Ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung in den römischen Provinzen

Carolus

Aktives Mitglied
Mit der Ausdehnung des Römischen Reiches kamen viele verschiedene Ethnien unter die Herrschaft Roms. Wie sah deren ethnische Zusammensetzung aus?

Das übliche Zusammenspiel aus Immigration und Kulturübernahme schuf über die Jahrhunderte die romanische bzw. romanisierte Bevölkerung. Wie sah diese Vorgänge in den römischen Provinzen im späteren Deutschland aus?

Falls ich mich richtig erinnere, konnte man aus den Grabsteinen des 1. Jhdts entnehmen, dass 15 % davon auf Zugewanderte entfiel. Irgendwo habe ich noch in Erinnerung, dass sich im römischen Köln sogar "Exoten" aus Griechenland und Ägypten sich ansiedelten. Handel und Stationierungen von Militäreinheiten aus weit entfernten Gebieten dürften auch eine Rolle gespielt haben.

Gibt es Untersuchungen, wie die ursprünglich keltische oder germanische Bevölkerung "romanisiert" wurde und eine römische "Leitkultur" verbunden mit Übernahme der lateinischen Sprache entstand?
 
Gibt es Untersuchungen, wie die ursprünglich keltische oder germanische Bevölkerung "romanisiert" wurde und eine römische "Leitkultur" verbunden mit Übernahme der lateinischen Sprache entstand?

Darüber wurde schon mal diskutiert:

Ich möchte noch auf eine Bevölkerungsgruppe hinweisen: Die Veteranen.

Nico Roymans* meint, dass viele Einheimische als Legionäre gedient haben und nach ihrer Dienstzeit "in vast numbers" wieder zurück in ihre Heimat gezogen sind. Sie sollen eine große Rolle bei der Romanisierung der ländlichen Bevölkerung gespielt haben. Zwar wohnten sie im 1. Jh. n. Chr. in den Dörfern ihrer Vorfahren, aber da wurde römisch gekocht (Funde von Amphoren mit Fischsoße) und lateinisch geschrieben. Und wohl auch gesprochen, denn viele Veteranen brachten Frauen und Kinder mit.

...

* "Becoming Romans in the Rhineland Frontier Zone", Beihefte der Bonner Jahrbücher Band 58 ("Kelten am Rhein / Ethnizität und Romanisierung")

Kelten am Rhein: Archäologie : Ethnizität und Romanisierung - Google Books
 
Das Wort Romanisierung ist längst nicht mehr zutreffend für die Vorgänge des "Kulturaustausches" zwischen Römern und Provincialen. Es impliziert eine überlegene römische Kultur, welche den unterlegenden Völkern aufgezwungen wird. Dies war nicht der Fall.
 
Es impliziert eine überlegene römische Kultur, welche den unterlegenden Völkern aufgezwungen wird.

Wie kommst Du auf "aufgezwungen"?
Wer denkt bei "Romanisierung" an Zwang?

Felix Fleischer
"Siedlungswandel im Oppidum Bibracte / Romanisierung und Urbanisierung" (Buch wie oben, S. 97)
Insgesamt lässt sich neben den zahlreichen Importfunden nun auch anhand der Architektur nachweisen, dass der römische Einfluss auf die Bewohner Bibractes schon vor der römischen Eroberung einen starken Niederschlag gefunden hat, der bereits kurze Zeit nach dem Krieg eine erste Blüte erlebte. Die planvolle Anlage ausgedehnter Steinbaukomplexe unter Einbeziehung eines Wegesystems mit Haupt- und Nebenachsen im Verlauf der zweiten Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts zeigen die Macht einer starken lokalen Elite, die sich ihrer Romanisierung nicht schämte, sondern sie glanzvoll und prestigeträchtig zur Schau stellte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Oh das denken wohl viel zu viele. Mommsen hatte das z.b. noch vertreten. Der Begriff Romanisierung ist immer mit dem Gedanken an eine überlegende römische Kultur verbunden, die kleine unterentwickelte Kulturen verdrängt, obwohl auch die Römer ja viel von Germanen, Galliern und co. übernommen haben. Daher wird der Begriff Romanisierung heute auch nur noch selten, und wenn überhaupt in "" benutzt, da der heutige forschungsstand diesen Begriff so nicht mehr halten kann. Wenn du Romanisierung als einen beiderseitigen Kulturaustauch verstehst ist das gut und freut mich, doch eigentlich müsste man einen neuen Begriff finden, da dieser zu sehr behaftet ist. Hier haben die Althistoriker allerdings noch keine Alternative gefunden.
 
Auch der Textausschnitt sagt ja aus, dass die Bewohner die überlegene Römische Kultur annahmen und sich an ihrer neuen Kultiviertheit erfreuten.
 
Wenn man natürlich davon ausgeht, dass die Überlegenheit der Römer gerade darin bestand, von anderen Kulturen das Nützliche zu übernehmen...

'Tschuldigung, konnte nicht widerstehen. Beide Male.
 
Daher wird der Begriff Romanisierung heute auch nur noch selten, und wenn überhaupt in "" benutzt, da der heutige forschungsstand diesen Begriff so nicht mehr halten kann.

Der Untertitel des zitierten Buchs lautet:

Was möchtest Du behaupten:
- dass die Teilnehmer des 13. Internationalen Keltologiekongresses 2007, deren Forschungen in diesem Buch zusammengefasst werden, mit dem Forschungsstand nicht vertraut sind?
Oder
- dass sich seit 2007 der Forschungsstand geändert hat?


Auch der Textausschnitt sagt ja aus, dass die Bewohner die überlegene Römische Kultur annahmen und sich an ihrer neuen Kultiviertheit erfreuten.
Von "überlegen" steht da nichts.
Dass der römische Kultureinfluss auf die Gallier größer war als der gallische Kultureinfluss auf die Römer, ist doch unbestritten, oder?
 
Das Wort Romanisierung ist längst nicht mehr zutreffend für die Vorgänge des "Kulturaustausches" zwischen Römern und Provincialen. Es impliziert eine überlegene römische Kultur, welche den unterlegenden Völkern aufgezwungen wird. Dies war nicht der Fall.

Fakt ist nunmal das eine ganze Reihe von Sprachen und damit vielleicht das wichtigste Kulturgut eines Volkes verdrängt wurden vom Lateinischen in Westeuropa.

Die Eliten der fremden Völker haben jedenfalls die römische Kultur als etwas besseres gesehen würde ich sagen, was jetzt nicht heißen soll das es auch so effektiv war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mit der Ausdehnung des Römischen Reiches kamen viele verschiedene Ethnien unter die Herrschaft Roms. Wie sah deren ethnische Zusammensetzung aus?

Die Frage ist mir nicht ganz klar. Ein Blick in den Geschichtsatlas genügt um zu sehen, welche Länder und damit verbundene Ethnien Rom zwischen 300 v. Chr. und der Zeit Kaiser Trajans etwa 110 n. Chr. annektiert hatte, also zur Zeit der größten territorialen Ausdehnung.

Das übliche Zusammenspiel aus Immigration und Kulturübernahme schuf über die Jahrhunderte die romanische bzw. romanisierte Bevölkerung. Wie sahen diese Vorgänge in den römischen Provinzen im späteren Deutschland aus?

Die Romanisierung war ein Prozess, der automatisch mit der Gründung von Römerstädten, Legionslagern, Thermen, Theatern und Gutshöfen sowie dem Einzug römischer Beamter und Soldaten einsetzte. Von ihnen gingen bedeutende zivilisatorische und kulturelle Impulse aus. Die einheimischen Eliten verbanden sich schon nach kuzer Zeit mit der provinzialen römischen Oberschicht, nahmen deren Sitten und Gebräuche an, was sich in die unteren Schichten fortsetzte.

Auf diese Weise ist es erklärlich, dass iberische und keltische Identitäten in Spanien und Gallien nahezu spurlos untergingen und zusammen mit der Romanisierung auch ein Sprachwechsel zum Lateinischen erfolgte - was bald zu unterschiedlichen regionalen Ausprägungen eines Sprechlateins führte, aus dem im Rahmen eines längeren Prozesses die romanischen Sprachen hervorgingen. Der Druck der romanischen Idiome war so stark, dass sogar die westgotischen Eroberer in Spanien und die fränkischen in Gallien einen Sprachwechsel vom Germanischen zum Romanischen vollzogen.

Nicht dauerhaft romanisiert wurden hingegen Britannien, das römische Germanien und der Balkan. Über die Gründe ist viel spekuliert worden. Vielfach wird die Meinung vertreten, dass die seit dem 6. Jh. auf den Balkan strömenden Slawen ein derart großes zahlenmäßiges Übergewicht gegenüber den Balkanromanen erreichten, dass sie die romanisierte Restbevölkerung im Verlauf einer längeren Zeitspanne assimilierten bzw. aufsogen. Dass das nicht restlos gelang, beweisen Rumänen und Griechen.

Die linksrheinischen Gebiete wurden von einer so großen Woge fränkischer Siedler überschwemmt, dass nach Abzug der römischen Soldaten und Beamten die romanisierte Restbevölkerung von den Franken überschichtet und assimiliert wurde. Dass sich romanische Sprachinseln noch längere Zeit hielten, zeigt das bereits oben erwähnte Phänomen der Moselromanen. Moselromanische Sprache ? Wikipedia

Im römischen Britannien scheint es auf dem Land noch keltischsprachige oder zumindest zweisprachige Regionen gegeben zu haben, während die städtische Bevölkerung romanisiert war. Diese nicht überall in die Tiefe reichende Romanisierung scheint ein Grund dafür zu sein, dass die seit dem 5./6. Jh. einströmenden Angelsachsen die romanisierte britische Bevölkerung aufsogen und ihr germanisches Idiom durchsetzten - einmal abgesehen von der nach Wales und Cormwall abgedrängten keltischen Restbevölkerung.
 
Die Frage ist mir nicht ganz klar. Ein Blick in den Geschichtsatlas genügt um zu sehen, welche Länder und damit verbundene Ethnien Rom zwischen 300 v. Chr. und der Zeit Kaiser Trajans etwa 110 n. Chr. annektiert hatte, also zur Zeit der größten territorialen Ausdehnung.

Ich hatte meinen Eingangspost etwas besser formulieren sollen.:rotwerd:

Es ging mir um die Frage nach einer ethnischen Zusammensetzung der provinzialrömischen Bevölkerung in Deutschland. Ich habe aus der Erinnerung heraus oben etwas von 15 % Einwanderer (aus anderen römischen Provinzen) gelesen. Die Daten beruhen m. W. auf Auswertungen von römischen Grabsteinen. Zu solchen Auswertungen suchte ich eigentlich eine Quelle, die verraten würde, von wo es überall die Römer in das spätere Deutschland verschlagen hat.
 
Der Untertitel des zitierten Buchs lautet:


Was möchtest Du behaupten:
- dass die Teilnehmer des 13. Internationalen Keltologiekongresses 2007, deren Forschungen in diesem Buch zusammengefasst werden, mit dem Forschungsstand nicht vertraut sind?
Oder
- dass sich seit 2007 der Forschungsstand geändert hat?



Von "überlegen" steht da nichts.
Dass der römische Kultureinfluss auf die Gallier größer war als der gallische Kultureinfluss auf die Römer, ist doch unbestritten, oder?

Ich möchte behaupten dass dass die Teilnehmer deines Kongresses den Begriff Romanisierung besser nicht verwendet hätten, und sich vermutlich auch darüber im klaren waren dass dieser Begriff nicht mehr aktuell ist, jedoch mangels Alternative trotzdem diesen gewählt haben. Von überlegen steht da explizit nichts..... implizit aber schon... finde ich... Ich sage ja auch nur, dass man mit dem Begriff Romanisierung vorsichtig sein muss, da dann schnell der falsche Eindruck entstehen kann, und diese Meinung sollte und ist eigentlich auch unbestritten! Nur hier vllt. nicht, so wie ich es verstanden habe.
 
Ich möchte behaupten dass dass die Teilnehmer deines Kongresses den Begriff Romanisierung besser nicht verwendet hätten, und sich vermutlich auch darüber im klaren waren dass dieser Begriff nicht mehr aktuell ist, jedoch mangels Alternative trotzdem diesen gewählt haben.

Der Begriff "Romaniserung" ist ein in der Geschichtswissenschaft seit langem akzeptierter und unverzichtbarer historischer Terminus für bestimmte Prozesse und Entwicklungen in den von Rom eroberten Territorien.
 
Es wäre mir neu, dass der Begriff "Romanisierung" nicht mehr üblich sein soll. Überall im Imperium Romanum entstanden römisch geprägte Mischkulturen. In Frankreich hat sich dafür der Begriff "Gallo-Romain" (Gallisch-römisch) eingebürgert. Im Westen hat sich bis heute das Lateinische mit seinen weiter entwickelten Nachfolgesprachen Französisch, Spanisch, Portugiesisch etc. durchgesetzt. Der mindestens seit den Zeiten Alexanders des Großen griechisch geprägte Osten des Reiches blieb bis zur arabischen Eroberung griechischsprachig (und weiterhin wurden lokale Sprachen gesprochen). Verbindendes Element war die römische "Leitkultur".
 
Der Begriff Romanisierung ist immer mit dem Gedanken an eine überlegende römische Kultur verbunden, die kleine unterentwickelte Kulturen verdrängt, obwohl auch die Römer ja viel von Germanen, Galliern und co. übernommen haben. Daher wird der Begriff Romanisierung heute auch nur noch selten, und wenn überhaupt in "" benutzt,
Es ist doch wohl unbestreitbar, dass die Gallier etc. wesentlich mehr von den Römern übernahmen als umgekehrt.

Natürlich gab es auch umgekehrte Einflüsse, das wird auch gar nicht bestritten. Zu nennen wären z. B. einige keltische Lehnwörter im Lateinischen (z. B. "carrus" für einen vierrädrigen "Karren") oder die gallische Pferdegöttin Epona, die auch über den ehemals keltischen Raum hinaus von den Römern verehrt wurde. Auch Waffen (wie der "gladius") wurden teilweise von anderen Völkern übernommen.

Aber das ändert nichts daran, dass in den meisten Gegenden Westeuropas früher oder später Latein gesprochen wurde (und nicht in Rom Iberisch oder Keltisch) oder dass die Architektur der Städte mehr mit Rom als mit den alten keltischen Oppida zu tun hatte. Einen "beiderseitigen Kulturaustausch" gab es zwar, aber nicht in dem Sinne, dass die Römer ebenso viel von den Galliern und Iberern übernommen hätten wie diese von ihnen. In Anbetracht des klaren Überwiegens der römischen Einflüsse ist der Ausdruck "Romanisierung" vollkommen angemessen.
 
Zurück
Oben