szenario noch am wahrscheinlichsten, dagegen spricht, dass der Verfolger die Kupferaxt nicht mitgenommen hat.
 
Zuletzt bearbeitet:
Weil's oberhalb der Baumgrenze liegt, bedeutet das nicht, dass es dort keine Orte gab, sich zu verstecken. Hat man Ötzis Mumie nicht hinter einem Felsblock in einer Mulde gefunden?!

M.W. lag er auf einem Felsblock.
Aber ich war ja schon mehrmals da oben-das Gelände ist sehr übersichtlich
 
@Augusto: Danke für den schönen Beitrag Nr.11, insbesondere die Methodenkritik ist sehr hilfreich!

@Biturigos: verstehe ich das Richtig, dass der Schütze versucht hat den Pfeil herauszuziehen?


Insgesamt ein sehr interessantes Thema...
 
Dito morifea,
wahrlich interessante Infos und spannende Überlegungen, die nicht zuletzt entlang von Forschungsbefunden wohl immer wieder neue Optionen für die "Aufklärung" des Falls eröffnen werden.

Letztlich sehe ich es jedoch so, dass wir über eine partielle Lokalisierung diverser Aufenthaltsorte Ötzis, Ansätze seines Werdegangs sowie eine Eingrenzung dessen was er möglicherweise für eine gesellschaftliche Stellung innerhalb seines sozialen Kontextes gehabt haben könnte nicht hinaus kommen werden.

Was Ötzi wirklich in die luftige Höhe getrieben hat verzweigt sich meiner Ansicht nach ebenso in der Vielfältigkeit individuellen Handelns wie die Motivation dessen/derer die den Bogen spannten.

Mir hat, den Göttern sei Dank, noch niemand einen Pfeil im Rücken versenkt, doch ich kann mir durchaus vorstellen, dass ich alles mögliche angestellt hätte, um das fiese Ding da raus zu kriegen, in Todespanik allemal.

Mir fehlen schlicht Tatort, Zeugenaussagen, und was sonst noch so alles zur Klärung eines Kriminal-Falles beitragen kann.

Dennoch, da mir Spekulatius-Genuss großes Vergnügen bereitet, meine letztjährigen Feiertagsreseven jedoch schon längstens bis auf den letzten Krümel aufgezehrt sind, freue ich mich einfach mal auf viele weitere spannende Ansätze.
 
Voraussetzung für das Ansichnehmen des Kupferbeils wären Interesse, Gelegenheit und Möglichkeit. Fehlt es an einer der Voraussetzungen, so bleibt das Kupferbeil ein paar tausend Jahre mit Ötzi liegen, bis es von neuzeitlichen Wanderern gefunden wird.

Am wenigstens wahrscheinlich ist m.E. das fehlende Interesse am Kupferbeil, denn wenn schon nicht der Todesschütze, so hätten doch andere es an sich nehmen können, wenn Gelegenheit und Möglichkeit bestanden hätten.

Mit Gelegenheit meine ich für den Schützen vor allem ausreichende Zeit, um dem Sterbenden oder der Leiche das Beil und andere Dinge abzunehmen. An Zeit könnte es gemangelt haben, weil der Todesschütze den Tatort schnellstmöglich verlassen musste, um der Entdeckung oder Verfolgung oder einem Unwetter zu entgehen. Andere als der Todesschütze haben Ötzi einfach nicht entdeckt. Er muss ja relativ schnell eingeschneit worden sein, um erhalten zu bleiben, oder?

Schließlich muss die Möglichkeit bestanden haben, an das Opfer heranzukommen. Wenn es in einer Felsspalte oder einem ähnlich unzugänglichen Ort lag, war auch nicht an das Beil heranzukommen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben