Der Knick im Limes

zaphodB.

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Der Blog unseres limeswandernden Forenfreundes Mummius Picius hat mich bewogen, gerade mal wieder in einem Buch über den Limes zu blättern und dabei fällt mir mal wieder was ins Auge,über was ich mich schon immer gewundert habe:
Der Limes geht ja von Miltenberg am Main aus stracks nach Süden um bei Lorch fast rechtwinklig abzuknicken Richtung Böbingen-Aalen-Gunzenhausen um dann bei Eining auf die Donau zu treffen . Dabei schneidet er jeweils zwei Mal die Täler von Jagst,Kocher und Altmühl sowie ein Mal das Wörnitztal.
Wieso gibt es dieses Limesknie bei Lorch und wieso hat eine taktisch und strategisch so gut organisierte Armee wie die der Römer nicht den Grenzwall entlang von Altmühl und Tauber gezogen ?
 
Die diagonale Diretissima über die Tauber-Altmühl-Linie hätte die Grenzlininie in dem bereich fast um die Hälfte verkürzt , die Versorgung der Grenzbefestigungen über die beiden Flüsse ermöglicht und überdies mit den Tälern von Main, Aisch und Rezat Aufmarschlinien ins Vorfeld geboten.
Dass man solche Vorteile nicht nutzte könnte eigentlich nur an widrigsten Geländevehältnissen oder dem Vorhandensein einer starken Gegenkraft in dem fraglich Bereich gelegen haben,die eine weitere römische Expansion verhindert hätte, Aber es gibt weder solche Geländeverhältnisse noch ist eine größere Regionalmacht in dem Gebiet belegt.
Eigentlich befanden sich im dortigen Limesvorfeld nur zwei kleinere germanische Siedlungsgebiete , nämlich zwischen dem Unterlauf von Jagst und Kocher und zwischen mittlerem Taubertal und Maindreieck.
Also kein echtes Hindernis für die Legionen Roms.

Auch die Quellen erwähnen keine solche Macht. Marbods Einflußbereich lag ja weiter östlich.
 
Ich gehe davon aus, daß die Hermanduren im frühen ersten Jahrhundert in das weitgehend verlassene Gebiet südlich des Mains einwanderten. Ich meine, das geschah sogar auf Betreiben Roms. Sie waren enge Verbündete der Römer und hatten auch nicht an Arminus' Koalition teilgenommen. Wie übrigens noch viele andere Stämme. Die Hermanduren hatten auch Sonderrechte, was die Überquerung des Limes angeht.

Das war vielleicht der Hauptgrund, warum man die Grenze nicht Richtung Main vorgeschoben hat.

Auch nehmen einige Historiker an, daß es im Dekumatland durch linksrheinische gallische und germanische Stämme zu wilder Besiedlung kam. Irgendwann musste man diese Herrschaften wirksam beschützen. Also zog man zwischen ihnen und den freien Germanen schrittweise den den Limes. In Hessen erklärt sich der Verlauf eher durch die Chattenkriege.

Das mit den engen Verbündeten erledigte sich dann allerdings, als die Hermanduren in den Markommankriegen die Seite wechselten.
 
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Große Flüsse wie Rhein, Donau oder Untermain eignen sich als Grenze oder Transportweg. Kleinere wie Tauber und Altmühl eher nicht. Da sind Höhenwege und Höhenzüge, von denen aus man einen Überblick hat, nützlicher. Ob das beim Limes ein entscheidender Gesichtspunkt war, will ich aber mangels tieferer Einsicht trotzdem nicht behaupten.
Höhenweg ? Wikipedia
 
Es freut mich, dass mein Blog auch mal zu einer Diskussion führt! Dietwulf Baatz beschreibt in seinem kleinen, schweren Buch "Der römische Limes", dass diese Grenzlinie im wahrsten Sinne des Wortes durch Niemandsland ging: mit einigen Meilen zu römischen bzw. germanischen Interessengebieten, also weder durch besonders fruchtbare noch besonders bodenschatzreiche Regionen. Das ist insoweit noch heute nachzuvollziehen, als dass der Limes in manchen Gegenden das einzig attraktive Ding ist, mit Auswirkungen auf Infrastruktur und Besiedlung (es war verdammt schwer, an manchen Orten schiere Unterkünfte zu organisieren).

Für den römischen Strategen war es eine Abwägung zwischen den wirtschaftlichen Interessen und der mittelfristigen Effizienz. Dass der Limes prinzipiell nicht als statische Linie angelegt war, beweist der Odenwaldlimes; vielleicht hätte unter anderen Auspizien auch der Main-Donau-Limes noch seine Erweiterung und Ausdehnung - wie Du es sagst - erfahren. Vielleicht waren Ausbau und Befestigung in der unter Hadrian erfolgten Weise von Traian gar nicht vorgesehen.

Die 80 km lange, pilegrade Strecke zwischen Walldürn und Welzheim ist ein Rätsel. Weder eignet sich hier die Landschaft für diese Trassenführung, noch besteht hier eine besondere Notwendigkeit. Ich habe Erläuterungsversuche gehört, nach denen das ein "in your face" für die Germanen sein sollte; anderswo wird behauptet, diese Ausrichtung läge an der Pedanterie des Streckenabschnittsverantwortlichen.

Der Knick ist übrigens an einem Sommertag gut sichtbar. Der Wanderweg führt über einen Golfplatz, wo in der Nähe dieser Stelle Abschläge geübt werden; die Bälle sammeln sich genau an dem Punkt, wo der Limesknick ein unmerkliches Hindernis in die sanften Hügel einbaut, und ergeben ein etwas dichteres weißes Tüpfelmuster wie Margeriten auf einer Wiese.
 
Man könnte sich auch mal die Bodenbeschaffenheit ansehen. Dass die Römer geschickte Baumeister waren ist klar, aber wenn eine Strecke z.B. mit einem Viertel des Aufwands (pro Meter) nur um die Hälfte verlängert wird, mag es eine Rolle spielen (sofern das zu umschließende Terrain nicht als allzu wichtig erachtet wurde). Vielleicht ist das gemiedene Terrain in der Hinsicht ja einfach generell wesentlich mühsamer als die Alternativroute.

(Ich komme darauf, weil ich mal mit Gatterbau meine Brötchen verdient habe. Irgendwann zog Chef einen bombigen Auftrag an Land, dummerweise wurden da die Gatter nicht im Wald gezogen sondern es galt, Steinbrüche einzuzäunen. Da war der Unterschied im Aufwand schnell mal bei Faktor 10.)
 
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https://www.google.de/maps/@48.8462233,9.6502783,351m/data=!3m1!1e3?hl=de

Leider kann man auf dem Google Earth Bild die Golfbälle nicht (mehr) erkennen. Ist vielleicht auch nicht an dem Tag aufgenommen worden, als wir da vorbei liefen.

Matze: die haben im Taunus streckenweise die Gräben für die Palisade aus dem Stein gemeisselt, der direkt über einer dünnen Erdschicht anlag. Und die "gerade Linie" führt in canyonartige Täler (und wieder raus) …
 
Ist der "Knick" nicht im Wesentlichen durch den Winkel Neckar/Donau vorgegeben, und der Verlauf der späteren Limesanlage ergab sich durch eine Ostverschiebung des Neckarlimes um etwa 40km und eine etwa ebensolche Nordverschiebung der Donaugrenze?
 
Die 80 km lange, pilegrade Strecke zwischen Walldürn und Welzheim ist ein Rätsel. Weder eignet sich hier die Landschaft für diese Trassenführung, noch besteht hier eine besondere Notwendigkeit. Ich habe Erläuterungsversuche gehört, nach denen das ein "in your face" für die Germanen sein sollte; anderswo wird behauptet, diese Ausrichtung läge an der Pedanterie des Streckenabschnittsverantwortlichen.
Was genau ist ein "in your face"?

Es gibt die Theorie, dass es eine Machtdemonstration gewesen sein soll, die zeigt, dass die Römer die Natur insoweit beherrschten, dass sie eine Grenze jenseits aller "Logik" bauen konnten, die keinerlei Rücksicht auf die natürlichen Begebenheiten nehmen brauchte.

In dem dazugehörigen Aufsatz fand ich das gar nicht so unschlüssig dargelegt. (Bei Interesse kann ich die Literaturangabe nachliefern).
 
Der Knick befindet sich an der Stelle, an der die Provinzen Germania Superior und Raetia aufeinandertreffen. Da für den Bau die jeweiligen Statthalter verantwortlich waren und beide wahrscheinlich eher ihre Interessen oder vielleicht sogar die Interessen ihrer Provinz im -Auge hatten, dürfte dies die Erklärung für den aus der Sicht zweier Statthalter gar nicht so seltsamen Knick ergeben.

Die gerade Strecke kann auch auf einem missverständlichen Befehl beruhen, etwa so: "Und wegen ihrer schlechten Leistungen übernehmen sie das jetzt mal mit dem Limesbau. Ungefähr x Meilen von unserer letzten Ansiedlung aber möglichst gerade. Strengen sie sich an. Wenn sie das gut durchführen, spielen ihre letzten Verfehlungen keine Rolle mehr."

Dann muss das mit dem Aufwand nicht jedem Offizier bekannt gewesen sein.

Und, und, und ...

Irgendwie kann man da doch nur mögliche Ursachen aufzählen.
 
Der Knick befindet sich an der Stelle, an der die Provinzen Germania Superior und Raetia aufeinandertreffen. Da für den Bau die jeweiligen Statthalter verantwortlich waren und beide wahrscheinlich eher ihre Interessen oder vielleicht sogar die Interessen ihrer Provinz im -Auge hatten, dürfte dies die Erklärung für den aus der Sicht zweier Statthalter gar nicht so seltsamen Knick ergeben. ....

Das hat einiges für sich -was nicht heißen muss, dass es so war. Der eine hat "die Front von Süden aufgerollt", der andere von Westen. Die "Frontbegradigung" im jeweiligen Bereich ist im Schnittpunkt unterblieben.

Eine ziemlich detaillierte Karte des Odeneald-Limes, die auch die Topographie erkennen lässt, gibt es da:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/71/Odenwaldlimes.svg
 
Ist der "Knick" nicht im Wesentlichen durch den Winkel Neckar/Donau vorgegeben, und der Verlauf der späteren Limesanlage ergab sich durch eine Ostverschiebung des Neckarlimes um etwa 40km und eine etwa ebensolche Nordverschiebung der Donaugrenze?

Das würde ich im Prinzip so sehen. Mit der einen Einschränkung, dass man nicht genau weiß, was Antoninus Pius reichspolitisch mit seinen Limesvorverlegungen (auch in Schottland) vorhatte.

Aus meiner Sicht ging es aber bei der Vorverlegung in Germanien weniger um den Territorialerwerb und auch eher indirekt ums militärstrategische.
Die Expansion im rechtsrheinischen Südwestdeutschland hatte drei Phasen:

1. Noch unter Vespasian wurde eine Straße gebaut, die das Oberrheintal mit dem Donautal verband und die durch den südlichen Schwarzwald führte. Hier entstand die früheste, lockere Kastellkette. Die Überlegungen geschahen zunächst unter Verkehrsgesichtspunkten.

2. Unter Domitian/Trajan wurden die Kastelle an den Neckar vorgeschoben. Eine Kastellkette in der schwäbischen Alb führte nach Rätien, wo der Bogen nördlich der Donau im Osten schon seine ursprüngliche Ausdehnung erreichte. Weit östlich, in eine wohl nahezu unbewohnte Gegend, wurde der Odenwaldlimes eingezogen, der sozusagen eine weiträumige Vorfeldsicherung für die Nord-Süd-Straßen im Rheintal darstellte.

3. Besonders im Neckartal prosperierte die zivile Siedlung. Sicherlich bestand ein gewisser Reiz, auch das rechte Neckarufer agrarisch nutzen zu können. Dies machte man möglich, indem der ganze Odenwald- und Neckarlimes vorgeschoben wurde - und der "Knick", der im Ursprung unter Vespasian schon vorhanden war und bei Hüfingen im Schwarzwald lag, hatte sich einfach um 170 Kilometer nach Nordosten verschoben.
 
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https://www.google.de/maps/@48.8462233,9.6502783,351m/data=!3m1!1e3?hl=de

Leider kann man auf dem Google Earth Bild die Golfbälle nicht (mehr) erkennen. Ist vielleicht auch nicht an dem Tag aufgenommen worden, als wir da vorbei liefen.

Matze: die haben im Taunus streckenweise die Gräben für die Palisade aus dem Stein gemeisselt, der direkt über einer dünnen Erdschicht anlag. Und die "gerade Linie" führt in canyonartige Täler (und wieder raus) …

Die Limesführung im Taunus finde ich ganz erstaunlich und viel mysteriöser als den "Knick", besonders den Abschnitt zwischen dem Kastell Heftrich und Butzbach. Es ist seltsam, dass die Römer hier nicht schnurgerade von Heftrich nach Nordosten weiterbauten und die Wetterau mit einer Trasse durch das Usinger Becken anpeilten. Stattdessen wählten sie von dort aus einen steilen Anstieg und das schwierigste in dieser Gegend denkbare Gelände - einige Türme standen auf 700 Meter Höhe, dass Kleinkastell am Sandplacken liegt auf 670 Höhenmetern. Der Limes folgt eine ganze Weile dem Taunushauptkamm und beim Kastell Langenhain wird urplötzlich das Konzept gewechselt. Nun verläuft der Limes auf einmal in der Ebene, und die letzten nördlichen Taunusgipfel werden "links liegen" gelassen, während man südwestlich davon die höchsten Erhebungen unbedingt dabei haben wollte.
 
Die Limesführung im Taunus finde ich ganz erstaunlich und viel mysteriöser als den "Knick", ...

Eine Theorie besagt, daß die Kohorten einfach dort stehen blieben, wo sie sich bei Ende des Krieges mit den Chatten befanden. Die Lager wurden nie verlegt, aber befestigt. Irgendwann hat man dann den Limes an den Kastellen entlang gezogen.
 
Nun,der Odenwaldlimes scheint noch nach dem gleichen Konzeptwie der Taunuslimes angelegt zu sein, er nutzt nämlich bis Neckarburken eine Kammlinie des Gebirges aus .
Der östlich davon liegende rätische Limesteil ignoriert dagegen weitesgehend die Topographie.
Da ich einmal eine Radtour durch das Altmühl-und Taubertal gemacht habe kenne ich die dortige Topographie recht genau und die wäre ideal für eine Grenzbefestigung gewesen.
Hier lief ohnehin ein alter Handelsweg und man hätte sie auf den Höhen über den Tälern errichten können und nur die Rotheburger schwelle überwinden müssen, zumal die Altmühl bis Gunzenhausen ohnehin ins Limeskonzept eingebunden war.

Die Argumentation bezüglich der beiden Provinzgrenzen klingt auf den ersten Blick einleuchtend, aber dass die Planung eines solchen Befestigungswerkes wie des Limes den jeweiligen Provinzgouverneuren hätte obliegen sollen, scheint mir nicht ganz nachvollziehbar .Ein Projekt dieser Größenordnung war eigentlich in jeder Kultur Sache der Zentrale und auch der Taunuslimes wurde nicht vom Gouverneur in Mainz sondern vom Kaiser in Rom geplant..
 
@ großes Projekt: Gewiss, wir sind beeindruckt, aber wie lange brauchte nochmals Cäsar, um wieviel Kilometer vor Alesia zu befestigen? Und Soldaten wollen beschäftigt sein, um nicht auf dumme Gedanken zu kommen. Der limes legte die Grenze nicht fest. Er zementierte sie.

Historisch ist mehrfach belegt, dass die germanischen Provinzen nicht mehr ausgedehnt werden sollten. Auch so können die Provinzgrenzen zum Knick geführt haben.

Oder lag da ein germanisches Heiligtum, um das es zum Krieg gekommen wäre? Pure Spekulation. Daher scheint es auch hier für mich mehrere mögliche Lösungen zu geben. Da aber zwei Besonderheiten - Limesknick und Provinzgrenzen - aufeinandertreffen ist ein Zusammenhang naheliegend. Doch nicht immer ist es die eleganteste Lösung.
 
Nach etwas Nachdenken gebe ich zu, dass die Anweisungen aus der Zentrale vielleicht doch genauer waren. Wir wissen nicht, welche geographischen Vorstellungen dort zu welcher Zeit herrschten. Wenn Karten ähnlich der Tabula Peutingeriana (Darauf gehörte das Dekumatland nicht mehr zum Reich und ist nicht dargestellt.) regelmäßig für die Planungen benutzt wurden, mag der Knick nicht aufgefallen sein. Die regelmäßige Nutzung wird ja auch die ursprüngliche vielleicht korrektere Vorstellung verformt haben.

Wie schon ausgeführt, können dazu noch unklare Befehle kommen.
 
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