Gibt es altägyptische Traditionen im heutigen Ägypten?

20fox

Neues Mitglied
Ich wollte mal fragen, wieviele der alten Bräuche aus der antike haben sich bis heute durchsetzen können? Und natürlich welche. Glauben noch Menschen im ägypten 2010 an die zahlreichen Gottheiten zu Pharaoen-zeiten?
Ich meine z.B. das Auge des Horus, welches noch häufig an Schiffen, die den Niel befahren, angebracht ist. Oder aber auch die koptische Sprache die ja zu großteilen auch aus dem alt-ägyptisch besteht.
Hoffe ihr könnt mir helfen.
Ich freu mich jetzt schon über jede Antwort.
 
Ich wollte mal fragen, wieviele der alten Bräuche aus der antike haben sich bis heute durchsetzen können? Und natürlich welche. Glauben noch Menschen im ägypten 2010 an die zahlreichen Gottheiten zu Pharaoen-zeiten?
Ich meine z.B. das Auge des Horus, welches noch häufig an Schiffen, die den Niel befahren, angebracht ist. Oder aber auch die koptische Sprache die ja zu großteilen auch aus dem alt-ägyptisch besteht.
Hoffe ihr könnt mir helfen.
Ich freu mich jetzt schon über jede Antwort.

Es wird behauptet, dass die Bestattungskultur bzw. -architektur, die sich in Ägypten vom Rest der christlichen und muslimischen Welt abhebt, auf die altägyptische Kultur zurückginge.
Das Koptische im Übrigen ist nicht das Altägyptische sondern eine Entwicklung daraus. Heute hat es beinahe nur noch Bedeutung als rituelle Sprache von Christen, kaum noch im Alltag.
 
Die Augen sind heute schlichte Deko-Elemente und beziehen sich nicht auf das Horus-Auge sondern auf die eine Sitte aus dem arabischen Raum.Dort wurden m.W. Augen am Schiffsbug angebracht .
Was die koptische Sprache betrifft,so weist diese Ähnlichkeiten mit dem Ägyptisch auf,was zur Zeit des Ptolomäer-Reiches gesprochen wurde, weshalb die Kopten sich sprachlich als wahre Erben des Pharaonenreiches sehen.Identisch ist es aber keineswegs und mit dem Altägyptischen eh nicht.

das heutige Ägypten ist im Wesentlichen eine islamisch dominierte,pluralistische Gesellschaft mit einer starken christlich-koptischen Minderheit mit einem berechtigten stolz auf die Leistungen des Pharaonenreiches, aber von der alten ägyptischen Religion gibt es nur die archäologischen Relikte. Isis-und Osiris-Verehrer findet man eher in westlichen Esotherikzirkeln als dort.
Aber im Prinzip hilft Dir nur eines: Mal hinfahren und das Land mit offenen Sinnen angucken. und Dir selbst ein Bild davon machen.Ist heute auch nicht mehr teurer als Malle :)

Ach ja,was aus der Pharaonenzeit geblieben ist,ist das Prinzip und die Grundstruktur des Bewässerungssystems.
 
Vielen Dank für die Antworten
Ich werde in 6 Wochen dort sein und freu mich schon drauf Luxor und co. zu erkunden.
Leider hilft mir der Eindruck gerade jetzt nicht weiter da ich das ganze (auch wenn ich privat in sowas interessiert bin) für ein Schul-Referat brauche.
Daher stammt mein angehäuftes wissen aus mehreren Lexika und Internetseiten, die zum teil fragwürdige Galileo-Mystery ansätze bieten. Deshalb danke ich euch beiden nochmals für die schnellen und hilfreichen antworten.
 
Die Augen sind heute schlichte Deko-Elemente und beziehen sich nicht auf das Horus-Auge sondern auf die eine Sitte aus dem arabischen Raum.Dort wurden m.W. Augen am Schiffsbug angebracht .
....

Findet man u.A. auch in Griechenland und in Dalmatien. Ist aber nicht nur Deko: Es Steckt auch eine Menge Aberglaube dahinter.
 
Findet man u.A. auch in Griechenland und in Dalmatien. Ist aber nicht nur Deko: Es Steckt auch eine Menge Aberglaube dahinter.

Das Augenmotiv ist auch an Halsketten und Schmuckstücken zu finden.

Ein Reiseführer in der Türkei sagte mir, dass man allgemein glaubt, dass dieses Augenmotiv vor Schaden und Unglück schützen könne.

MfG Jürgen
 
Es wäre vielleicht günstig zu klären, worüber ihr redet. Das Horusauge oder das Händchen der Fatima, welches auch häufig mit einem Auge in der Handfläche versehen ist und den bösen Blick abwenden soll?
 
Wenn die Leute dort ein Auge am Bug anbringen, hat das natürlich etwas mit der ursprünglichen Bedeutung zu tun, auch wenn ihnen das nicht mehr bewußt ist. Die Ablehnung von "Aberglauben" ist in der islamischen Tradition immer noch sehr stark. Es können also vorislamische Elemente nur benutzt werden, wenn man behauptet - und vordergründig vielleicht auch selbst glaubt - dass das gar keine religiöse Bedeutung habe. "Aberglaube" ist ja das, was Menschen entgegen den Vorstellungen der vorherrschenden Priester glauben.
Wenn Dir Menschen in Deutschland erzählen, Insekten oder Echsen zu essen sei igitt, so hat das einen religiösen Hintergrund, der ihnen meistens gar nciht bekannt ist (christlich). Ebenso verhält es sich mit Pferdefleisch (germanisch).
Insofern ist die Frge eigentlich nur, ob das Auge an ägyptischen Schiffen aus der einen oder anderen Quelle stammt.
 
Wenn Dir Menschen in Deutschland erzählen, Insekten oder Echsen zu essen sei igitt, so hat das einen religiösen Hintergrund, der ihnen meistens gar nicht bekannt ist (christlich). Ebenso verhält es sich mit Pferdefleisch (germanisch).

Ich wüsste nicht, dass der Verzehr von Echsen oder Insekten jemals von einer der christlichen Kirchen verboten worden wäre. So berichtet z.B. die Bibel, dass der Täufer sich von Heuschrecken ernährte. Warum das also verbieten. Echsen sind in D nun mal selten und selten zu finden. In wärmeren Ländern dagegen etwas häufiger. In den weniger regenverwöhnten Regionen Spaniens war lagarto (Eidechse) noch bis ins 20. Jahrhundert ein Arme-Leute-Essen.

Dass das Essen von Pferdefleisch kirchlich verboten war, stimmt, unklar ist aber, weshalb.
 
3. Mose 11:21-23 "Nur dies dürft ihr von allen geflügelten Geschöpfen des Gewimmels essen, die auf allen vieren gehen: die, die oberhalb ihrer Füße Sprungbeine haben, mit denen sie auf der Erde hüpfen. Diese sind es, von denen ihr essen dürft: die Wanderheuschrecke nach ihrer Art und die eßbare Heuschrecke nach ihrer Art und die Grille nach ihrer Art und den Grashüpfer nach seiner Art. Und jedes andere geflügelte Geschöpf des Gewimmels, das vier Beine hat, ist für euch etwas Widerliches."

29-31 "Und dies ist, was unter den Geschöpfen des Gewimmels, von denen es auf der Erde wimmelt, für euch unrein ist: die Blindmaus und die Springmaus und die Eidechse nach ihrer Art und der Gecko und die Großeidechse und der Salamander und die Sandechse und das Chamäleon. Diese sind für euch unrein unter allen Geschöpfen des Gewimmels. Ein jeder, der sie in ihrem toten Zustand berührt, wird unrein sein bis zum Abend."
 
Die Schiffsaugen sind auch im indischen und chinesischen Raum zu finden, aber das sind keine Horusaugen.Die haben eine ikonographisch geau definierte Form und finden sich nicht auf den Schiffen.

Aber zum Thema kulturelle Kontinuität mal was Grundsätzliches:

Die altägyptische Kultur war üer Jahrtausende buchstäblich im Sand versunken ud wurde von den Bewohnern des Landes nicht oder zumindest nicht in ihrer Bedeutung wahrgenommen.Als Beispiel sei hier die Moschee auf dem Dach eines Tempels,ich glaube Kho-ombo, erwähnt,die vor dessen fFeilegung ebenerdig zu erreichen war und auch dem Sphinx stand der Sand mehrmals bis zum Hals.
Das ganze änderte sich erst mit dem Napoleonfeldzug, der Altägypten wieder ins allgemeine Bewußtsein rückte und im Abendland mehr als im Morgenland eine echte Ägyptomanie auslöste,die vom Dekor auf der Kaffetasse bis zu obskuren "ägyptischen " Riten von Salon-Geheimgesellschaften reichte.
 
Im Bereich der niederen Mythologie (Volksaberglaube) hat sich noch Bruckstückhaft was erhalten..
In der Osirisstadt Abydos berühren Frauen mit Kinderwunsch den Phallus des Gottes oder waschen sich im Wasser des Osirion
In Hathortempel von Dendera holen sich Kranke Steinmehl aus der Mammissi des Tempels.

Das Fest "Moulid of Abu el Haggag" in Luxor, zu Ehren eines Sufi Heiligen soll auch altägyptische Wurzeln haben.

Auf dem Fatimidenfriedhof in Assuan haben sich Begräbnisrituale erhalten die vermutlich einen altägyptischen Ursprung haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich möchte die Frage von zaphod aufgreife: Kann es überhaupt sein, dass nach 1400 Jahren (!) arabisch-muslimischer Herrschaft noch altägyptische Bräuche oder abgesunkene Glaubensvorstellungen in Form von Aberglauben u.ä. im heutigen Ägypten lebendig geblieben sond?

Und wenn ja, wie lässt sich das erklären, wo doch gerade der Islam heidnische Praktiken und Vorstellungen sehr radikal und nachdrücklich verbietet und mit Strafen belegt?
 
Man muss eben zwischen Glaubensinhalten und Praktiken unterscheiden. Der moderne ägyptische Totenkult unterscheidet sich ganz erheblich von dem der Nachbarn, schon die Grabarchitektur ist eine ganz andere, das heißt aber nicht, dass heidnische Glaubensvorstellungen die letzten zwei Jahrtausende überlebt haben.
Im Christentum gibt es ganz ähnliche Phänomene, etwa in Mexico die Virgen de la Muerte, eine Mischform aus aztekischer Totengöttin und der Jungfrau María und hier ist sehr wohl heidnischer Inhalt erhalten, trotz 400 Jahren Inquisition.
 
Gefragt wurde, welche Bräuche überlebt haben, und welche Glaubensvorstellungen. Offensichtlich haben einzelne Elemente von Bestattungsbräuchen überlebt. Ob auch die Inhalte der Bräuche überlebt haben, entzieht sich meiner Kenntnis. Da müsste man mal Ägyptologen, die sich mit dem modernen Ägypten auskennen oder Regionalwissenschaftler fragen.
 
einen umfangreichen und lesenswerten Aufsatz zum fortleben Heidnischer Kulthandlungen im Sethostempel von Abydos hat die Ägyptologin Ute Effland in der KEMET veröffentlicht

Bibliographie Ute - Ute und Andreas Effland

grob zusammen gefasst folgendes:
das einstige Osiris Heiligtum wandelt sich in der ptolemäischen Epoche zu einem Serapis Tempel und in der Römerzeit zu einem Bes Orakel
letzteres war weit über Ägyptens Grenzen berühmt und zog unzählige Pilger an, die sich in sämtlichen antiken Sprachen an den Tempelwänden verewigten.
Das Bes Orakel wurde im Jahre 359 n. Chr. von Kaiser Constantinus II. verboten, der Cultus lebte aber weiter fort und erst der christliche Bekehrer Apa Mousa beendete im 5./6 Jahrhundert n.Chr. den Tempelbetrieb und gründet dort ein heute noch vorhandenes Kloster. Es gibt um ihn und das Kloster eine Dämonen Legende, wo er und 7 Brüder den Dämon Bes aus den Tempel vertrieben.

Der Glaube an die Wunderkräfte der Alten Götter im Tempel ging aber immer weiter. Trotz Missbilligung der Vertreter der Hochreligion, werden bestimmte Reliefs in den Tempeln für wundertätig gehalten und noch immer besuchen Dorfbewohner diese um Heilung zu erlangen
Sie berichtet in dem Artikel auch von anderen Orten in Abydos (Pyramide von Sinki die man 7x umkreisen muss..) sie berichte auch von geduldenen Zauberdoktoren den Sheikhs die Rituale durchführen.

Das ganze hat natürlich nichts mehr mit den komplizierten Ritualen der Antike zu tun, es bewegt sich hier alles im Rahmen des Volksaberglaubens und niederen Mythologie. Man weis nur was von einem heiligen Ort der irgendwelche Kräfte hat, was genau da die alten Ägypter taten wird wohl kaum einer der Hilfesuchenden dort wissen.

Ich habe Abydos im März besichtig und sah dort auch eine Gruppe Amerikaner bei einem Ritual im Sethostempel. Die Gruppe scheint das Revolutionchaos ausgenutzt zu haben,anders kann ich mir nicht vorstellen das es möglich ist in Antiken Monument Weihrauch abzubrennen und mit Klangschalen und Zimpeln die alten Götter zu beschwören.
 
Ich habe Abydos im März besichtig und sah dort auch eine Gruppe Amerikaner bei einem Ritual im Sethostempel. Die Gruppe scheint das Revolutionchaos ausgenutzt zu haben,anders kann ich mir nicht vorstellen das es möglich ist in Antiken Monument Weihrauch abzubrennen und mit Klangschalen und Zimpeln die alten Götter zu beschwören.

Vielleicht war es das Revolutionschaos, vielleicht aber auch nur ein bisschen Geld mehr. Als ich das erste Mal in Ägypten war (1990), wunderte ich mich auch etwas über die Gruppe tänzelnder, Hand-in-Hand verbundener Freunde der "Mystik", die um den Cheops-Sarkophag in der Pyramide murmelnd im Kreis herumschwankten.
Und auch später konnte ich entweder frühmorgends oder am Abend Leute/Interessierte beobachten, die via Geldübergabe in Regionen vom Karnak-Tempel kamen, die offiziell nicht zu Besichtigungen ausgeschrieben waren.

Soweit ich weiß, beschäftigte sich doch auch Renate Germer mit dem Thema der Heilpflanzen der alten Ägypter im Vergleich "zum Heute", auch zu manchen "alten, heidnischen" Bräuchen die trotz des Islam in einigen Dörfern immer noch Tradition haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
das Buch von Renate Germer klingt interessant.
Vielleicht sollt man noch anmerken dass das Heidentum in Ägypten von den Christen ausgerottet wurde, zum eintreffen der Araber dürfte da nix mehr dagewesen sein.
 
Zurück
Oben