Caput Iuliae/Lupiae fluminis

Salve,
ich habe keinen direkt passenden Thread gefunden, daher unter diesem Thema....
Ich kenne die Diskussion um "Caput Julia", las, das damit normalerweise eine Flussmündung gemeint sein soll, kenne die Interpretation, dass es ein Schreibfehler sei und eigentlich "Quelle der Lupia" heißen soll. Falls es ein Schreibfehler sein sollte, halte ich eher die Mündung der Klia für nachvollziehbar (von IVLIA)......:grübel:
Jedoch stelle ich mir eine Frage, da Ostern diverse Fernsehberichte über eine Via Julia gezeigt wurden.
Kann mir jemand auf die Sprünge helfen, ob das "Caput...." vielleicht in einem anderen Zusammenhang einmal als Mündung oder Ende einer Straße verwendet worden ist? Vielleicht das Ende einer Julia Straße, die zur Erschließung Germaniens erbaut wurde.........Oder aber irgendwelche Monumente oder Berge, die mit der Bezeichnung Caput versehen wurden?
Für evtl. Hinweise danke ich im Voraus!
 
Jedoch stelle ich mir eine Frage, da Ostern diverse Fernsehberichte über eine Via Julia gezeigt wurden.

War damit eventuell diese hier gemeint?
https://de.wikipedia.org/wiki/Via_Julia

Kann mir jemand auf die Sprünge helfen, ob das "Caput...." vielleicht in einem anderen Zusammenhang einmal als Mündung oder Ende einer Straße verwendet worden ist?

Es gibt die Bezeichnung "caput viae". Gemeint ist damit ein Ort, der zum Ausgangspunkt einer Straßenvermessung genommen wurde:
https://de.wikipedia.org/wiki/Miliarium

Im Fall der "IVLIA"/"LVPIA" kann aber nur ein Fluss gemeint sein. Das steht ausdrücklich im Text:

"... in cuius mediis finibus ad caput Iuliae fluminis hiberna digrediens princeps locaverat."

Falls es ein Schreibfehler sein sollte, halte ich eher die Mündung der Klia für nachvollziehbar

Der 2 km lange Bach in Merseburg?
Im Ernst?

Mit dieser geographischen Angabe sollte der römische Leser etwas anfangen können?
 
Normalerweise ist ein geographisch gemeintes caput ein 'Kap' (das deutsche Wort kommt natürlich daher), auf Flüsse bezogen kann es sowohl die 'Quelle' als auch die 'Mündung' sein, in diesem Punkt hast du Recht; ansonsten ist es der 'Kopf'. Eine Ableitung von caput ist außerdem über capitulum capitellum.

Was nun das ad caput Iuliae anbelangt, so braucht man nicht darüber zu spekulieren, was Iuliae ist, denn vollständig heißt es ad caput Iuliae fluminis.

Wenn man also, wie seit dem 16. Jhdt. üblich, Iuliae zu Lupiae konjegiert, dann könnte damit sogar Vetera gemeint sein, auch wenn eine solche Lesung natürlich der Angabe in Germaniam, in cuius mediis finibus zu widersprechen scheint, weshalb die Stelle eher als Quelle denn als Mündung gelesen wird. Da Velleius aber gerne Tiberius liebedienerisch umschmeichelt, würde ich diese Lesung zumindestens mal andenken. Allerdings bekommen wir dann archäologisch ein Problem, da Vetera eigentlich vor dem "immensum bellum" angelegt sein muss.

Wie man aber - davon ausgehend, dass Iuliae die korrekte Textform sei - zur Klia kommt - woher kommt plötzlich das -k-? - ist mir - neben den hydrogeographischen Zweifeln, die Sepiola anmerkt - schleierhaft.
 
Normalerweise ist ein geographisch gemeintes caput ein 'Kap' (das deutsche Wort kommt natürlich daher), auf Flüsse bezogen kann es sowohl die 'Quelle' als auch die 'Mündung' sein, in diesem Punkt hast du Recht; ansonsten ist es der 'Kopf'. Eine Ableitung von caput ist außerdem über capitulum capitellum.

Was nun das ad caput Iuliae anbelangt, so braucht man nicht darüber zu spekulieren, was Iuliae ist, denn vollständig heißt es ad caput Iuliae fluminis.

Wenn man also, wie seit dem 16. Jhdt. üblich, Iuliae zu Lupiae konjegiert, dann könnte damit sogar Vetera gemeint sein, auch wenn eine solche Lesung natürlich der Angabe in Germaniam, in cuius mediis finibus zu widersprechen scheint, weshalb die Stelle eher als Quelle denn als Mündung gelesen wird. Da Velleius aber gerne Tiberius liebedienerisch umschmeichelt, würde ich diese Lesung zumindestens mal andenken. Allerdings bekommen wir dann archäologisch ein Problem, da Vetera eigentlich vor dem "immensum bellum" angelegt sein muss.

Wie man aber - davon ausgehend, dass Iuliae die korrekte Textform sei - zur Klia kommt - woher kommt plötzlich das -k-? - ist mir - neben den hydrogeographischen Zweifeln, die Sepiola anmerkt - schleierhaft.
Alfred Koch suchte bei Merseburg das Winterlager. Dr. Pflug meinte, dass sich ein ursprüngliches "Kulia" , "Gulia" (das die Römer in Erinnerung an Julius Cäsar oder Augustus`Tochter Julia in "Julia" umformten) oder Julia im Laufe der vielen Jahrhunderte zu "Klia" abgeschliffen haben könnte.
 
Linguistisch gesehen ist das Blödsinn hoch drei. Müssen wir hier wirklich jede Hypothese, der als einzige Basis Lokalpatrioidiotismus zugrundeliegt durchkauen?
 
Linguistisch gesehen ist das Blödsinn hoch drei. Müssen wir hier wirklich jede Hypothese, der als einzige Basis Lokalpatrioidiotismus zugrundeliegt durchkauen?
Die Hypothese ist eigentlich nur im Zusammenhang mit Thietmars antikem römischen Werk interessant. Alfred Koch hat sich 1932 sicherlich geirrt, als er meinte, in Merseburg römisches Mauerwerk gefunden zu haben.
Aber die Ortslage Merseburg ist für römische Unternehmungen hoch interessant. In einer Karte der römischen Straßen endet an diesem Punkt an der Saale sogar ein von Mainz kommender Straßenverlauf. Dass Pflug dies in seine Varusschlachthypothese einband, war zu erwarten. In seinem unveröffentlichtem "Drusus" spielt diese Region südlich des Harzes bis zur Saale ebenfalls eine bedeutende Rolle. Und diese ist, ganz im Gegensatz zur Lokalisation "seines" Varusschlachtfeldes, weit besser begründet.
Wir dürfen also im Rahmen der zunehmenden Ausgrabungen noch mit ein paar Überraschungen rechnen.
 
Also, wenn das Time-Team uns eines gelehrt hat, dann, dass bei allen Ausgrabungen Überraschungen zu erwarten sind. ;)

Thietmar und Merseburg hatten wir aber oft genug. Waren wir dabei nicht zum Schluss gekommen, dass er eine Klostermauer meinte?
 
Also, wenn das Time-Team uns eines gelehrt hat, dann, dass bei allen Ausgrabungen Überraschungen zu erwarten sind. ;)
Thietmar und Merseburg hatten wir aber oft genug. Waren wir dabei nicht zum Schluss gekommen, dass er eine Klostermauer meinte?
Auf jeden Fall wurde noch etwas körperlich vorgefunden, was Heinrich I mit einer Mauer umgeben und darin die Mutterkirche ausgeführt hat. Und was der für ein antikes römisches Werk hielt. Nur darum geht es. Und das wird man irgendwann feststellen können. Wenn es an der Klia-Mündung tatsächlich ein Marsch- oder Standlager gab, muss umgedacht werden, unabhängig von der Größe dieses Wasserlaufs.
 
Unter der Es-kann-nicht-sein-was-nicht-sein-darf Prämisse ist ist es sicherlich eine gute Erklärung, dass Thietmar Klostermauern mit Graben und Wall eines römischen Kastells (was sonst könnte man mit einer Mauer schmücken, eine andere Mauer eher nicht) verwechselt hat. Unter der Es-kann-nicht-sein-was-nicht-sein-darf Prämisse wurden die 400 Maximinus Thrax Meilen in der Historia Augusta aber auch zu 40 Meilen 'korrigiert':

https://de.wikipedia.org/wiki/Harzhornereignis#Geschichtliche_Einordnung

Geschrieben hat Thietmar nun einmal von einem römischen Bauwerk, das Heinrich I. mit einer Mauer befestigte:

dMGH | Band

Der Altstraßenkorridor der Heidenstraße kreuzt die Werra bei Hedemünden und die Saale bei Merseburg. Hedemünden wurde ca. 7 v. Chr. aufgelassen. Haben sich die Römer in dieser Zeit zum Rhein zurückgezogen? Nein, haben sie nicht, sie expandierten und haben die Grenze nach Osten vorverlegt, und der nächste geeignete Grenzfluss ostwärts war die Saale. Also ist davon auszugehen, dass sich das Hedemünden Nachfolge Kastell in Merseburg befand.
Auf halber Strecke an der Heidenstraße zwischen Hedemünden und Merseburg befindet sich übrigens Hachelbich. Falls man sich mal fragt, wohin die Hachelbich-Römer wollten.

Aber zum Thema, 'Caput Iuliae/Lupiae fluminis' ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in Merseburg zu suchen, die Tiberius Überwinterung so weit im Osten wäre m. E. logistisch unmöglich gewesen.


Vorverlegung der römischen Grenze von Hedemünden (rot) an der Werra (blau) nach Merseburg (gelb) an der Saale (hellblau) entlang der Heidenstraße (braun):
 

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  • Abb. 2.4-10 Vorverlegung der roemischen Grenze von Hedemuenden nach Merseburg.jpg
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Unter der Es-kann-nicht-sein-was-nicht-sein-darf Prämisse ist ist es sicherlich eine gute Erklärung, dass Thietmar Klostermauern mit Graben und Wall eines römischen Kastells (was sonst könnte man mit einer Mauer schmücken, eine andere Mauer eher nicht) verwechselt hat. Unter der Es-kann-nicht-sein-was-nicht-sein-darf Prämisse wurden die 400 Maximinus Thrax Meilen in der Historia Augusta aber auch zu 40 Meilen 'korrigiert':
Der Unterschied ist, dass der im 4./5. Jhdt. schreibende Autor der Historia Augusta Zugang zu zuverlässigen Quellen über den Germanenkrieg des Maximinus Thrax haben konnte, denen er Details wie die Weite des Vorstoßes nach Germanien entnehmen konnte. Thietmar hingegen war weder ein zur Altersbestimmung alter Überreste ausgebildeter Archäologe noch hatte er Zugang zu irgendwelchen zuverlässigen alten Dokumenten über die Frühzeit Merseburgs, wie sich seinen eigenen Ausführungen entnehmen lässt: Dass Merseburg unter Iulius Caesar gegründet worden sei, hatte er mit Sicherheit aus keiner zuverlässigen antiken römischen Quelle, und über die Folgezeit der Stadt schrieb er selbst (1. Buch 2. Kap.), dass er dazu nichts gefunden habe, weder zuverlässige mündliche Überlieferungen noch etwas Schriftliches.
 
...ist eine ätiologische, auf Volksetymologie basierende, weil in Merseburg eine Marsburg erkennenwollende Legende.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit baute aber offenbar Heinrich I seine mauerumwehrte Kirche an einer Stelle, wo es bereits vorher irgend etwas Heidnisches gab. Das war schließlich so üblich. Vielleicht war zu seiner Zeit auch noch wesentlich mehr von eventuellen Vorbauten vorhanden. Thietmar hat diese als römisch angenommen. Er selbst dürfte nichts mehr davon vorgefunden haben.
 
Der Unterschied ist, dass der im 4./5. Jhdt. schreibende Autor der Historia Augusta Zugang zu zuverlässigen Quellen über den Germanenkrieg des Maximinus Thrax haben konnte, denen er Details wie die Weite des Vorstoßes nach Germanien entnehmen konnte. Thietmar hingegen war weder ein zur Altersbestimmung alter Überreste ausgebildeter Archäologe noch hatte er Zugang zu irgendwelchen zuverlässigen alten Dokumenten über die Frühzeit Merseburgs, wie sich seinen eigenen Ausführungen entnehmen lässt: Dass Merseburg unter Iulius Caesar gegründet worden sei, hatte er mit Sicherheit aus keiner zuverlässigen antiken römischen Quelle, und über die Folgezeit der Stadt schrieb er selbst (1. Buch 2. Kap.), dass er dazu nichts gefunden habe, weder zuverlässige mündliche Überlieferungen noch etwas Schriftliches.

Also dass Julius Caesar Merseburg gegründet hat halte ich auch für unmöglich, da hat Thietmar in die in seiner Zeit noch vorhandenen Überreste des Kastells etwas hineininterpretiert.
Thietmar war kein Archäologe, aber er war sicher auch nicht ungebildet. Und er lebte im 10. Jh., er war 1000 Jahre näher dran an den Römern als wir. Das Wissen um die Römer dürfte im frühen Mittelalter noch auf einem hohen Niveau gewesen sein, die Anlagen der Römer waren noch besser erhalten, und durch die geringere Bevölkerungsdichte war auch der Überbauungsgrad der Anlagen noch nicht sehr hoch.
 
Das ist nicht das einzige römische Bauwerk, das Thietmar "identifizierte".

Auch östlich der Elbe "identifizierte" er eine von Julius Caesar erbaute römische Stadt für über 10.000 Einwohner mit zwölf Toren...

Die Frage ist, was er identifiziert hat, also was er selbst gesehen hat, und wo seine Berichte als Sekundärquelle zu werten sind. Bei den ganzen Caesar Geschichten berichtet er m. E. über Dinge, von denen er mal irgendwie gehört hat, und die ihm auf Grund seines Wissens um römische Anlagen östlich der Weser/Werra nicht per se als unglaubwürdig schienen, gewisse Zweifel hatte er ja wohl.
Die Anlage in Merseburg dürfte er aber selbst gesehen haben.
 
Mit hoher Wahrscheinlichkeit baute aber offenbar Heinrich I seine mauerumwehrte Kirche an einer Stelle, wo es bereits vorher irgend etwas Heidnisches gab.
... oder dafür gehalten wurde.

Thietmar war kein Archäologe, aber er war sicher auch nicht ungebildet. Und er lebte im 10. Jh., er war 1000 Jahre näher dran an den Römern als wir. Das Wissen um die Römer dürfte im frühen Mittelalter noch auf einem hohen Niveau gewesen sein, die Anlagen der Römer waren noch besser erhalten, und durch die geringere Bevölkerungsdichte war auch der Überbauungsgrad der Anlagen noch nicht sehr hoch.
Zwischen den römischen Aktivitäten nahe der Elbe und Thietmar lagen aber trotzdem fast 1000 Jahre. Zum Vergleich: Was bringt es uns, dass seit dem 1. Kreuzzug erst ähnlich viel Zeit vergangen ist?
Und woher soll das Wissen um die Römer zu seiner Zeit auf einem hohen Niveau gewesen sein? Sachbücher, Internet oder Fernsehdokumentationen gab es schließlich nicht, zur Verfügung standen lediglich ein paar alte Schriftquellen, die auch nicht in jedem Kloster vollumfänglich verfügbar waren.
Anlagen der Römer mögen besser erhalten gewesen sein, was aber nicht zwangsläufig bedeutet, dass man sie auch richtig erkennen und deuten konnte.
 
Also dass Julius Caesar Merseburg gegründet hat halte ich auch für unmöglich

Soviel zur "Es-kann-nicht-sein-was-nicht-sein-darf Prämisse"...


Die Frage ist, was er identifiziert hat, also was er selbst gesehen hat, und wo seine Berichte als Sekundärquelle zu werten sind.

Diese Frage beantwortet Thietmar doch selber: Er hat das Bauwerk sorgfältig betrachtet:
"Hanc ego cum diligenter lustrarem ..."
 
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