Die Levante als Mittler zwischen Orient und Europa
Ich würde „orientalischen Einfluss“ auch eher weniger an religiösen Einflüssen festmachen wollen, denn da gelten eigene Gesetze…
Bestimmend waren im Ägäisraum vor den „Dark Ages“ die minoischen- und die mykenischen Kulturen, die immer auch eng verbunden waren in den damaligen Wirtschaftskreislauf der Bronzezeit und daher auf Handel mit der Levante ausgerichtet. Etwas vereinfacht waren ihre Zentren die Paläste mit ihrer Palastwirtschaft und zentraler Verwaltung. Hierin ähneln sie schon den damaligen Zuständen auch in der Levante und dem Kupferdrehkreuz Zypern. Die Levante selbst war inspiriert durch die beiden bedeutendsten, frühzeitlichen „Hochkulturkreise“ (Mesopotamien & Ägypten) und bildete deren Drehkreuz zueinander, wie zu den notwendigen Rohstoffen und so kam es auch wieder zu Beginn der Eisenzeit, als sie langsam begannen einen weiter führenden Fernhandel in den Mittelmeerraum zu etablieren, im Zuge dessen es auch zur Kolonisation der Phönizier in Nordafrika und Südspanien der Klassischen Antike kommen sollte.
Frühe Belege über/für levantinische Einflüsse auf den griechischen Raum finden sich bereits in der Ilias. Etwa bei den Leichenspielen für Patroklos, wo ein sidonesisches Silbergefäß beschrieben wird. Derartige Kunstwerke finden sich zwischen Mesopotamien bis hin nach Süditalien und zeugen vom hohen ideellen wie materiellen Wert der Gegenstände. In der Ägäis stehen sie wohl am Anfang der sogenannten „orientalisierenden Periode“, welche der Archaik voranging. Die verwendeten Themen der orientalischen Handwerkskunst finden sich wieder in der Ilias, wenn das Schild des Achilles beschrieben wird. Echte Löwen sind der griechischen Lebenswelt immer fern geblieben! Über den phönizischen Mittelmeerhandel verbreiteten sich Bilderwelten und Handwerkstechniken des alten Orients nach Westen, so etwa die Elfenbeinschnitzerei. Ganz wichtig für die Levante war auch das Mittel für den Fernhandel selbst: Das Schiff. Es waren wohl zuerst die Levantiner, die anstelle der alten Handelsschiffe mit Ruder- und Segelantrieb der Bronzezeit seetüchtigere runde Segelschiffe konstruierte. Diese Schiffe werden Gauloi genannt, wurden nur gesegelt und konnten auch über das offene Meer eher navigiert werden. Ihr Einfluss auf die Navigation zeigt sich auch im noch von den Römern „Stella Phoenicia“ genannten Stern im Sternbild „Kleine Waage“.
Herodot versucht alte Legenden zu rationalisieren und schreibt von einer phönizischen [V 57] Vorherrschaft schon in mykenischer Zeit für die griechische Landschaft Boiotien – was Geschichtlich eher unwahrscheinlich sein dürfte… Er ist es auch, der die Erfindung des modernen Alphabets den Phöniziern zuschreibt. Eine in um 500 datierte, kretische Inschrift handelt von der Verpflichtung eines „phoinikistas“ für die schriftliche Abfassung von Rechtssatzungen der Stadt. Hier schlägt sich wohl der Einfluss der Phönizier auf die Verschriftlichung im alten Griechenland nieder. In vielerlei Hinsicht nahmen die Griechen Einflüsse aus dem Osten auf und entwickelten sie kreativ weiter zur Archaik.
Die von den Phöniziern verbreitete Lautschrift stammt wohl aus dem syrischen Raum und kaum aus Mesopotamien. Die dort entwickelte Schrift war die Keilschrift, die in Tontäfelchen eingeritzt Basis für alle Schriftformen blieb. Diese Tradition hielt sich sowohl für offizielle, als auch für private Überlieferungen und Geschäftsnotizen bis hinein in hellenistische Zeit. So hat man noch im Uruk der Seleukidenzeit, das damals einen gewissen Neuaufschwung zu verzeichnen hatte, weiterhin an der Keilschrift festgehalten. Man hat Keilschriftarchive zweier „Ärzte“ jener Zeit gefunden, obwohl parallel mit den Griechen damals auch das Griechische Alphabet seinen Siegeszug antrat.