Augustus ein "Gutmensch"?

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Ichzitieremal einenBeitragaus einem anderen Forum denich rechtinteressant fand:

augustus war seien wir mal ehrlich ein gutmensch im zu gleich zu anderen kaisern und immerhin hat er unabhängig von der person die pax romana ERSCHAFFEN und ein reich aus dem bürgerkrieg in die stablität geführt
Das ist überwiegend Propaganda. Er hat die Zeichen der Zeit genutzt und die Fehler seines Adoptivvaters vermieden, wodurch er dem Tyrannentod entgangen ist. Er hat den Senat mit Truppen- und Waffengewalt gezwungen, ihn ohne curulische Laufbahn zum Konsul zu ernennen und diese "Ehre" einfach jedes Jahr erneuert, indem er die Senatoren bald durch eine Mischung aus Terror und Gefallen, Zuckerbrot und Peitsche dazu gebracht hat, ihm allein aus Selbsterhaltungstrieb gefällig zu sein oder den Mund zu halten. Er war schlau genug, nicht öffentlich den Tyrannen raushängen zu lassen, sondern hauptsächlich durch die Hintertür zu regieren. Nicht zu vergessen ist auch, dass er (wie viele andere vor und mit ihm) kräftig an den Proskriptionen mitgewirkt hat, als er noch im Triumvirat war, wodurch Tausende von recht unschuldigen Bürgeern und Familien einfach ausradiert (meint: brutal abgeschlachtet) wurden, um ihr Vermögen einzustreichen.

Er hat Sittengesetze verfasst, um einen angeblichen Verfall dieser in der Republik zu vermeiden, sie teilweise mit drakonischen Strafen durchgesetzt und sich persönlich nicht mal dran gehalten. Er hat einen Denunziationsstaat errichtet, der vom politischen Terror und der Verfolgung Oppositioneller vergleichbar mit der DDR und dem frühen Naziregime ist. Augustus war kein Gutmensch. Er war ein äußerst gerissener und skrupelloser Demagoge, der das Meiste von Caesar gelernt und so verbessert hat, das noch heute Menschen seine Propaganda unhinterfragt glauben. Nicht zu vergessen, dass er den endgültigen Tod der Republik zementiert und eine Ära des Kaisertums eingeleitet hat, die von blutigen Dynastie- und Bürgerkriegen dominiert war.. und das über Jahrhunderte.

Was er geschafft hat, war, so ziemlich jeden inneren Gegner zu vernichten und die Äußeren zu "befrieden", was weitgehend in einem relativen Frieden gemündet ist, der vor allem deswegen so besonders war, weil davor ein Jahrhundert lang nicht länger als ein oder zwei Jahre am Stück überhaupt so etwas wie Frieden innerhalb der Republik geherrscht hat. Was man ihm anrechnen muss ist wohl, dass er ein extrem intelligenter Mann war, ein unglaublich guter Taktiker und Stratege, der seine Position so geschickt manipuliert hat, dass er unantastbar wurde. Trotzdem war er ein "zivilisiertes Monster", ein eiskalter Politiker, nicht viel anders als Caesar und ich wäre ihm nicht gerne auf irgendeine Weise im Weg gestanden zu dieser Zeit.

Man kann ihm viel Gutes zusprechen. Er war ein herausragender Politiker, hat viel dafür getan, dass Rom eine neue Blütezeit erlebte und reich wurde - aber dafür ist er durch Blut gewatet. Nicht unbedingt die Charakteristika, die einen Gutmenschen auszeichnen. Und ganz sicher nicht das verklärte Idealbild, dass in den Imperium-Filmen (und anderen Medien) gerne zelebriert wird (meist auch nur als irgendeine Form von "Gegenentwurf" gegen die ach-so wahnsinnigen und grausamen, "verrückten" oder dämlichen Kaiser Caligula, Claudius und Nero..).

Was haltet ihr davon?
 
Moin

Zunächst solltest du mal definieren was mit "Gutmensch" gemeint ist!

Ist ein guter Mensch im wörtlichen Sinne gemeint oder ist der Begriff hämisch gemeint?

Ich hasse den Begriff, da er zum Standartwortschatz der Rechten gehört und von Hinz und Kunz gedankenlos übernommen wird! :motz:
 
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Was haltet ihr davon?

Das kommt drauf an, wen man fragt. 99% der Bevölkerung des Imperiums hatte keine politische Macht. Weder vor, noch nach der Republik. Für die änderte sich dahingehend also Nichts. Ausser, daß keine Mörderbanden mehr durch die Strassen zogen und ihre Söhne nicht mehr in Bürgerkriegen verheizt wurden.

Die Provinzialen merkten wohl auch erst mal wenig davon, daß Augustus versuchte die Statthalter etwas stärker an die Kandarre zu nehmen. Sie, ihre Beamten und die Steuereintreiber blieben aus peregriner Sicht unerträglich. Eine Horde rücksichtsloser, arroganter Rassisten halt. Nicht nur in Germanien gabs dafür öfters mal die Quittung. Andererseits wurde man aber jetzt auch nicht mehr ständig von Nachbarstämmen überfallen.

Vielleicht haben die Ritter, Bundesgenossen und der provinziale römische Adel noch etwas Positives feststellen können. Sie hatten mehr Rechtsklarheit für ihre Geschäfte und neue Aufstiegschancen, aber mit der großen Politik eher selten zu tun; zumindest in der frühen Kaiserzeit.

Wir wissen es nicht genau, denn Geschichte wurde von diesem anderen 1% geschrieben. Und eine allzu spitze Feder konnte tödlich sein. Von den Senatoren dürften allerdings auch viele eher beruhigt gewesen sein, nicht mehr auf ständig wechselnden Proskriptionslisten zu stehen. Die große Politik gabs zwar nicht mehr für sie, aber die fetten Pöstchen gabs auch weiterhin.

Wie auch immer. Ein Mann, dem es gelang, das Haifischbecken Republik trocken zu legen, war sicher kein Goldfisch. Und was auch immer man unter "Gutmensch" versteht. Augustus war garantiert Keiner.

Wir hatten ja an anderer Stelle schon diskutiert ob Caesar oder Augustus eine hehre politische Vision hatte, das Staatswesen zum Besseren zu wenden. Der Ansicht, daß Beide nur ihren Arsch retten wollten und im weiteren so lange rumbastelten, bis ihre Macht und die ihrer Familie gesichert war, kann man nur schwer widersprechen.
 
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Grundsätzlich hat die Kritik schon recht, allerdings ist sie überzogen und einseitig.

Zuallererst war Augustus ein Kind seiner Zeit. Rom war kein gemütlicher Ort, und die römische Politik war kein Tummelplatz für Menschen mit hehren Idealen. Solche gab es zwar, aber sie wurden schnell auf den Boden der Realität geholt. Die Politik der späten Republik war geprägt von Morden (ob man dafür belangt wurde, hing von politischen, nicht rechtlichen, Gegebenheiten ab), Bestechung, Stimmenkauf, Einschüchterung der Bürger und Gegner und nackter Gewalt. Grundsätzlich war jedes Mittel recht, um seine Ziele zu erreichen. Ob man damit durchkam oder bestraft wurde, hing von Erfolg und Macht der Täter und ihrer (zumindest derzeitigen) politischen Verbündeten ab. Wer in die Politik gehen und in ihr überleben wollte, dem blieb kaum etwas anderes übrig, als sich die Hände schmutzig zu machen. Das bedeutet nicht, dass die Politiker gerne Verbrechen begingen; die meisten genossen es wahrscheinlich nicht, aber sie schreckten auch nicht davor zurück, wenn es ihren Zwecken diente. (Selbst Cicero schreckte nicht davor zurück, Gegner gesetzwidrig und ohne Prozess hinrichten zu lassen.) Der junge Octavian war nicht besser, aber auch nicht schlechter als die meisten erfolgreichen Politiker der späten Republik - allerdings war er intelligenter als die meisten Konkurrenten und konnte meisterlich andere Menschen manipulieren, für seine Zwecke nutzen und gegeneinander ausspielen.

Er hat einen Denunziationsstaat errichtet, der vom politischen Terror und der Verfolgung Oppositioneller vergleichbar mit der DDR und dem frühen Naziregime ist.
Das ist zu drastisch ausgedrückt.

Nicht zu vergessen, dass er den endgültigen Tod der Republik zementiert und eine Ära des Kaisertums eingeleitet hat, die von blutigen Dynastie- und Bürgerkriegen dominiert war.. und das über Jahrhunderte.
Man sollte aber nicht vergessen, dass es in den ersten beiden Jahrhunderten des Kaisertums im Reich trotzdem wesentlich friedlicher zuging als in den letzten hundert Jahren der Republik. Einen großen Bürgerkrieg gab es zwischen 27 v. Chr. und 192 n. Chr. nur einen (68-69), und auch Putschversuche waren in den ersten beiden Jahrhunderten noch recht selten und konnten relativ rasch und ohne große Gemetzel niedergeschlagen werden. Und auch wenn manche Kaiser viele Gegner töten ließen, erreichte das nicht die Dimensionen der Proskriptionen von Marius und Sulla und des zweiten Triumvirats.

Was er geschafft hat, war, so ziemlich jeden inneren Gegner zu vernichten
"Vernichten" ist zu drastisch formuliert, das trifft nur auf seine frühen Jahre zu. Nach dem Ende der Proskriptionen schaffte er es, die meisten Gegner einfach kalt zu stellen oder auf seine Seite zu ziehen. So mancher, der ursprünglich die Caesarmörder oder Marcus Antonius unterstützt hatte, konnte unter Augustus nicht nur weiterleben, sondern sogar weiter Karriere machen. Fälle wie der von Egnatius Rufus waren während Augustus' Zeit als Kaiser die Ausnahme.
 
Moin

Zunächst solltest du mal definieren was mit "Gutmensch" gemeint ist!

Ist ein guter Mensch im wörtlichen Sinne gemeint oder ist der Begriff hämisch gemeint?

Ich hasse den Begriff, da er zum Standartwortschatz der Rechten gehört und von Hinz und Kunz gedankenlos übernommen wird! :motz:

Sorry, das war mir nicht bewusst.
Ersetze "Gutmensch" einfach mit "guter Mensch" oder "guter/gerechter/wohlwollender Herrscher"
 
Er war ein äußerst gerissener und skrupelloser Demagoge, der das Meiste von Caesar gelernt und so verbessert hat, das noch heute Menschen seine Propaganda unhinterfragt glauben.
"Noch heute" trifft es nicht so ganz, weil das "noch" suggeriert, dass es in der Antike auch schon geglaubt wurde. Das war aber nicht der Fall, antike Historiker stellten ihn keineswegs so positiv dar, seine Untaten wurden keineswegs ausgeblendet. Sogar der unter Tiberius kaiserfreundlich schreibende Velleius Paterculus war da keine echte Ausnahme, denn er versuchte Octavians Beteiligungen zwar herunterzuspielen (Octavian hätte immer nur einem Hauptschuldigen nachgegeben oder sich nicht durchsetzen können), verschwieg sie aber nicht. Dass Augustus von zeitgenössischen Dichtern hoch gelobt wurde, besagt nichts darüber, wie er tatsächlich wahrgenommen wurde, denn so etwas ist bei zeitgenössischen Dichtern im Umfeld eines Machthabers normal.
Auf der anderen Seite kann man aber auch kaum in Abrede stellen, dass seine Herrschaft zumindest von den einfachen Bürgern und Untertanen großteils tatsächlich positiv aufgenommen wurde - aber nicht unbedingt, weil sie seiner Propaganda glaubten, sondern wohl eher, weil sich ihr Leben und ihre Sicherheit im Vergleich zu den Jahrzehnten davor tatsächlich deutlich verbessert hatten. Da sah man über die Schattenseiten und das, was er früher so angestellt hatte, wohl hinweg.

Aber die allzu positive Sicht auf Augustus scheint eher ein Produkt späterer Zeiten zu sein, vielleicht auch der heutigen Schulbildung. Soweit ich mich erinnere, wurden er und seine Herrschaft in meinem Geschichtsunterricht ausschließlich positiv geschildert, mit Betonung der Pax Romana und der kulturellen Leistungen.

Die Provinzialen merkten wohl auch erst mal wenig davon, daß Augustus versuchte die Statthalter etwas stärker an die Kandarre zu nehmen. Sie, ihre Beamten und die Steuereintreiber blieben aus peregriner Sicht unerträglich.
Etwas mehr hatte sich die Lage der Provinzialen wohl schon gebessert. In der späten Republik hatten sie schließlich auch massiv unter den Bürgerkriegen gelitten, indem sie ausgeplündert oder zu Zahlungen in oft ruinöser Höhe gezwungen wurden. Die Lage vieler Städte während eines Bürgerkriegs war hoffnungslos: Zunächst kontrollierte die Seite A die Region, sodass der Stadt kaum etwas anderes übrigblieb, als sich ihr anzuschließen, woraufhin A von der "befreundeten" Stadt einen hohen Beitrag zu den Kriegskosten verlangte. Später dominierte dann Seite B das Gebiet und eroberte und plünderte die Stadt wegen ihres Bündnisses mit dem Feind entweder einfach oder verlangte von ihr zumindest eine enorme Strafzahlung. Später wechselte das Kriegsglück eventuell wieder, und jetzt bestrafte A die Stadt für ihren "Verrat", weil sie den Gegner unterstützt hatte. Dazu kam noch, dass oft bei jedem Seitenwechsel eine Menge Bürger hingerichtet wurden. Diese Probleme gab es unter Augustus' Alleinherrschaft nicht mehr.
 
Ich denke wir werden für jede Bevölkerungsgruppe Gründe finden, weshalb sie die Regierungszeit als Wohltat empfanden verglichen mit den Zeiten des Bürgerkriegs. Interessant wäre es, die Zeit des Prinzipats unter Augustus und anderen nicht vollständig durchgeknallten frühen Principes mit den Friedenszeiten des letzten Jahrhunderts der römischen Republik zu vergleichen. Sonst vermischen wir da Apfel und Birnen. Obwohl die Zeitgenossen wohl genau das getan haben bei ihrer Beurteilung. Aber das waren keine Historiker im heutigen Sinne.

Die Bevölkerungsgruppen wären für mich:

- die kaiserliche Familie
- der römische Adel (Senatorenstand) ggf., unterteilt in alte patrizische Familien und allgemeine Nobilitas, sofern sich das anbietet.
- der römische "Mittelstand" (Equites und Nicht-Equites) im wesentlichen Händler, Unternehmer, Gewerbetreibende ggf. noch größere freie Bauern
- die römischen Unterschicht bestehend aus Tagelöhnern, Pachtbauern und anderen prekären Beschäftigungen bis hin zu reinen "Sozialhilfeempfängern"

Blicken wir auf das gesamte Imperium ist hier noch zu bedenken, daß es diese Schichten auch im restlichen Italien (Bundesgenossen) und in den Provinzen gab, unterschiedlich zu beurteilen nach ihrem rechtlichen Status: römische Kolonie, latinische Kolonie, peregrine Civitas, ... nicht zu vergessen die ganzen bilateralen Stadtverträge.

Dann wäre da noch das Militär mit Legionären, Unteroffizeren, Offizieren und Stabsoffizieren / Kommandanten, das sicher einer besonderen Würdigung Wert ist.

Und nicht zu vergessen die Freigelassenen, die je nach persönlicher Situation einzuordnen sind. Und dann noch die Sklaven unterschiedlichster Couleur am unteren Ende der Pyramide.

Das Thema scheint mir bei näherer Betrachtung also etwas komplexer. Das artet schnell zur Promotion aus. Wahrscheinlich gibts sogar schon eine dazu.

Ist denn wenigstens meine Einteilung der römischen, frühimperialen Gesellschaft soweit zutreffend?
 
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Ich denke wir werden für jede Bevölkerungsgruppe Gründe finden, weshalb sie die Regierungszeit als Wohltat empfanden verglichen mit den Zeiten des Bürgerkriegs. Interessant wäre es, die Zeit des Prinzipats unter Augustus und anderen nicht vollständig durchgeknallten frühen Principes mit den Friedenszeiten des letzten Jahrhunderts der römischen Republik zu vergleichen. Sonst vermischen wir da Apfel und Birnen. Obwohl die Zeitgenossen wohl genau das getan haben bei ihrer Beurteilung. Aber das waren keine Historiker im heutigen Sinne.
Lange Friedenszeiten gab es im letzten Jahrhundert der Republik aber nicht. Klar, es gab auch das eine oder andere ruhige Jahr, aber wenn man im Laufe eines Lebens eine Handvoll Bürgerkriege, Putschversuche und haufenweise politische Morde mitten in Rom erlebt, wird man sich vermutlich entweder daran gewöhnen oder aber nie sicher fühlen.
Nachdem endlich die jahrelange Bedrohung durch die Kimbern und Teutonen beseitigt war, folgten unmittelbar die Umtriebe des Saturninus, die blutig endeten. Ein paar Jahre später tobte dann mitten in Italien jahrelang der Bundesgenossenkrieg. Nach gerade mal etwa einem Jahr Ruhe begannen die jahrelangen Konflikte zwischen Marius, Sulla und Cinna inkl. Bürgerkriegen und Proskriptionen. Als das endlich überstanden war, verliefen die Umtriebe des Lepidus zwar vergleichsweise glimpflich, aber wenn man an der Küste wohnte oder gar mal zur See reisen musste, hatte man gute Chancen, Bekanntschaft mit den Piraten zu machen. Ein paar Jahre später zog dann jahrelang Spartacus mit seinem Heer durch Italien. Nach ein paar Jahren relativer Ruhe kam dann die Verschwörung des Catilina, und wieder ein paar Jahre später setzten dann die blutigen Unruhen zwischen Clodius und Milo ein, wobei die 50er überhaupt eine Zeit waren, in der das Forum und die Straßen Roms von Gewalt geprägt waren. Ein paar Jahre später tobte dann der jahrelange Bürgerkrieg zwischen Caesar und den Republikanern, und kaum war der vorbei, wurde Caesar ermordet, und es folgten in rascher Folge der Mutinensische Krieg, die Proskriptionen, der Krieg der Triumvirn gegen die Caesarmörder und der Perusinische Krieg. Dann herrschte an Italiens Küsten Unsicherheit wegen des Konflikts zwischen Octavian und Sextus Pompeius, und als der überstanden war, folgte nach ein paar Jahren der Krieg gegen Kleopatra und Marcus Antonius. Und das waren jetzt nur die herausragendsten Ereignisse, wozu noch zahlreiche weitere politische Attentate, Straßenkämpfe etc. kamen, denn die standen vor allem in den 50ern bei jeder Wahl und oft auch in der Volksversammlung und sogar bei Prozessen an der Tagesordnung. Verglichen damit waren die ersten beiden Jahrhunderte der Kaiserzeit meistens doch wirklich recht geruhsam.
Natürlich war nicht von allen aufgezählten Ereignissen jeder Mensch in Rom direkt betroffen, und manche Ereignisse beschränkten sich auf die Stadt Rom, betrafen aber nicht auch die anderen Städte Italiens. Aber das konnten die Menschen doch nicht im Voraus wissen, bei jedem neuen Bürgerkrieg mussten sie damit rechnen, dass er auch sie betreffen würde. Wer nicht komplett abstumpfte, konnte sich wohl kaum längere Zeit wirklich sicher fühlen. Ich gebe auch zu bedenken, dass es vielen Menschen gar nicht freistand, sich herauszuhalten. Viele Menschen in Rom waren durch Klientelverhältnisse an einen Politiker gebunden und konnten gar nicht anders als für ihn an Straßenschlachten gegen die Klienten und Gladiatoren seiner Gegner teilzunehmen. Andere wiederum waren mit jemandem verwandt, der auf der "falschen" Seite stand, oder sie waren vermögend oder hatten private Feinde - alles Gründe, um auf einer Proskriptionsliste zu landen, obwohl man gänzlich unpolitisch war und sich so gut wie möglich aus allem herausgehalten hatte.
Daher denke ich nicht, dass es sinnvoll ist, sich ein paar ruhige spätrepublikanische Jahre herauszupicken und sie mit den langen Zeiten inneren Friedens unter den meisten der frühen Kaiser zu vergleichen.
 
Wie schon richtig festgestellt wurde, war Augustus ein Kind seiner Zeit. Die Republik war zu seiner Zeit nur noch ein Schatten ihrer selbst. Seit dem Zeitalter der Gracchen gespalten in Optimaten und Popularen diente die "republikanische Hülle" nur noch als Spielball der Mächtigen. Marius, Sulla usw. waren die Ersten, die mit Hilfe des Militärs an sich rissen. Dass dies dann in der Diktatur eines einzelnen (Caeasr) enden musste, war, wenn man sich die Entwicklungen dieser Epoche anschaut, folgerichtig. Caesar beging jedoch einige Fehler bei seiner "Machtergreifung", die u. a. zu seiner Ermordung führten. U. a. ging er zu forsch vor und war auch allzuoft zu Nachsichtig mit seinen Rivalen, die clementia caesaris war ja sprichwörtlich.

Augustus, auch umgebunden von sehr fähigen Beratern, Maecenas und Agrippa wären hier nur zu nennen, vermieden diese Fehler. Gerade diese Leistung darf nicht überschätzt werden. Indem man immer mehr Macht faktisch bei einem einzelnen bündelte, aber gleichzeitig den Anschein bewahrte, die Republik existiere weiter, konnte man das Prinzipat soweit festigen, dass es schließlich nach seinem Tod, durch die Übernahme der Macht durch Tiberius, gefestigt wurde. Noch zu Lebzeiten des Augustus hätten viele Römer, so wären sie denn gefragt worden in welchem System sie lebten geantwortet: "In der Republik".

Die Frage die man sich bei der Beurteilung des Augustus stellen muss, ist: "Hatte er eine andere Wahl?" Ich denke nicht. Die Republik war am Ende, geteilt in zwei Lager, die Kriege der letzten Jahrzehnte konnten nur durch herausragende Feldherrenpersönlichkeiten gewonnen werden (der Jogurthische Krieg ist ein Negativbeispiel par excellence für die Republik). Gleichzeitig waren diese Feldherren aber immer ein Machtfaktor (durch die Schaffung der Heeresklientel durch Marius). Die Administration des Imperiums musste auch gestrafft und verändert werden. Allgemein muss man sagen, er stand vor eine Mammutaufgabe und hat diese so gut gelöst, dass das Imperium noch weitere Jahrhunderte überdauerte.
 
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Allgemein muss man sagen, er stand vor eine Mammutaufgabe und hat diese so gut gelöst, dass das Imperium noch weitere Jahrhunderte überdauerte.

Volle Zustimmung. Man darf ja nicht den Fehler machen, Augustus mit den Maßstäben heutigher Zeit zu beurteilen. Ich bin mir recht sicher, dass das Gros der Menschen des römischen Imperiums in den ersten beiden Jahrhunderten nach Christus im Durchschnitt bessere Lebensbedinungen hatte als im ersten Jahrhundert vor Christus. Die Häufigkeit der Bürgerkriege ist ja schon genannt worden. Ich glaube aber auch, dass sich die Ausbeutung der Provinzialen zumindest besserte und nicht mehr so willkürlich ablief (hängt wohl auch mit den Bürgerkriegen zusammen).

Diese Punkte und generell die Stabiliserung des Imperiums sind historische Verdienste von u.a. Augustus, die man nicht wegdiskutieren kann, auch wenn er natürlich zur Erreichung dieser Ziele absolut skrupelos war, aber dies ließ sich vermutlich anders gar nicht bewerkstelligen.
 
Die Frage die man sich bei der Beurteilung des Augustus stellen muss, ist: "Hatte er eine andere Wahl?" Ich denke nicht.

Die Geschichte zeigt, dass die Maßnahmen des Augustus in die richtige Richtung gingen, denn er schuf ein Fundament, auf dem das römische Imperium noch rund 400 Jahre ruhte. Mit der alten republikanischen Verfassung ließ sich kein Weltreich mehr regieren und so muss man es als eine besondere staatsmännische Leistung ansehen, dass Augustus die Transformation von der Republik zum Prinzipat - d.h. also zum Kaiserreich - geglückt ist. Die Zeit schien dafür reif zu sein und Augustus hat den risikoreichen Übergang von der einen zur anderen Staatsform überlegen und zuweilen diplomatisch gelöst.

Attribute wie "Machtmensch und Diktator" sind unserer heutigen Zeit entlehnt und enstpsrechen nicht der Vorstellungswelt der Antike. Menschen müssen aus ihrer Zeit heraus beurteilt werden und da ist Augustus ein positives Zeugnis auszustellen.

Warum ihm allerdings das Attribut "Augustus der Große" verwehrt blieb, ist nicht einfach zu erklären. Ist es bloß Zufall oder kann es andere Gründe geben?
 
Die Frage die man sich bei der Beurteilung des Augustus stellen muss, ist: "Hatte er eine andere Wahl?" Ich denke nicht. Die Republik war am Ende, ...

Das ist eine Frage, die wir uns schon an anderer Stelle gestellt haben, aber nie zu Ende diskutiert haben.

Das Nahziel hatte Augustus also erreicht: das Vermögen seines Onkels zu sichern, ohne dabei umgebracht zu werden.

Aber hatte er danach eine Wahl? Hatte eine republikanische Verfassung - in welcher veränderten Form auch immer - eine Chance? Wobei man Bedenken muss, daß Rom keine demokratische Republik war, sondern eher eine oligarchische Aristokratie. Dies an die Adresse all derer, die dieser hehren Regierungsform nachtrauern.

Vieles was Augustus verändert hat, war notwendig und folgerichtig. Aber hätte er auch einen Schritt weiter gehen können in Richtung Republik. Welche Schritte wären notwendig gewesen und hätte die herrschende Schicht das akzeptiert; auch noch nach dem Tod des Augustus. Dann ohne einen verkappten Monarchen mit de facto geradezu absolutistischer Amtsgewalt?

Was hätte man tun müssen bezüglich Armee, Verfassung, Provinzverwaltung, Ständegesellschaft, Brot & Spiele ... und vielem mehr für eine stabile, überlebensfähige Republik oder zumindest eine eher konstitutionelle (Senats-)Demokratie anstatt des Prinzipats. Wäre das angesichts der politischen Kultur und des "Wesens der Römer" überhaupt denkbar gewesen. Oder war die Alleinherrschaft wirklich alternativlos?
 
Mit der alten republikanischen Verfassung ließ sich kein Weltreich mehr regieren ...

Diese Aussage liest man öfters. Leider habe ich noch keine fundierte Begründung dafür gelesen. Augustus hat die republikanische Verfassung und viele ihrer Prozesse und Regeln gerade nicht abgeschafft.

Die Verwaltung der Provinzen erfolgte immer noch über Senatoren, die üblicherweise den Cursus Honorum durchlaufen hatten. Auch die Legaten der kaiserlichen Provinzen stammten im Prinzipat noch aus dem Senatorenstand mit entsprechender Ausbildung und Karriere. Einzig der Privatbesitz Ägypten und später noch einige prokuratorische Provinzen (Judaea, Noricum, Raetia, Alpes,...) waren mit Rittern besetzt. Aber im klassischen Prinzipat blieb da noch Alles weitgehend beim Alten.

Unterhalb der Statthalterebene wurde zunehmend ein Berufsbeamtentum eingesetzt aus Zivilisten und abgeordneten Soldaten, sofern es nicht wie in Ägypten ohnehin weitgehend vorhanden war. Aber das hätte eine Republik auch gekonnt und gemusst.

In Rom hat er auch neue nicht-senatorische Praefekten eingerichtet und damit u.a. die Aedilen zunehmend überflüssig gemacht. Aber bei der Inflation von Magistraten auf allen Ebenen vom Qaestor bis zum Konsul, nur um den Nachschub für die Administration der Provinzen sicherzustellen, waren die städtischen Magistrate ohnehin eher Makulatur; zwar eine große Ehre aber eben nur Durchgangsstation. Auch in einer Republik hätte man Ähnliches machen müssen und können.

Also rein von der Administration eines Weltreichs, sehe ich hier keine Notwendigkeit zur Alleinherrschaft. Worüber man trefflich diskutieren kann ist die politische Spitze des Weltreichs selbst und ihre Entscheidungsbefugnisse und -prozesse. Insbesondere eine Sicherstellung von Rechtssicherheit und Verfassungstreue in einer Republik voller Römer erscheint mir schwierig. Auch die Frage, wie man weitere Usurpatoren im Stile eines Sulla oder Julius Caesar durch eine geeignete (politische) Heeresreform hätte verhindern können. Aber gerade diese letzte Frage mussten sich die Kaiser später auch stellen.

Aber ein Weltreich regieren, konnte auch eine Republik, wenns denn an der Spitze nicht laufend geknallt hätte. Es war die Anarchie in der obersten Führung von Staat und Militär, die die Republik gestürzt hat. Und die Frage ist, ob eine römische Republik das hätte ändern können.
 
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Wie Werner und Dieter schon richtig festgestellt haben, ist es immer problematisch, einen antiken Menschen anhand heutiger Massstäbe zu
beurteilen. Mal abgesehen davon, wie viel in der heutigen Zeit "Schein" und wie viel "Sein ist".

Um deine Frage aufzugreifen, Agricola:
Zuerst einmal war die römische Gesellschaft keine homogene Einheit, sondern vielmehr ein Sammelsurium verschiedener Ethnien, vereint
unter einem Imperium mit der Einheit stiftenden lateinischen Sprache.

Mehr in Richtung Republik gehen, hätte eine komplette "Umkrempelung" der römischen Welt bedeuted, zumal es zu dieser Zeit keine Constitutio Antoniniana gab.

Um nur mal kurz auf die Nobilität einzugehen: Zuerst einmal hätte die Spaltung der Nobilität beseitigt werden müssen. Dies hätte wiederrum bedeutet, dass der Senat hätte in der Lage sein müssen, den Ambitionen einzelner Einhalt zu gebieten.
Während der "Klassischen Republik" hatte das noch funktioniert, selbst ein Scipio Africanus konnte sich trotz seiner überragenden militärischen
Erfolge nicht über die Selbstregulierung hinwegsetzen. Mit dem Aufstieg Roms zur Weltmacht ging diese Selbstregulierung verloren, immer mehr traten die Interessen Einzelner in den Vordergrund. Endlich mit der Schaffung der Heeresklientel hatten die Karrieristen ein Machtmittel in der Hand, ihre Forderungen durchzusetzen, immerhin waren die Soldaten dem Feldherren, und nicht der Republik Treue schuldig. All dies, natürlich verkürzt dargestellt, hätte bedeuted, dass zuerst einmal das Individuum hinter seine Eigeninteressen hätte zurücktreten müssen. Dass das nicht funktionierte, musste ja bereits Sulla feststellen.
Alleine dass das Heer so ein Machtfaktor war, besonders in den Grenzregionen, wo die großen Kontingente standen, verlangte nach einer dauerhaften Lösung. Denn de facto konnte jederzeit ein Politiker, der sich unberecht behandelt fühlte, sein Heer nutzen, um seinen Anspruch durchzusetzen. Und die Loyalität der Soldaten galt wohl eher dem, der sie fütterte als etwas "abstraktem" wie einer Regierungsform.

Augusts erkannte das sehr gut. Er hatte das Glück, fähige Militärs in seinem Freundes- und Familienkreis zu haben. Mit Agrippa, Drusus und später Tiberius konnte er auf hervorragende (und treu ergebene) Führer zurückgreifen. Indem er gleichzeitig das Berufsheer aufbaute und das Heeresklientel verlagerte, so dass die Soldaten quasi nun seine Klienten waren, war dieser Machtfaktor schon einmal beseitigt.

Der Nobilität, die sich ihm unterordnete, entzog er immer weitere Entscheidungsbefugnisse, entmachtete sie sozusagen, auch dieser Machtfaktor entfiel, die Spaltung ebenso.

Dadurch, dass der die Vergabe der Provinzen vornahm, konnte er kontrollieren, welche Politiker Zugriff auf die großen Heeresverbände hatten. Ägypten beispielsweise, war aufgrund seines Reichtums nur Rittern vorbehalten, den Senatoren war der Zutritt dort unterersagt.

Je mehr ich darüber nachdenke, welche Möglichkeiten Augustus hatte, je mehr komme ich zu dem Schluss, dass eine Republik ein solche großes Imperium nicht führen kann. In einer Republik gibt es immer verschiedene Interessengruppen. Konsenz ist ein heutiges Schlagwort, jedoch bedarf es in vielen Situationen keines Konsenz sondern eines entschlossen, starken handels, entgegen dem Einfluss jedlicher Interessengruppen.
 
Die Geschichte zeigt, dass die Maßnahmen des Augustus in die richtige Richtung gingen, denn er schuf ein Fundament, auf dem das römische Imperium noch rund 400 Jahre ruhte. Mit der alten republikanischen Verfassung ließ sich kein Weltreich mehr regieren und so muss man es als eine besondere staatsmännische Leistung ansehen, dass Augustus die Transformation von der Republik zum Prinzipat - d.h. also zum Kaiserreich - geglückt ist. Die Zeit schien dafür reif zu sein und Augustus hat den risikoreichen Übergang von der einen zur anderen Staatsform überlegen und zuweilen diplomatisch gelöst.

Attribute wie "Machtmensch und Diktator" sind unserer heutigen Zeit entlehnt und enstpsrechen nicht der Vorstellungswelt der Antike. Menschen müssen aus ihrer Zeit heraus beurteilt werden und da ist Augustus ein positives Zeugnis auszustellen.

Warum ihm allerdings das Attribut "Augustus der Große" verwehrt blieb, ist nicht einfach zu erklären. Ist es bloß Zufall oder kann es andere Gründe geben?


Der Name "Augustus", der von Augurium stammt und Bezug auf den Stadtgründer Romulus bedeutet soviel wie der Erhabene und stellte eine Ehrung und Aufwertung dar, weshalb einige der Nachfolger bewusst auf ihn verzichteten. Eigentlich ist nur Pompeius der Beiname Magnus verliehen worden, und seine Imitatio Alexanders samt dessen Haartolle stieß in Rom durchaus auf Kritik, ebenso wie bei anderen Römern, die wie Drusus diese Symbolik benutzten. Den Beinamen der Große erhielten erst zwei spätantike Kaiser, die von einer christlichen Historiographie auf diesen Sockel gehoben wurden, wobei Konstantin tatsächlich eine ähnliche Nachwirkung wie Augustus zuzubilligen ist, während Theodosius nur das Christentum zur Staatsreligion erhoben hat.
 
Und die Loyalität der Soldaten galt wohl eher dem, der sie fütterte als etwas "abstraktem" wie einer Regierungsform.

Das war in der Tat einer der großen Fehler der römischen Republik in der marianischen Heeresreform.

Die Frage stellt sich, ob man ein dem Senat treues Heer hätte schaffen können, wenn dieser nur den Sold regelmässig bezahlt und die Altersversorgung verbindlich geregelt hätte. Dazu noch Massnahmen, um eine Konzentration von Macht und Legionen in einer Hand zu vermeiden. 3 Provinzen für 2 x 5 Jahre in die Hände eines Prokonsuls zu geben war weder verfassungsgemäß noch klug.

Nichts Anderes hat Augustus getan. Die Frage ist natürlich, ob sich die Legionäre jemals als Klientel des Senats hätten verstehen können. Wahrscheinlich wäre dazu auch in einer Republik die Trennung von militärischer und politischer Karriere notwendig gewesen. Das war zu dieser Zeit aber noch eine sehr revolutionäre Vorstellung.

Die Tatsache, daß die römischen Principes ihre Feldherrn gewissenhaft aussuchten und größere Verbände möglichst nur besonderen Vertrauten oder gar Familienmitgliedern und designierten Nachfolgern anvertrauten, verhinderte allerdings später nicht mehr Usurpationen. Die Frage ist weniger, wie eine Republik Usurpationen hätte verhindern können, sondern ob das überhaupt möglich war und wie.
 
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Ein Zyniker würde die Eingangsfrage wahrscheinlich damit beantworten, dass erfolgreiche Politiker zu keiner Zeit Gutmenschen seien und wer das nicht begreife sei eben naiv.

Was nun Augustus angeht, so sind die Bürgerkriege ja schon angesprochen worden. Ich nehme die letzten 100 Jahre der Republik eigentlich immer als einen mehr oder weniger durchgehenden Bürgerkrieg wahr, auch wenn man das vielleicht - schon wegen der Friedensphasen zwischendurch und wechselnder Konstellationen - als zu undifferenziert zichtigen kann.
Augustus bzw. Octavian hat in dieser Bürgerkriegssituation seinen cursus absolviert und wurde schließlich - teils als Erbe Caesars, teils durch eigenen Anteil - zu einem Protagonisten des Bürgerkrieges. Nachdem er diesen erfolgreich abgeschlossen hatte, konnte er sich schließlich anderen Zielen (Nordspanien, Germanien, Syrien etc.) widmen. Die Frage ist: Herrschte im Innern des Reiches die Pax Romana oder die Friedhofsruhe? Und können wir Pax Romana ausschließen, nur weil es sich um einen Propagandabergiff handelt?
 
Wie Werner und Dieter

Werner ist gut, ich dachte bei der Wahl meines Usernamens eigentlich eher an meinen favorisierten Fußballverein, aber das ist ein anderes Thema…:winke:

Ansonsten stimme ich Dir in den Punkten zur Nobilität zu. Fu lange Zeit gab es zwei Punkte, die als „Kitt“ für die Nobilität dienten, nämlich

- Erstens eine Homogenität in Bezug auf den Wohlstand und das soziale Ansehen der Familien (z.B. wurden die Konsuln lange von vielen unterschiedliche Familien gestellt)
- Zweitens außenpolitische Bedrohungen durch z.B. die Karthager, Kimbern, Teutonen etc.. Da hatte man schlicht keine Gelegenheit, sich in Form von Bürgerkriegen mit sich selber zu beschäftigen

Dieser „Kitt“ war im 1. Jhdt. v. Chr. nicht mehr gegeben. Die Kluft zwischen den Familien der Nobilität wurde immer größer. Durch erfolgreiche Feldzüge hatte sich bei einigen Familien ungeheurer Reichtum gesammelt, andere Familien verarmten. Auch die Politik wurde von wenigen Familien dominiert (s. wieder die Zeitreihe der Konsuln). Und Rom war zur Herrin der bekannten Welt geworden.

Durch diese Veränderungen wurde der skrupellose „Wettstreit“ innerhalb der Nobilität angeheizt. Dinge wie die marianische Heeresreform gaben dann Einzelkämpfern wie Sulla, Caesar etc. die Mittel an die Hand, Politik auf eigene Rechnung zu führen.

Aus meiner Sicht verfügte die Republik nicht über die Institutionen und Machtkontrollen, um zu einer stabilen Lage zurück zu gelangen.

Und es ist das große, historische Verdienst von Augustus, diesem Teufelskreis ein Ende gesetzt zu haben.
 
Die Frage ist: Herrschte im Innern des Reiches die Pax Romana oder die Friedhofsruhe? Und können wir Pax Romana ausschließen, nur weil es sich um einen Propagandabergiff handelt?

Gute Frage. Was meint Pax Romana eigentlich und für wen?

Unter Augustus wurden ständig Kriege geführt: Germanien ist noch am Besten in Erinnerung, aber weit mehr passierte entlang der Donau. Auch am Euphrat, in Spanien, Asien, Nubien und Arabien gab es noch Kämpfe. Es war nicht Trajan, der das Reich am stärksten erweiterte, sondern Augustus. Die Römer fanden das sicher toll. Ständige Kriege, sofern sie denn wenigstens "offiziell" gewonnen wurden (Germanien, Arabien, Nubien ...), waren für sie kein Widerspruch zur Pax Romana. Man brachte diesen oft unverständlicherweise undankbaren Völkern ja den Frieden.

Was innere Gewalt angeht hielt sich Augustus wohl zurück mit dem Instrument der Majestätsbeleidigungsprozesse, aber spätestens mit Tiberius wurden solche durch Willkür geprägte Prozesse häufig. Auch von Rechtssicherheit kann man also nur bedingt sprechen. Da hiervon meist Senatoren betroffen waren und diese die Geschichte schrieben, kommt Augustus gut weg und Tiberius nicht.

Auch muss den politisch gebildeten Römern des Senatorenstands klar gewesen sein, daß sie ihre Macht verloren hatten und sie es hier mit einem verkappten König und Tyrannen zu tun hatten. Einige Autoren wie später Tacitus bedauern dies auch sehr; auch wenn oft nur zwischen den Zeilen.

Von daher glaube ich, daß der römische Adel sehr wohl an die Pax Romana glaubten und sie nicht als Propaganda sahen. Die politische Macht war der Preis dafür. Der einfache Römer, die Peregrine und die Sklaven hatten ohnehin nix zu melden. Die Masstäbe eines Bürgers der Bundesrepublik Deutschland darf man ohnehin nicht anlegen. Ich selbst kann hier nämlich keine Pax erkennen. Das ist aber auch irrelevant.

PS:
Tiberius kommt mir in der Beurteiung zu schlecht weg. War er doch der einzige Kaiser, der bei seinem Tod fast 3 Milliarden Sesterzen im Staatsschatz hinterließ. Was bereits Caligula schnell änderte. Das macht ihn für mich als Wirtschaftswissenchaftler zu einem der besten Kaiser, weil er anders als fast alle anderen eben nicht durch ein permanentes Haushaltsdefizit die römische Vokswirtschaft langfristig destabilisierte und in den Kollaps trieb. Ich hätte mir allerdings gewünscht, daß er nicht ganz so sparsam gewesen wäre und 1 Milliärdchen dann doch für die Eroberung Germaniens aufgewendet hätte. Neben dem fast permanenten Haushaltsdefizit ist für mich die Aufgabe der Expansionspolitik eine der hauptursächlichen Komplexe im Gesamtmodell für den späteren Untergang des Reiches.
 
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Es hat zwar nicht direkt mit dem Thema zu tun, aber wie es in Erinnerung habe ist ein Gutmensch derjenige der es gut meint und dabei aber wirklich schlechtes rauskommt.

Das kann man von Octavian ja nun nicht behaupten welcher seine Ziele erreicht hat.
 
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