Ergänzend zu Carolus' Antworten:
1.) Wie kommt es, dass wir plötzliche ein Kaiserreich in Rom haben und keine Republik mehr wie noch zuvor?
Wurde das von heute auf morgen geändert? Wenn ja, warum?
Nicht von heute auf morgen. Wie Carolus schon erwähnt hat, blieb nach diversen Bürgerkriegen Octavian, der sich später Augustus nennen ließ, als einziger übrig. Er führte aber nicht offiziell eine Monarchie ein, sondern ließ sich nur ein paar Sondervollmachten verleihen. Diese Sondervollmachten waren aber so umfassend, dass er faktisch Alleinherrscher war. Nach seinem Tod wurden diese Sondervollmachten seinem Nachfolger Tiberius übertragen, und so weiter. So entstand faktisch eine Monarchie, und im Rückblick wird Augustus daher als erster römischer Kaiser bezeichnet. Die römischen Kaiser waren aber lange Zeit keine Monarchen, wie man sich das heute vorstellt, sondern eben nur Inhaber einer Reihe von Sondervollmachten, und die "Kaiserwürde" war auch nicht erblich.
2.) Wie kann man sich als Laie das oströmische Reich vorstellen?
Genau so wie das weströmische (gleiche Kultur, Sprache) nur andere Lage?
In der Spätantike wurde das Römische Reich faktisch (nicht offiziell) geteilt, indem im Westen und Osten verschiedene Kaiser regierten. Nach dem Untergang der westlichen Hälfte blieb nur der Osten übrig, wobei sich das Oströmische Reich selbst aber nicht als Nachfolgestaat betrachtete, sondern als das fortexistierende Römische Reich.
Wie Carolus schon erwähnt hat, war das Oströmische Reich griechisch sowie christlich geprägt, was aber nichts daran ändert, dass sich seine Einwohner weiterhin als "Römer" betrachteten.
Gesprochen wurde aber überwiegend Griechisch. Was die Kultur betrifft, beschäftigte man sich weiterhin viel mit der Kultur der Antike, und die berühmten römischen Wagenrennen blieben im Oströmischen Reich das beliebteste Freizeitvergnügen der Bevölkerung von Konstantinopel. Man versuchte aber auch, sich von der heidnischen Antike abzugrenzen, das Verhältnis war also etwas ambivalent.
4.) Warum ging das Reich 1453 unter?
Das Oströmische Reich umfasste ursprünglich den ganzen östlichen Mittelmeerraum. Im 6. Jhdt. kamen unter Kaiser Iustinian auch noch Italien, Nordwestafrika und Südspanien unter Oströmische Herrschaft. Schon im späten 6. Jhdt. ging aber ein Großteil Italiens wieder verloren. Im 7. Jhdt. gingen dann auch Südspanien und infolge der arabischen Expansion auch Syrien, Palästina, Ägypten und Nordafrika verloren. Das Oströmische Reich bestand in den folgenden Jahrhunderten weitgehend nur noch aus Kleinasien und Teilen des Balkans. 1204 eroberten Kreuzfahrer Konstantinopel und errichteten dort ein eigenes Kaiserreich. Auf dem Gebiet des ehemaligen Oströmischen Reiches entstanden mehrere Kreuzfahrerstaaten (z. B. Athen, Achaia), aber auch mehrere von byzantinischen Adligen gegründete Reiche (Nikaia, Thessalonike, Epirus, Trapezunt). 1261 schafften es die in Nikaia regierenden Kaiser, die früher bereits Thessalonike unterworfen hatten, Konstantinopel zurückzuerobern, wodurch das Byzantinische Reich wiederhergestellt wurde. Es blieb allerdings stark geschwächt. Territorial beschränkte es sich weitgehend auf Konstantinopel, die nördliche Ägäisküste, einen Teil der Peloponnes und Nordwestkleinasien. Finanziell war das Reich schwach, und militärisch hatte es im 14. Jhdt. der Bedrohung durch die Türken nichts mehr entgegenzusetzen. Im 15. Jhdt. bestand das Reich nur noch aus Konstantinopel, Teilen der Peloponnes und ein paar Ägäisinseln. Dass sich das Reich überhaupt noch gegen die Türken halten konnte, lag zum einen an der starken Befestigung der Hauptstadt, zum anderen auch daran, dass eine Eroberung für die Türken keine Priorität hatte, da das Reich längst ein türkischer Vasall geworden war. 1453 war dann aber trotzdem Schluss.
Hat man das im Westen bemerkt, dass die Türken Byzanz überrannt haben?
Hat sich (z.B) das HRRDN mehr darüber gefreut (im Sinne von: endlich sind die Heinis weg.. hihihi), war es ihm egal oder waren sie vielleicht sogar erzornt/skeptisch/traurig bezogen auf diese Situation?
Natürlich hat man es bemerkt, und erfreut war man überhaupt nicht. Die Eroberung Konstantinopels wurde als Katastrophe wahrgenommen und insofern stark überbewertet. Denn die Türken hatten bereits im 14. Jhdt. Teile des Balkans erobert, insofern war das Byzantinische Reich längst kein "Bollwerk" Europas gegen den Islam mehr. Trotzdem hatte der Fall der Stadt enorme Symbolkraft. Es hatte im Westen auch durchaus Versuche gegeben, das Reich zu retten, allerdings waren sie großteils eher halbherziger Natur. Noch nach dem Fall Konstantinopels versuchte der Papst sogar einen Kreuzzug zur Befreiung der Stadt zu organisieren, aus dem aber nichts wurde.
Ich interessiere mich ein wenig dafür, was man in Byzanz seit der Trennung (bis zum Untergang) so getrieben hat.. konnte mir das einfach nicht vorstellen, dass da nichts passiert ist.. gibt es vielleicht ein kleines aber recht informatives Werk zu Byzanz?
Getrieben hat man viel, und ich finde es auch hochinteressant, stehe damit aber recht einsam da. Generell ist das Interesse an Byzanz heute eher gering, was wohl auch daran liegt, dass es immer noch (im 18./19. Jhdt. war das noch viel schlimmer) nur als eine Art degeneriertes Überbleibsel des verherrlichten antiken Römischen Reiches wahrgenommen wird. Dabei hatte Byzanz durchaus eine interessante Geschichte und auch Kultur - aber bei letzterer beginnen schon die nächsten Schwierigkeiten. Während Übersetzungen antiker Schriftsteller halbwegs erhältlich sind, sieht es mit Übersetzungen byzantinischer Autoren recht schlecht aus.
Informative Werke zu Byzanz gibt es trotzdem ein paar, z. B. von John Norwich. Falls Du es aber klein und kompakt haben möchtest, empfehle ich Dir das Taschenbuch Band 13 der "Fischer Weltgeschichte" ("Byzanz"), in dem es ganz um Byzanz von der Spätantike bis zum Untergang geht. (Das Buch ist für sich allein verständlich und erhältlich, Du brauchst also nicht die ganze Reihe.)
Zur Antike haben wir in der Schule bis jetzt die griechische Polis Athen (z.T Konflikt mit Sparta) und das römische Kaiserreich behandelt (Caesar wurde nicht einmal namentlich erwähnt ).. wir sind dann sofort zu 800 gesprungen (Karl der Große) und dann sofort zum Investiturstreit.. dann war das Mittelalter auch schon wieder abgehackt.. nur ich denke mir immer: Da muss doch noch mehr passiert sein als ein Konflikt zwischen Kaiser Heinrich und Papst Gregor.. ärgert mich fast schon ein wenig.
Mir ist schon aufgefallen, dass in Deutschland der Geschichtsunterricht anscheinend so funktioniert, dass nur einzelne Ereignisse und Aspekte herausgegriffen und intensiv behandelt werden (oder gerne auch zwei völlig verschiedene Sachen verglichen werden), mit dem Hintergrund, ein tieferes Verständnis des Schülers zu entwickeln, dabei aber der Rest völlig vernachlässigt wird, was dann anscheinend dazu führt, dass Schüler zwar z. B. alles über die Französische Revolution selbst wissen, sie aber historisch überhaupt nicht in die restliche Geschichte Frankreichs (die ihnen unbekannt bleibt) einordnen können, sondern sie wie ein singuläres Ereignis dasteht. Ich glaube, irgendjemand (Brissotin?) in diesem Forum hat einmal erwähnt, dass man in Deutschland Abitur machen kann, ohne jemals vom Siebenjährigen Krieg gehört zu haben.
Was Du da schreibst, passt gut in dieses Bild.