Die Existenz der Balkongeländer will ich auch gar nicht bestreiten – die sind als ebensolche dutzendfach belegt, privat (Balkone) und militärisch (Limestürme, die rein als Wachtürme mit geringem Verteidigungswert konzipiert waren).
Wenn die Türme in den Erde-Holz-Lagern reine Wach- und Spähtürme gewesen sein sollen, lief man spätestens im Gefecht Gefahr, den Überblick zu verlieren. Einen Umbau im Ernstfall halte ich für recht aufwändig gegenüber den Kosten einer ernstfallgeeigneten Primärversion.
Natürlich hatte man schon immer das Recht, unpraktische und schlecht geeignete Lösungen den einfachen und durchdachten vorzuziehen, die Tradition wird bis heute hochgehalten. Und wiederum andererseits sind es doch gerade die Römer, denen meist exzellente Nutzung von Ratio und Pragmatik nachgesagt wird.
Es wäre interessant, hier mal etwas weiter auszuholen. Das Phänomen der Wiederholung von Rekonstruktionen ist nicht neu; nach den ersten wilhelminischen Limestürmen aus Bruchsteinen bzw. Fachwerk kam die Phase der Holztürme, die man nach dem Muster von Forts aus Wild-West-Filmen strickte; bis heute sind kurz entschlossene Landräte schnell dabei, solche Lösungen einzufordern, wenn sie dafür Bissen der Tourismusförderung abreissen können. Das erste rekonstruierte Flusskampfschiff, die "Victoria", zog eine ganze Flottille von Pötten nach sich, die mehr oder minder die Victoria nachbauten – und hier haben wir wirklich unmissverständliche Abbildungen der Traianssäule, die zeigen, mit wieviel Ornamentik und Schmuck die Dinger ausgestattet waren. Die Türme von in Stein ausgeführten Lagern waren fast grundsätzlich Festungen an sich, zwei Stockwerke höher als die Mauern und bestückt mit Wurfmaschinen. Sollen die Erde-Holz-Lager mit ihrer gar nicht so kurzen projektierten Lebensdauer so anders angelegt worden sein? Mein Argwohn liegt weiterhin darin, dass die Rekonstruktionen in Oberaden und jetzt Haltern die (alten) Anlagen von Alesia imitieren.
Offensichtlich sind die Rekonstruktionen wissenschaftlich untermauert bis zum dorthinaus, aber auch die Lindenschmidt-Rekonstruktion eines "Legionärs" wurde jahrzehntelang kein bisschen hinterfragt.