Bellum desertorum - Nur ein Hirngespinst des Herodian?

Federmesser

Neues Mitglied
Hallo

Wer von Euch hat sich schon mit der Geschichte des Usurpators Maternus (187 n. Chr) befasst? Ich komme diesbezüglich nicht mehr voran.

Ich vermute langsam, dass jene 1500 Soldaten aus Britannien, die 185 über die Alpen nach Rom wanderten, um bei Commodus gegen Perennis zu klagen, die blühende Fantasie des Herodian zu einer weitläufigen Räuberromantik anregten.

Andererseits wurden im Zusammenhang auf die Legio VIII Augusta der Sieg über Aufständische erwähnt. Dieser brachte ihr den Titel "Pia Fidelis Constans Commoda" ein.

Könnte das letztendlich auf meuternde Soldaten aus Britannien deuten?


Liebe Grüsse

Federmesser
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo

Wer von Euch hat sich schon mit der Geschichte des Usurpators Maternus (187 n. Chr) befasst? Ich komme diesbezüglich nicht mehr voran.

Ich vermute langsam, dass jene 1500 Soldaten aus Britannien, die 185 über die Alpen nach Rom wanderten, um bei Commodus gegen Perennis zu klagen, die blühende Fantasie des Herodian zu einer weitläufigen Räuberromantik anregten.

Andererseits wurden im Zusammenhang auf die Legio VIII Augusta der Sieg über Aufständische erwähnt. Dieser brachte ihr den Titel "Pia Fidelis Constans Commoda" ein.

Könnte das letztendlich auf meuternde Soldaten aus Britannien deuten?


Liebe Grüsse

Federmesser

Weniger mit Maternus, als insgesamt mit dem Thema Räuber, piraten, Lokaldynasten. Im Forumarchiv müsste noch ein früherer Thread mit diesem Titel verfügbar sein. Mit vielen klugen Beiträgen und literaturangaben.

Ich vermute, dass dir Thomas Grünewald Räuber, rebellen, Rivalen und Rächer- Studien zu Latrones im Römischen Reich nicht unbekannt ist.

Über Maternus schreibt, wenn ich nicht irre nur Herodian. Dieser erwähnt einen geplanten Anschlag Maternus auf Commodus.

In Pisidien und Isaurien trieb ein gewisser Lydios sein Unwesen. Das tat er offenbar so intensiv, dass Kaiser Probus selbst gegen ihn zu felde zog. Lydios nahm die Stadt Cremna in Pisidien ein und nahm die Bevölkerung als Geisel. Die Römer belagerten Cremna, und Lydios kam durch einen Katapultschuss ums Leben. Über diese Episode berichtet nur der byzantinische Historiograph Zosimus und die Historia Augustalis, die als wenig zuverlässige Quelle gilt. Ausgrabungen in Pisidien zeigten aber, dass Cremna tatsächlich zur fraglichen Zeit belagert wurde, und ein Belagerungswall konnte rekonstruiert werden. Grünewald widmet Maternus ein längeres Kapitel, vielleicht beendet das deine Fragen.

Herzlich willkommen im Forum :winke:
 
Der/Das "Bellum desertorum" wird nicht nur bei Herodian erwähnt, sondern auch (bzw. eigentlich) in der Historia Augusta: In Kap. 16 der Commodus-Biographie wird von Vorzeichen vor ihm berichtet, und in Kap. 3 der Pescennius Niger-Biographie wird erwähnt, dass eben dieser die Erhebung in Gallien niedergeschlagen habe. Der Name Maternus wird allerdings nur von Herodian genannt.

Allerdings dünkt mich, dass hier verschiedene Ereignisse vermengt werden, die nicht zwangsläufig miteinander zu tun haben mussten:

Das mit den aufrührerischen Soldaten, die sich über den Prätorianerpräfekten Perennis beschwerten, wird primär von Cassius Dio erwähnt und offenbar auch bei Herodian angesprochen. Perennis galt als der eigentliche Machthaber im Staat, daher waren die Soldaten auch auf ihn sauer, wenn ihnen etwas nicht passte. Cassius Dio berichtet, dass 1500 von ihnen aus Britannien nach Rom zogen und den Perennis der Verschwörung, seinen eigenen Sohn zum Kaiser machen zu wollen, bezichtigten. Auch Herodian berichtet, dass Soldaten dem Kaiser Münzen überbracht hätten, die den Perennis (oder dessen Sohn?) zeigten - ein Indiz für eine beginnende Usurpation. Perennis wurde hingerichtet. Danach schickte Commodus den Pertinax (den späteren Kaiser) nach Britannien, um die Ordnung wiederherzustellen. Pertinax schlug dort auch eine Meuterei nieder.

Die Geschichte mit Maternus selbst wird nur bei Herodian erzählt. Die Verquickung mit dem "bellum desertorum" ist keineswegs so klar. Herodian berichtet, dass Maternus, ein Deserteur, mit seiner großen Bande anderer Deserteure und befreiter Gefangener durch Gallien und Spanien zog und verschiedene Städte plünderte. Als Commodus die Statthalter zu einem entschiedenen Vorgehen aufforderte, sickerte Maternus' Bande nach Italien ein.
Vom "bellum desertorum" wird nur erwähnt (in der HA), dass Pescennius Niger (der spätere Kaiser) ihn in Gallien niedergeschlagen habe. Dass es sich dabei um die Niederschlagung der Bewegung des Maternus bzw. generell von Unruhen, deren Teil auch Maternus war, handelte, ist zwar naheliegend, aber eindeutig ausgesagt wird das nicht. Das gilt auch für die Rolle der Legio VIII Augusta. Beim bellum desertorum aus der HA kommt noch hinzu, dass er sich chronologisch kaum einordnen lässt, während Herodian des Maternus' Bewegung bald nach dem Ende des Perennis verortet.

Dass es beim "bellum desertorum" um meuternde Soldaten aus Britannien ging, halte ich für spekulativ. Herodian erwähnt nichts über die Herkunft des Maternus und gibt als dessen Tätigkeitsgebiet nur Gallien und Spanien an. In der HA wird der bellum desertorum nur in Gallien verortet, und auch die mutmaßliche Beteiligung der Legio VIII Augusta deutet darauf hin. Commodus aber schickte den Pertinax nach Britannien, um die dortigen Unruhen zu stillen. Das zeigt also wohl, dass sich die meuternden Soldaten aus Britannien (abgesehen von denen, die zum Kaiser gezogen waren) noch in Britannien befanden. Das schließt zwar nicht aus, dass sich Meuterer aus Britannien auch in Gallien breitgemacht haben könnten, aber Hinweis darauf kenne ich keinen.
Außerdem sind meuternde Soldaten etwas anderes als Deserteure. Die Soldaten in Britannien waren unzufrieden, aber sie desertierten anscheinend nicht. Im bellum desertorum ging es aber, wie der Name schon sagt, um Deserteure, und auch Maternus' Truppe wird als Bande von Deserteuren geschildert. Natürlich können einige der Meuterer letztlich auch desertiert sein, aber belegt ist das anscheinend nicht.
 
Interessante und beachtenswerte Überlegungen. Anmerken möchte ich, dass im allgemeinen römischen Sprachgebrauch zwischen Deserteuren, Rebellen und selbst Räubern im Staatsinteresse oft wenig unterschieden wurde. Die bewaffneten Anhänger eines letztlich unterlegenen „Bürgerkriegskaisers“ wurden gerne als Deserteure oder selbst als Räuber bezeichnet. Da ihnen häufig der Weg zurück in die Legalität versperrt war/wurde, mochte ihnen auch oft keine andere Zukunft mehr offen bleiben… So jedenfalls habe ich es aus Andrea Giardina’s Buch „Der Mensch der Römischen Antike“ in Erinnerung. Die Begrifflichkeiten können also durchaus fließend sein.
 
Zurück
Oben