Gehst Du zwingend davon aus, dass Ariovist in Caesars Darstellung irgendwelchen Stereotypen entsprechen muss?
Als Gefahr für Rom wird er höchstpersönlich eigentlich nicht dargestellt, sondern Caesar führt eher allgemein aus, dass der Zustrom von Germanen über den Rhein unter den Galliern zu weiteren Wanderungsbewegungen wie der der Helvetier führen könnte und auch die Germanen selbst irgendwann in die römische Provinz und weiter nach Italien einfallen könnten. Dem habe er rechtzeitig vorbeugen wollen. Dass Ariovist selbst eine Gefahr für Rom sei, behauptet er eigentlich nicht. Den Ariovist selbst stellt er eher als undankbar hin, weil er trotz der Verleihung der Titel "König" und "Freund" den römischen Wünschen nicht entgegenkomme und sich an den Haeduern als Verbündeten Roms vergreife. Diesen zu helfen, sei aber die Verpflichtung Roms gewesen. Den Krieg gegen Ariovist selbst rechtfertigt Caesar also eher mit der notwendigen Hilfe für die Haeduer, die aufgrund von Ariovists anmaßender und unnachgiebiger Haltung nur militärisch durchsetzbar gewesen sei. Die Gefahr für Rom lag eher in einer nebulösen künftigen Entwicklung, wenn man nicht bereits jetzt prophylaktisch handle.
Über Ariovists Persönlichkeit erfährt man bei Caesar eigentlich relativ wenig, da Caesar ihn so schildert, wie er ihn gerade braucht. Generell wird er als sehr selbstbewusst, stolz und überheblich dargestellt => daher sei keine friedliche Einigung mit ihm möglich gewesen und der Krieg unausweichlich. Bei Bedarf meint Caesar auch, dass Ariovist seine Erfolge eher durch Taktik und Klugheit als durch Tapferkeit errungen habe => daher sei es vertretbar gewesen, dass er sich mit den gefürchteten Germanen angelegt habe, denn für die kampferprobten und wohlgeführten (und an Kriegskunst allemal überlegenen) Römer (und Caesar) sei Ariovist zwar ein gefährlicher, aber doch bewältigbarer Gegner gewesen.
Ich nehme an, dass die Darstellung als selbstbewusst, stolz und überheblich in gewisser Weise durchaus der Realität entsprechen wird. Es ist durchaus naheliegend, dass sich Ariovist gefragt haben wird, was sich die Römer eigentlich einbilden, dass sie ihm Vorschriften machen wollen, wie er sich in dem von ihm besetzten Teil Galliens zu verhalten habe - noch dazu, wo sie ja auch einen Teil Galliens besetzt hielten. Also auch wenn Reden in antiken Werken mehr oder weniger literarisch fingiert sind, können Ariovists bei Caesar wiedergegebene Antworten gut in etwa seinen tatsächlichen Antworten entsprechen. Aus römischer Sicht wirkte sein Verhalten jedoch freilich hochmütig und kompromisslos: Es lag nun einmal im römischen Selbstverständnis, sich als Schiedsrichter aufspielen zu wollen, und die Hilfe für Verbündete als rechtliche und moralische Verpflichtung hatte schon oft als Vorwand herhalten müssen. Wer sich diesem Anspruch entgegenstellte, war daher aus römischer Sicht ein überheblicher Typ, den in die Schranken zu weisen gutes Recht war.