Bacchanalien

Monika

Gesperrt
Hallo liebe Gemeinde,

während meiner Arbeit "Kriminalität im Römischen Reich" bin ich auf die "Bacchanalien" gestoßen. Ich weis nur soviel, das sich der Begriff vom griechischen Gott Bacchus ableitet. Es waren Gruppen, die sich heimlich des Nachts trafen, um ihre wilden Orgien zu feiern, die auch oft ausuferten.
Doch war es nur ein sog. "Deckmantel" einer Religionsausübung, denn mehr noch: Sie sollen sich beraten haben, Straftaten zu planen und auszuüben.

Wer waren im Grunde diese Leute? Waren es ausschließlich Diebe/Räuber?
Oder befanden sich auch Leute, die zu der Oberschicht gehörten darunter? (was ich aber nicht so ganz glauben kann).
Da ich eine "verschwommene" Vorstellung hierüber habe (ehrlich zugeb), könnte mir jemand bitte etwas zu diesen Bacchanaliens sagen?

Danke schonmal im voraus.

lg Monika
 
Hallo liebe Gemeinde,

während meiner Arbeit "Kriminalität im Römischen Reich" bin ich auf die "Bacchanalien" gestoßen. Ich weis nur soviel, das sich der Begriff vom griechischen Gott Bacchus ableitet. Es waren Gruppen, die sich heimlich des Nachts trafen, um ihre wilden Orgien zu feiern, die auch oft ausuferten.
Doch war es nur ein sog. "Deckmantel" einer Religionsausübung, denn mehr noch: Sie sollen sich beraten haben, Straftaten zu planen und auszuüben.

Wer waren im Grunde diese Leute? Waren es ausschließlich Diebe/Räuber?
Oder befanden sich auch Leute, die zu der Oberschicht gehörten darunter? (was ich aber nicht so ganz glauben kann).
Da ich eine "verschwommene" Vorstellung hierüber habe (ehrlich zugeb), könnte mir jemand bitte etwas zu diesen Bacchanaliens sagen?

Danke schonmal im voraus.

lg Monika

Für den Moment so viel:

Diese Bacchanalien waren die römische Variante des griechischen Dionysoskultes, im Unterschied zu diesem aber nie offiziell anerkannt und staatlich ´kontrolliert´ und daher ein rein privat organisiertes Unternehmen. Zu den spektakulären Ausschweifungen, auf die du anspielst, die aber nicht wirklich kriminell waren, kam erst Anfang des 2. Jh. BCE im Jahr 186 , davor stand dieser Kult in keinem schlechten Ruf. Anlass waren die von einer Römerin namens Pakulla organisierten Hetero-Sexorgien in großem Umfang, bei dem es viele Männer aber auch untereinander trieben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass enthemmende Drogen, vor allem Alkohol, konsumiert wurden.

Hysterische paranoide Gerüchte kamen durch Außenstehende in Umlauf und verbreiteten Angst vor einer politischen Verschwörung, welche angeblich von den Bacchanten ausgeheckt wurde. Als sich der frauenhasserische Cato der Sache annahm, kam es wie es kommen musste: Viele Kultanhänger flohen vor den gefürchteten Verhören, wer der Ladung nicht Folge leistete, wurde automatisch veurteilt, andere wurden arretiert und - vermutlich absolut unschuldig - zum Tode verurteilt. Es soll zu mehreren Tausend (mindestens 2000) Hinrichtungen ohne ordentliches Gerichtsverfahren gekommen sein, darunter, wie bei Cato nicht anders zu erwarten, die meisten an Frauen vollstreckt. Vermutlich entledigte sich Cato auf diese Weise auch vieler politischer Gegner.

Das Ganze stellt sich also als ein Justizskandal ungeheuren Ausmaßes dar, wie ihn die Geschichte selten gesehen hat.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank erstmal.

Ich zitiere mal einen Absatz aus dem Buch "Kriminalgeschichte der Antike".
dieser kleine Abschnitt beschäftigt mich sehr:

"..Die tresviri hatten für die Sicherheit vom Leben und Eigentum der Bürger zu sorgen"...

"...In Krisenzeiten wurden ihre Aufgaben erweitert. So erhielten sie 86 v. Chr. während der Bacchanalienaffäre - unter dem Deckmantel der Religionsausübung waren zahlreiche gemeine Straftaten verübt bzw geplant worden - vom Senat die Aufgabe, in der gesamten Stadt Wachen aufzustellen..." etc. (Seite 45)

Dieser kleine Abschnitt beschäftigt mich sehr. Kann das sein, das die Forschungen des Autors zu diesem Thema nicht ganz korrekt waren? Waren es nur Gerüchte mit verheerenden Folgen, oder eine Tatsache? Er war sich scheinbar in seiner Aussage ziemlich sicher in seinem Werk.. Das verwirrt mich jetzt.

Viele Fragen... ich weiß...

lg Monika
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist gut gelesen und v.a. auch sehr kritisch gelesen. Sehr gut!
Aber Du solltest die Worte eines Professors auch nicht immer auf die Goldwaage legen, denn sonst wirst Du in sehr vielen Büchern auf Stellen dieser Art stoßen, wo sogar Aussagen getroffen werden, die man in keiner Quelle finden kann. Naja.
Also in diesem Fall würde ich sagen: Es kommt darauf an... also es kommt darauf an, ob man die Quellenaussagen wörtlich nimmt und dann eher zu der von Dir zitierten Aussage kommt, oder ob man die Quellen kritisch nimmt und dann zu einer Aussage kommt wie sie Dir Chan geschildert hat.
Aber auch das was Chan gesagt hat, ist im Prinzip "nur" eine Spekulation und Interpretation.
Tatsachen gibt es gerade in solchen Dingen nicht. Es sind immer nur Aussagen, die man glauben kann oder auch nicht.
Du darfst nicht vergessen: In Prinzip steht dahinter ein Gerichtsverfahren und jede Partei vertritt (ihre) Wahrheit und die ist eine gänzlich diametrale.
 
Vielen Dank, ihr Beiden. Eure Beiträge haben mich sehr beschäftigt - und ich muss zugeben, das eine Münze 2 Seiten hat.
Ich habe noch etwas Interessantes zu diesem Thema im Netz gefunden, worüber ich nachgedacht habe:

http://www.uni-salzburg.at/fileadmi..._Römisches_Österreich_Bacchanalienskandal.pdf

Es wird die Tafel mit einer Inschrift mit dem Text Livius verglichen, wobei die Inschrift eher unumstritten ist. Doch habe ich die Inschrift nicht verstanden, da ich über keine Kenntnisse in Hinsicht Latein verfüge.
Sicher könnt ihr eher damit was anfangen als ich..

Zum Schluss die Gegenüberstellung der Text von der Inschrift und Livius Text hätte mich sehr interessiert.
 
Ich habe das PDF-Dokument noch nicht gelesen, nur durchgesehen, aber steht das nicht schon im Text?
Nr. 5 = Übersetzung der Inschrift
und Nr. 7 + 8 Gegenüberstellung und Auswertung derselben.
 
Als sich der frauenhasserische Cato der Sache annahm, kam es wie es kommen musste: Viele Kultanhänger flohen vor den gefürchteten Verhören, wer der Ladung nicht Folge leistete, wurde automatisch veurteilt, andere wurden arretiert und - vermutlich absolut unschuldig - zum Tode verurteilt. Es soll zu mehreren Tausend (mindestens 2000) Hinrichtungen ohne ordentliches Gerichtsverfahren gekommen sein, darunter, wie bei Cato nicht anders zu erwarten, die meisten an Frauen vollstreckt. Vermutlich entledigte sich Cato auf diese Weise auch vieler politischer Gegner.
Woher bitte hast Du das denn? Keine der Quellen zum Bacchanalienskandal (der Senatsbeschluss; Livius 39, 8-19) erwähnt Cato überhaupt, während wiederum in Plutarchs Cato-Biographie der Bacchanalienskandal nicht erwähnt wird. Zwischen 189 und 184 trat Cato in den Quellen anscheinend gar nicht in Erscheinung.
Man kann allenfalls vermuten, dass er irgendwo im Hintergrund mit die Fäden zog, aber mehr als Spekulation wäre das nicht, während Du es hier als Faktum hinstellst.
 
Lt. der Aussage der Hetäre Hispala vor dem Konsul und seine Begleiter kamen nicht nur die sexuelle Zügellosigkeit, sondern auch noch andere Begebenheiten zum Vorschein, z. B. Schandtaten/Verbrechen jeglicher Art. Wer sich geweigert habe, sich an Schandtaten o. dergl. zu beteiligen, sei anstatt von Opfertieren geschlachtet worden.

Es könnte doch sein, das die Bacchanalien ihre Verbrechen im Geheimen verübt hatten. Villt. wurden diese Schandtaten durch die Hetäre Hispala tatsächlich aufgedeckt, wenn man den Geschichtsschreiber Livius Glauben schenken sollte?

Dieser Punkt beschäftigt mich noch immer...
 
Zuletzt bearbeitet:
Man kann allenfalls vermuten, dass er irgendwo im Hintergrund mit die Fäden zog, aber mehr als Spekulation wäre das nicht, während Du es hier als Faktum hinstellst.

Nur zu "vermuten", dass Cato die Fäden zog, wäre denn doch etwas schwächlich. Keiner hatte mehr Macht im konservativen Lager Roms zu dieser Zeit als Cato, und keiner war motivierter, den aus der griechischen Fremde importierten Bacchuskult zu einer staatsbedrohenden Gefahr heraufzustilisieren als Cato, der trotz seiner griechischen Erziehung ein Anti-Hellenist war. Sein politisches Ziel war, alle griechischen Einflüsse auf das römische Reich auszumerzen, um den traditionellen römischen Werten mehr Geltung zu verschaffen.

Ab 184 war er Censor und oberster Sittenwächter von Rom. Seine Auseinandersetzung mit seinem Intimfeind Scipio Africanus, einem dezidierten Philhellenen, war um 186 in eine kritische Phase getreten, also konnte die Affäre um den ursprünglich griechischen Bacchuskult, nunmehr als Deckorganisaton für feindliche Agenten verdächtigt, genutzt werden, (1) um Scipio politisch zu schwächen und (2) in allen Volksschichten Hass gegen das Griechische zu schüren. Darüber hinaus bot der Kult eine gutes Feindbild für Catos ´moralischen´ Feldzug.

Aus all dem folgt mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,999 Prozent, dass er entweder von Beginn oder spätestens ab 184, als er Censor wurde, die Fäden bei der Verfolgung des Kultes zog.

Mindestens zwei italienische Fachleute, Prof. Aldo Luigi und Prof. Giovanni Tarditi, sind von Catos Rolle als Drahtzieher der gewaltsamen Verfolgung der Kultanhänger überzeugt. In seiner Studie "La Terminologia del Terrorismo nella Vicenda dei Baccanali del 186 A.C.", Seite 1, bezeichnet Luigi Cato als den ´wahren Verantwortlichen für die Unterdrückung der Bacchanalien´ ("Catone, il vero responsabile della repressione dei Baccanali"). In seiner Studie bezieht er sich öfters auf Tarditi, der sich im gleichen Sinne in "La questione dei Baccanali a Roma nel 186 a.C." geäußert hat.

Nicht nur Cato, auch Konsul Spurius Postumius Albinus, der die Hetzjagd auf den Kult mit seiner Senatsrede, bei der auch Cato anwesend war, eröffnete, hat ein persönliches Motiv gehabt. Seine Familie war mit den Ceres- und Libertempeln in Rom als Stifter verbunden, also, im Fall des Liber-Tempels, ausgerechnet mit der exoterischen, staatlich kontrollierten Variante des Dionysoskultes, dessen ´esoterische´, also geheime und staatlich nicht-kontrollierte Variante der Bacchuskult war. Postumius hatte allen Grund, in den geheimen Bacchanalien einen Rivalen des mit seiner Familie verbundenen römischen Liber-Kultes zu sehen. Was lag also näher, als diesen Rivalen auszuschalten?

Vorausgegangen war der Senatsrede folgendes (berichtet in Livius XXXIX, wohlgemerkt satte 170 Jahre nach den angeblichen Ereignissen):

Dem jungen Adlige Ebutius war während einer schweren Krankheit von seiner Mutter Duronia versprochen worden, nach seiner Genesung in den Bacchuskult eingeführt zu werden. Sie behauptete, sich das für den Fall seiner Genesung geschworen zu haben. Das war aber eine Lüge: Tatsächlich hatte ihr das Ebutius´ Stiefvater Titus Sempronius Rutilus, aufgetragen, der das Erbe seines Stiefsohnes durchgebracht hatte und, um das zu kaschieren, nach einem Weg suchte, Ebutius "zugrunde zu richten" (Livius). Bedingung für die Aufnahme sei, so Duronia zu ihrem Sohn, dass er vor der Einführung (ein Reinigungsritual) 10 Tage lang sexuell abstinent sein müsse.

Nach seiner Gesundung erzählte Ebutius seiner Geliebten, der Freigelassenen und Kurtisane Fenecia, von diesem Vorhaben und von der Bedingung der mehrtätigen sexuellen Enthaltsamkeit, worauf Fenecia wütend und panisch reagierte und schrie, dass es für ihn besser sei zu sterben als daran teilzunehmen. Dann stieß sie Flüche gegen alle aus, die ihm dazu geraten hatten, woraufhin Ebutius sie bat, das zurückzunehmen, weil es seine Mutter gewesen sei und sein Stiefvater es genehmigt habe. Dieser Stiefvater, so Fenicia daraufhin, sei im Begriff, sein, Ebutius´ Leben zu zerstören. Verwundert über all das, fragte er nach ihren Gründen. Sie sagte ihm, dass sie selbst in diesem Kult in ihrer Zeit als Sklavin von Priestern sexuell missbraucht worden sei und dass dies auch mit ihm geschehen würde unter dem Lärm von Trommeln und Zimbeln, damit seine Schmerzensschreie nicht nach außen drängen.

Als Ebutius später seine Mutter darum bat, ihn von dem Aufnahmeritual zu entbinden, warf sie ihn zusammen mit 4 Sklaven wütend aus dem Haus. Seine Tante Ebutia, bei der er um Rat suchte, verwies ihn an den oben erwähnten Konsul Postumius, der die Sache aufgriff und ein Verhör der Kurtisane durchführte.

Ihre Angaben wirken z.T. absurd und unglaubwürdig. Es sei z.B. zu Schlachtungen von Menschen anstelle von Opfern gekommen, wenn sie sich weigerten, an bestimmten Praktiken teilzunehmen. Wer´s glaubt, wird selig. Entweder Fenecia erfand das, um Postumius entgegenzukommen, oder dieser hat ihr diese Darstellung suggestiv aufgedrängt, oder die Darstellung wurde von Postumius erfunden und nachträglich in das Protokoll aufgenommen.

Unglaubwürdig ist auch, das Paculla Annia - wie beim römischen Historiker Livius (korrigiert...) zu lesen ist - eigenständig die alte Regel, dass nur Frauen initiiert wurden, brach und die Initiation von Männern, angefangen mit ihren Söhnen, einführte. In Fachkreisen wird dieses Detail, bei Livius berichtet, erheblich angezweifelt, wie ihm auch ganz allgemein starke Übertreibungen bei seiner Schilderung vieler Details angelastet werden.

Fazit:

Die Unterstellung, der Kult habe staatsfeindliche Absichten gehabt und im Geheimen auch kriminell-perverse Taten verübt, entbehrt jeder Glaubwürdigkeit.
 
Zuletzt bearbeitet:
Unglaubwürdig ist auch, das Paculla Annia- wie beim römischen Historiker Livy zu lesen ist - eigenständig die alte Regel, dass nur Frauen initiiert wurden, brach und die Initiation von Männern, angefangen mit ihren Söhnen, einführte. In Fachkreisen wird dieses Detail, bei Livius berichtet, erheblich angezweifelt, wie ihm auch ganz allgemein starke Übertreibungen bei seiner Schilderung vieler Details angelastet werden.

Hast du das mit dem Google-Übersetzer irgendwo hergezogen?
 
Livy. Im deutschen Sprachgebrauch wird er ausschließlich mit dem originallateinischen Namen Livius bezeichnet. Livy wird er nur in der englischsprachigen Literatur genannt.
 
Noch ein paar Takte zur Bacchanalien-Affäre.

Zunächst zu Livius selbst:

Der Historiker steht bei Fachwissenschaftlern im Ruf, seine Quellen nicht kritisch hinterfragt und, wenn er es für sinnvoll hielt, durch Ausschmückungen ergänzt zu haben. Insbesondere jene Quellen, die er für seine Wiedergabe von Ereignissen in der Stadt Rom verwendete, gelten aus heutiger Sicht als unzuverlässig. Livius´ Ziel war weniger eine präzise Darstellung vergangener Ereignisse als vielmehr die Propagierung der restaurativen Augustäischen Ideale seiner Gegenwart. Charakteristisch war sein weitgehender Verzicht auf die Nutzung von Primärquellen (Dokumente, Inschriften usw.).

Livius verfasste seinen ´Bericht´ in einer Zeit, deren durch Kaiser Augustus geprägtes restauratives Klima dem von Livius inszenierten Pathos des anti-bacchanalischen Feldzugs auffallend ähnlich war. Der Bacchuskult hatte unter Julius Cäsar eine Förderung und erneute Ausbreitung über das Römische Reich erfahren, also ist Livius´ Darstellung der Ereignisse von 186 im Buch XXXIX als Versuch zu werten, den Kult in seiner Gegenwart zu bekämpfen, wobei der Historiker nach dem Motto ´Der Zweck heiligt die Mittel´ vor Manipulationen nicht zurückschreckte.

Auffallend ist die Nichterwähnung von Cato in Livius´ ´Bericht´ der Affäre von 186 und die Heraushebung von Postumius als alleinigem Initiator der Unterdrückungskampagne. Schließlich war Cato zu dieser Zeit eine bedeutende politische Figur und wird von Livius im Buch XXXIV eingehend exponiert, ja geradezu gefeiert. Auch in Kap. 40 von Buch XXXIX, welches das Jahr 184 behandelt, erscheint Cato, von Livius einmal mehr in höchsten Tönen gelobt, im Kontext seiner Wahl zum Censor. Der Grund für das Verschweigen Catos im Kontext des Jahres 186 könnte sein, dass Livius für diesen Zweck das verloren gegangene historische Werk von Aulus Postumius Albinus, einem engen Verwandten des Postumius aus der nachfolgenden Generation, als Quelle genutzt hat. Dieses Werk diente in hohem Maße der Verherrlichung des Postumius-Clans und hat Catos Rolle zugunsten von Konsul Postumius in besagter Affäre vermutlich verschwiegen. Eine andere Erklärung für die Nichterwähnung Catos in Livius´ ´Bericht´ über das Jahr 186 ist kaum denkbar, da so gut wie ausgeschlossen ist, dass Cato keine nennenswerte Rolle bei diesen Ereignissen spielte.

+++

Zu Livius´ ´Bericht´ im einzelnen:

(1)
Die Fecenia-Episode in Livius XXXIX über die ´Aufdeckung´ der angeblichen Verschwörung ist als Belletristik mit pseudohistorischem Anspruch zu werten. Insbesondere die Figuren der Hure mit dem goldenen Herzen (Fecenia) und der von ihr beschriebenen männermordenden Furie/Amazone (Paculla Annia) reflektieren typische Männerphantasien, d.h. -wünsche und -ängste. Als Modell für Fecenia dürften Frauengestalten aus Komödien von Terenz gedient haben, z.B. die edlen Hetären Thais in „Eunuchus“ und Bacchis in „Hycera“.

Der Philologe P.G. Walsh bezeichnet die Vorgeschichte in seiner Studie “Making a Drama out of a Crisis: Livy on the Bacchanalia" denn auch als "Seifenoper" (soap opera). Dass Livius Dialoge aus seiner Phantasie gestaltete, war zwar eine gängige Praxis in der antiken Geschichtsschreibung, macht die Historizität der Schilderung aber nicht gerade glaubwürdiger.

(2)
Der von Livius ´überlieferte´, inhaltlich erfundene ´Bericht´ der ohnehin erfundenen Fecenia über die angeblichen Kultpraktiken enthält nirgendwo die Andeutung einer staatsfeindlichen Verschwörung. Nur an einer Stelle ist von einer Art ´Staat im Staate´ die Rede ("alterum iam prope populum"), aber nur im Hinblick auf die Quantität der Kultteilnehmer. Dagegen geht es in der von Livius ´überlieferten´, wahrscheinlich aber stark ausgeschmückten Rede des Postumius oder seines Ko-Konsuls (XXXIX 15,1-16) vor der Volksversammlung mehrmals um eine "Verschwörung" (coniuratio) gegen den römischen Staat. Man fragt sich, wie der Redner allein aufgrund des ´Berichts´ der Fecenia zu folgender Aussage kommt:

Niemals hat es im Staat ein so großes Übel gegeben, in das mehr Menschen verwickelt waren und das mehr zur Folge hatte. Ihr müsst wissen, dass jede Ausschweifung, jede Freveltat, jedes Verbrechen, das in diesen Jahren begangen worden ist, von dieser einen Kultstätte ihren Ausgang genommen hat.

Aus Fecenias´ ´Bericht´ kann all das unmöglich folgen, also handelt es sich entweder um Postumius´sche Paranoia oder um Postumius´sche Manipulation oder um Livianische Manipulation im Verein mit der Nutzung einer verfälschenden Quelle (wie eingangs schon angedeutet). Wie dem auch sei, in der Rede wird die ´Gefahr´ mit folgenden Argumenten begründet:

(a)
"intestinae coniurationis" = Verschwörung gegen den Staat. Diese Behauptung basiert einzig und allein auf der Angabe in Fecenias angeblichem Bericht, dass die Kultteilnehmer zur Verschwiegenheit über die innerkultischen Vorgänge verpflichtet seien und bei Verstoß mit Bestrafung zu rechnen hätten - was aber eine übliche Regelung bei antiken Mysterienkulten war ohne jeden Kontext mit antistaatlicher Verschwörung. Die Verschwiegenheitspflicht wird als eindeutiges Anzeichen von Konspiration gewertet. Das ist natürlich ein logischer Trugschluss: Jede Verschwörung setzt zwar Verschwiegenheit voraus, man kann aber nicht umgekehrt von Verschwiegenheit auf Verschwörung schließen.

(b)
"initiatos iuvenes milites faciendos censetis" = Gefährdung der männlichen Jugend durch Involvierung in lasterhafte Praktiken (Verkehr zwischen Männern), was eine Bedrohung für die Armee darstelle. Auch das bezieht sich auf den fragwürdigen Bericht der Fecenia über Praktiken, die unter Paculla Annia (ausschließlich bei Livius erwähnt) angeblich neu in den Bacchuskult eingeführt wurden.

(c)
"prava religion" = der Kult sei eine falsche Religion und verehre falsche Götter. Diese Wertung beruht auf der Unterscheidung zwischen einem staatlich genehmigten und kontrollierten Kult und einem - im Fall des römischen Bacchuskultes - nicht genehmigten und nicht kontrollierten Kult.

Unschwer ist zu erkennen, dass eine objektive Gefahr für den römischen Staat gar nicht gegeben war. Der Punkt (a) spiegelt lediglich paranoide Ängste wieder und weist auf Cato als Drahtzieher der anti-bacchanalischen Hetzjagd hin. Der schon in meinem vorigen Post zitierte Prof. Aldo Luisi ("Catone, il vero responsabile della oppressione dei baccanali") schreibt in "La Terminologia del Terrorismo nella Vicenda dei Baccanali del 186 A.C." auf Seite 6:

Tutto fa pensare che proprio Catone, esponente qualificato del gruppo senatoriale più conservatore e ostile alle innovazioni che, diceva, minassero la sicurezza della repubblica, presente alla seduta, sia stato l’ispiratore della repressione: era fin troppo noto il suo disgusto verso i Greci e il suo timore ossessivo di una congiura dei Greci ai danni di Roma.

(Meine Übersetzung:

Alles lässt darauf schließen, dass der im Senat anwesende Cato, ein viel geschätzter Exponent des konservativen Senatorenlagers und ein Feind jeglicher Neuerungen, die seiner Ansicht nach die Sicherheit der Republik bedrohten, der Inspirator der Unterdrückung war: Seine Abneigung gegen die Griechen und seine obsessive Furcht vor einer griechischen Verschwörung zum Schaden Roms sind allzu gut bekannt.

Hinter Punkt (a) steht also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von Beginn an Cato als treibende Kraft. Seine persönlichen Motive gegen das Griechische im allgemeinen und gegen Scipio im besondern habe ich in meinem vorherigen Post schon genannt. Aber auch sonst prägte in der Zeit der mittleren Republik die Angst vor Verschwörungen das politische Klima, was leicht zu paranoiden Falschinterpretationen führen konnte.

Punkt (c) spiegelt wahrscheinlich die von mir bereits genannte Befürchtung von Postumius wider, der staatlich unautorisierte Bacchuskult könne eine Konkurrenz für den Dionysos=Liber-Kult darstellen, mit dem seine Familie durch Tempelstiftung eng verbunden war.

Punkt (b) geht einzig auf Fecenias Bericht zurück, der nur von Livius ´überliefert´ ist, was ihn zu einer vertrauensunwürdigen Quelle macht. Zu den unglaubwürdigen Details zählen u.a., wie ich schon schrieb, die Menschenschlachtungen sowie die Eigenständigkeit der Neuerung der Paculla, dass auch Männer initiiert wurden und sexuell untereinander verkehrten. Was den Vorwurf von Menschenschlachtungen betrifft, war dieser schon immer ein beliebtes Mittel, missliebige Religionen in Verruf zu bringen. Die Juden warfen den orientalischen Polytheisten vor, die seleukidischen Polytheisten wiederum den Juden. Den frühen Katholiken wurde es ebenfalls von Gegnern vorgeworfen, die Katholiken wiederum warfen es den Montanisten und allen Mysterienkulten vor und später im Mittelalter auch den Juden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nur zu "vermuten", dass Cato die Fäden zog, wäre denn doch etwas schwächlich. Keiner hatte mehr Macht im konservativen Lager Roms zu dieser Zeit als Cato
Er war sicherlich sehr einflussreich, aber auch er war nicht allmächtig. Immerhin dauerte es Jahrzehnte, bis er sich mit seinem Anliegen der Zerstörung Karthagos durchsetzen konnte. Und ein paar Jahre vor dem Bacchanalienskandal (186) hatte seine Karriere einen Dämpfer erlitten: Mit seiner Bewerbung für die Censur 189 war er durchgefallen; erst beim nächsten Versuch für die Censur 184 klappte es.

Ab 184 war er Censor und oberster Sittenwächter von Rom. Seine Auseinandersetzung mit seinem Intimfeind Scipio Africanus, einem dezidierten Philhellenen, war um 186 in eine kritische Phase getreten, also konnte die Affäre um den ursprünglich griechischen Bacchuskult, nunmehr als Deckorganisaton für feindliche Agenten verdächtigt, genutzt werden, (1) um Scipio politisch zu schwächen und (2) in allen Volksschichten Hass gegen das Griechische zu schüren.
Scipio war 186 politisch vermutlich bereits kaltgestellt, da er sich bereits 187 (die Datierung ist aber zugegebenermaßen nicht ganz sicher) nach Liternum zurückgezogen hatte.

Aus all dem folgt mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,999 Prozent, dass er entweder von Beginn oder spätestens ab 184, als er Censor wurde, die Fäden bei der Verfolgung des Kultes zog.
184 war die Angelegenheit bereits praktisch erledigt.

Auffallend ist die Nichterwähnung von Cato in Livius´ ´Bericht´ der Affäre von 186 und die Heraushebung von Postumius als alleinigem Initiator der Unterdrückungskampagne. Schließlich war Cato zu dieser Zeit eine bedeutende politische Figur und wird von Livius im Buch XXXIV eingehend exponiert, ja geradezu gefeiert. Auch in Kap. 40 von Buch XXXIX, welches das Jahr 184 behandelt, erscheint Cato, von Livius einmal mehr in höchsten Tönen gelobt, im Kontext seiner Wahl zum Censor. Der Grund für das Verschweigen Catos im Kontext des Jahres 186 könnte sein, dass Livius für diesen Zweck das verloren gegangene historische Werk von Aulus Postumius Albinus, einem engen Verwandten des Postumius aus der nachfolgenden Generation, als Quelle genutzt hat. Dieses Werk diente in hohem Maße der Verherrlichung des Postumius-Clans und hat Catos Rolle zugunsten von Konsul Postumius in besagter Affäre vermutlich verschwiegen.
Das Werk des Aulus Postumius ist verloren, aber trotzdem weißt Du, dass es in hohem Maße der Verherrlichung des Postumius-Clans diente?

Livius verwendete aber ohnehin nicht nur eine Quelle. Es stimmt zwar, dass er meist bevorzugt eine Quelle für seine Darstellung heranzog, aber er las auch andere Quellen quer und wies durchaus auf Abweichungen hin. (Auf diese Weise entdeckte er auch, dass er Valerius Antias nur bedingt trauen konnte, und wandte sich zunehmend von ihm ab.) Seine wichtigsten Quellen für die fragliche Zeit waren Polybios, Valerius und Claudius Quadrigarius. Dass er auch das Werk von Postumius benutzt hätte, erwähnt er hingegen meines Wissens nie. Also auch wenn er dieses Werk verwendet hat (Spekulation!) und in diesem Werk Cato verschwiegen worden war (Spekulation!), warum hätte Livius dann die (wenn Deine Theorie von Catos maßgeblicher Drahtzieherschaft stimmen sollte, sicherlich vorhandenen) Erwähnungen von Catos führender Rolle in den anderen Quellen völlig ignorieren sollen? (Oder warum sollten auch Claudius Quadrigarius und Valerius Antias Catos Rolle verschwiegen haben?)

Livius ist übrigens nicht der einzige, der Cato in Zusammenhang mit dem Bacchanalienskandal nicht erwähnt. Plutarch erwähnt in seiner Cato-Biographie auch keine Beteiligung an der Niederschlagung. Und ehe Du jetzt einwendest, Plutarch habe seine Biographie einfach nur von Livius abgeschrieben: Nein, hat er nicht, da es durchaus Unterschiede in den Darstellungen gibt. Z. B. nimmt Cato bei Plutarch als Militärtribun am Krieg gegen Antiochos III. teil, bei Livius hingegen als Legat.

Eine andere Erklärung für die Nichterwähnung Catos in Livius´ ´Bericht´ über das Jahr 186 ist kaum denkbar, da so gut wie ausgeschlossen ist, dass Cato keine nennenswerte Rolle bei diesen Ereignissen spielte.
Anders formuliert: Damit so gut wie ausgeschlossen sein kann, dass Cato keine führende Rolle spielte, muss man konstruieren, dass sich Livius entgegen seinen sonstigen Gepflogenheiten bei der Darstellung des Bacchanalienskandals ausschließlich auf eine einzige Quelle stützte, nämlich zufälligerweise eine solche, in der Catos führende Rolle aus Familieninteresse unterdrückt wurde. (Für Plutarch braucht's dann natürlich auch noch eine Erklärung.)

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich behaupte nicht, dass Cato gar keine Rolle spielte. Im Senat wird er durchaus seinen Senf dazu abgegeben haben. Aber entgegen allen Quellen eine führende Rolle oder gar Urheberschaft der Verfolgung konstruieren zu wollen, ist doch reichlich gewagt. Cato war sicherlich nicht der einzige konservativ gesinnte Römer, dem die Bacchanalien vermutlich nicht gepasst haben; seine Gesinnungsgenossen waren nicht darauf angewiesen, dass sich Cato der Sache annimmt.
 
Hallo liebe Gemeinde, ich bin Kunsthistoriker und untersuche zwei Zeichnungen (Padua um 1450), die einen Bachustriumpf mit weintrinkenden Satyrn beinhalten sowie eine Darstellung, bei der ein Satyr ein steigendes Pferd beim Schwanz festhält, auf dem ein Satyretto und ein Amor sitzen. Kann mir jemand weiterhellfem, auf welche Texte zu Bacchanalia etc. Künstler und Humanisten zu diesem rühen Zeitpunkt hätten zurückgreifen können?
 
Vielen Dank, Letzteres könnte es sein. Das Thema ist in der Kunst der Renaissance vollkommen unbekannt. Gibt es dafür einen antiken Text, auf den sich der Künstler hätte beziehen können?
 
Ich muss mich korrigieren, so schön es auch gewesen wäre, es kann dennoch nicht sein. Auf dem Pferd (Pegasus?) sitzen zwei Kinder: vorne ein kleiner Satyr und hinter ihm Amor, der die Zügel des Rosses hält und gleichzeitig den Satyr umklammert, als wollte er ihn daran hindern, das Pferd zu lenken. Sie können gleichwohl nicht abheben, weil ein alter Satyr das Pferd hinten am Schwanz festhält. Vielleichtgat eine Anspielung an Platons Phaidros.wo dieser von der der Zähmung des übermütigen Pferdes handelt?
 
Gibt es dafür einen antiken Text, auf den sich der Künstler hätte beziehen können?
Soweit ich es auf die Schnelle beurteilen kann, scheint in Texten, die Rückkehr des Hephaistos nicht detailliert überliefert zu sein,(??; vgl. “Hephaistos Myths”, Theoi Procect) hingegen auf zahlreichen Vasenmalereien (vgl. The Return of Hephaistos […], CUP), auf einem Skyphos (Toledo Museum of Art) sogar bei der Ankunft bei Hera gezeigt.

Vielleichtgat eine Anspielung an Platons Phaidros.wo dieser von der der Zähmung des übermütigen Pferdes handelt?
Es gibt recht unterschiedliche antike Darstellungen der Szene mit Hephaistos und Dionysos. Die mittelalterliche Interpretation mit Amor könnte eine Hinzufügung sein, um diesen als treibende Kraft zu zeigen, war doch Hephaistos die schönste aller Frauen, Aphrodite für seine Dienste versprochen. Das Spätmittelalter war extrem beflissen bzgl. Symbolik… (es hätte mich auch nicht gewundert, würde dort neben Hephaistos ein Affe sitzen) Nur so als Anmerkung, zumal ich den Zusammenhang zwischen Phaidros und den Satyrn nicht sehe.
 
Zurück
Oben