Zur Frage der Karthager bzw. Römer in Iberien während des 2.Punischen Krieges:
Livius beschreibt recht anschaulich, dass die römische Gesandschaft, nachdem die förmliche Kriegserklärung in Karthago ausgesprochen worden war (Liv 21,19), weiter nach Iberien reiste, um sich mit den dortigen Stämmen zu verbünden und diese den Karthagern abspenstig zu machen. Die Antwort des Ältesten der Volcanier wird zitiert:
"Mit welcher Unverschämtheit, ihr Römer, verlangt ihr, dass wir eure Freundschaft der karthagischen vorziehen sollen, da ihr an den Saguntiern, die dies getan haben, als Bundesgenossen mit mehr Grausamkeit zu Verrätern geworden seid, als die Punier, ihre Feinde zu Mördern? Ich dächte, ihr suchtet Bundesgenossen, wo man vom Unglück Sagunts nichts weiß. Für Spaniens Völker werden die Trümmer Sagunts eine ebenso deutliche wie traurige Mahnung sein, sich auf Roms Treue und Bündnis nicht zu verlassen."
Natürlich waren sich die Iberer nicht klar, ob sich Rom wirklich in Iberien gegen die Karthager durchsetzen kann und wie stark Rom intervenieren wird, ein Teil der politischen Führungen wird taktisch abgewartet haben: ein Beispiel ist der besonders loyal Karthago gegenüber geltenden Iberer namens Abelux, der die vornehmen iberischen Geiseln, die in Sagunt gefangen gehalten wurden, und die dieser den Römern (den Scipionen) in die Hände spielte (LIV 22,22, Pol 3,98).
Bis dahin ist Rom mehr als Begrenzer des Machtzuwachses der Barkiden denn als eigenständige Interessen vertretende Macht in Iberien aufgetreten, ebenso sah sich Rom als Interessenswächter Massalias und seiner Niederlassungen. Der auch bei Polybios und Livius zitierte Ebrovertrag mit dem Barkiden Heerführer Hasdrubal, zur Kriegsschuldfrage unten mehr, wird damit begründet, dass man defensiv gegen die "gallische Bedrohung" (oder für die eigene Expansion) die Hände frei haben, und eine Intervention Karthagos in einem Oberitalienischen gallischen Krieg verhindern wollte, indem die Einflussphären gegenseitig abgegrenzt und vertraglich festgehalten wären (Keltenkrieg in Oberitalien 225-222 BC) - der Vertrag wurde 226/225 geschlossen.
Die Loyalität zu einer der in Iberien agierenden Großmächte schwankte nicht nur im Verlauf des Krieges, sondern hatte sicher auch inneriberische Konfliktlinien zur Ursache, in denen sich ein Bündnispartner einen Vorteil durch eine Schutzmacht versprachen (so hätten aus karthagischer Sicht die Saguntier die Belagerung von Sagunt provoziert, weil sie die Turdetaner angegriffen hätten). Ein weiteres schönes Beispiel ist der König der Ilergeten, ich stelle einfacherhalber den wikilink ein, der mehrfach die Seiten wechselte und sogar zweimal direkt nach Beendigung des Punischen Krieges in Hispanien den Aufstand gegen die Römer wagte (
https://de.wikipedia.org/wiki/Indibilis). Andererseits gab es auch treue Bündnispartner (freiwillig oder unfreiwillig) wie für die Römer die Cissetani, die Gentes, auf deren Boden sie Tarraco gründeten (heute Tarragona), das während der ganzen Spanienkampagne Winterlager und Nachschubbasis blieb (Livius nennt sie Freunde und Verbündete Roms, die einheimischen Fischer hätten sich angeblich an der Einnahme und Belagerung Carthago Novas 210 BC beteiligt).
Nachträglich wollte ich einen quellenkritischen Text von Ralf Urban anhängen:
auch um zu zeigen wie Bdain schon sagte, dass es durchaus wissenschaftlich üblich ist, römische Quellen kritisch zu betrachten (in diesem Fall, obwohl uns leider karthagische Quellen fehlen), und um Gangflow zu zeigen, dass diese wissenschaftliche Hypothesenbildung an bestimmte Bedingungen geknüpft ist (Überprüfbarkeit, Widerspruchsfreiheit, Falsifizierbarkeit). An sich ist dazu jedoch schon genug gesagt worden.
Urban stellt im Text den Zusammenhang zwischen Ebrovertrag und oberitalienischen Krieg 225 -222 neu her, insbesondere betrachtet er den Scipionenfreundlichen Polybios kritisch. Seiner Meinung nach versuchte die römische Geschichtsschreibung die Kriegsschuldfrage eindeutig auf Hannibal und Karthago zu verschieben, und sucht auch für die "gallische Aggression" widersprüchliche Begründungen zu liefern, und verschleiert eventuell, wie oben schon angedeutet, dass Rom selbst nach Oberitalien expandieren wollte.
https://books.google.de/books?id=Kkgd4Ny53W8C&pg=PA277&lpg=PA277&dq=roms+gallierkrieg+225%E2%80%93222+v.+chr.+und+der+ebrovertrag&source=bl&ots=F5W-jsaa31&sig=iS2dZcDviNjldvYSSwAdYc1qdMI&hl=de&sa=X&ved=0CDYQ6AEwBGoVChMIwL7C4OvsxwIVgZssCh0sOgAu#v=onepage&q=roms%20gallierkrieg%20225%E2%80%93222%20v.%20chr.%20und%20der%20ebrovertrag&f=false