Antikes Italia als Rekrutierungszentrum

rasputin753

Neues Mitglied
Servus die Damen und Herren,
Ich war vor ein paar Jahren schon einmal ein wenig hier im Forum tätig, habe mich dann aber zurückgezogen bis ich mich wieder, im Bezug auf einige Fragen die mir letztens gekommen sind, an die teils sehr belesenen Mitglieder der Seite erinnert habe.
Meine Frage wäre warum und wann Italien seine Funktion als Hauptrekrutierungsbasis für die Legionen aufgegeben hat und welche anderen Regionen, ich denke vor allem an Illyrien, diese wann übernommen haben. Hat diese Abkopplung Italiens von den militärischen Belastungen des Reiches vielleicht auch etwas mit der verminderten Wehrfähigkeit des römischen Reiches in spätantiken Zeiten zu tun oder irre ich mich vielleicht mit dieser Beoabachtung bzgl. des Anteils italischer Legionäre in der mittleren und späteren Kaiserzeit überhaupt?
 
Meine Frage wäre warum und wann Italien seine Funktion als Hauptrekrutierungsbasis für die Legionen aufgegeben hat und welche anderen Regionen, ich denke vor allem an Illyrien, diese wann übernommen haben.
Meist war der Kriegsdienst freiwillig, Zwangsrekrutierungen die Ausnahme. Somit hing die Herkunft der Soldaten davon ab, wo sich genug Freiwillige fanden.
Generell (und vielleicht etwas vereinfachend) kann man wohl sagen, dass Männer umso geeigneter und auch williger zum Wehrdienst waren, je "barbarischer" sie noch waren, außerdem war auch Wohlstand nicht unbedingt förderlich für die Bereitschaft zum Kriegsdienst. (Das sieht man auch andernorts in der Weltgeschichte: Z. B. waren die Hauptherkunftsgebiete für Söldner meist eher ärmere Regionen, oft obendrein mit kriegerischer Bevölkerung.) Dass die Illyrer noch im frühen 3. Jhdt. recht "barbarisch" drauf waren und ihr Land nicht sehr wohlhabend, bezeugt Cassius Dio, der selbst Statthalter von Dalmatien und Pannonien war, sie also aus eigener Anschauung kannte.
Italien selbst hingegen war wohl irgendwann einfach zu "zivilisiert" als dass das Soldatenleben noch einen großen Reiz auf die Masse seiner Bewohner ausgeübt hätte.

Hat diese Abkopplung Italiens von den militärischen Belastungen des Reiches vielleicht auch etwas mit der verminderten Wehrfähigkeit des römischen Reiches in spätantiken Zeiten zu tun
Sicher nicht, ganz im Gegenteil. Es war vollkommen sinnvoll, die für den Wehrdienst geeignetsten Männer zu rekrutieren. Wenn man diese im 3. Jhdt. anscheinend u. a. in Illyrien fand, warum hätte man stattdessen Italiker nehmen sollen?
Ich bin nicht der Ansicht, dass die "verminderte Wehrfähigkeit" etwas mit der Rekrutierung von Provinzialen zu tun hatte. Das passt schon vom zeitlichen Zusammenhang her nicht. Niederlagen hatte es in der römischen Geschichte immer gegeben, und alles in allem schlugen sich die römischen Armeen noch im 3. und auch einem Großteil des 4. Jhdts. erfolgreich. "Vermindert" wurde die Wehrfähigkeit in der Spätantike eher dadurch, dass mehrmals Legionen in recht verlustreichen Bürgerkriegsschlachten gegeneinander verheizt wurden. Insbesondere von der Schlacht am Frigidus scheint man sich nie wieder richtig erholt zu haben. Dennoch schlugen die Römer auch im 5. Jhdt. noch manche erfolgreiche Schlacht, wenngleich freilich hauptsächlich mit Truppen ausländischer Herkunft.
Spätantike Rekrutierungsprobleme waren wohl u. a. darauf zurückzuführen, dass die Großgrundbesitzer kein Interesse daran hatten, dass ihre Landarbeiter zur Armee gingen (und wenn es sich nicht vermeiden ließ, schickten sie wohl am ehesten die unbrauchbarsten).

oder irre ich mich vielleicht mit dieser Beoabachtung bzgl. des Anteils italischer Legionäre in der mittleren und späteren Kaiserzeit überhaupt?
Nein. Allerdings sind kaum präzise Zahlen möglich. Es wird angenommen, dass bereits im 1. Jhdt. n. Chr. der Anteil von Italikern in den Legionen rapide sank. Während sie zu Zeiten der julisch-claudischen Dynastie noch die klare Mehrheit stellten, dürfte ihr Anteil unter den Adoptivkaisern bereits unter 10% gelegen haben. (Die beiden unter Mark Aurel während der Markomannenkriege neu aufgestellten Legionen Legio II Italica und Legio III Italica dürften aber wieder hauptsächlich aus italischen Rekruten bestanden haben.) Allerdings muss man berücksichtigen, dass es auch außerhalb Italiens viele Bürger italischer Herkunft gab, z. B. in Veteranenkolonien, die lange Zeit für die Rekrutierungen eine wichtige Rolle gespielt haben dürften.
Mit der Verleihung des Bürgerrechts an alle freien Reichsbewohner stand dann ohnehin das gesamte Reichsgebiet als Rekrutierungsreservoir unbegrenzt zur Verfügung.
 
Wobei es Mark Aurel mit den Rekutierungskriterien nicht so genau genommen haben soll. Freigelassene, die noch einen Tag zuvor Sklaven gewesen waren, komplette illyrische Räuberbanden usw. ..., auch wenn die antiken Quellen gerne mal etwas übertreiben.

Wobei ich mich jetzt nicht erinnere, ob er diese Herrschaften nur gegen alle Regeln in die Auxilia oder sogar in die Legion aufgenommen hat. In schwierigen Zeiten nahmen es die Römer nicht immer so genau.

Bei den Prätorianern hielten sich die Italiker noch deutlich länger. Der Dienst war heimatnäher, besser bezahlt und deutlich komfortabler.

Ich sehe auch nicht, warum ein Italiker wehrfähiger gewesen sein soll als ein Römer spanischer, gallischer oder germanischer Herkunft. Die römischen Rekrutierer bevorzugten offensichtlich Bauernburschen, die körperlich fit waren und harte Arbeit und ein karges Leben gewohnt. Einsatzfähigkeit und kulturelle Prägung dürfte in allen Fällen gleich gewesen sein, und nur darauf kommt es an. Die andere Hälfte des römischen Heeres waren ohnehin Provinziale; und hier auch ohne Bürgerrecht. Und die waren nicht weniger leistungsfähig als die Legionen, wie u.a. Agricola in Britannien eindrücklich bewiesen hat.

Vor den Katastrophen von Adrianopel und Frigidus ist eine Überfremdung der Truppen m.E. nicht nachweisbar. Wenn die Armee vor dieser Zeit nicht so schlagkräftig gewesen sein sollte wie die eines Julius Caesar, dann wird man nach anderen Gründen suchen müssen.
 
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Wobei es Mark Aurel mit den Rekutierungskriterien nicht so genau genommen haben soll. Freigelassene, die noch einen Tag zuvor Sklaven gewesen waren, komplette illyrische Räuberbanden usw. ..., auch wenn die antiken Quellen gerne mal etwas übertreiben.

Wobei ich mich jetzt nicht erinnere, ob er diese Herrschaften nur gegen alle Regeln in die Auxilia oder sogar in die Legion aufgenommen hat. In schwierigen Zeiten nahmen es die Römer nicht immer so genau.
Schwer zu sagen. Die Quelle dazu - HA, Mark Aurel 21 - äußert sich nicht klar. Zuerst wird erwähnt, dass er Sklaven, Gladiatoren, Banditen aus Dalmatien und Dardania sowie Diogmiten (offenbar eine Art leichtbewaffneter Verbände zur Bekämpfung von Banditen) rekrutierte und germanische Hilfstruppen anwarb, dann, dass er "praeterea" (=außerdem) neue Legionen aufstellte. Das könnte man so interpretieren, dass die vorhin genannten Rekruten nicht in die Legionen kamen. Andererseits aber wird ausdrücklich auf das Vorbild des Punischen Krieges verwiesen, und damals scheinen die nach Cannae rekrutierten Sklaven schon in die Legionen eingereiht worden zu sein, siehe Livius 23,35.

Bei den Prätorianern hielten sich die Italiker noch deutlich länger. Der Dienst war heimatnäher, besser bezahlt und deutlich komfortabler.
Ja. Allerdings wurden auch Männer aus Spanien, Noricum und Makedonien aufgenommen.
Septimius Severus stellte das System um und übernahm die besten Männer aus den regulären Truppen zu den Prätorianern, somit müssten sie fortan einigermaßen die Zusammensetzung der Legionen im Kleinen widergespiegelt haben.

Vor den Katastrophen von Adrianopel und Frigidus ist eine Überfremdung der Truppen m.E. nicht nachweisbar. Wenn die Armee vor dieser Zeit nicht so schlagkräftig gewesen sein sollte wie die eines Julius Caesar, dann wird man nach anderen Gründen suchen müssen.
Ich glaube nicht einmal, dass die römischen Armeen des 3. und frühen 4. Jhdts. weniger schlagkräftig waren. Wir haben nur wenige ausführlichere Einsatzberichte aus dieser Zeit, aber alles in allem waren sie erfolgreich und siegten in der Regel. Auch die militärischen Umstellungen (mehr Kavallerie, kleinere Einheiten, geänderte Ausrüstung) scheinen ihnen ganz gut bekommen zu sein.
 
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