Foederaten und Dediticii
Mich wundert es gar nicht, dass die Siedlungen der Laeten nach dem Einfall germanischer Stämme abbrechen und es keine Kontinuität mehr gibt!
Was war denn das Los von solchen Dediticii und Laeten?
Eine Gruppe fremder Barbaren wandte sich als „Hilfesuchende“ an den Kaiser. Dabei war es egal, ob die Gruppe durch Römer besiegt worden, oder von anderen Barbaren aus der Heimat vertrieben worden war. Der Kaiser hieß sie sich ihm förmlich zu unterwerfen. Dann wurden sie entwaffnet und auf römischen Boden übergesiedelt. Als Unterworfene verloren sie das Recht als Gens weiterhin Verträge abzuschließen, sie waren quasi „Mündel“ des Kaisers. Die römische Verwaltung versorgte für eine Übergangszeit die dediticii, ehe sie sich selbst durch die Erträge der ihnen zugewiesenen Ländereien ernähren konnten.
Die Kaiser konnten die Unterworfenen nach Belieben zum Militärdienst einziehen und im ganzen Reich einsetzen. So ersparte er es sich römische Kolonen zum Militärdienst heranzuziehen und konnte im Gegenzug von den Großgrundbesitzern eine finanzielle Geldablöse dafür fordern. Das System entlastete die Wirtschaft des Reiches und brachte erhöhte Einkommen. Weiterhin lagen nicht länger Gebiete brach, die nun von Laeten bewirtschaftet wurden. Die Laeten erwiesen sich, als Fremde unter Römern angesiedelt als zuverlässige Soldaten, die vor allem dem Kaiser treu ergeben, da von ihm abhängig waren. Das Eheverbot mit römischen Bürgern stellte sicher, das es niemals unterschiedliche Auslegungen bei rechtlichen Entscheidungen geben konnte. Die Laeten lebten nach ihrem eigenen Recht und der Kaiser war ihr direkter Herr. So konnte niemand etwa römisches Recht geltend machen. Eine Praxis, die auch im Mittelalter teils üblich war um die Privilegien gewisser Stände zu schützen. So weit die Theorie.
Die Laeten lebten unter minderem Recht, obwohl sie ihre Knochen für das Reich hinhalten mussten. Sie waren an den Grund und Boden gekettet an dem sie angesiedelt waren und völlig vom Wohlwollen des Kaisers abhängig, der sie theoretisch sogar einfach wieder umsiedeln konnte: Etwa vom Rhein an den Euphrat um es krass zu formulieren. Derartige Planungssicherheit gab es bei den Laeten nicht. Mag man Anfangs froh gewesen sein dem Reich zu dienen, wurden die Nachteile der Regelung für sie selbst umso offensichtlicher, je länger sie im Reich lebten. Die zersplitterte Ansiedlung fern des übrigen Stammes und der Heimat förderte zusätzlich den Verlust der Identität mit der Folge von meist rascher Romanisierung. Es war ja auch nicht das Interesse des römischen Staatswesens ihre Identität zu schützen und sie folgten den Befehlen desto williger, je mehr sie sich ihrer Schwäche bewusst waren.
Es gibt zahlreiche Beispiele dafür das Dediticii verstreut unter den Einheimischen angesiedelt wurden. Besonders die immer begehrteren Reiterkrieger wurden als Dediticii weit voneinander entfernt angesiedelt, wo immer Bedarf nach ihnen bestand. Von den einst an der unteren Donau ansässigen Taifalen, einem für seine hervorragende Reiterei bekannten Stamm, wurden laut Wolfram aufgrund Sprachwissenschaftlicher Überlegungen Laetensiedlungen im Inneren Galliens und sogar in Italien aufgefunden. Ein Stammesbewusstsein wird sich so dauerhaft nicht haben halten können. So eingeengt auch die Siedlungen solcher Laeten waren, so bedeutsam dagegen konnten die von ihnen gestellten Kontingente der Armee sein. Hier konnten die Laeten sehen welche Macht sie eigentlich bilden konnten! Für die Soldaten ein krasser Gegensatz von Rechtlosigkeit und Macht.
Warum also brechen dann die Laetensiedlungen wie weiter Oben beschrieben so plötzlich ab? Wurden sie vertrieben, gar vernichtet? Das mag möglich sein, aber die Laeten bekamen im Laufe der Völkerwanderung eine bessere Alternative in Gestalt der „Vertrags-Foederierten“! Der neue Typ von Foederierten, wie sie spätestens mit dem Gotenvertrag von Theodosius auftraten hatte ungleich mehr Rechte. Sie kamen nicht als Besiegte und Mündel des Kaisers, sondern als vertragsfähige Verbündete! Sie waren nicht wehrlos dem Diktat der Kaiser ausgesetzt, sondern konnten die Bedingungen von Ansiedlung und Dienst vertraglich aushandeln und blieben als Gens intakt. Ohne jetzt allzu sehr ins Detail einzugehen war es freilich außerdem lukrativer solchen Foederierten anzugehören und Sonderzahlungen oder spezielle Zuwendungen zu genießen als isoliert zwischen Romanen unter minderem Recht mit nur wenig Selbstbestimmung als Laete angesiedelt zu werden. Die Berichte sind voll davon, welche Attraktivität etwa von gotischen Foederatenheeren für solche Barbaren ausging. Nur zu gerne schlossen sich Barbaren durchziehenden foederierten Heeren und Völkern an.
Die foederierten Völker waren keineswegs exklusive Trupps auf rein ethnischer Basis. Ihr Wert für die römischen Vertragspartner bemaß sich nach der Macht ihrer Heere die sie stellen konnten, genau wie später Soldheere nach der Zahl ihrer Söldner entlohnt wurden. Welchen Grund hätte also ein germanischer König eines foederierten Volkes haben sollen den Zuwachs an Macht abzulehnen, die ihm der Anschluss von Laeten bringen konnte? Durchziehende foederierte Völker waren mehr oder weniger polyethnisch, es kam darauf an fähige und zahlreiche Krieger stellen zu können, gleich welcher Abstammung. Sie waren auch immer attraktiv selbst für römische Unterschichten die sich ihnen gerne anschlossen, wenn sie denn genommen wurden. Schon im Vorfeld der Schlacht von [H]Adrianopel 378 schlossen sich zum Beispiel Bergarbeiter der von den Goten durchzogenen Provinzen deren Heer an. Oft klagen römische Berichte darüber das sich entlaufene Sklaven, vor allem barbarischer Abstammung den Foederierten anschlossen.
Die Könige der auf diese Weise wachsenden Völker ließen dies nur mit Augenmaß zu. Vor allem wenn sie wieder sesshaft wurden, verweigerten sie sich solchen Zugangs, destabilisierten sie doch dann die Ordnung in dem Lande, das sie zu befrieden hatten. In Kriegs- oder in Notzeiten war das Anders: Nach Jahrzehnten der Ruhe und der Herrschaft etwa der Ostgoten im Italien des Theoderichs, griffen die Goten bei ihrem verzweifelten Abwehrkampf gegen die oströmischen Heere eines Justinians wieder zu diesem Mittel und nahmen willige Einheimische in ihr Volk und Heer auf. Zu diesem Zeitpunkt unter König Totila waren die Goten in einem vertragslosen Zustand und galten dem Kaiser in Konstantinopel als Rebellen. Bei einem foederierten Heer war es aber unmöglich für die römische Staatsmacht von diesem aufgenommene Sklaven (denn das waren rein rechtlich gesehen auch die Laeten) wieder herauszufordern.
Fazit:
Ganz klar ist für mich daher, dass foederierte Völkerschaften äußerst Attraktiv für die Bewohner und Soldaten aus laetischen Siedlungen waren. Diese verbesserten durch den Übertritt in ein foederiertes Volk ihre persönlichen Lebensgrundlagen ganz enorm und konnten ihrerseits eine wertvolle Bereicherung für das wandernde Foederatenvolk sein. Da über die Aufnahme in einen Stamm deren Großen entschieden, konnten deren herrschenden Fürsten und Optimaten außerdem zusätzlich ihre Macht innerhalb des Stammes stärken, indem sie die Neuzugänge zur Stärkung ihrer Hausmacht nutzten.
@Eingangsfrage:
Man kann schon davon ausgehen, dass sowohl in Laetensiedlungen als auch bei anderen Foederaten nicht nur Krieger, sondern auch Frauen und Kinder eines fremden Volkes angesiedelt wurden. Wie sonst wäre das Heiratsverbot mit Römern, das ja auch für Foederaten galt aufrecht erhalten werden können? Die Siedlungen wären ja sonst innerhalb einer Generation ausgestorben. Im Gegenteil: Der Kaiser verlangte immer wieder neu die Gestellung von Soldaten aus den Laetensiedlungen, was ja nur funktionieren kann, wenn immer wieder junge Männer heranwachsen können.
Zu dem Themenkomplex habe ich schon ähnliche Beiträge geschrieben:
Etwa bei diesem und einigen folgenden Posts:
http://www.geschichtsforum.de/208833-post15.html
oder am Rande auch hier:
http://www.geschichtsforum.de/f35/volksmenge-germanischer-staemme-16138/#post255240
Dabei gibt es natürlich einige Wiederholungen...