Augusteische Lager – seltsame Türme

Mummius Picius

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Liebes Forumvolk, ein Zweifel treibt mich um. Caesarische und augusteische Holz-Erde-Lager werden gerne mit seltsamen "Geländerbrüstungen" an den Türmen dargestellt/rekonstruiert, meines Wissens zuerst in "Alesia", zuletzt im Halterner "Römerpark Aliso" (schon wieder so ein Vorgriff, ob es wirklich Aliso ist muss noch irgendwo auf einem Fund nachgewiesen werden). Diese Brüstungen erscheinen mir zutiefst unzweckmäßig, die Wachposten auf diesen Dingern wären Zielscheiben für jede Art Wurfgeschoss, die Schutzfunktion der Holzgeländer hindert sie gerade mal am Runterfallen.

Hat jemand Quellen zur Hand, die diese seltsamen Turmformen belegen? Oder kopiert hier nur einer nach dem anderen "Alesia"?
 
Ich hatte den Eindruck, Mummius Picius meint eher etwas in der Art:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/13/Lunt_fort_baginton.JPG
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c7/Lunt_Roman_Fort_main_gate.jpg


Edit:
So soll die Rekonstruktion in Haltern aussehen:
http://www.lwl.org/pressemitteilungen/daten/bilder/38472.jpg

Das Aussehen der Türme konnte durch Vergleiche mit zeitgenössischen Bildwerken, etwa auf der Trajanssäule in Rom, nachempfunden werden
http://www.lokalkompass.de/haltern/kultur/roemisches-haltern-vergangenheit-und-zukunft-d275721.html
 
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Genau die von Mummius Picius genannten über den Mauer- oder Palisadenwall herauskargende Geländebrüstung sieht man bei deinen Bildern nicht.
 
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Wobei zu fragen ist, auf welcher Basis eine solche Rekonstruktion gemacht wird. Im Gelände haben wir ja allenfalls die Standspuren solcher Tor- und Turmanlagen in der Form des Pfostenlochs. Haben wir noch irgendwelche Beschreibungen solcher Türme in den literarischen Quellen?
Hat die Columna Traiana als Bildquelle mehr zu bieten, als das eine bedeutungsperspektivisch verzerrte Bild?
 
Danke für die vielen Antworten – wenn man tatsächlich das (von El Q. kommentierte) Detail der Traianssäule als Vorbild nimmt – das könnte alles sein, auch ein Baugerüst, nur auf gar keinen Fall ein herausragender "Turm".

Al(i)so: ein Faktoid?
 
wenn man tatsächlich das (von El Q. kommentierte) Detail der Traianssäule als Vorbild nimmt – das könnte alles sein, auch ein Baugerüst,
das hab ich mir beim anschauen des Bilds auch gedacht.

mich verwundert, dass bei Rekonstruktionen solcher Lager zwar Wall/Palisade eine Art Brustwehr erhalten (und da sind gehörige Distanzen zu bewehren!), es aber bei den erhöhten "Türmen" nicht mehr für so eine Brustwehr wenigstens feindseits reicht.
 
Diese Brüstungen erscheinen mir zutiefst unzweckmäßig, die Wachposten auf diesen Dingern wären Zielscheiben für jede Art Wurfgeschoss, die Schutzfunktion der Holzgeländer hindert sie gerade mal am Runterfallen.
Diese Gittergeländer findet man doch überall auf römischen Abbildungen ,wie hier bei der Donaubrücke,
http://upload.wikimedia.org/wikiped...Traianssäule,_Tafel_LXXII_(Ausschnitt_01).jpg
hier an einem Turm http://www.felsenmeerdrachen.de/fil...eule__Tafel_IV__Ausschnitt_02__5f13fb6139.jpg
als Schiffsreling http://fotothek.biblhertz.it/bh/a/bhpd23126a.jpg scheint mir Standart gewesen zu sein. In erster Linie waren sie wohl wirklich nur ein Schutz gegen das Herunterfallen. Im Ernstfall hätte man sie ja noch mit Leder, Schilden oder Holztafeln verkleiden können. Die Limestürme hatten doch eher eine Funktion als Signal-und beobachtungsposten und weniger als Kampfplattform.
 
Das Beispiel von der Traianssäule ist sehr schön, aber wohl nicht ganz das, was Mummius Picius meinte. (Wobei ich auch erst so etwas vor Augen hatte.)
Eher so etwas hier: Kees Peterse - Haltern Turm.jpg
 
Die Existenz der Balkongeländer will ich auch gar nicht bestreiten – die sind als ebensolche dutzendfach belegt, privat (Balkone) und militärisch (Limestürme, die rein als Wachtürme mit geringem Verteidigungswert konzipiert waren).

Wenn die Türme in den Erde-Holz-Lagern reine Wach- und Spähtürme gewesen sein sollen, lief man spätestens im Gefecht Gefahr, den Überblick zu verlieren. Einen Umbau im Ernstfall halte ich für recht aufwändig gegenüber den Kosten einer ernstfallgeeigneten Primärversion.

Natürlich hatte man schon immer das Recht, unpraktische und schlecht geeignete Lösungen den einfachen und durchdachten vorzuziehen, die Tradition wird bis heute hochgehalten. Und wiederum andererseits sind es doch gerade die Römer, denen meist exzellente Nutzung von Ratio und Pragmatik nachgesagt wird.

Es wäre interessant, hier mal etwas weiter auszuholen. Das Phänomen der Wiederholung von Rekonstruktionen ist nicht neu; nach den ersten wilhelminischen Limestürmen aus Bruchsteinen bzw. Fachwerk kam die Phase der Holztürme, die man nach dem Muster von Forts aus Wild-West-Filmen strickte; bis heute sind kurz entschlossene Landräte schnell dabei, solche Lösungen einzufordern, wenn sie dafür Bissen der Tourismusförderung abreissen können. Das erste rekonstruierte Flusskampfschiff, die "Victoria", zog eine ganze Flottille von Pötten nach sich, die mehr oder minder die Victoria nachbauten – und hier haben wir wirklich unmissverständliche Abbildungen der Traianssäule, die zeigen, mit wieviel Ornamentik und Schmuck die Dinger ausgestattet waren. Die Türme von in Stein ausgeführten Lagern waren fast grundsätzlich Festungen an sich, zwei Stockwerke höher als die Mauern und bestückt mit Wurfmaschinen. Sollen die Erde-Holz-Lager mit ihrer gar nicht so kurzen projektierten Lebensdauer so anders angelegt worden sein? Mein Argwohn liegt weiterhin darin, dass die Rekonstruktionen in Oberaden und jetzt Haltern die (alten) Anlagen von Alesia imitieren.

Offensichtlich sind die Rekonstruktionen wissenschaftlich untermauert bis zum dorthinaus, aber auch die Lindenschmidt-Rekonstruktion eines "Legionärs" wurde jahrzehntelang kein bisschen hinterfragt.
 
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Über Facebook habe ich mit den Halternern kommuniziert, die sagen: sowohl Alesia als auch Aliso wurden von Dr. Kees Petersen begleitet. Der hinterlässt diese Türme (fundiertere Antwort folgt nach den Osterferien) wo er hinkommt.

Sepiola: diese Türme stehen auch noch in einem Steinkastell …
 
Diese Türme sind doch vollkommen unbrauchbar im Kampf. Und warum sollte man darauf verzichten? Da stellt sich doch Keiner oben hin, wenn die Angreifer Bögen und Wurfspeere haben. Aber vielleicht glaubt der Mann, die Römer hatten Eier aus Stahl, und die Geschosse prallen daran ab?
 
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Ich bin bislang eigentlich davon ausgegangen, dass diese Geländerbrüstungen nicht für den Kampf gedacht waren, sondern damit der Wachtposten um den Turm herumgehen kann und so einen 360°-Rundumblick hat, wesentlich besser als wenn er im Turm von einem Fenster zum anderen gehen und hinausschauen muss.
 
Hier die Alesia Version aus der BBC Doku über Caesar.

Wenn die Türme tatsächlich so hoch waren, war das reine Fachwerk natürlich alternativlos. Vollumwehrte Türme hätten dem Wind zu viel Widerstand geboten, da hätte ein einfacher Herbststurm gereicht den Turm einzureißen. Zumindest kann ich mir nicht vorstellen dass man ohne Schrauben eine genügend große Standfestigkeit für so ein Konstrukt hätte erreichen können. M. E. war der Hauptzweck dieser Türme die Aufklärung (und dabei konnten sich die Legionäre auch ausreichend mit ihren Schilden schützen), und die Show.
 

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  • Alesia.JPG
    Alesia.JPG
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Ich bin bislang eigentlich davon ausgegangen, dass diese Geländerbrüstungen nicht für den Kampf gedacht waren, sondern damit der Wachtposten um den Turm herumgehen kann und so einen 360°-Rundumblick hat, wesentlich besser als wenn er im Turm von einem Fenster zum anderen gehen und hinausschauen muss.

Bei Wachtürmen am Limes sehe ich das auch so. Aber bei Türmen von Lagern, macht ein Wehrtum mit Bogenschützen oder auch Geschützen viel Sinn.

In der Spätantike sehen wir dann auch diese halbrunden auskragenden Türme, die ein Kreuzfeuer auf die Mauer ermöglichten.

Gibt es denn irgendeine Quelle, die belegen würde, daß die Lagertürme vor der Spätantike nicht als Kampfplattform gedacht waren?
 
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