Sizilianische Expedition der Griechen

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Frage von Herakleitos :

Man liest in jedem Buch, dass die Sizilianische Expedition der Griechen ein Desaster war.Man liest aber nirgends die Gründe, die zu diesem Flop führten. Wer kann mir einige Hinweise geben?Gibt es auch Literatur über die Sizilianische Expedition (Autor,Titel,Verlag,ISBN-Nummer)?

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Antwort von Thorstein :

Meinst Du den Feldzug der Athener gegen Syrakus ? Der war in der Tat ein Flop. Allerdings waren die Syrakuser und Ihre Verbündeten auch Griechen. Also helfe uns mal auf die Sprünge welchen Feldzug du genau meinst, dann sind wir um Details wahrscheinlich nicht verlegen.

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Antwort von Herakleiots :

Es handelt sich um die Sizilianische Expedition von 415 bis 413 vor unserer Zeitrechnung.

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Antwort von Thorstein :

Aha, wie ich schon vermutete: Es geht hier um eine Teiletappe in dem Konflikt zwischen Athen + Verbündete und Sparta + Verbündete, genannt Peloponesischer Krieg 431 - 404.
Du mußt also oben für Griechen Athener setzen, denn auf der anderen Seite der Front standen auch Griechen, hier die Syrakuser + Verbündete.
Vorgeschichte: 421 war es zu einem 50jährigen Frieden zwischen Spatanern, Athenern und ihren jeweiligen Bündnisgenossen gekommen. Der Krieg war bislang verlustreich gewesen und keiner konnte ihn bislang für sich entscheiden und die Vorherrschaft in Griechenland erringen.
415 beschloß Athen sich in Konflikte auf Sizilien einzumischen, um dort a) die Vorherrschaft von Syrakus zu brechen b) seinen politischen und wirtschaftlichen (sehr wichtig, damit wurde nämlich der enorme Aufwand begründet) Einfluß zu mehren.
134 Trieren beförderten 25 000 Mann, aber die Erfolge waren klein und die Bündnisgenossen auf Sizilien waren von dieser riesigen Armee gar nicht begeistert. Catania mußte man gar mit Gewalt nehmen. Hinzu kamen die Spannungen im Oberkommando der drei Strategen Nikias, Lamachos und Alkibiades. Alkibiades, der aktivste und fähigste der drei, wurde gar abberufen (ihm wurde in Athen Hermenfrevel vorgeworfen), er entfloh und bot den Spatanern seine Dienste an.
Das war schon ein entscheidener Punkt für den Flop, obwohl man sicher nicht alles an einem Mann festmachen sollte.
Spätherbst 415 nahmen die Athener den Hafen von Syrakus, Nikias besiegte das syrakusische Heer und der Sturm auf die Stadt begann. Es wurde ein Stellungskrieg mit großen Einsatz von Belagerungsmaschinen. Den Athener gelang es allerdings nicht, die Stadt sturmreif zu schießen, dennoch geriet Syrakus langsam in Bedrängnis.
Da trafen spartanischen Hilfstruppen auf Sizilien ein (auf Anraten Alkibiades) und vereinigten sich mit den Syrakusern. Das dies gelang, war der zweite Grund für den Flop. Die Athener waren völlig isoliert. Vor ihnen die Stadt hinter ihnen abgefallene sizilianische Bündnisgenossen, die sich bedrängten. Hier hätte man das Unternehmen eigentlich abbrechen müssen. Dies ist der dritte Grund.
Athen schickte jedoch noch einmal 75 Trieren mit Demosthenes als Feldherrn nach Sizilien. Demosthenes erlitt jedoch bei einem nächtlichen Ausfall der Syrakuser und Spartaner eine bittere Niederlage. Im Lager der Athener machten sich inzwischen Seuchen und die mangelnde Versorgung bemerkbar. Ein sofortiger Abbruch der Belagerung wäre nötig gewesen, aber angeblich aus Aberglauben wg. einer Mondfinsternis verschob Nikias die Abfahrt der Flotte um einen weiteren Monat. Die Niederlage von Demosthenes und das Verschieben der Abfahrt sind Gründe vier und fünf. Denn inzwischen versperrten die Syrakuser mit ihrer Flotte die Ausfahrt und ein Durchbruchsversuch scheiterte. Dito ein diesbezüglicher Durchbruchsversuch zu Lande. Gründe sechs und sieben, wenn Du so willst. Die athenische Expedition war geschlagen und mußte kapitulieren. Demosthenes und Nikias wurden in Syrakus hingerichtet. Das Fußvolk ließ man in den berüchtigten sizilianischen Steinbrüchen schuften oder verkaufte man in die Sklaverei. Athen war nun stark geschwächt. Ohne Kenntnis der Verhältnisse auf Sizilien und mit inkonsequenter Führung hatte man ein Abenteuer begonnen und war gescheitert.

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Anmerkung von Chamberlain :

Sehr detailiert und anschaulich, Thorstein

@ Herakleitos: Soweit ich mich erinnern kann, stellt Thukydides in seinem Werk "Der Peloponesische Krieg", welches wohl auch die Primärquelle zur sizilianischen Expedition darstellt, auch Motive, Verlauf und Gründe des Scheiterns dar.
Er setzt dabei einen Schwerpunkt auf die Stimmung und vorherrschenden Meinungen in Athen vor der Entscheidung, das militärische Unternehmen, dessen Erfolgschancen bereits zuvor nicht als die besten angesehen wurden und führt anschaulich vor Augen, wie die besonnenen Kritiker den ehrgeizigen Befürwortern in ihren Plädoyers unterliegen.


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Anmerkung von Thorstein :

Ja, und man sieht daran sehr anschaulich, dass es nicht unbedingt immer Diktaturen und Gewaltherrscher sind, die Angriffskriege führen, sondern auch in einer Demokratie die Mehrheit so manipuliert werden kann, den waghalsigsten Unternehmen zuzustimmen. So war es gestern, so ist es heute *g*.

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Antwort von Thorstein :

Militärisch habe ich übrigens noch einen Grund für den Flop gefunden, so haben die Athener zwar einen dichten Belagerungsring mit Kastellen um Syrakus gebaut, ... but Nicias, the athenian commander, leaves the northern wall incomplete - a great blunder (Warfare in the classical world, London, 1980). Eben an dieser Stelle brach Gylippus mit seinen spartanischen Freiwilligen durch, eroberte das Fort Labdalum und verband das Fort und die Stadt mit einer Mauer. Noch mal das Londoner Werk: This was the turning point in the siege. Richtig! Die Athener hätten jetzt abziehen müssen. Ihr weiteres Festhalten an der Belagerung brachte Ihnen allen den Untergang! Flop? Das Unternehmen war eine der großen militärischen Katastrophen des Altertums.
 
Zitat aus meinem Geschichtsbuch, "Sellen: Geschichte 1" vom Auer Verlag:
"...kann sein gemäßigter Gegenspieler Nikias den nach im benannten Nikiasfrieden(421) schließen, in dem Sparta Athens Machtstellung anerkennen muss.(...)
In Athen ist mittlerweile Alkibiades an die Spitze des Volkes getreten. Er ist überaus begabt, reich, aus bester Familie, ein Verwanter und sogar eine Art Ziehsohn des Perikles. Im Unterschied zu Perikle, als dessen Gegenstück er oft gesehen wird, ist Alkibiades aber ein höchst fragwürdiger Charakter, opportunistisch, ehrgeizig, machtbessen. Als 415 Gesandte aus der sizilianischen Stadt Segesta eintreffen und Athen um Hilfe gegen Selinus und Syrakus bitten, peitscht Alkibiades die Volksversammlung auf und begeistert sie für das gewagte Unternehmen. Eroberung Siziliens, danach Karthagos und dann Beherrschung des Mittelmeers-das sind Visionen, die bei der Masse ankommen. Gegen den Widerstand des Nikias setzt Alkibiades die Sizilische Expedition(415-413) durch."

Ergänzung:
Alkibiades konnte vorallem deswegen die Volksversammlung überzeugen weil er der bessere Redner war( Perikles war bekanntermaßen ein genialer Redner)
 
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