Gask Ridge - wieso?

El Quijote

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Wir kennen alle den Hadrianswall, der sich markant in den englischen Borders zu Schottland erhebt, wir kennen auch zu größten Teil den zwischen dem Clyde- und dem Forth-Fjord (Firth) liegenden Antoninus-Wall, der weniger gut erhalten ist - war ja auch bloß knapp 20 Jahre in Betrieb. Weniger bekannt ist eine noch nördlich davon liegende Kette von Römerlagern, die nach Auffassung schottischer Archäologen bereits von Agricola um 85 angelegt wurde, die sogenannte Gask Ridge. Sie zieht sich nach bisheriger Kenntnis vom Südende des Loch Lomond (Drumquhassle Roman Fort bei Drymen) in nordöstlicher Richtung nach Stracathro. Sie wirkt wie ein Limes aber die Positionierung irritiert mich ein wenig.
 
Scheint die tief gelegenen Küstengebiete um den Firth of Forth und Firth of Tay von den Highlands abzuschirmen.
 
Sie wirkt wie ein Limes aber die Positionierung irritiert mich ein wenig.

Du meinst dass sie nicht wie man es von einer reinen Grenzanlage erwarten sollte mehr oder weniger parallel zum Feindesland verläuft, sondern eher in feindliches Gebiet hineinragen zu scheint? Diese Eigenschaft könnte m. E. auf den Zweck der Informationsgewinnung oder Informationsübertragung hindeuten.
Wenn der Gask Ridge eine Grenze sichern sollte, könnte die Signalturmkette zur Aufklärung gedient haben, um von Norden einfallende (piktische?) Stämme frühzeitig erkennen zu können.
Wenn die Römer aber so wie von Dio für Germanien erwähnt auch in Britannien zunächst nur Teile des Landes besetzt hatten (also in erster Linie erst einmal die Gebiete wo es was zu holen gab, wie z. B. die landwirtschaftlich wertvolleren Gebiete an der Küste zwischen Dundee und Aberdeen), könnte der Gask Ridge in erster Linie der Nachrichtenübermittlung zwischen dem Küstenstreifen und den römisch kontrollierten Gebieten weiter südlich gedient haben (so wie auch für die Hellwege andiskutiert, http://www.geschichtsforum.de/f28/r-mische-signalt-rme-und-hellwege-47956/).


Online sind einige Informationen verfügbar auf der Webseite des Gask Ridge Projects (The Roman Gask Project), welches das römische Grenzsystem am Gask Ridge im Süden der schottischen Highlands (Gask Ridge - Wikipedia, the free encyclopedia) aus den 70er Jahren des 1. Jahrhunderts untersucht.


"The Gask Ridge at around 70 metres above sea level lies between the Highland massif and Fife, and forms part of a corridor northwards towards the coastal strip of richer agricultural land that extends to the Moray Firth."
 
Was ja auffällt, ist, dass fast jedes aus der Außenkette der Kastelle an einer Stelle positioniert ist, wo einer der Flüße aus den Highlands ins Tiefland übertritt. Ein wesentlicher Punkt scheint also zu sein, wie bei den späteren Limites (die allerdings häufig statischer sind), dass die Kastelle die Verkehrswege überwachen sollten. Die mehr innen gelegene Linie dann also entlang eines möglichen Verkehrsweges.
 
Weniger bekannt ist eine noch nördlich davon liegende Kette von Römerlagern, die nach Auffassung schottischer Archäologen bereits von Agricola um 85 angelegt wurde, die sogenannte Gask Ridge.
Woolliscroft datiert die Anlagen in seinen Beiträgen auf der Website des Roman Gask Project einige Jahr vor Agricolas Statthalterschaft, z.B.:
For example, Ian Caruana has recently pointed out that there is enough pottery from the reigns of Nero and Domitian's father Vespasian to suggest pre or very early 70's occupation on sites as far north as the Gask fort of Strageath. Birgitta Hoffmann is currently writing a book length report on the glass found during all excavation and field walking activity at the fort of Newstead and says that she would now be perfectly comfortable with a foundation date in the late 60s. Meanwhile David Shotter has made a reexamination of the coin evidence from Scotland and has revealed a disproportionately large number of Neronian and early Vespasianic coins. Many of these show little wear and so had not been in circulation for long when lost and, statistically, they are now reaching the point where a start date by or before the early 70's seems at least as likely as the traditional date.
Ich bin skeptisch, ob sich eine Kampagne in Caledonien samt Aufbau und Besetzung einer ausgedehnten Grenzbefestigung vor dem Jahr 71 mit den Wirren nach Neros Tod bis zur Niederschlagung des Bataveraufstands verträgt, im Zuge derer ja auch Truppen aus Britannien abgezogen worden waren. Woolliscroft scheint aber ohnehin 71/72 als Entstehungszeit für Gask Ridge zu bevorzugen, mehr oder weniger gleich nachdem Quintus Petillius Cerialis in Britannien das Ruder übernommen hat, den Woolliscroft für "possibly the most able general of his day" hält. Diese Einschätzung Cerialis' muß man nicht unbedingt teilen, aber immerhin hätten wir damit Agricola wieder mit an Bord als Kommandeur der Legio XX Valeria Victrix und könnten uns damit halbwegs mit Tacitus als Quelle versöhnen.
 
Ich hol' den Thread in anderem Zusammenhang nochmal hoch: Eignen sich die Erkenntnisse aus Gask Ridge, um Rückschlüsse zu ziehen auf das Vorgehen der Römer in der Germania Magna 60, 70 Jahre früher?

Die Chronologie mag zwar noch den letzten Feinschliff vermissen lassen, aber schon jetzt ist klar, daß die Römer hier nur wenige Jahre zugebracht haben, die Infrastruktur noch im wesentlichen auf die militärische Nutzung ausgelegt war und zivile Ansiedlungen höchstens punktuell und in Ansätzen vorhanden waren - ganz ähnlich, wie ich das in der Germania Magna erwarten würde. Geplant war aber auch im Piktenland sicherlich, dauerhaft zu bleiben...

Die weit nach Westen vorgeschobenen Stellungen in den Flußtälern sind eine Besonderheit von Gask Ridge. Interpretiert werden sie überwiegend als Vorposten, die frühzeitig drohende Einfälle der Barbaren erkennen und melden sollten. Das impliziert aber, die Römer hätten sich frühzeitig auf die Besetzung des schmalen Küstenstreifens beschränken wollen. Und das, obwohl doch nach Quellenlage Agricola einen glänzenden Sieg gegen die Pikten gefeiert haben soll. Ich bin deshalb noch am Zweifeln, ob wir wirklich von einem Zementieren der Grenze ausgehen sollten, oder ob nicht diese Vorposten vielmehr die "Vortriebsköpfe" der römischen Militärmaschine waren, die den Macht- und Kontrollbereich sukzessive tiefer ins Landesinnere ausdehnen sollten.

Gegenüber der Germania Magna sind in Schottland natürlich die Rahmenbedingungen zum Auffinden römischer Bodendenkmäler erheblich angenehmer (abgesehen vom Wetter vielleicht). Wir müssen nicht spekulieren über die Verteilung von Lagern, sie sind in ordentlicher Zahl und in schönen Reihen bereits bekannt, überwiegend sogar schon sauber datiert. Da hier im Forum gern über ein schön regelmäßiges Raster für diese römischen Lager nachgedacht wird, hab ich mal für die ersten paar auf The Gask Ridge Projekt verzeichneten Lager die Entfernungen per Google Maps ausgemessen (die genauen Standorte lassen sich über die Online-Datenbank der Royal Commission on the Ancient and Historical Monuments of Scotland ermitteln und sogar in hochaufgelösten Topo-Karten anzeigen):

Camelon - Doune 28,3km
(möglicherweise fehlt hier eine noch nicht entdeckte Zwischenstation)

nach Westen:
Doune - Bochastle 13,5km
Bochastle - Malling 14,8km
Malling - Drumquhassle 20,5km

nach Nordosten:
Doune - Ardoch 18,3km
Ardoch - Strageath 11,6km
(Strageath - Dalginross 15,6km)
Strageath (andere Flußseite) - Midgate (?) 14,8km
Midgate - Bertha 11,5km
(Strageath (andere Flußseite) - Bertha 23,1km)
(Bertha - Fendoch 20,7km)
Bertha - Cargill 18,1km
Cargill - Inchtuthil 7,9km, aber sehr krumm
(Bertha - Inchtuthil 22,3km, aber auch sehr krumm)

Allzu regelmäßig sind diese Entfernungen nicht. Regelhaft dagegen scheint zu sein, daß die Standorte an Flußmündungen (besserer Schutz nach zwei Seiten) oder Flußübergängen gewählt wurden.
 
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