Die römische Legion im Aufbau und Aktion

AntoninusPius

Neues Mitglied
Hallo liebe Forum-Leser :winke:
ich beschäftige mich derzeit mit der Organisation der römischen Legionen zur Kaiserzeit (zur Abgrenzung: um 105 n. Chr., unter Kaiser Trajan):

Organisation einer Legion:
Besteht aus 10 Kohorten
Erste Kohorte (1. Kohorte): 5x Doppel-Centurie --> 800 Mann
Standard Kohorte (2.-10. Kohorte): 6x Centurie --> 480 Mann
Centurie: 80 Mann | Manipel: 160 Mann (2x Centurie)
Reiterei: 120 Mann | Insgesamt-Sollstärke: 5.240 Mann

Ich möchte nun wissen, ob z.B. der...
-Centurio (Befehlshaber der Centurie),
-Optio (Stellvertreter des Centurio),
-Signifer (Standartenträger der Centurie),
-Cornicen (Feldhornist einer Centurie),
-Frumentarii (Nachrichtenunteroffizier einer Centurie) und
-Speculatores (Aufklärungsunteroffizier einer Centurie)
...bei einer Centurie (80 Mann) schon inkludiert sind, oder diese 80 Mann reine Legionäre sind (Milites Gregarius oder Immunes) und die oben genannten noch extra dazu kommen, folglich hat eine Centurie ein Soll-Stärke von 86 Soldaten insgesamt.

Bin ich hier nun komplett auf dem Holzweg oder kommt das so hin:confused::confused::confused:
Eine weitere Unklarheit, habe ich bezüglich der Testudo (Schildkrötenformation). Wie viele Legionäre einer Centurie bildeten eine Testudo? Wohl kaum die ganzen 80 Mann, oder? Also wurden z.B. pro Centurie 4 Testudos gebildet mit jeweils 20 Mann. Vorallem im Getümmel einer Schlacht, da benötigt es extrem viel Disziplin, Ordnung und Schnelligkeit. Bei einer Belagerung einer Stadt kann man sich schön gemütlich formieren und auf die Stadt zulaufen im Gegensatz zu einer offenen Feldschlacht.

Danke für eure konstruktiven Beiträge!
 
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Du machst hier den Denkfehler jeder Centurie eine bestimmte Funktion zuzuweisen.

Richtig ist, daß jede Centurie einen Optio, Signifer und Tesserarius hatte, möglicherweise noch einen Librarius der den Signifer bei der Administration der Centurie unterstützte. Wir wissen aber selbst bei den drei sicheren taktischen Chargen nicht, ob sie Supernumerarii waren, also zu den 80 Mann hinzugezählt werden müssen.

Unklar ist, ob jede Centurie einen Cornicen hatte und ob jede Centurie einen Custos Armorum hatte. Eher unwahrscheinlich, da eine Legion wahrscheinlich etwas mehr als 30 Cornicen hatte.

Alle anderen Unteroffizierchargen finden sich nur im Stab der Legion, sind also dem Legaten, den Tribunen oder dem Praefectus Castrorum zugeordnet. Dazu zählen der Cornicularius als Bürochef des Legaten und seine Librarii (Adiutores, Exceptores, Exactores, Tabularii, ....). Ebenso Beneficarii der Offiziere, die man als ZbV bzw. Adjutanten im weitesten Sinne bezeichnen sind. Diese Stabsunteroffiziere stehen im Rang über den taktischen Unteroffizieren der Centurie.

Die von dir genannten Stabsunteroffiziere wie die Speculatores (Ermittler), Frumentarii (Logistiker), wie auch die Quaestionarii ("Foltererknechte"), Commentariensis (Justizbeamte) und Andere finden sich dagegen nur im Stab eines Statthalters, also des Legatus Augusti pro Praetore, nicht aber im Stab des einfachen Legatus Legionis. Die Frumentarii wurden später sogar in einer zentralen Einheit mit Heimatstandort in Rom zusammengefasst. Auch veränderte sich ihre Funktion. Man muß bedenken, daß die römische Verwaltung des frühen Principats kaum zivile Beamte kannte. Neben wenigen republikanischen Apparitores und zunehmend kaiserlichen Freigelassenen (allerdings mehr in den Stäben der Prokuratoren) wurden vorwiegend Soldaten für die zivile Verwaltung einer Provinz eingesetzt.

All diese Stabsunteroffiziere standen weiter auf der Payroll einer Centurie. Selbst wenn sie in der Provinzhauptstadt dienten, oder auch an eine Nachparprovinz ohne Legion, oder an einen Prokurator abkommandiert waren. Denn in der römischen Legion zahlte nur ein Signifer Sold aus. Ergo musste man zu einer Centurie gehören. Und das waren definitiv nicht nur Centurien der ersten Kohorte, wie man annehmen könnte.

Es muß aber schwer angezeifelt werden, daß all diese Stabsunteroffiziere in der Schlacht eingereiht wurden. Erstens hatten sie Wichtigeres zu tun, als eine Schlacht zu schlagen oder waren viel zu weit weg, und zweitens wird keine Legat mit einem Gehirn seinen Cornicularius kämpfen lassen, und damit einem Risiko aussetzen.

Es ist eine lange Diskussion unter Historikern, ob es so etwas wie eine Sollstärke in der römischen wirklich gab, und wie hoch sie war. Die Zahlen, die wir kennen, sprechen eher dafür, daß eine Centurie im Kampf, etwa in der Varusschlacht, zwischen 60 und 80 Mann inklusive aller eingereihten Unteroffiziere ins Feld führte. Der Rest hatte Wichtigeres zu tun, wie etwa die Provinz am Laufen halten.

Zum Aufbau der römischen Armee ist immer noch Domaszewskis Standardwerk von 1905 maßgebend. Neuere Erkennnisse findet man in diversen Artikeln von David Breeze, Brian Dobson, Konrad Stauner und Michael Speidel. Die Rangordnung der römischen Unteroffiziere ist dabei das Komplexeste, was die römische Armee zu bieten hat. Insbesondere durch die enge Verflechtung militärischer und ziviler Aufgaben Derselben.

http://link.library.utoronto.ca/boo...transcript=off&CFID=39519239&CFTOKEN=60674497
 
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Eine weitere Unklarheit, habe ich bezüglich der Testudo (Schildkrötenformation). Wie viele Legionäre einer Centurie bildeten eine Testudo? Wohl kaum die ganzen 80 Mann, oder? Also wurden z.B. pro Centurie 4 Testudos gebildet mit jeweils 20 Mann. Vorallem im Getümmel einer Schlacht, da benötigt es extrem viel Disziplin, Ordnung und Schnelligkeit. Bei einer Belagerung einer Stadt kann man sich schön gemütlich formieren und auf die Stadt zulaufen im Gegensatz zu einer offenen Feldschlacht.

Zur Testudo gibt es meines Wissens keine sonderlich detaillierten Belege. Es scheint, daß die Testudo fast nur bei Belagerungen eingesetzt wurde. Und dann wohl von so viel Mann, wie es der Situation angebracht erscheint.

In Feldschlachten ist die Testudo eher nicht notwendig. Gegen massiven Beschuß durch Bogenschützen reicht ein einfaches, schräges Anheben der Schilde der eng stehenden Reihen vollkommen aus. Auch die von Re-Enactern gerne gezeigte Anti-Kavallerie-Formation ist Ergebnis experimenteller Archäologie. Erstmals gezeigt von einer italienischen Gruppe. Die historischen Quellen dazu sind sehr ungenau und lassen jede Menge Raum für Spekulation.

Unser Bild von der Testudo wurde wohl mehr durch Hollywood als durch die historische und militärische Wirklichkeit geprägt. Zumindest spielt die Testudo in ernsthaften wissenschaftlichen Werken eine eher untergeordnete Rolle.
 
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