Khitan (Kitan, Kitai, Qidan) und Kara-Kitai

H

hyokkose

Gast
Das Reich, von dem Marco Polo berichtete, nannte er "Cathay"; auf Russisch und anderen slawischen Sprachen wird China heute noch als "Kitai" bezeichnet.

Wer waren die Khitan (Kitai) wirklich?

Sie stammten aus der Mandschurei, wo sie im 4. Jahrhundert angeblich aus den Xianbei hervorgegangen sind. Später hatten sie eine eigene Schrift, die der chinesischen nachempfunden ist, aber nur teilweise entziffert ist. Ihre Sprache ist immer noch rätselhaft. Daß es sich um "Protomongolisch" gehandelt habe, ist graue Theorie; manche tippen eher auf tungusisch oder gar auf türkisch.

Ihre große Zeit kam, als das mächtige Tang-Imperium zerfiel und sich gleichzeitig das Parhae-Reich in der Mandschurei in Auflösung befand. Nachdem der Häuptling Yelü Abaoji (oder Apaoki = 阿保機; die im Internet verbreitete Schreibweise "Apaoka" ist falsch) die Khitan-Stämme unter seiner Herrschaft vereinigt hatte, konnte er sich 907 zum unabhängigen Herrscher proklamieren. Die frühen Eroberungszüge der Khitan führten zu beeindruckenden Erfolgen: 924 wurden die Kirgisen im Westen besiegt, 926 das Parhae-Reich im Osten zerstört. 946 wurde vorübergehend sogar die chinesiche Hauptstadt Kaifeng besetzt. Doch erst in den folgenden Jahrzehnten gelang es den Khitan, eine funktionierende Verwaltung aufzubauen und die eroberten Territorien ihrem Reich, das ab 947 den Namen "Liao" trug, auf Dauer einzugliedern. Das Verwaltungssystem der Khitan ist im höchsten Maße beeindruckend. Mit ihm gelang es tatsächlich, ein heterogenes Staatsgebilde auf lange Zeit zusammenzuhalten, das eine Vielzahl nomadischer und seßhafter Völker zusammenfaßte.

Das Ende kam schnell und unerwartet. Anfang des 12. Jahrhunderts gelang es wieder einmal einem Häuptling aus der Mandschurei, die Stämme der Dschurdschen (Jurchen) zu einigen, die in kürzester Zeit eine fürchterliche militärische Schlagkraft entfalteten. Nach zehnjährigem Krieg hörte geriet 1125 der letzte Khitan-Kaiser in Gefangenschaft, und das Liao-Reich hörte zu existieren auf.

Ein Teil der Khitan floh westwärts, angeführt von Yelü Dashi, einem Angehörigen des Herrscherclans. 1128 wurden sie von den türkischen Karachaniden zur Hilfe gegen aufständische Nomaden gerufen. Die Khitan nutzten die Einladung und besetzten gleich die Hauptstadt der Karachaniden, Balaghasun. Dort riefen sie das Reich Kara-Kitai aus. Es konnte sich 1141 erfolgreich gegen die Seldschuken behaupten und bestand bis zur Mongoleninvasion 1217/18.

Allgemeines:
http://www.chinaknowledge.de/History/Song/liao.html (englisch)
http://web.infinito.it/utenti/m/mario.verdoglia/Storia/Kitan/KITAN3.HTM (italienisch)
http://www.lexikon-definition.de/Kitan.html
http://www.lexikon-definition.de/Liao-Dynastie.html
http://www.lexikon-definition.de/Kara-Kitai.html

Herrscherlisten (englisch):
http://en.wikipedia.org/wiki/Kara-Khitai
http://www.chinaknowledge.de/History/Song/liao-rulers.html

Schrift (englisch):
http://www.ancientscripts.com/khitan.html

 
Hier sind ein paar Impressionen von den Resten ihrer Hauptstadt am Fluss Tschui.

Der Turm von Burana im Bezirk Tokmak. Der Hügel im Vordergrund war einmal der Palast. Der Turm gehörte zu einer Moschee, aber ganz in der Nähe befinden sich auch die Reste einer nestorianischen Kirche und eines buddistisches Heiligtums.
 

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Aragorn schrieb:
Gehörten die Kara-Kitai eigentlich zum Völkerbund des Temüdjin Dschingis Khan?
Wenn man darunter die Völker versteht, die sich Dschingis Khan freiwillig unterwarfen, dann ja. Der letzte Herrscher des Kara-Kitai-Reichs, der Naiman-Prinz Kütschlüg, soll bei der Bevölkerung so verhaßt gewesen sein, daß Dschinggis Khan gar als Befreier begrüßt wurde.
 
Waren die Kra Kitai Mandschuren oder Mongolen? Der Name Küschlügg weißt wie beim Namen Temüdjin auf den Einfluss der Kultur der Turk-Völker hin?
 
Wie ich oben schon schrieb, rätselt man bis heute, ob die Kitan-Sprache türkisch, mongolisch oder (mandschu-)tungusisch war. (Vielleicht auch keins von den dreien, wer weiß?)

Kütschlüg selber entstammte nicht den Kitan, sondern den Naiman.

Da die Turkvölker in den Jahrhunderten vor Dschinggis Khan eine wichtige Rolle gespielt und bedeutende Reiche gegründet haben, ist es kaum verwunderlich, daß sich bei den Mongolen manche türkische Einflüsse bemerkbar machen.
 
Also rein vom Namen aus: Kütschlüg, also Kütsch könnte von türkischen Kütschük (Kücük) stammen, das heisst "Klein".
 
Du hast Askan vor einiger Zeit mal versprochen, etwas über die Kara-Kitai zu schreiben. Es würde mich freuen, wenn Du das gelegentlich nachholen würdest.
-
Ja, ich hätte dann auch ein paar digitale Bilder von den Resten von Burana, ihrer Hauptstadt.
So, zurück aus dem Urlaub und ans Werk, also die Kara Kithai:

Prinzipiell bedeutet der Name selbst, Kare = Schwarz, Kithan/Kithai = Kitan die Schwarzen Kitan. Die Kitan waren ein Nomadenvolk aus dem Gebiet der Mandschurei/Inneren Mongolei die sich im 8 und 9 Jahrhundert erstmals geschichtlich bemerkbar machten. Nach der Niederlage des Tang Reiches 751 am Talas gegen die Muslime begann der Abstieg dieses Weltreiches, der aber einige Zeit dauerte. Es kam zu zahlreichen Erhebungen unterworfener Völker und zu Militärrevolten und unter den Aufständischen finden wir auch die Uiguren, die Tanguten, die Thai und die Kitai/Kitan Völker. 790 fiel der Westen des Tang Reiches an das von Tibet aus expandierende Tufan Reich mit seinem Mittelpunkt Lhasa. Die Kitan wiederum wurden von den sich im Nordenwesten und bis in die Innere Mongolei ausbreitenden Uiguren in die Mandschurei verdrängt.

Zwischen 907 und 960, zur Zeit der 5 Dynastien gelang dann noch einmal die Reichseinigung unter den Sung. In der Zeit von 960 bis 1127 spricht man von der nördlichen Sung Dynastie, mit der Hauptstadt Kaifeng. Ab dem Jahr 917 errichteten die Kitan in der Mandschurei ein zunehmend stärker werdendes Reich, das Reich von Liao. Die nördliche Sung Dynastie war gezwungen, an dieses Reich hohe Tribute zu entrichten, um vor Angriffen verschont zu werden. Obwohl die Kitan von ihrer Herkunft her ein Reiter und Nomadenvolk waren, zivilisierten sie sich im Austausch mit den Nord Sung und bildeten einen regulären Staat mit allen Institutionen aus.


Nach dem Zerfall des Tufan Reiches entstand zudem im heutigen Nordwest China das von Tangutischen Stämmen gebildete Reich der Hisa Hsia, dass ebenfalls halbnomadisch aber auch mit einer eigenen Stadtkultur auf die Nord Sung Druck ausübte. Nordöstlich des Liao Reiches aber, vom Fluß Amur kommend wanderten die Stämme der Juchen nach Süden und bedrängten die Kitan wiederum vom Norden und Osten her. Um das Jahr 1100 erstarkten die Juchen ganz wesentlich und trotz der Verwaltungsreformen von Shen Tsung 1068 bis 1085 eroberten die Juchen nach ihm in ununterbrochenem Kampf Stück um Stück ganz Nordchina und unterwarfen sowohl die Nord Sung als auch die Kitan vollständig. Die Stämme der Juchen begründeten dann in der Folge selber ein Großreich, das Reich von Chin im Jahre 1125. In Südchina jedoch konnte sich die Sung Dynastie jedoch halten und daher gab es dann in der Folge von 1127 bis 1279 das Reich der südlichen Sung mit der Hauptstadt Hangchou südlich des Chin Reiches.
Die Südliche Sung Dynastie konnte mit großer Mühe gerade so ihre Selbstständigkeit gegen die Chin bewahren, indem sie die unruhigen und zersplitterten Mongolenstämme auf die Chin hetzte und indem sie hohe Tribute entrichtete. Trotz der völligen politischen Ohnmacht Chinas in dieser Zeit war das Die große Blüte der Chinesischen Kultur, Wirtschaft und Technologie.

Beim Einfall der Juchen nun floh ein Teil der noch halbnomdischen Stämme der Kitan nach Westen und siedelte sich dort südlich des Balkasch See und im Gebiet des Flusses Ili an. Diese Kitan begründeten dort ein neues Reich und wurden dann die Schwarzen Kitan, also die Kara Kithai genannt. Ihre Hauptstadt hieß Balasagun, weitere wichtige Städte wurden Kaschgar und Khotan. Das Reich der Kara Kithai entstand so um 1130 herum und dehnte sich dann ebenfalls aus, bis an die Grenze der Äußeren Mongolei und in das Altai hinein, wegen seiner Lage kontrollierten die Kara Kithai den Handel nach Westen auf der Seidenstraße was ihnen Reichtum und Feinde einbrachte. Sie hatten viel mit den Hsia Hsia, den Kirgisen und den zersplitterten Mongolen zu kämpfen. Im Westen geriet ihr Reich unter den Einfluß des Choswarem Reiches von Samarkand und Buchara aus gingen gewisse Gebiete an den Shah verloren. Dafür unterwarfen die Kara Kithai das Volk der Uiguren vollständig unter ihre Herrschaft und zerstörten seine Kultur.

Und dann kam Chinggis Khan. Als er sich daran machte, die extrem kriegerischen Stämme der Mongolen zu vereinen, führte er auch Krieg gegen den Stamm der Naimanen der von Tayang Khan beherscht wurde. Ein alter Feind von Chinggis, Dschamukha hatte die Naimanen und die Mongolen unter Chinggis Herrschaft in den Krieg gegeneinander getrieben. Die Naimanen wurden in einem kurzen, sehr heftigen Angriff vernichtend geschlagen, allein Dschamukha und dem Sohn von Tayang, Guchuluk Khan gelang es mit wenigen Kriegern zu fliehen. Guchuluk Khan selbst floh nun mit den Resten der Naimanischen Truppen in das Reich der Kara Kithai und wurde dort freundlich aufgenommen. Zu dieser Zeit realisierten die Kara Kithai erstmals, dass in der Steppe eine neue gewaltige Macht im Entstehen begriffen war. Das spielte sich alles wahrscheinlich im Jahr 1204 nach ab.

In der Folge des Vereinigung der Stämme der Mongolen unter seiner Herrschaft rebellierten nun einige Jahre später die Uiguren gegen ihre Herren die Kara Kithai und schlossen sich Chinggis an. In Kara Kithai kam es darauf hin zu Spannungen zwischen verschiedenen Machtfraktionen zu denen auch die Flüchtigen Naimanen unter Guchuluk gehörten. Guchuluk Khan hatte in der Zwischenzeit die Enkelin des Herrschers der Kara Kithai, Gur Khan geheiratet vergalt aber dann dieses Bündnis mit Verrat. Im Jahre 1211 stürzte er seinen Wohltäter vom Thron und ergriff im Reich der Kara Kithai die Macht. Er war nicht nur ein Ursupator sondern auch ein Tyrann und vor allem verfolgte er die in seinem Herrschaftsgebiet lebenden Muslime. Die Muslime und die Kitan selbst riefen darauf hin Chinggis zur Hilfe herbei und so kam es zum Krieg zwischen den Kara Kithai und den Mongolen. Chinggis hatte ja schon den Vater von Guchuluk besiegt und getötet und daher war dieser als echter Mongole ohnehin auf Krieg und Rache aus. Chinggis rief Dschebe Noyon und die mongolischen Armeen, die gerade zur Eroberung von Korea ansetzten aus Korea ab und warf ungefähr
100 000 mongolische Krieger nach Westen. Er stellte auch einige seiner besten Generäle für den Feldzug ab, beteiligte sich aber wahrscheinlich nicht selbst daran.

Die offizielle Begründung für den Feldzug war die Unterdrückung der Muslime und der Verstoß gegen die in der Yasa festgelegte Religionsfreiheit, in Wahrheit ging es um die Kontrolle über den Handel nach Westen und die Seidenstraße und um Guchuluk und die letzten Naimanen endlich auszuschalten. Chinggis befahl für diesen Feldzug persönlich und nachdrücklich, dass jede Plünderung und Vergewaltigung zu unterlassen sei und auch kein Vieh requiriert werden dürfe, die inzwischen schon extrem gefürchteten Mongolen hielten sich daran und gewannen daher schnell das Vertrauen der Kitan unter Guchuluks Herrschaft, in der Folge öffneten viele Städte ihre Tore kampflos und die Mongolen gewannen vor allem auch deshalb so schnell, weil die Kitan schlicht und einfach desertierten und zu ihnen überliefen. Es kam zu keinerlei Zerstörungen und auch zu keinerlei Massenschlachtungen die sonst für mongolische Kriegszüge so typisch waren. Guchuluk mußte daher in der Folge bald fliehen und versuchte auf den Höhen des Pamir seinen mongolischen Verfolgern zu entkommen. Im Tal von Sary-Kol wurde er von den Mongolen eingeholt und im Kampf getötet. Sein Kopf wurde konserviert und an den Onon gesandt zusammen mit den 1000 besten Pferden der Kara Kithai, die diese ihrem neuen Herrn zum Geschenk machten.

Zum raschen Erfolg der Mongolen gehörten sicher auch die vielen Ost Kitan im Gefolge der Mongolen. Auch der berühmte Berater von Chinggis, Yelui war ein Kitan. Die Kitan unter der Knechtschaft der Chin im Osten hofften auf die Mongolen, um Rache an ihren verhassten Unterdrückern zu nehmen und flohen daher schon früh aus dem Gebiet der Chin in die Mongolei und unterstellten sich der Herrschaft der Mongolen. Chinggis erkannte wohl das Potential dieser Konstellation als er als Söldner einige Jahre früher für die Chin gegen andere Mongolenstämme gekämpft hatte und ermunterte die Kitan in ihren Bestrebungen. Im Jahre 1211/1212 kam es dann zu Auseinandersetzungen zwischen den Kitan und den Chin, die Kitan Fürsten versuchten, manipuliert von den Mongolen, die Liao Dynastie wieder zu errichten.

In den Kampf zwischen den Truppen der Chin und den aufständischen Kitan griff dann Chinggis ein und nicht zuletzt dadurch konnte er die Heere der Chin so schnell vernichten. Die Armeen der Chin gerieten in diesem Frühjahr zwischen das mongolische Heer und die Aufständischen Kitan die ihnen den Nachschub kappten und wurden dann zwischen den beiden aufgerieben. Trotzdem waren das sehr schwere Kämpfe, bei denen die Mongolen sich zum Teil sehr schwer taten, bei Shangli mußte sogar Chinggis selbst sei langem wieder einmal in den Kampf eingreifen und wurde dabei durch einen Pfeil verwundet.
In der Folge der Siege der Mongolen erklärten sich die Ost Kitan zu einem eigenen Staat Liao und gleichzeitig zu Vasallen von Chinggis. In der Folge waren die West Kitan, also die Kara Kithai dann eher den Mongolen als ihren Naimanischen Zwingherrn zugeneigt und so viel auch das Kara Kithai Reich kurz darauf an Chinggis.

http://de.wikipedia.org/wiki/Naimanen
Im gegensatz zu dem hier genannten ist es nicht so klar, ob die Naimanen nun ein türkisch-mongolisches Mischvolk oder Teil des mongolischen Volkes waren, die heutigen Kasachen gehen aber vermutlich auch auf die Naimanen zurück.

http://de.wikipedia.org/wiki/Kitan

http://de.wikipedia.org/wiki/Kara_Kitai
 
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Quintus Fabius schrieb:
Die Kitan waren ein Nomadenvolk aus dem Gebiet der Mandschurei/Inneren Mongolei die sich im 8 und 9 Jahrhundert erstmals geschichtlich bemerkbar machten.
Möglicherweise lassen sich die Kitan viel weiter zurückverfolgen. Im koreanischen Geschichtswerk "Samguk Sagi" habe ich die Notiz gefunden, daß bereits König Kwanggaet'o (392-413) sich mit den Kitan auseinandersetzte. Die Angaben zu Kwanggaet'o sind sonst eigentlich recht zuverlässig.


Quintus Fabius schrieb:
Nördlich des Liao Reiches aber, vom Fluß Amur kommend wanderten die Stämme der Juchen nach Süden und bedrängten die Kitan wiederum vom Norden her.
Das stimmt wohl nicht. Die Jurchen waren die östlichen Nachbarn der Kitan. Meines Wissens gehen die Jurchen zum größeren Teil auf die Mohe zurück, und die saßen schon seit Jahrhunderten in der östlichen Mandschurei.


Quintus Fabius schrieb:
Um das Jahr 1000 erstarkten die Juchen ganz wesentlich
Richtiger müßte es wohl "um das Jahr 1100" heißen.


Quintus Fabius schrieb:
Im Westen geriet ihr Reich unter den Einfluß des Choswarem Reiches von Samarkand
Richtigerweise müßte man "Choresm" oder "Chwaresm" schreiben.


Im übrigen bedanke ich mich für die detaillierte Schilderung, insbesondere zu den letzten Jahren des Kara-Kitai-Reiches.

 
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Zur Frage der Herkunft der Juchen: Gelesen habe ich schon diverses dazu, eben auch, dass sie aus dem Amurgebiet stammen. Die Frage ist nun die Zeit. Zu der Zeit als die Juchen aufstiegen und die Oberhoheit der Kitan abschüttelten, sie standen nämlich meines Wissens nach anfänglich unter deren Hoheit, saßen sie tatsächlich östlich der Kitan, Aber: ich bezog mich mehr auf die ursprüngliche Herkunft dieser Stämme.

Nun habe ich aber auch schon gelesen, dass sie wie hykkose schreibt schon seit langem dort in der östlichen Mandschurei ansässig waren. So weit mir bekannt eroberten die Juchen 1125 das Liao Reich und begründeten Chin. In einem Text habe ich nun gelesen, dass sie so um die 900 erstmals in der östlichen Mandschurei greifbar werden. Also könnten sie wohl zeitgleich mit den Kitan in das Gebiet des Reiches von Pohei eingewandert sein, auch habe ich gelesen dass die Juchen und die Tungusen verwandt sein sollen und deshalb erstere eben aus dem Amur Gebiet und damit aus dem Norden stammen sollen. Ob das alles aber stimmt weiß ich nicht.

Darüber hinaus möchte ich eine Frage stellen: und zwar ob jemand etwas über das Reich von Pohai weiß und mitteilen könnte?
 
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Über das Reich von Pohai (Parhae) ist relativ wenig bekannt, weil die Parhae im Unterschied zu den Chinesen, Kitan, Jurchen und Koreanern keine Dynastiegeschichte hinterlassen haben.

Ich will mal eine allgemeine Einführung schreiben und auf eventuelle weitere Detailfragen gerne antworten.
 
Ich habe "Neuigkeit" fuer euch:

Heute kann man sagen, dass die Sprache der Khitan [ganz allgemein] als mongolisch bezeichnet werden. Und zwar aus den folgenden Gruenden:

Im Jahre 1922 hat belgischer Missionar Kervgn in der Inneren Mongolei ein Fuerstengrab aus der Zeit von Liao Dynastie entdeckt. Die Schrift darauf war sehr raetselhaft und sah zuerst wie Chinesisch aus aber unverstaendlich, denn chinesische Zeichen waren als Buchstaben verwendet. Diese Schrift wurde spaeter als "Lesser Khitan" bekannt. Dechiffrieren konnte man sie nur mit Hilfe mongolischer Sprache. Und die beiden Mongolisch und Kithan waren tatsaechlich sehr aehnlich.

In den 70er Jahren hat man in China auch andere Fragmente auf Khitan gefunden und dechiffriert. Ausserdem wurde festgestellt, dass Khitan damals auch andere Schrift("Greater Khitan") benutzten.

Ein paar Beispiele(Khitan-Mongolsich-Deutsch):
sair - sar - Monat
tau - tav - Fuenf
si - yesun - Neun
dschau - za'un - Hundert
ima - yama - Ziege
ueuel - oevoel - Winter
mnge - moengoe - Silber
noqo - nokhai - Hund
taula - taulai - Hase
taqa - takhia - Huhn
mor - morin - Pferd
moqo - mogai - Schlange
 
Quintus Fabius schrieb:
...
Chinggis rief Dschebe Noyon und die mongolischen Armeen, die gerade zur Eroberung von Korea ansetzten aus Korea ab und warf ungefähr
100 000 mongolische Krieger nach Westen. Er stellte auch einige seiner besten Generäle für den Feldzug ab, beteiligte sich aber wahrscheinlich nicht selbst daran.

100 000 scheint mir viel uebertrieben zu sein. Ich habe in Juvainis Buch gelesen, dass Dschebe 2 Tuemen hatte(20 000 Mann).
 
mangus schrieb:
Ich habe "Neuigkeit" fuer euch

Wo sind die "Neuigkeiten" her?

12 Wörter bedeuten keinen Beweis. Vielleicht gibt es 12 andere Wörter, die mehr zum Mandschurischen passen oder vielleicht sogar 12 andere Wörter, die eher zum Koreanischen passen?

Allein anhand dieser Liste fallen mir folgende Beispiele ein:

Khitan - Koreanisch - Deutsch

tau - tasót - fünf
taqa - talk (gesprochen "tak") - Huhn
mor - mal (altkoreanisch "mor") - Pferd

Khitan - Mandschu - Deutsch

taqa - coko - Huhn
mor - morin - Pferd
moqo - meihe - Schlange

(Mandschu kann ich nicht, ich kenne nur die Zahlen und Tiernamen)
 
Die Neuigkeit war, dass die Forscher(nicht ich) Khitansprache jetzt als mongolisch bezeichnen. Die obige Liste ist selbstverstaendlich nicht der absolute Beweis. Die Liste war deutlich laenger. Habe ich nicht geschrieben "ein paar Worte"?

Glaubst Du, dass sie vergessen haben, mit dem Koreanischen und Mandschu zu vergleichen?
 
Zuletzt bearbeitet:
mangus schrieb:
Die Neuigkeit war, dass die Forscher(nicht ich) Khitansprache jetzt als mongolisch bezeichnen.

Das ist nicht neu, schon immer gab es Forscher, die vermuteten, daß es sich bei der Khitan-Sprache um eine (proto-)mongolische handelt. Doch wie ich eingangs schrieb:
hyokkose schrieb:
Daß es sich um "Protomongolisch" gehandelt habe, ist graue Theorie; manche tippen eher auf tungusisch oder gar auf türkisch.

Mich würde aber nach wie vor interessieren, aus welchem Buch Du Deine Angaben hast.
 
Meiner Meinung nach ist es nicht eine graue Theorie oder irgendeine Vermutung wie "Die Ur-Hunnen waren kaukasoid" oder "Die Sumerer waren Tuerken". Ich habe so verstanden, die Annahme, dass die Khitansprache Protomongolisch war, auf eine Sprachanalyse begruendet ist.

Es war ein Ausschnitt aus einem Buch von einem chinesischen Autor. Die englische Uebersetzung von dem Buchtitel ist "In Search of a Vanished People" by Zhan Li. Aber ich weiss nicht, ob es eine englische Uebersetzung von dem Buch gibt. Der Ausschnitt war auf Englisch.
 
mangus schrieb:
Es war ein Ausschnitt aus einem Buch von einem chinesischen Autor. Die englische Uebersetzung von dem Buchtitel ist "In Search of a Vanished People" by Zhan Li. Aber ich weiss nicht, ob es eine englische Uebersetzung von dem Buch gibt. Der Ausschnitt war auf Englisch.

Dazu habe ich nur folgendes gefunden (Der Autor heißt Zhang Li):

My translation of "In Search of a Vanished People" 《追寻远逝的民族》, by Zhang Li 张力 (Changsha: Hunan Science and Technology Press 湖南科学技术出版社, 2003), will be serialised into five parts according to the five chapters of the book. The book itself is based on an episode in the CCTV Series "Journeys of Discovery" 《发现之旅》, which aired in 2001

[...]

The linguists

Among the small number of scholars studying the Khitan script, there is an elderly one named Liu Fengzhu 刘凤翥, a researcher at the Chinese Academy of Social Sciences. In his youth he was a student of the renowned Khitan language expert Chen Shu 陈述. He has now spent half his life researching the Khitan script, and his achievements in this field have been many. In analysing the features of structure and pronunciation in Khitan characters, he used the case study of the Khitan character for "xiao" 孝 (filial piety). He showed that it was made up of five components, together pronounced as "shi chi de ben" - a four-syllable character.

To aid his research, Liu Fengzhu has collected nearly all the rubbings made thus far of Khitan characters. He also makes frequent trips to the ancient sites of the Khitan for field study. After much analysis of both the rubbings and the Chinese histories, he has become the most knowledgeable person alive on the subject of the Khitan script. In 1985, he published the authoritative work "A Study of Lesser Khitan" 《契丹小字研究》 in collaboration with Qingge'ertai 清格尔泰, Chen Naixiong 陈乃雄, Yu Baolin 于宝林, and Xing Fuli 邢复礼. Has Liu Fengzhu then unlocked all the secrets of the Khitan past? Are we now able to read all the Khitan inscriptions as easily as reading Chinese?

Liu's answer is rather disappointing: "The Khitan characters are very hard to interpret, and we started pretty late in the day. I may have spent many years studying them, but the number that I can understand is still limited." Besides the difficulty of understanding the inscriptions, even those we can understand often shed little light on Khitan society, since they are mostly formulaic tomb eulogies.

Liu Fengzhu admits, "These are mosly epitaphs or eulogies, with a simple summary of the person's life along with much inflated praise. Of course there have been other relics found, like seals, bronze plaques, bronze mirrors, and coins. But the number of words on them is very small." The Khitan people certainly were stingy with their writing, leaving us with few clues for unraveling the puzzle of how they truly lived.

To date, no one has discovered any books written in the Khitan script. Did they all get destroyed in the flames of war? Or were they lost in the process of migration? Among the Khitan wall murals that we have found, there are quite a number depicting the process of breaking camp or returning to camp, showing that the Khitan did preserve their nomadic lifestyle to some extent. But they can hardly have abandoned their books just because of that.

When Qin Shuhuang burned the Confucian classics 2,000 years ago, even that did not succeed in erasing those books from history. Compared to this, the Liao dynasty fell only 900 years ago. Besides, it is not as if no books have lasted down to today from the Liao dynasty. There is a large number of Buddhist scriptures from the period - unfortunately, they are all in Chinese or Sanskrit. It's hard to believe that the Khitan created a written script out of scratch, only to use it for decorative purposes!

It's no surprise that some scholars have suggested from this that the Khitan script never developed to maturity, and never enjoyed popular use. That profusion of strokes and those multi-syllabic characters would have made it more difficult for people to learn, let alone use. It proved useless for writing literature and history, and was restricted to ceremonial and symbolic functions among the aristocracy - used in stele inscriptions, mirrors, coins and so on.

But Liu Fengzhu disagrees with such a view. He believes the Khitan script was a mature and versatile one, and has simply been out of use for too long for us to recognise that. Furthermore, the Liao dynasty did not prohibit the use of the Chinese script alongside the Khitan one. Although the Liao and the Song were enemies, the Khitan were also heavily influenced by Han Chinese culture. Starting from Yelu Abaoji, the Liao rulers recruited many Han people as advisors. Every literate subject of the Liao, from scholar to artisan, knew how to use Chinese characters, and Khitan writers and poets even wrote in Chinese.

Research has shown that the stele discovered by Kervgn in 1922 contained both Khitan and Chinese characters, and that the Khitan and Chinese inscriptions on the stele had basically the same meaning. That implies that although the Khitan had their own written script, there was no great need for it to be used for communication and records - the Chinese script served well enough for that. In that case, did their proficiency in the Chinese language allow the Khitan to achieve a higher level of cultural sophistication than if they had relied only on their own script?

For the answer to that question, we will have to turn away from words themselves, and look to material culture.

Demnach beißen sich die Gelehrten aber immer noch die Zähne an der Khitan-Schrift aus.

Wo hast Du den zitierten Ausschnitt mit der Wörterliste gefunden?
 
Die Liste habe ich aus einem Magazin bzgl. Zentralasienforschung in der Humboldt Universitaet zu Berlin. Da stand was ueber Khitansprache und ich habe kurz Notiz gemacht.

Was den Ausschnitt von "In search of a vanished people" betrifft habe ich die URL vergessen. Offenbar hast Du die Adresse, oder? Wo war das?
 
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