Brandbestattung der Römer

El Quijote

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Anlässlich der momentanen Entwicklung einer der Kalkriesediskussionen hier im Forum habe ich mal eine allgemeine Frage zu den Bestattungsriten und -vorgängen der Römer. Es ist unstreitig, dass die Römer in der frühen Kaiserzeit vorwiegend Brandbestattungen durchführten. Mich interessiert, wieso. Waren das rituelle Gründe oder eher pragmatisch-hygienische Gründe? Weiß man da genaueres? Gibt es Quellen, die das eine oder das andere berichten?
 
@El Quijote: Ich glaube nicht, dass nach generationenlangem Gebrauch einer bestimten Bestattungsart, man dies primär darum so macht um den unangenehmen Folgen der Verwesung zu entgehen. Es warhalt üblich Tote in einer bestimmten Art und Weise zu bestatten.
Zu Zeiten von Varus war eine Bestattung halt Tradition. Der praktische Zweck dahinter war da unbedeutend. Germanicus ging es wohl eher um den religiösen und/oder symbolhaften Zweck.
 
Man sollte auch zwischen der Bestattung samt Zeremonie von Einzelpersonen und der Bestattung nach großen Schlachten unterscheiden. Für die Bestattung von Einzelpersonen gibt es genügen Vorlagen in Gesetzestexten und Inschriften, die ein ordentliches Bild zeichnen lassen.

Könntest Du Quellen nennen?
 
Und warum ausgerechnet Brandbestattung? Warum reichte einfnaches verbuddeln in der Erde nicht?
Musstre der weltliche Körper erst vernichtet werden, damit die Seele in das Jenseits übergehen konnte?
 
Offensichtlich reichte die Erdbestattung aus, auch wenn Feuerbestattung seit der späten Republik wohl üblich war. Ich bin seit gestern Abend dabei, eine entsprechende Passage aus Ciceros de legibus zu übersetzen.
 
es gibt nen buch, rome in the making oder sowas, darin wird die frühgeschicht Roms recht gut erklärt. Leider ist mir sowohl der Titel als auch der Autor entfallen, da ich nur spntan drüber geschmökert habe.
 
Cicero schreibt in seiner rechtsphilosophsichen Schrift de legibus, II, 22 - 23 folgendes:
Iam tanta religio est sepulcrorum, ut extra sacra et gentem inferri fas negent esse, idque apud maiores nostros A. Torquatus in gente Popillia iudicavit. [...]
neque necesse est edisseri a nobis, quae finis funestae familiae, quod genus sacrificii Lari vervecibus fiat, quem ad modum os resectum terra obtegatur, quaeque in porca contracta iura sint, quo tempore incipiat sepulcrum esse et religione teneatur.
At mihi quidem antiquissimum sepulturae genus illud fuisse videtur quo apud Xenophontem Cyrus utitur: redditur enim terrae corpus, et ita locatum ac situm quasi operimento matris obducitur. Eodemque ritu in eo sepulcro quod <haud> procul a Fontis ara est, regem nostrum Numam conditum accepimus, gentemque Corneliam usque ad memoriam nostram hac sepultura scimus esse usam. C. Mari sitas reliquias apud Anienem dissipari iussit Sylla victor, acerbiore odio incitatus, quam si tam sapiens fuisset quam fuit vehemens.
Quod haud scio an timens <ne> suo corpori posset accidere, primus e patriciis Corneliis igni voluit cremari. Dedarat enim Ennius de Africano: 'Hic est ille situs', vere, nam siti dicuntur ii qui conditi sunt. Nec tamen eorum ante sepulcrum est quam iusta facta et porcus caesus est. Et quod nunc communiter in omnibus sepultis venit usu <ut> humati dicantur, id erat proprium tum in iis quos humus iniecta contexerat, eumque morem ius pontificale confirmat. Nam prius quam in os iniecta gleba est, locus ille ubi crematum est corpus nihil habet religionis; iniecta gleba tum et ille humatus est et sepulcrum vocatur, ac tum denique multa religiosa iura conplectitur. Itaque in eo qui in nave necatus, deinde in mare proiectus esset, decrevit P. Mucius familiam puram, quod os supra terram non extaret; [...]
'Hominem mortuum' inquit lex in XII ' in urbe ne sepelito neve urito.' Credo vel propter ignis periculum. Quod autem addit 'neve urito', indicat non qui uratur sepeliri, sed qui humetur.


Schon ist die Ehrfurcht vor den Gräbern so groß, dass sie es zu einem Verbrechen erklären, wenn dort eine Bestattung ohne entsprechende Kulthandlungen und Zugehörigkeit zum Familienverband durchgeführt wird. Und so hat es bei unseren Alten A. Torquatus im Falle der gens Popillia entschieden. [...] Und es ist nicht nötig, uns darzugelegen, wie die Trauerzeit in der Familie beendet wird, in welcher Form einem Laren ein Hammelkopf dargebracht wird, nach welcher Weise ein abgeschnittener Knochen der Erde in der Erde verborgen wird und welche Rechte bei der Opferung einer Sau vereinbart wurden, ab welchem Zeitpunkt ein Grab beginnt eines zu sein und Ehrfurcht zu erhalten. Mir jedenfalls scheint die älteste Form des Begräbnisses die zu sein, die Kyros bei Xenophon anordnet: der Korpus wird nämlich der Erde zurück gegeben. Und wenn er so bestattet und niedergelegt ist, wird er gleichsam vom mütterlichen Mantel umhüllt. In eben diesem Ritus wurde unser König in dem Grab bei dem Quellaltar bestattet und wir wissen, dass in der gens Cornelia bis in unsere Erinnerung diese Art der Bestattung die übliche war. Die sterblichen Überreste des Gaius Marius, die am Anio bestattet waren, befahl der Sieger Sulla zu zerstreuen, angestachelt vom Hass [...]. Vielleicht, weil er befürchtete, dass dies auch seinem eigenen Leichnam angetan werden könnte wollte er als erster von den patrizischen Corneliern verbrannt werden. Ennius sagte nämlich noch von Africanus: „Hier ist jener beigesetzt.“ Mit Recht, denn nur von denen, die mit Erde begraben (conditi) sind sagt man, sie seien beigesetzt (siti). Doch ist es noch nicht ihr Grab, bevor die vom Recht beschriebenen Handlungen vollzogen sind und das Schwein geschlachtet ist. Und was jetzt allgemein bei allen Bestatteten als Brauch daherkommt (venit usu), dass man sie als Humati bezeichnet, das war seinerzeit auf diejenigen beschränkt, die von der auf sie geworfenenen Erde bedeckt waren und diese Sitte bestätigt das pontifikale Recht. Denn bevor man die Klumpen auf die Knochen geworfen hat, ist jener Ort, wo der Korpus verbrannt wird, ohne Ehrfurcht. Wenn aber Erde auf die Gebeine geworfen ist, dann ist der Tote beerdigt und dann erst hat er viele religiöse Rechte. Deshalb entschied P. Mucius, dass die Familie dessen, der auf einem Schiff getötet und dann ins Meer geworfen wurde, rein sei, weil die Gebeine nicht unbestattet auf der Erde liegen. [...]
"Einen toten Menschen", sagt das Zwölftafelgesetz, "soll man nicht in der Stadt verbrennen." Ich glaube, wegen der Feuergefahr. Wenn es aber hinzufügt "neve urito (und nicht verbrennen)" zeigt es an, dass nicht derjenige, den man verbrennt, bestattet wird, sondern nur derjenige, den man beerdigt.
Aufgrund dieser Ausführungen Ciceros komme ich zu dem Schluss, dass die Brandbestattung keinen zeremoniellen Hintergrund hatte, sondern andere Gründe. Kann man vom Usus, wie in Marcus Tullius beschreibt, auf das Verhalten des Germanicus schließen? Bedingt. Zu Octavians Programm der staatlichen Erneuerung gehörte neben Investitionen im edifikatorischen Bereich auch die Rückbesinnung auf das Kultische. Eine Wiederaugnahme von vernachlässigten Kulten geht aber häufig auch mit Neuerungen einher, so wie Octavian ja auch nicht der restitutor re publicae sondern zum princeps wurde. Insofern ist natürlich vom ciceronischen Text her nicht völlig auszuschließen, dass aus der zunächst pragmatisch veranlassten Feuerbestattung eine zeremonielle Handlung wurde. So ähnlich wie das Zölibat im Mittelalter zwar aus ökonomischen Gründen eingeführt, heute aber aus theologischen Gründen beibehalten wird. Nach Cicero reicht also zur pietas die Erdbestattung, allerdings sagt er auch, dass – heute – also ca. 50 v. Chr. eine Bedeutungsübertragung stattgefunden habe, dass alle Bestatteten als Beerdigte (Humati) bezeichnet würden. Dennoch ist die Verbrennung offensichtlich nicht notwendiger Bestandteil der Kulthandlung.



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Hmm :grübel:

Gibts denn Quellen zu eventuellen Seuchen oder Epidemien in Rom? Das wäre so ein Grund, warum Brandbestattungen vielleicht "in Mode" gekommen sind. Zudem war es auch früher schon recht warm in Italien nehme ich an, von daher könnte es auch geschehen sein, um wie du schon oben erwähntest, den Verwesungsvorgang gar nicht erst zuzulassen (also hygienische Gründe).

Wenn ich die Quelle von Cicero richtig verstanden habe, ist jede Art der Bestattung genehm, solange der Körper, bzw. dessen Überreste nicht an der freien Luft liegen.
 
In Rom selbst dürfte es bei Körperbestattung auch ein Platzproblem gegeben haben. Andererseits war Feuerholz auch nicht überall unbegrenzt vorhanden. Könnte das mögliche regionale Unterschiede erklären?
 
Am Platz wird es nicht gelegen haben. Schließlich kam es seit dem zweiten Jahrhundert wieder vermehrt zu Niederlegungen und mit dem sich durchsetzenden Christentum stiegen die Zahlen der Körperbestattungen immer weiter an. Und an der Via Appia gab es raumgreifende Grabmähler.
sepolcri1.jpg
Cicero schreibt noch etwas von sechzig Fuß, die eine Grabstätte nach dem Zwölftafelgesetz von einem Wohnhaus entfernt sein müsse.
 
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Zudem war es auch früher schon recht warm in Italien nehme ich an, von daher könnte es auch geschehen sein, um wie du schon oben erwähntest, den Verwesungsvorgang gar nicht erst zuzulassen (also hygienische Gründe).
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Die Armen wurden unmittelbar nach dem Wehklagen, der Waschung und Herrichtung verbrannt.

Anders bei den Wohlhabenden. Bis zu 7 Tagen wurde der Leichnam im Atrium des Hauses aufgebahrt. In dieser Zeit kümmerte sich ein libitinarius, ein Bestattungsunternehmer, um den Toten und ließ ihn durch Salber (pollinctores) herrichten. In der Zeit brannten Lampen neben dem Toten und er wurde mit Blumen, Laub und Kränzen bedeckt. Das dürfte wohl der Geruchsentwicklung entgegengewirkt haben.

In Rom selbst dürfte es bei Körperbestattung auch ein Platzproblem gegeben haben...
Schon aus Gründen der Bodenverunreinigung sollen die Bestattungen grundsätzlich außerhalb der Orte stattgefunden haben.
 
Sämtliche Straßen die nach Rom hinein führten wurden von, teilweise sehr opulenten, Gräbern flankiert.
 
Die Armen wurden unmittelbar nach dem Wehklagen, der Waschung und Herrichtung verbrannt.

Anders bei den Wohlhabenden. Bis zu 7 Tagen wurde der Leichnam im Atrium des Hauses aufgebahrt. In dieser Zeit kümmerte sich ein libitinarius, ein Bestattungsunternehmer, um den Toten und ließ ihn durch Salber (pollinctores) herrichten. In der Zeit brannten Lampen neben dem Toten und er wurde mit Blumen, Laub und Kränzen bedeckt. Das dürfte wohl der Geruchsentwicklung entgegengewirkt haben.

Das hat jetzt nichts mehr mit den Römern zu tun, fällt mir aber hierbei ein: Als das andalusische Kalifat zusammenbrach, kam es häufiger vor, dass gestürzte Kalifen umgebracht wurden. Sie wurden enthauptet und die Schädel wurden rumgereicht, um zu zeigen: der Kalif ist tot. Die Schädel wurden nach Auskunft der Quellen gewaschen und parfümiert. Dies war natürlich keine Geste der Wertschätzung gegenüber dem Schädel sondern sollte den unangenehmen Geruch überdecken.
 
Ich hab das Buch gefunden das ich meinte:
The Beginnings of Rome von Tim Cornell, geht bis zu den punischen Kriegen. Gibts auch bei Google Books, jedoch fehlen ein zwei wichtige Seiten.

Für die Bestattungen bei Schlachen fehlt meines Wissens eh jeder Vergleich. Spontan fällt mir die Niederlage des Crassus bei Carrhae ein. Wie wurde da mit den Toten verfahren?
 
Das hat jetzt nichts mehr mit den Römern zu tun, fällt mir aber hierbei ein: Als das andalusische Kalifat zusammenbrach, kam es häufiger vor, dass gestürzte Kalifen umgebracht wurden. Sie wurden enthauptet und die Schädel wurden rumgereicht, um zu zeigen: der Kalif ist tot. Die Schädel wurden nach Auskunft der Quellen gewaschen und parfümiert. Dies war natürlich keine Geste der Wertschätzung gegenüber dem Schädel sondern sollte den unangenehmen Geruch überdecken.

Bei den Steppenvölkern war es Brauch, den Leichnam durch sein gesamtes Herrschaftsgebiet zu tragen. Dabei gab es einen alten Zeitraum, der angeblich "indogermanisch" sein soll, die Leiche 90 Tage lang zu erhalten. Erst dann wurde die Bestattung ausgelöst. Das muss schon ein komischer Anblick gewesen sein, wenn ein solcher König einem nach 89 Tagen vorgeführt wurde. Die Verwesung wird trotz aller Gegenmassnahmen weit vortgeschritten sein.

Ich würde keine allzugrossen Unterschiede zwischen Körper- und Brandbestattung ziehen, dazu war beides in der Geschichte zu oft nebeneinander verbreitet.
 
Ich würde keine allzugrossen Unterschiede zwischen Körper- und Brandbestattung ziehen, dazu war beides in der Geschichte zu oft nebeneinander verbreitet.

Ich sehe hier allerdings doch einen Unterschied, selbst wenn beide Bestattungsformen parallel existierten.

Kulturen, die an die Auferstehung des Leibes glauben, wollen den Körper als Ganzes und möglichst vollständig beisetzen. Im jüdischen Glauben zählt sogar das Blut zum Körper, daher sieht man häufiger auch Rabbiner die vergossenes Blut von Unfall- oder Attentatsopfer aufzunehmen versuchen.

Kulturen, die Brandbestattungen durchführen, wollen damit (vermutlich) die Seele der Toten "zu den Göttern" schicken und nicht einfach nur den Leichnam entsorgen.

Man kann den Toten mit der Bestattungsform auch gezielt und bewusst entehren und posthum demütigen. So z.B. den getöteten Feind, der nach seiner Religion / Kultur als Körper bestattet werden muss, verbrennen und ihm damit die Auferstehung / den "Einzug ins Himmelreich" verbauen.
 
Bei Cicero, dessen Text ja eine - ich nenne es mal so - meta-normative Quelle ist (es handelt sich nicht um ein Gesetz, sondern um einen Kommentar dazu) sehen wir allerdings, dass es sich bei der Brandbestattung weniger um eine kultische Handlung handelte, da auch See- und Erdbestattung zulässig waren. Anders, als dass es sich um hygienische Gründe handelte, ist trotz anderer Praktiken an anderen Orten, zumindest nach dem cicerianischen Zeugnis, kaum vorstellbar.
 
Schon aus Gründen der Bodenverunreinigung sollen die Bestattungen grundsätzlich außerhalb der Orte stattgefunden haben.

Außerdem war Rom meines Wissens zu Ciceros Zeit doch noch gar nicht so groß und innerhalb des Pomeriums durfte eh keiner bestattet werden. Außen gab es ja noch genug "Platz", aber der wurde ja dann in der Kaiserzeit geringer, weil die Stadt wuchs und deshalb entschied man sich vielleicht auch für eine platzsparendere Bestattung?
Aber eigentlich ist es auch egal, die Bestattungen fanden immer irgendwo außerhalb statt und da den Römern da alles gehörte, konnten sie sicher ihre "Friedhöfe" ausdehen, wie sie wollten... also Platzmangel kann ich mir nicht wirklich vorstellen.

Vielleicht hatten sie wirklich nur Schiss vor Leichenschändung, wie Cicero es ja auch schreibt? ;)
 
Wie schon in einem obigen Beitrag gesagt: Die Grabmale wurden meist entlang von Straßen in Stadtnähe aufgebaut. Im antiken Glauben war es so, dass ein Verstorbener so lange weiter lebe, solange er noch im Gedächtnis der Menschen war. Römische Familien stellten aus diesem Grunde die Masken ihrer Verstorbenen in ihren Häusern auf und Grabmale wurden mit Details aus dem Leben der Verstorbenen geschmückt - durch Inschriften oder durch Reliefs. Grabmale sollten gesehen und gelesen werden.
 
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