Bedeutung der Cherusker für die Römer

salvus

Aktives Mitglied
Natürlich ist der Stamm der Cherusker in erster Linie durch Arminius und die Varusschlacht in die Geschichtsbücher eingegangen. Für mich bleiben da allerdings diverse Fragen, welche darüber hinaus gehen.

Allgemein gesehen wird die Elbe währen der Okkupationszeit immer als das große Ziel der Römer angegeben. Welche Rolle spielten die Cherusker während der Okkupationszeit für die Römer. Sie siedelten wohl beiderseits der Weser. Gab es eigentlich noch bedeutende Stämme weiter östlich, also zwischen Weser und Elbe? Waren die Cherusker das letzte Hindernis auf dem Weg zur Elbe? In den historischen Quellen erfährt man, daß dieser Stamm auch untereinander z.T. zerstritten war. Aber galt das nur für die Cherusker? Wie stark bzw. groß war dieser Stamm eigentlich? Gibt es dazu irgendwelche Quellen? Man gewinnt den Eindruck, daß die Cherusker eine besondere Bedeutung für die Römer hatten. Ist das so? Oder ist das lediglich ein subjektiver Eindruck wegen der Varusschlacht?

Wie stark waren die Cherusker wirklich?
Stärker als andere Stämme (auch zahlenmäßig) wie z.B. Marser, Brukterer etc.?
Waren die Cherusker für die Römer von besonderer Bedeutung?

Viele Fragen! :grübel:
 
Die Germanen werden von Tacitus in seiner "Germania" in drei Gruppen eingeteilt:

1) Ingävonen
2) Istävonen
3) Herminonen

Die moderne Archäologie kennt für die frühe und mittlere Kaiserzeit ebenfalls drei Gruppen der germanischen Stämme

1) Nordsee-Germanen
2) Rhein-Weser-Germanen
3) Elbgermanen

deren Hinterlassenschaften sich bei der Tracht und sonstiger materieller Ausstattung unterscheiden lassen.

Die o. a. Aussage von Tacitus dürfte also richtig sein.

Die Cherusker gehörten zu der Gruppe der Rhein-Weser-Germanen. Deren Herrschaftsgebiet reichte nach dem Stand der Wissenschaft nicht bis zu Elbe, sondern grenzte im Osten vermutlich an dem Flüsschen Aller. Im Osten von den Cheruskern war das Stammesgebiet der Sueben, die auch das Gebiet um die Mittelelbe besiedelten. Folgerichtig zählt die Archäologie die Sueben zu der Gruppe der Elbgermanen. Die Römer bewerteten die Sueben als die tapfersten unter den Germanen.

salvus schrieb:
Allgemein gesehen wird die Elbe währen der Okkupationszeit immer als das große Ziel der Römer angegeben.
Ist das noch so? Diese Vorstellung, eine römische Grenze an Elbe und Donau als Abgrenzung gegen das freie Germanien, war wohl gar nicht praktikabel. Zum einen ist zwischen Elbe und der Donau eine riesige Lücke (mehr oder weniger die ganze frühere Tschechoslowakei), zum anderen konnte Germanien wegen seiner geringen Agrarüberschüsse gar keine großen Soldatenmassen ernähren. Der Proviant der Truppen hätte also dauerhaft von Gallien über riesige Distanzen an die Elbe gebracht werden müssen. Ob die römische Flotte solches hätte leisten können? Eine Lieferung über Land stellt eine noch größere logistische Herausforderung da.

salvus schrieb:
Welche Rolle spielten die Cherusker während der Okkupationszeit für die Römer.
Die Cherusker dienten wohl als Spaltpilz im Gefüge der Elb-Weser-Germanen. Die Römer bevorzugten und förderten die Cherusker, ebenso die Friesen als auch die Chauken. Gleichzeitig wurden andere unliebsame Stämme drangsaliert. Mit dieser Vorgehensweise hatten sie schon in Gallien Erfolg gehabt.

salvus schrieb:
Sie siedelten wohl beiderseits der Weser. Gab es eigentlich noch bedeutende Stämme weiter östlich, also zwischen Weser und Elbe? Waren die Cherusker das letzte Hindernis auf dem Weg zur Elbe?
Nein, als Drusus 9 vuZ die Elbe erreichte, befand er sich im Land der Sueben.

salvus schrieb:
In den historischen Quellen erfährt man, daß dieser Stamm auch untereinander z.T. zerstritten war. Aber galt das nur für die Cherusker? Wie stark bzw. groß war dieser Stamm eigentlich? Gibt es dazu irgendwelche Quellen? Man gewinnt den Eindruck, daß die Cherusker eine besondere Bedeutung für die Römer hatten. Ist das so? Oder ist das lediglich ein subjektiver Eindruck wegen der Varusschlacht?
Generell hatten die Römer das Problem, dass ein Stammesführer nicht für seinen Stamm in seiner Gesamtheit verhandeln und Zusagen machen konnte. Ein römischer Stamm umfasste wohl 50.000 bis 150.000 Menschen. Diese unterteilten sich in Sippen und Gruppen, deren Anführer heftig miteinander konkurrierten. Auch Marbod, der Anführer der Markomannen, wurde ja 18 uZ von Catualda gestürzt. Dies war also nicht nur ein Phänomen bei den Cheruskern.

Waren die Cherusker besonders bedeutsam? Sie galten nicht als die tapfersten Germanen. Auch galten den Römern die Chatten als der gefährlichere Gegner in einem Krieg. Im immensum bellum hatte Tiberius die aufrührerischen Cherusker niedergeworfen. Sie waren also auch nicht besonders vertragstreu. Aber im Vergleich zu ihren Nachbarn schienen sie den Römern als besonders geeignete Helfer für die Kolonialisierung des Elb-Weser-Gebietes. Bis zu der Vernichtung der Varus-Legionen.
 
Flavius, die Aller kann keine Grenze zwischen Elb und Wesergermanen sein.
Die beiden fließen nach Norden, "das Flüßchen " Aller fließt im Aller Urstromtal von Ost nach West.

Es bleiben als Grenzflüsse nur Leine, Innerste oder Oker über. Da das spätere Suebengo bis fast an die Oker reicht, könnte man die Oker mit ihren Sümpfen als Grenzfluß annehmen.
 
Flüsse als Grenzen sind auch eher ein Produkt staatlicher und protostaatlicher Grenzziehung. Es wird definiert: Bis hierher und nicht weiter. Die Römer haben schon in solchen Kategorien gedacht, wie man bei Caesar und Tacitus an einigen Stellen nachlesen kann. Wir denken heute in solchen Kategorien. Flüsse sind halt leicht definierbare Grenzlinien, sie verändern zwar mal ihren Lauf, aber i.d.R. nicht wesentlich.
Andere Grenzen dagegen sind sehr viel schwieriger zu definieren, man beachte mal Grenzziehungsverträge zwischen Preußen und Hannover (England). Oder Landkaufverträge zwischen Indianern und Siedlern bei der europäischen Landnahme in Nordamerika, wo dann bestimmte markante Bäume als Grenzpunkte genommen werden. Solche Grenzziehungen sind einfach anfechtbarer. Wer sagt mir, dass der markante Baum nicht nächstes Jahr gestürzt oder gefällt ist oder wer sagt mir, dass mein Vertragspartner in drei Jahren nicht behauptet, es sei ein ganz anderer Baum gewesen? Deshalb sind Flussläufe für protostaatliche und staatliche Grenzfestlegungen so interessant.
Ein Stammesgebiet ist aber eher ein Siedlungsgebiet, eine staatliche Einheit sowieso nicht - es macht ja schon Bauchschmerzen, ein mittelalterliches Königreich als Staat zu begreifen - allenfalls, und selbst hier mit Grummen im Gedärm, ein protostaatliches Gebilde.
Sprich: Flüsse können allenfalls als geographische Anhaltspunkte genommen werden, um das Siedlungsgebiet eines Stammes zu beschreiben.

Nun noch zu der vermuteten Grenzlinie Elbe-Donau - wie gesagt, die Römer dachten ja durchaus in definierten Grenzen mit Flüssen als Grenzlinie: Es wurde zu Recht kritisiert, dass zwischen der Elbe und der Donau ein recht weiter Weg ist.
Das Ende einer Elbegrenze wäre einigermaßen leicht festzulegen: Mit dem Erzgebirge (ist natürlich sehr hypothetisch, is' klar). Wo müsste man nun den Punkt an der Donau festlegen, an dem der zweite Grenzpunkt zu suchen wäre? Passau? Linz? Wien? Bratislava? Budapest? Noch weiter flussabwärts?
Nun, zwischen Deutschland und Tschechien gibt es ja so etwas, wie eine "natürliche Grenze", nämlich die Gebirge rund um das Böhmische Becken, also Erzgebirge, Böhmerwald, Fichtelgebirge etc.
Ich muss aber ganz ehrlich sagen, dass das - zumal die Elbe-Donau-Grenze ja eh völlig hypothetisch ist - ein Schuss ins Blaue ist. Ich kenne auch die Gebirge nicht und habe keine Vorstellung davon, wie sehr sie tatsächlich Grenze sind (abgesehen davon, dass sie politisch heute als Grenze festgelegt sind, aber von solchen modernen Grenzziehungen geht eben auch eine gewisse suggestive Kraft aus).
Jedenfalls wäre dann der Punkt an der Donau so in der Gegen Passau bis Linz zu suchen, also da wo die Donau der Wasserscheide Böhmischer Wald/Bayrischer Wald im Nächsten kommt.
 
Nun noch zu der vermuteten Grenzlinie Elbe-Donau - wie gesagt, die Römer dachten ja durchaus in definierten Grenzen mit Flüssen als Grenzlinie: Es wurde zu Recht kritisiert, dass zwischen der Elbe und der Donau ein recht weiter Weg ist.
Das Ende einer Elbegrenze wäre einigermaßen leicht festzulegen: Mit dem Erzgebirge (ist natürlich sehr hypothetisch, is' klar).
dazu eine Frage:
war von den römischen bzw. antiken Geographen tatsächlich die Elbe (mit Quelle im Riesengebirge, Elbfällen usw.) mit ihrem Verlauf, oder betrachtete man eher Elbe-Moldau als Elbefluß? Im letzteren Fall (Moldau-Elbe) wäre die Distanz zur Donau etwas geringer (?), denn die Moldau entspringt an der tschech-bayr. Grenze Datei:Elbe Einzugsgebiet.png ? Wikipedia
 
Ein wichtiger Grund für die Bundesgenossenschaft mit den Cheruskern könnte die zentrale Lage ihres Siedlungsgebietes innerhalb Germaniens sein.
Man lehnt sich glaube ich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man es am östlichen Ende der Lippelinie, am Teutoburger Wald beginnen läßt. Südlich verlief es vielleicht bis Hann. Münden. Hier im Mittelgebirge begann das Terrain für die römische Kriegsführung problematisch zu werden. Gleichzeitig trafen sich aber die Anmarschwege von Mainz und Xanten in diesem Gebiet. Wenn man also Feldzüge bis an die Elbe durchführen wollte, war es ratsam die Cherusker unter Kontrolle zu haben.

Jedenfalls wäre dann der Punkt an der Donau so in der Gegen Passau bis Linz zu suchen, also da wo die Donau der Wasserscheide Böhmischer Wald/Bayrischer Wald im Nächsten kommt.

Was in Westfalen die Lippelinie, ist in Tschechien die March(Morava)
http://www2.rgzm.de/transformation/home/FramesDE.cfm.

Dieser Fluss ist an der Quelle nur noch 60km von der Elbe enfernt. In Nähe der Mündungen von Lippe und March befanden sich in augusteischer Zeit und auch später die bedeutensten römischen Truppenkonzentrationen. Eine hypothetische Grenzziehung erscheint mir hier daher plausibler.

Gruss
jchatt
 
dazu eine Frage:
war von den römischen bzw. antiken Geographen tatsächlich die Elbe (mit Quelle im Riesengebirge, Elbfällen usw.) mit ihrem Verlauf, oder betrachtete man eher Elbe-Moldau als Elbefluß? Im letzteren Fall (Moldau-Elbe) wäre die Distanz zur Donau etwas geringer (?), denn die Moldau entspringt an der tschech-bayr. Grenze Datei:Elbe Einzugsgebiet.png ? Wikipedia

Was in Westfalen die Lippelinie, ist in Tschechien die March(Morava)
http://www2.rgzm.de/transformation/home/FramesDE.cfm.

Dieser Fluss ist an der Quelle nur noch 60km von der Elbe enfernt. In Nähe der Mündungen von Lippe und March befanden sich in augusteischer Zeit und auch später die bedeutensten römischen Truppenkonzentrationen. Eine hypothetische Grenzziehung erscheint mir hier daher plausibler.

Geschenkt. Ich habe nur Spekulatius gebacken und meine geographischen Kenntnisse der fraglichen Region sind definitiv unzureichend. Bis eben war meine Vorstellung der Elbe oberhalb des Elbfalls auch völlig falsch.
Ich wollte auch eigentlich gar nicht so sehr vom eigentlichen Threadthema ablenken.
 
Die Elbe alleine war nach meinem Verständnis nicht die Grenze, die die Römer im Auge hatten. Vor dem Aufstand in Pannonien wollte man eine Zangenbewegung von Westen und Süden durchführen, die auch die heutige Tschechei beinhaltete. Da waren damals wohl die aus Süddeutschland vertriebenen Markomannen.

Damit hätten wir eine Grenze Elbe, Böhmische Gebirge, Donau. Ziehen wir noch Dacia in Betracht, daß den Römern mindestens so suspekt war, dann Elbe, Böhmische Gebirge, Karpaten.

Ob diese Grenze weniger lang und besser zu verteidigen gewesen wäre, wie die Rhein-Donau-Linie, wage ich zu bezweifeln. Aus heutiger Sicht wäre es sinnvoll gewesen, ganz Germanien zu erobern, also auch die als gefährlicher bekannten ostelbischen Stämme. Dahinter gabs noch weitere Germanen zwischen Oder und Weichsel. Hätte man ganz Germanien romanisiert, hätte eine Völkerwanderung in dem Maße trotz Hunnen niemals stattgefunden. Im Gegenteil: die Germanen wären nun Römer gewesen.

Hinter einer Grenze Weichsel-Karpaten-Donaumündung gabs nur noch Sarmaten und Slawen. Aber vielleicht wären dann die durch den unausweichlichen Know-How-, Kultur- und Technologietransfer schneller zur Gefahr geworden.

Aber diese strategischen Erkenntnisse konnten die Römer damals noch nicht haben. Sie sahen sich mit assymetrischer Kriegsführung in gefährlichem Gelände, bei schwieriger Logistik und geringen Ertragsaussichten konfrontiert und gaben auf. Folgerichtig sage ich, wenn mich einer fragt: "Wann ging das römische Reich unter"? - Ich weiss es nicht genau, aber ich weiss, wann es begann: 9 n. Chr, mit der Folge, daß Tiberius die Offensivpolitik im Norden aufgab. Ein verhängnisvoller strategischer Fehler, den man 400 Jahre später bitter bereuen sollte.

Man muss sich allerdings schon fragen, ob die Römer langfristig an der Elbe halt gemacht hätten, sofern es ihnen gelungen wäre Germania Magna zu halten und zu romanisieren. Ich denke eher nicht, was der Varusschlacht noch mehr aussenpolitische Bedeutung verleiht.
 
Zuletzt bearbeitet:
OT

Hallo!


da ich mich vor längerer Zeit ausführlicher mit dem Thema Elb\e(quelle) beschäftigt habe geb ich auch noch meinen Senf hinzu. . .
Daß die Verlegung der Elbquelle ins Riesengebirge willkürlich ist, sieht man am Verhältnis Zufluss/ Länge am Zusammenfluss in Melnik. Die Moldau ist nicht nur der längere sondern auch der wasserreichere Fluss. Der Zufluss durch die Elbe beträgt durchschnittlich ca. 80m³/s, der der Moldau ca. 150m³/s.
Bei der Länge ist das Verhältnis 279km zu 430km.
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/3d/Elbe_tributaries_discharge_diagram.svg
Die Elbe wäre über die Moldau gemessen länger als der Rhein. . .
Der durch Jchatt angegebene Abstand der Flüsse Elbe/Moldau zur Donau von 60km verringert sich über Nebenflüsse auf unter 10km.
Da Moldau und Donau auf einer Länge von ca. 70km parallel zueinander verlaufen war die Moldau im östlicheren Bereich auch kein Flüsschen(Vergleich zur Lippe?) mehr und konnte bestimmt mit kleineren Booten befahren werden. Fürs Vorankommen sorgte die Strömung bis zur Mündung in die Nordsee ;-)
Die größten Ortschaften zur damaligen und heutigen Zeit sind/waren Wels und Linz.
forum oö geschichte: Lentia ? Das römische Linz
Hier eine Karte der Lager/Städte an der Donau zur damaligen Zeit.
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/96/Limes3.png
Der interessante Bereich erstreckt sich ca. von Eferding über Linz und Lorch(Enns) bis Albing.



MfG, Lucio!
 
Die besondere Rolle der Cherusker ergibt sich m.E. daraus, dass sie möglicherweise die Klienteln der Römer in diesem Raum waren bzw. dies sogar nach der Varusschlacht wieder wurden.
Es gibt ja auch aus anderen Regionen Beispiele aus der einheimischen Nobilität im Grenzvorfeld, die politisch eng an die Römer gebunden waren.
Schon in der Generation Segestes/Segimer scheinen jedoch gute Kontakte zum Reich bestanden zu haben, was dazu führte, dass beide Söhne des Segimer zumindest zeitweise in Rom erzogen wurden.
Der letzte bekannte Cheruskerkönig, Italicus, wuchs ja sogar vermutlich im Reich auf und wurde angeblich auf Ersuchen der Cherusker entsandt, um sie zu regieren.
Sie waren nicht das einzige germanische Volk, das eng mit dem Reich verbunden war (dazu zählten etwa auch die Bataver). Vielleicht waren sie aus strategischen Beweggründen für die Römer besonders wichtig, da sie im Vergleich zu anderen Verbündeten relativ weit entfernt von der Reichsgrenze lebten. Leider lässt sich ihr Siedlungsgebiet nicht im Detail lokalisieren; es scheint jedoch bereits östlich der Lippekastell gelegen zu haben.
 
Die Elbe alleine war nach meinem Verständnis nicht die Grenze, die die Römer im Auge hatten. Vor dem Aufstand in Pannonien wollte man eine Zangenbewegung von Westen und Süden durchführen, die auch die heutige Tschechei beinhaltete. Da waren damals wohl die aus Süddeutschland vertriebenen Markomannen.

Vermischt du hier nicht ein paar Ereignisse und Feldzüge zwischen 9 v. u. 6 n. Chr.?


Ob diese Grenze weniger lang und besser zu verteidigen gewesen wäre, wie die Rhein-Donau-Linie, wage ich zu bezweifeln. Aus heutiger Sicht wäre es sinnvoll gewesen, ganz Germanien zu erobern, also auch die als gefährlicher bekannten ostelbischen Stämme. Dahinter gabs noch weitere Germanen zwischen Oder und Weichsel. Hätte man ganz Germanien romanisiert, hätte eine Völkerwanderung in dem Maße trotz Hunnen niemals stattgefunden. Im Gegenteil: die Germanen wären nun Römer gewesen.

Sind die Römer nicht schon ihrer eigenen Expansionsdynamik zum Opfer gefallen? Letztenlich ist hinter jedem besiegten ein Neues Volk, welches zu besiegen war aufgetaucht. Das ist das eine. Das andere ist: Die Römer sind schon dabei gescheitert, das Gebiet zwischen Rhein und Weser dauerhaft zu besetzen. Wie kann man ihnen da vorwerfen, sie hätten es versäumt ganz Germanien zu erobern?

Hätte man ganz Germanien romanisiert, hätte eine Völkerwanderung in dem Maße trotz Hunnen niemals stattgefunden. Im Gegenteil: die Germanen wären nun Römer gewesen.

Hinter einer Grenze Weichsel-Karpaten-Donaumündung gabs nur noch Sarmaten und Slawen. Aber vielleicht wären dann die durch den unausweichlichen Know-How-, Kultur- und Technologietransfer schneller zur Gefahr geworden.

Wodurch wurde die Völkerwanderung ausgelöst? Traditionell sagt man durch den Hunnensturm. Eigentlich aber durch Begehrlichkeiten. Begehrlichkeiten am römischen Reichtum und Luxus teilzuhaben.

Aber diese strategischen Erkenntnisse konnten die Römer damals noch nicht haben. Sie sahen sich mit assymetrischer Kriegsführung in gefährlichem Gelände, bei schwieriger Logistik und geringen Ertragsaussichten konfrontiert und gaben auf. Folgerichtig sage ich, wenn mich einer fragt: "Wann ging das römische Reich unter"? - Ich weiss es nicht genau, aber ich weiss, wann es begann: 9 n. Chr, mit der Folge, daß Tiberius die Offensivpolitik im Norden aufgab. Ein verhängnisvoller strategischer Fehler, den man 400 Jahre später bitter bereuen sollte.

Nun, ich glaube ich muss nicht wiederholen, warum ich diese Einschätzung nicht teile, steht ja alles oben. Sorry für die Härte, aber mir scheint das zu sehr Sandkastenstratgie zu sein, welche das Problem der Endlichkeit der Ressourcen vernachlässigt.
 
Der letzte bekannte Cheruskerkönig, Italicus, wuchs ja sogar vermutlich im Reich auf und wurde angeblich auf Ersuchen der Cherusker entsandt, um sie zu regieren.

Es ist doch einigermaßen wahrscheinlich, dass Italicus im Reich aufwuchs, schon sein römisches Cognomen weist darauf hin. Und sein Vater Flavus wird als Persona non grata mindestens bis zur Ermordung seines Bruders wohl kaum in die heimatlichen Gefilde zurückgekehrt sein können.
 
Wobei das Röm Reich zur Zeit der Völkerwanderung ja auch nicht mehr so reich war wie in den ersten beiden Jahrhunderten der Kaiser. Hohe Handelsdefizite mit dem Orient als Beispiel.
 
Es ist doch einigermaßen wahrscheinlich, dass Italicus im Reich aufwuchs, schon sein römisches Cognomen weist darauf hin. Und sein Vater Flavus wird als Persona non grata mindestens bis zur Ermordung seines Bruders wohl kaum in die heimatlichen Gefilde zurückgekehrt sein können.

Kein Widerspruch. Die antiken Quellen verleiten mich manchmal zur etwas überskeptischen Formulierung.
 
Es ist doch einigermaßen wahrscheinlich, dass Italicus im Reich aufwuchs, schon sein römisches Cognomen weist darauf hin.
Davon kann man ausgehen, da er laut Tacitus (Annales 11,16) sogar in Rom geboren wurde und zumindest in der Zeit vor seiner Entsendung sich bei der Stadt aufhielt.

Schon in der Generation Segestes/Segimer scheinen jedoch gute Kontakte zum Reich bestanden zu haben, was dazu führte, dass beide Söhne des Segimer zumindest zeitweise in Rom erzogen wurden.
Das allerdings ist eine nicht tot zu bekommende Behauptung, für die es keine Belege gibt. Lediglich von Marbod wird (bei Strabon) ausdrücklich gesagt, dass er seine Jugend in Rom verbrachte.
 
Vermischt du hier nicht ein paar Ereignisse und Feldzüge zwischen 9 v. u. 6 n. Chr.?

Ja, tut der Sache aber keinen Abbruch: Böhmen stand (wohl immer noch) auf der Tagesordnung.

Sind die Römer nicht schon ihrer eigenen Expansionsdynamik zum Opfer gefallen? Letztenlich ist hinter jedem besiegten ein Neues Volk, welches zu besiegen war aufgetaucht. Das ist das eine. Das andere ist: Die Römer sind schon dabei gescheitert, das Gebiet zwischen Rhein und Weser dauerhaft zu besetzen. Wie kann man ihnen da vorwerfen, sie hätten es versäumt ganz Germanien zu erobern?

es war kein vorwurf, ich hatte ja bemerkt, daß sie diese strategischen Erkenntnisse 400 Jahre vor der Völkerwanderung noch nicht haben konnten. Auch glaube ich, daß Rom überbewertet wird. Es war ihnen wahrscheinlich schlichtweg nicht möglich, Germanien zu erobern. Und wer, wenn nicht der erfahrene Legat Tiberius hätte das beurteilen können?


Wodurch wurde die Völkerwanderung ausgelöst? Traditionell sagt man durch den Hunnensturm. Eigentlich aber durch Begehrlichkeiten. Begehrlichkeiten am römischen Reichtum und Luxus teilzuhaben.

Korrekt, als der Rhein 406 zufror, wären die wohl auch ohne Hunnen marschiert.

Man könnte noch einen Schritt weiter gehen und behaupten, das germanische Bevölkerungswachstum, das letzten Endes zu größeren Verbänden führte, basierte auf landwirtschaftlichen Technologien der Römer. Dazu kamen Transfer in Sachen Waffentechnologie und Organisation. Die Römer haben in diesem Sinne die Völkerwanderung selbst verursacht. An der Weichsel wäre ihnen wohl mit den Slawen das Gleiche passiert.

Sorry für die Härte, aber mir scheint das zu sehr Sandkastenstratgie zu sein, welche das Problem der Endlichkeit der Ressourcen vernachlässigt.

Korrekt, ich habe nur die aussenpolitische komponente betrachtet. Es ging ja oben nur um die frage, wieviel Germanien auf der Agenda stand. Die noch entscheidenderen innenpolitischen Fehler würden zu weit führen. Und natürlich hängt beides eng zusammen. Ausserdem gibts dazu schon einen langen Thread ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Waren Arminius und Italicus nicht Kindergeiseln, die nach Rom verbracht wurden, oder verwechsel ich da was?

Mit den Namen ist das eh so eine Sache bei den römischen Autoren. Im Bello Gallico haben die "guten" Gallier meist römische Namen, die "bösen" aber gallische. Ich vermute mal, die hatten Beides. Auch Arminius wurde wohl kaum von seiner Mutter so genannt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Da verwechselst Du wohl etwas. Über Arminius' Kindheit und Jugend ist nichts bekannt, ins Licht der Geschichte trat er erst, als er für die Römer Kriegsdienst leistete. Zu Italicus siehe oben.
 
Da verwechselst Du wohl etwas. Über Arminius' Kindheit und Jugend ist nichts bekannt, ins Licht der Geschichte trat er erst, als er für die Römer Kriegsdienst leistete. Zu Italicus siehe oben.


Ja, das ist richtig. Erinnere mich jetzt auch wieder an Diskussionen hier, ob Arminius eher ein römischer oder ein romanisierter germanischer Name war, da kam auch die Frage der Kenntnisse über seine Jugendauf.
 
Mit den Namen ist das eh so eine Sache bei den römischen Autoren. Im Bello Gallico haben die "guten" Gallier meist römische Namen, die "bösen" aber gallische.
Das kann man nicht sagen. Viele Namen sind, so wie Caesar sie wiedergibt, leicht latinisiert, um sie für die Römer aussprech- und deklinierbar zu machen.

Auch Arminius wurde wohl kaum von seiner Mutter so genannt.
Die Endung ist natürlich lateinisch, aber ansonsten halte ich sämtliche Spekulationen darüber, ob das sein latinisierter Geburtsname oder ein ihm von den Römern gegebener Name ist, für müßig, da nicht klärbar.
 
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