Pindar, 2. Pythische Ode; Hintergrund

Rephaim

Aktives Mitglied
Hallo,

ich lese gerade die oben genannte Ode und eine Stelle kann ich nicht nachvollziehen, da darin der historische Kontext wichtige sein könnte, den ich nicht kenne.

"Dich aber (Hieron von Syrakus) ..., kündet vor ihrem Haus im zephyrischen Lokroi die Jungfrau, die aus des Krieges ratloser Mühesal durch deinen Machtspruch Sicherheit erfährt.
Nach der Götter Befehle, so sagt man, meldet allseits Ixion hingewälzt auf geflügeltem Rade solches den Sterblichen:"Den Wohltatspender mit reiner Entgeltung nahend belohne."

Hieron hat die Stadt Lokri vor einem Angriff eines anderen Tyrannen bewahrt, soviel steht fest. In der Anmerkung meiner Ausagbe wird gesagt, er hätte dies durch ein "Ultimatum" getan.

Das ist es, was ich nicht verstehe. Hat er dem(1.) Tyrannen ein Ultimatum gestellt, daß er ihn angreifen würde oder der(2.) bedrohten Stadt, daß sie sich mit ihm verbünden müsse, anderenfalls würde er seine Hilfe verweigern?

Pindar scheint eine Mahnung auszusprechen, wenn er gleich nach dem Dank Ixion erwähnt, mit Macht vernünftig umzugehen. Mich interessiert dabei, ob er die Mahnung in einem gesellschaftlichen Umfeld ausprach, daß freundlich gesonnen war( bei 1.), oder in einem ,latent bedrohten`(2.)?
Konkret, war es möglich einen ,friedlichen´ Besatzer so offen zu kritisieren?


Beim Suchen habe ich nur herausgefunden, daß die Faktenlage nach W.H. Race unsicher ist, daß englische Wiki verweist in diesem Zusammenhang auf Epicharm, aber in seinen Fragmenten bei Diels steht nichts.
 
Hallo Rephaim!
Eine gute Frage (endlich mal). ;)
Ich kenne den historischen Kontext nicht, deshalb versuche ich es mal analytisch:
Hieron wird nach Sitte der Oden gelobt. Eine Kritik an ihm kann ich mir nicht vorstellen. Selbst wenn 2. in Frage kommt, ist das wohl (aus dem Text heraus) nicht mehr nachzuvollziehen, weil es verschwiegen wird.

Die Mahnung gilt am ehesten den Bewohnern von Lokroi, dass sie ihrem Wohltäter die Wohltat danken und nicht übermütig werden. (Theoretisch ließe sich auch denken, dass Hieron im Rausch des Sieges nicht überheblich werden soll, aber p { margin-bottom: 0.21cm; } [FONT=FreeSerif, serif]εὐεργέταν passt dann nicht rein, weil er ja selbst der Wohltäter ist.)[/FONT]


[FONT=FreeSerif, serif]Ich sehe hier keine Kritik an Hieron. Nein, durch den Vergleich mit den Göttern wird er geradezu in astronomische Höhen gehoben. [/FONT][FONT=FreeSerif, serif]Nur die Bürger von Lokroi sind die, die hier gewarnt werden. Sie genießen ebenfalls (wie Ixion) reichen Segen, und wenn sie weitermachen wie bisher, geschieht ihnen nichts.[/FONT]


Welche Ausgabe nutzt Du? Ich habe gerade nur Reclam zur Hand (hgg. v. Eugen Dont), da steht nicht viel in den Anmerkungen.
 
Hi,

ich bin mir nicht sicher, kann gut sein, daß ich es falsch gelesen habe.

Mein Gedanke war, daß mit Ixion direkt eine Beziehung/Analogie zu Hieron dargestellt wird (beide sind Könige).

Daß mit "Wohltatspender" Hieron gemeint ist, habe ich auch so verstanden.Mir kam es so vor, als wäre der Ausspruch Ixions die öffentliche Linie, so als Absicherung ,siehst du, ich habe dich gelobt, nicht kritisiert`, wobei das vorangestellte Bild, in dem das Lob stattfindet, daß von einem wegen Hybris gefallenem König ist (eine weitere Übereinstimmung wäre da, die Erhebung von Ixion in den Olymp zu Hieron der eine weitere Stadt zu seinen Verbündeten zählen kann, beide sind in dem Moment gewachsener Macht; aber das ist etwas arg herangezogen).

Vom sprachlichen her kann ich es nicht gut beurteilen, bin zu schlecht in griechisch, was mich stutzig machte war die Nennung von I. gleich nach dem direkten Ansprechen von H.("Dich aber, o Sohn des Deinomenes...").
Gäbe es vorher eine längere Ausführung über ein verwandetes Thema wär es etwas anders, aber so kurz nacheinander kommt es mir absichtlich betont vor.
Wenn das zutrifft, ist die Frage warum?

Anders herum gedacht, wären nur die Bewohner von Lokroi gemeint, dann müßten sie sich mit Ixion identifizieren. Also, Pindar sagt ,achtet darauf zu danken` und um sie anzuprechen, benutzt er Ixion.

Mir fällt kein Beispiel ein, aber für die Aussage/Mahnung ,dankt dem, der euch hilft`, könnte es, glaube ich, leicht eine andere mythologische Metapher geben, wo direkt ein Volk vorkommt.

Nach Ixions Geschichte könnte mit "Wohltatspender" die Götter gemeint seien. Ich hatte den Eindruck, daß Pindars die Einstellung ,letztendlich ist alles den Göttern zu verdanken` hat (wie genau Götter für ihn aussehen/bedeuten, bin ich mir nicht sicher).
Ixions Zitat würde dann, interpretiert, lauten: "Paß auf Hieron, deine Macht, deinen Erfolg hast du den Göttern zu verdanken; mach es nicht wie Ixion, der ihre Gunst durch Ehebruch schändete, nimm dir an ihm ein Beispiel angemessen mit dem dir geschenktem umzugehen."

(zu deinem vorletztem Ansatz)
Auf ein brennendes Rad gespannt zu werden und ewig ruhelos umherzuwirberln ist kein reicher Segen.


Meine Ausgabe ist eine Sammlung vom Fischer-Verlag, die Übersetzung ist von A. Graf Schenk zu Stauffenberg.
Die Anmerkung heißt genau: "Hieron hatte die unteritalische Stadt 467 durch ein Ultimatum vor einem drohenden Angriff des Tyrannen Anaxilas von Rhegion-Messana bewahrt."

sorry für die späte Antwort
 
Ich versuche mal, darauf zu antworten. Es gibt nicht immer eindeutige Lösungen, aber oft Hinweise auf die Hintergedanken.

Mein Gedanke war, daß mit Ixion direkt eine Beziehung/Analogie zu Hieron dargestellt wird (beide sind Könige).

Beide sind Könige, auch Menschen, essen Brot und trinken Wasser. Davon ist aber nichts erwähnt.

Daß mit "Wohltatspender" Hieron gemeint ist, habe ich auch so verstanden.Mir kam es so vor, als wäre der Ausspruch Ixions die öffentliche Linie, so als Absicherung ,siehst du, ich habe dich gelobt, nicht kritisiert`, wobei das vorangestellte Bild, in dem das Lob stattfindet, daß von einem wegen Hybris gefallenem König ist (eine weitere Übereinstimmung wäre da, die Erhebung von Ixion in den Olymp zu Hieron der eine weitere Stadt zu seinen Verbündeten zählen kann, beide sind in dem Moment gewachsener Macht; aber das ist etwas arg herangezogen).

Das scheint mir wirklich zu arg hergezogen. Wo liest Du, dass die Stadt jetzt Verbündetre Hierons ist? Darum scheint es doch gar nicht zu gehen.

Vom sprachlichen her kann ich es nicht gut beurteilen, bin zu schlecht in griechisch, was mich stutzig machte war die Nennung von I. gleich nach dem direkten Ansprechen von H.("Dich aber, o Sohn des Deinomenes...").
Gäbe es vorher eine längere Ausführung über ein verwandetes Thema wär es etwas anders, aber so kurz nacheinander kommt es mir absichtlich betont vor.
Wenn das zutrifft, ist die Frage warum?

So plötzliche Brüche habe ich in antiken Gedichten oft erlebt (besonders bei Horaz (vgl. Hor. carm. I,1,2f.); Pindar kenne ich jetzt nicht so gut). Das ist nichts Ungewöhnliches, und oft erschließt sich der Sinn erst später. Aus dem plötzlichen Wechsel des Subjekts sollte man nicht zu schnelle Schlüsse ziehen.

Anders herum gedacht, wären nur die Bewohner von Lokroi gemeint, dann müßten sie sich mit Ixion identifizieren. Also, Pindar sagt ,achtet darauf zu danken` und um sie anzuprechen, benutzt er Ixion.

Genau, und Ixion ist das warnende Beispiel, was bei Nichtbeachtung passiert.

Mir fällt kein Beispiel ein, aber für die Aussage/Mahnung ,dankt dem, der euch hilft`, könnte es, glaube ich, leicht eine andere mythologische Metapher geben, wo direkt ein Volk vorkommt.

Das erfordert zumindest ein Volk, in dem alle gleich handeln. Gibt es aber selten; oft stechen in einem Volk voller schlechter Eigenschaften ein oder zwei Leute positiv heraus, die dann gerühmt werden sollen. Der einzige Ruhm gebührt hier aber Hieron, und keiner den Menschen von Lokroi.

Nach Ixions Geschichte könnte mit "Wohltatspender" die Götter gemeint seien. Ich hatte den Eindruck, daß Pindars die Einstellung ,letztendlich ist alles den Göttern zu verdanken` hat (wie genau Götter für ihn aussehen/bedeuten, bin ich mir nicht sicher).
Ixions Zitat würde dann, interpretiert, lauten: "Paß auf Hieron, deine Macht, deinen Erfolg hast du den Göttern zu verdanken; mach es nicht wie Ixion, der ihre Gunst durch Ehebruch schändete, nimm dir an ihm ein Beispiel angemessen mit dem dir geschenktem umzugehen."

Wenn Du Hieron noch gegen Lokroi austauschst, passt es. Die Parallele scheint mir sehr deutlich:
Ixion --> Gunst der Götter --> Hybris --> Verderben gegen
Lokroi --> Gunst des Hieron --> Warnung vor Hybris und Verderben

Nochmal deutlicher: Hieron hat keinen Wohltäter, er ist der Wohltäter. Ixion gilt als (abschreckendes) Bild für Lokroi, die Götter stehen für Hieron.

(zu deinem vorletztem Ansatz)
Auf ein brennendes Rad gespannt zu werden und ewig ruhelos umherzuwirberln ist kein reicher Segen.

Habe ich das behauptet? Der reiche Segen wurde ihm vor der Freveltat zuteil (als er noch tugendhaft war), die Strafe ist die Folge der Hybris.
Ich hoffe, ich konnte meine Sicht einigermaßen überzeugend darlegen. Bei ferner bestehenden Unklarheiten helfe ich gern weiter.
 
Zurück
Oben