Alfirin
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Es gibt in Irland seit Jahrzehnten eine - gelinde gesagt - recht lebhafte Debatte darüber, ob die Römer versucht haben könnten, die Insel zu erobern. Mindestens mit dem Gedanken gespielt haben sie offenbar, wie wir Tacitus entnehmen können, der seinen Schwiegervater Agricola tönen läßt, Irland sei leicht mit einer einzigen Legion und ein paar Hilfstruppen zu nehmen. Bei Juvenal gibt es eine Textstelle (Satura II, 159f.), die sich sogar so lesen ließe, als hätte es wenigstens eine Art Militärexpedition an die Gestade von "Iuverna" gegeben. Andere antike Quellen bezeugen zumindest intime Kenntnis von Land und Leuten.
Es gibt in Irland bisher keine nachgewiesenen Lager, keine Römerstraßen oder ähnliches, was die Anwesenheit römischer Truppen deutlich belegen würde. Es gibt durchaus eine ganze Reihe von Funden römischer Provenienz, Keramik, Münzen, Fibeln etc. Im allgemeinen lassen sich solche Funde außerhalb des Imperiums gut erklären mit Handel und/oder Beutezügen. Speziell in Irland scheinen Funde insbesondere des 1./2. Jhds. aber überwiegend konzentriert aufzutreten und wenig durchmischt mit einheimischem Material. Hinzu kommen eine Reihe von Bestattungen "in römischem Stil", so Richard Warner. Warner wertet all dies als Indiz für eine römische Militärpräsenz in Irland (wobei er in anderen Schriften hilfsweise auch von Exil-Iren ausgeht, die von den Römern lediglich gedrillt und ausgerüstet wurden). Das Fehlen militärischer Infrastruktur macht ihm keine Sorgen: Auch Caesars versuchte Invasion Britanniens sei bislang archäologisch ja nicht belegbar.
Warner steht mit seiner Hypothese nicht ganz alleine da. Die Mehrheit seiner irischen Kollegen folgt aber natürlich einer vorsichtig-konservativen Interpretation: Kontakte und Handelsbeziehungen zum römischen Reich hat es sicherlich gegeben, möglicherweise römische oder romano-britische Handelsstützpunkte an der Küste und dort dann eben auch die Anwesenheit einer überschaubar großen zivilen römischen "Community", die ihre Toten auf gewohnte Weise bestattet hat. Ungeschickterweise wurden die allermeisten der fraglichen Gräber im 19. und frühen 20. Jhd. entdeckt und offenbar sehr schlecht dokumentiert, so daß sich nicht mehr klären läßt, ob vielleicht nicht doch ein militärischer Kontext vorliegen könnte.
Kräftig befeuert wurde dann die Debatte Mitte der 90er Jahre durch einerseits Funde auf der Landzunge von Drumanagh, etwa 25km nördlich von Dublin, andererseits die Berichterstattung darüber in irischen Massenmedien. Drumanagh ist nach drei Seiten von steilen Klippen umgeben und auf der Landseite durch einen Dreifachgraben geschützt. Das so eingegrenzte Areal ist 40 acres groß, umgerechnet 16 Hektar - ausreichend groß also für Agricolas "eine Legion plus ein paar Hilfstruppen". Die Funde umfassen unter anderem Münzen aus der Zeit zwischen Titus und Hadrian plus anderes Material dieser Zeitstellung, allerdings eben alles Importware, nichts Einheimisches. Die Funde stammen teilweise aus den 70er Jahren, einige sogar schon aus den 50ern, schlagartig ins Rampenlicht gerückt wurden sie aber erst Anfang 1996 durch einen Artikel der britischen "Sunday Times", in dem Warner und andere namhafte Wissenschaftler ihre Überzeugung zum Ausdruck brachten, Drumanagh sei eindeutig eine römische Anlage, ein Brückenkopf der römischen Invasionsarmee. Drei Tage später erschien in der "Irish Times" eine geharnischte Replik von Michael Herity, einem der renommiertesten Archäologen Irlands und damals Präsident der Royal Irish Academy, das Thema war damit endgültig dem gepflegten wissenschaftlichen Diskurs im Elfenbeinturm entfleucht und wurde in der Folgezeit phasenweise richtig unschön (im Detail hier nachzulesen).
Unabhängig von der wenigstens zeitweise aus dem Ruder gelaufenen Debatte ist die eigentliche Crux an der Sache: Die Funde von Drumanagh wurden, abgesehen von einigen Lesefunden in den 50ern, von Raubgräbern gemacht, von den Behörden bei einer Auktion in London in den 80ern beschlagnahmt und seither im National Museum of Ireland eingelagert. Eine Serie von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Republik Irland, den Findern und dem Grundbesitzer hat bis heute eine umfassende Bearbeitung verhindert, mindestens für einen Teil der Funde sogar das simple Veröffentlichen von Fotos. Archäologische Ausgrabungen in dem Areal hat es bisher keine gegeben, scheinbar nur eine kleine Testsondage ohne nennenswerten Befund außen an der Grabenanlage. Alle paar Jahre (zuletzt 2014) gibt es palamentarische Initiativen, das Gelände zu kaufen, um es der Wissenschaft endlich zugänglich zu machen und insgesamt besser zu schützen, alle paar Jahre nämlich werden wieder Raubgräber dort ertappt, von den nicht ertappten ganz zu schweigen. Man wurde bisher nur nicht handelseinig mit dem Grundeigentümer, was im Speckgürtel rund um Dublin und den dort explodierenden Grundstückspreisen in den 80ern und 90ern nicht verwundert. Auch das gesteigerte öffentliche Interesse nach dem per Zeitung ausgetragenen Wissenschaftlerstreit dürfte dazu beigetragen haben, den geforderten Preis in den Verhandlungen nach oben zu treiben. Andererseits ist fraglich, ob ohne diesen Streit das öffentliche Interesse groß genug gewesen wäre, um wiederholt das Parlament zu beschäftigen und überhaupt weiter über den Grundstückskauf zu verhandeln.
Nur mal so am Rande bemerkt um aufzuzeigen, daß es auch an anderen Rändern des Imperiums spannende Themen gibt .
Es gibt in Irland bisher keine nachgewiesenen Lager, keine Römerstraßen oder ähnliches, was die Anwesenheit römischer Truppen deutlich belegen würde. Es gibt durchaus eine ganze Reihe von Funden römischer Provenienz, Keramik, Münzen, Fibeln etc. Im allgemeinen lassen sich solche Funde außerhalb des Imperiums gut erklären mit Handel und/oder Beutezügen. Speziell in Irland scheinen Funde insbesondere des 1./2. Jhds. aber überwiegend konzentriert aufzutreten und wenig durchmischt mit einheimischem Material. Hinzu kommen eine Reihe von Bestattungen "in römischem Stil", so Richard Warner. Warner wertet all dies als Indiz für eine römische Militärpräsenz in Irland (wobei er in anderen Schriften hilfsweise auch von Exil-Iren ausgeht, die von den Römern lediglich gedrillt und ausgerüstet wurden). Das Fehlen militärischer Infrastruktur macht ihm keine Sorgen: Auch Caesars versuchte Invasion Britanniens sei bislang archäologisch ja nicht belegbar.
Warner steht mit seiner Hypothese nicht ganz alleine da. Die Mehrheit seiner irischen Kollegen folgt aber natürlich einer vorsichtig-konservativen Interpretation: Kontakte und Handelsbeziehungen zum römischen Reich hat es sicherlich gegeben, möglicherweise römische oder romano-britische Handelsstützpunkte an der Küste und dort dann eben auch die Anwesenheit einer überschaubar großen zivilen römischen "Community", die ihre Toten auf gewohnte Weise bestattet hat. Ungeschickterweise wurden die allermeisten der fraglichen Gräber im 19. und frühen 20. Jhd. entdeckt und offenbar sehr schlecht dokumentiert, so daß sich nicht mehr klären läßt, ob vielleicht nicht doch ein militärischer Kontext vorliegen könnte.
Kräftig befeuert wurde dann die Debatte Mitte der 90er Jahre durch einerseits Funde auf der Landzunge von Drumanagh, etwa 25km nördlich von Dublin, andererseits die Berichterstattung darüber in irischen Massenmedien. Drumanagh ist nach drei Seiten von steilen Klippen umgeben und auf der Landseite durch einen Dreifachgraben geschützt. Das so eingegrenzte Areal ist 40 acres groß, umgerechnet 16 Hektar - ausreichend groß also für Agricolas "eine Legion plus ein paar Hilfstruppen". Die Funde umfassen unter anderem Münzen aus der Zeit zwischen Titus und Hadrian plus anderes Material dieser Zeitstellung, allerdings eben alles Importware, nichts Einheimisches. Die Funde stammen teilweise aus den 70er Jahren, einige sogar schon aus den 50ern, schlagartig ins Rampenlicht gerückt wurden sie aber erst Anfang 1996 durch einen Artikel der britischen "Sunday Times", in dem Warner und andere namhafte Wissenschaftler ihre Überzeugung zum Ausdruck brachten, Drumanagh sei eindeutig eine römische Anlage, ein Brückenkopf der römischen Invasionsarmee. Drei Tage später erschien in der "Irish Times" eine geharnischte Replik von Michael Herity, einem der renommiertesten Archäologen Irlands und damals Präsident der Royal Irish Academy, das Thema war damit endgültig dem gepflegten wissenschaftlichen Diskurs im Elfenbeinturm entfleucht und wurde in der Folgezeit phasenweise richtig unschön (im Detail hier nachzulesen).
Unabhängig von der wenigstens zeitweise aus dem Ruder gelaufenen Debatte ist die eigentliche Crux an der Sache: Die Funde von Drumanagh wurden, abgesehen von einigen Lesefunden in den 50ern, von Raubgräbern gemacht, von den Behörden bei einer Auktion in London in den 80ern beschlagnahmt und seither im National Museum of Ireland eingelagert. Eine Serie von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Republik Irland, den Findern und dem Grundbesitzer hat bis heute eine umfassende Bearbeitung verhindert, mindestens für einen Teil der Funde sogar das simple Veröffentlichen von Fotos. Archäologische Ausgrabungen in dem Areal hat es bisher keine gegeben, scheinbar nur eine kleine Testsondage ohne nennenswerten Befund außen an der Grabenanlage. Alle paar Jahre (zuletzt 2014) gibt es palamentarische Initiativen, das Gelände zu kaufen, um es der Wissenschaft endlich zugänglich zu machen und insgesamt besser zu schützen, alle paar Jahre nämlich werden wieder Raubgräber dort ertappt, von den nicht ertappten ganz zu schweigen. Man wurde bisher nur nicht handelseinig mit dem Grundeigentümer, was im Speckgürtel rund um Dublin und den dort explodierenden Grundstückspreisen in den 80ern und 90ern nicht verwundert. Auch das gesteigerte öffentliche Interesse nach dem per Zeitung ausgetragenen Wissenschaftlerstreit dürfte dazu beigetragen haben, den geforderten Preis in den Verhandlungen nach oben zu treiben. Andererseits ist fraglich, ob ohne diesen Streit das öffentliche Interesse groß genug gewesen wäre, um wiederholt das Parlament zu beschäftigen und überhaupt weiter über den Grundstückskauf zu verhandeln.
Nur mal so am Rande bemerkt um aufzuzeigen, daß es auch an anderen Rändern des Imperiums spannende Themen gibt .