Es ist nicht ganz leicht zu sagen, wie gut die Römer die gesamte Germania Magna kannten. Auch zeitlich sollte man sicher unterschiedliche Phasen unterscheiden.
Vieles weist darauf hin, dass noch bis in die caesarische Zeit nur wenig Wissen über die rechtsrheinischen Regionen herrschte. Man kann davon ausgehen, dass Händlern, Diplomaten etc. die Oppida-Zone in Süddeutschland bekannt war. Außerdem gab es schon früh Seefahrer, die die Nordsee bereisten. Das dürfte es aber schon gewesen sein.
Die Kenntnisse veränderten sich sprunghaft; zunächst durch die Militäroperationen Caesars, später durch die unter Kaiser Augustus. Vorstöße wie der von Drusus an die Elbe oder einer Flotte unter Tiberius entlang der dänischen Küste lieferten wichtige neue geografische Kenntnisse.
Dennoch war das Kartenwesen bei weitem nicht so entwickelt und deswegen blieben die Kenntnisse der Römer wohl begrenzt. Dazu kam, dass das freie Germanien sehr unwirtlich und kaum erschlossen war. Der Historiker Timpe vermutete, dass die Römer sich sehr stark an den Flüssen orientierten (Lippe, Weser, Elbe etc.) und nur schwer die Größenverhältnise des Landes dazwischen einschätzen konnten.
Außerdem ist unklar, über welche Quellen geografische Kenntniss erhoben wurden. So nennt Tacitus in der Germania etliche Stämme, von denen die nördlichsten in Finnland und die östlichsten im Baltikum/der Ukraine vermutet werden. Es lässt sich aber kaum sagen, ob die entferntesten Stämme tatsächlich von römischen Expeditionen besucht worden, oder ob das Wissen über sie mehr über Hörensagen verbreitet wurde. Zumindest einer der bedeutendsten Geografen der Antike, Ptolemaios, erhob die Koordinaten für seine Karten wohl nach den Aussagen von römischen Händlern.
Persönlich würde ich vermuten, dass die Römer insgesamt gute Kenntnisse vom freien Germanien hatten; sehr begrenzt war allerdings das Wissen über Skandinavien und auch die heutigen russischen Gebiete dürften sie nicht voll erfasst haben.
In der Spätantike dürften sich die geografischen Kenntnisse eher noch verbessert haben, denn der Austausch mit den germanischen Völkern war wesentlich umfangreicher als zuvor und es war nun auch häufiger Usus, dass römische Gesandte bei germanischen Anführern präsent waren.